Marzahn-Hellersdorf: Nazis in der BVV

[ABM] Antifa Bündnis Marzahn/Hellersdorf 26.04.2007 13:19 Themen: Antifa
Seit Oktober ist die rechtsextreme NPD in der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit drei Verordneten vertreten und ein erstes Resümee lässt sich ziehen:
Im Gegensatz zum Auftreten der Nazis in anderen Berliner Bezirksparlamenten, agiert die Marzahn-Hellersdorfer NPD-Fraktion eher unscheinbar. Chieduch, Wichmann und Burkhardt sind mit ihrer Arbeit als Bezirksverordnete absolut überfordert. So kommt es immer wieder vor, dass bekannte Nazikader im Publikum vertreten sind und den NPD-Verordneten Hinweise zuflüstern oder das einfache Höflichkeitsregeln nicht eingehalten werden, z.B. hat Chieduch, der Fraktionsvorsitzende der NPD, die in der BVV Anwesenden schon mal geduzt.

Trotz der offensichtlichen Unfähigkeit der drei Verordneten müssen wir die demokratischen Fraktionen mahnen, sich an die Vereinbarung zu halten, alle Anträge der NPD abzulehnen und auch sonstige Zusammenarbeit mit den Nazis konsequent auszuschließen, um ihnen nicht noch mehr öffentlichen Raum für ihr menschenverachtendes Weltbild zu bieten. Dass dies nicht immer selbstverständlich ist, zeigt die Einladung von Bernadette Kern (Fraktionsvorsitzende der Bündnis90/Die Grünen) an die NPD, sich in den Ausschüssen an der Diskussion über Funksendemasten zu beteiligen. Bereits bei der Wahl zum stellvertretenden Sozialbeirat bekam einer der Nazis drei Stimmen von Mitgliedern anderer Parteien.

Doch auch in den wenigen Monaten seit der konstituierenden BVV sind die rassistischen und nationalistischen Positionen der NPD immer wieder zum Vorschein gekommen:
In einer kleinen Anfrage an das Bezirksamt vom 12.03.07 möchte Wichmann erfahren, welche Kosten durch die Sprachförderung vietnamesischer Mitmenschen für den Bezirk anfallen und welchen Nutzen das hat. Bereits im Februar wollten die Nazis mit einem Antrag erreichen, dass in der BVV nur Deutsch gesprochen wird und Fremdwörter zu vermeiden sind.
Im Januar boykottierte die NPD-Fraktion die Teilnahme an der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus und zu Beginn der BVV im vergangen Dezember wurden mehrere Hakenkreuze in Toilettenwände geritzt.

Im November vergangen Jahres haben wir bereits über die Unterstützung der lokalen NPD-Fraktion durch die bundesweit bekannten Nazikader Frank Schwerdt und Thomas Wulff während der konstituierenden BVV berichtet. Auch in den folgenden Monaten standen diese den Verordneten helfend beiseite: Wulff im November und Schwerdt im Januar und Februar. Bei der vergangenen BVV-Sitzung im März war erstmals der frühere Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN) Andreas Storr im Publikum anwesend.

Storr wurde Anfang der 1990er Jahre zunächst bei der rechtsextremen Partei "Die Nationalen" aktiv. Er gab die "Nationalen Nachrichten", eine Wahlkampfzeitung der Nationalen zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen von 1992 heraus, aus der sich 1993 die rechtsextreme Zeitung "Berlin-Brandenburger Zeitung" entwickelte. Zur gleichen Zeit engagierte er sich auch bei der NPD, ihrer Jugendorganisation JN und dem Nationaldemokratischen Hochschulbund. Er fungierte von 1992 bis 1994 als Bundesvorsitzender der JN und später als Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Berlin und als Listenführer der NPD bei den Berliner Abgeordnetenhaus-Wahlen. In diesen Funktionen meldete er mehrere Nazi-Aufmärsche an, so z. B. am 1. Mai 1996 mit rund 300 Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet in Marzahn, am 15. Februar und am 26. Juli 1997 in Hellersdorf, und trat auch als Redner auf, z.B. am 29. Januar 2000 bei dem NPD-Aufmarsch gegen das Holocaust-Mahnmal durch das Brandenburger Tor. Des Weiteren war er presserechtlich Verantwortlicher der NPD-nahen Zeitung "Denkzettel". 2001 trat er bei den Landratswahlen in Sachsen als Kandidat der NPD im Landkreis Sächsische Schweiz, in dem die NPD vergleichsweise stark vertreten ist, an und erlangte einen Stimmenanteil von 4,1 Prozent. Zur Bundestagswahl 2005 trat Storr für die NPD auf Platz vier der Landesliste und als Direktkandidat im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf an. Derzeit ist er Mitarbeiter der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, sowie stellvertretender Vorsitzender der NPD Görlitz.

Gleichzeitig ist er in der militanten Neonaziszene der Freien Kameradschaften aktiv und war Führungskader der "Kameradschaft Marzahn". Er betrieb auch das "Nationale Infotelefon Berlin" (NIT Berlin), über das die Berliner und Brandenburger Neonaziszene regelmäßig zu Aktionen und Aufmärschen mobilisierte.

Storr verteilte im September 2005 zusammen mit Wichmann und weiteren Nazis die so genannte „Schulhof-CD“ (Titel „Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund“) an der Rudolf-Virchow-Gesamtschule in Marzahn. Als einige SchülerInnen die CDs einer 62-jährigen Lehrerin übergeben, entreißt Storr ihr diese gewaltsam. Einen Tag, vor der letzten BVV, dem 21.03.07 wurde Storr deshalb wegen Nötigung zu 4000€ Geldstrafe verurteilt. Matthias Wichmann fungierte in dieser Verhandlung als Zeuge für Storr.

Nicht nur als beratende Kraft, sondern als angestellter Mitarbeiter der NPD-Fraktion, ist der ehemalige Nazi-Aussteiger Lars Macht tätig. Macht meldete sich 2002 als NPD-Mann und Kameradschaftsführer bei EXIT-Deutschland, da er sich von Partei und nationalsozialistischer Weltanschauung für immer trennen wolle und Unterstützung nötig hätte. Er hielt viele Vorträge über die NPD und ihre Verbindungen zu den freien Kameradschaften um über die Gefährlichkeit der Nazi-Ideologie aufzuklären und erhielt dafür Honorare.

Jetzt ist alles wieder vorbei. Macht macht wieder auf Nazi und Systemfeind, mischt wieder mit, die alten Kameraden hatten sofort Verwendung für ihn. Zunächst log Macht gegenüber EXIT-Deutschland, spielte heile Welt. Dann erzählte er, das Geld habe gelockt wegen Frau und Kind. Macht scheint Honorare zu lieben, egal von wem. Und erzählen kann er, auf Knopfdruck das, was das Geld hergibt. Auf seine erneute Nazikarriere angesprochen, bekannte er sich nur unter dem Druck der Tatsachen.

Zusammenfassend halten wir fest, dass sich hinter der Unscheinbarkeit und Unfähigkeit der NPD-Fraktion immer noch Nazis verstecken, die Hass und Gewalt fördern und praktizieren und gegen alles, was nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passt, hetzen und aufstacheln. Ihrer völkisch-rassistischen, nationalistischen und revisionistischen Ideologie darf keine Plattform geboten werden.

Keine Stimme den Nazis
Keine Zusammenarbeit mit der NPD

Weitere Informationen:
* Nazis in der BVV - Bericht zum 26.10.2006
 http://de.indymedia.org/2006/11/162074.shtml
* kritische Dokumentation der NPD & REPs in Berliner BVV:
 http://nip-berlin.de
* Chronik neonazistischer Aktivitäten in Marzahn-Hellersdorf:
 http://www.kein-verstecken.de
* Wikipedia zu Andreas Storr
 http://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Storr
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Ergänzungen

Heute nächste BVV...

egal 26.04.2007 - 13:38
Heute um 16Uhr findet die nächste BVV im Freizeitforum Marzahn an der Marzahner Promenade statt. Die NPD wird mehrere Anfragen/Anträge stellen (z.B. Gedenkfeier für die "armen vertriebenen Deutschen" oder Umbenennung der Bezirksstelle "Migrationsbeauftragte" in "Beauftragte für Ausländerrückführung").

Berlin

egal 26.04.2007 - 13:56
Aso, Marzahn-Hellersdorf ist ein Berliner Bezirk.

anträge so auch in lichtenberg hohenschönhaus

helga 26.04.2007 - 16:19
der antrag auf die umbenennung der migrationsbeauftragten wird heute auch in der lichtenberger bvv gestellt. nur als zwischen info. das wird wohl zeitgleich in den drei berliner bezirgen geschehen.

Jep

Kiecka06 26.04.2007 - 19:12
Richtig, ebenso in Treptow-Köpenick!

NPD-Veranstaltung BERLIN-Neukölln

hugo 27.04.2007 - 18:57
Die NPD hat für den 8.Mai eine Veranstaltung in Berlin Neukölln geplant.
Mehrer Parteien und antifaschistische Gruppen rufen zu Gegenaktionen auf.
Infos gibts auf der Seite der Neuköllner PDS
 http://www.linkspartei-neukoelln.de/

oder

 http://www.dkp-neukoelln.de/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1

betrifft Erwähnung von Bündnis90/die Grünen

Christian Fender 07.05.2007 - 17:31
Was soll denn diese vereinfachte Darstellung von der Gegenrede von Bernadette Kern. Völlig unnötig und unsachlich.

Es gibt im Bezirk eine BürgerInnenbewegung die sich kritisch gegen diese Funkmasten mobilisiert hat. Dieses Thema war schon längst im entsprechenden Ausschuss. Die NPD hat einfach dazu einen Antrag gemacht und in die BVV eingebracht, was eigentlich unüblich ist.

Der Antrag für sich genommen war an sich nicht antidemokratisch. Wir wollten nicht inhaltlich gegenreden (wär auch schwer geworden), sondern strukturell. Wir haben das eben genannte, nämlich, dass die NPD diesen Antrag stellt, kritisiert und rhetorisch die NPD darauf aufmerksam gemacht, dass die Diskussion ja im Ausschuss ist und sie sich daran beteiligen können, womit wir ihnen kein zusätzliches Forum bieten, da es ja bekannterweise ihr Recht als gewählte Fraktion ist, sich in den Ausschüssen mit Wortbeiträgen zu beteiligen.

Der Antrag wurde anschließend in einer öffentlichen Abstimmung von allen demokratischen Verordneten abgelehnt.

Unsere Fraktion, hat noch nie einem NPD-Antrag bzw. einem NPD-Kandidaten zugestimmt oder arbeitet mit ihr zusammen!

Soviel dazu.

Als Schlussbemerkung möchte ich noch sagen, dass wir uns an Absprachen halten, ich aber auch zu bedenken gebe, dass diese Taktik auch Nachteile hat. Langfristig könnten sie dadurch auch Punkte bei einigen Teilen der Bevölkerung sammeln. Es entsteht eine Art Märtyrerstatus, wenn die "Einheitsparteien" konsequent Anträge, die von der einen oder dem anderen BürgerIn auch mal als gut empfunden werden, abgelehnt werden.

Und für das nächste mal wünsche ich mir, dass der Verfasser/die Verfasserin vorher nochmal das Gespräch sucht, bevor sie so so etwas schreibt.

danke,

Christian Fender

Mitglied der BündnisGrünen Fraktion in Marzahn-Hellersdorf.de








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