Schulstreik am Dienstag in Berlin

Wladek Flakin 25.04.2007 21:56 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Die deutsche Hauptstadt erlebte am Dienstag erneut eine überraschend große Schülerdemo. Mehr als 5000 Jugendliche (die Polizei sprach von 1600) demonstrierten durch die Innenstadt, um das Recht auf Bildung und Ausbildung zu fordern. Im Anschluß spielten der Rapper Prinz Pi und die Skaband Gingsengbonbons vor dem Roten Rathaus.
"Es ist super, daß trotz der kurzen Mobilisierungszeit so viele Schüler gekommen sind", sagte Raphael (17) von der Schülerinitiative "Bildungsblockaden einreißen!", die zum Schulstreik aufgerufen hatte. Das Konzert wurde organisiert von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der DGB-Jugend und der Landesschülervertretung unter dem Motto "Ausbildung für alle – jetzt!" Für die Mobilisierung zu beiden Veranstaltungen waren nur neun Tage nach den Osterferien Zeit, aber selbst die Kurznachrichten auf den Bildschirmen in der U-Bahn hatten am Tag zuvor die Aktion angekündigt.

Bachy, eine Gymnasiastin aus Lichtenberg von der Jugendgruppe REVOLUTION, präsentierte auf der Abschlußkundgebung die Forderungen der Schülerinitiative: Neben der Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen und der Wiederherstellung der Lernmittelfreiheit verlangten die DemonstrantInnen auch den Verzicht auf Studiengebühren und die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Die Vorsitzende der GEW Berlin, Rose-Marie Seggelke, sprach über die katastrophale Ausbildungsplatzsituation in Berlin: Weniger als jedeR zweite Jugendliche erhält unmittelbar nach der Schule eine Lehrstelle.

Der 18jährige David kam mit einer Spontandemonstration von rund 200 SchülerInnen aus Berlin-Weißensee. Die Jugendlichen liefen die Greifswalder Straße hinunter und wurden mit Applaus in Mitte empfangen. Der 15jährige Simon aus Kreuzberg hatte weniger Erfolg, als er seine Mitschüler während der Hofpause zu mobilisieren versuchte, denn die Hausmeister reagierten äußerst aggressiv. "Es ist wichtig, dass wir gegen die schlechten Zustände an unseren Schulen aktiv werden, aber das verstehen viele Schüler leider noch nicht" sagt er. Immerhin war er zusammen mit fünf Leuten von seiner Schule auf die Demo gekommen.

Manche LehrerInnen brachten ihre Klassen auf die "Workparade" der GEW mitgebracht, aber das war eher die Ausnahme. Die Mobilisierung der Gewerkschaft beschränkte sich darauf, Flugblätter an die Schulen zu verschicken und zu hoffen, dass die LehrerInnen oder vielleicht die Schülervertretungen den Protest organisieren würden. Anscheinend hat das nicht so gut funktioniert. Wesentlich effektiver war die Agitation der Schülerinitiative - rund 30.000 kleine Flyer wurden in der Woche vor dem Streik verteilt! -, die die SchülerInnen direkt aufrief, selbst aktiv zu werden.

Den SchülerInnen, die an der Kundgebung teilnahmen, wird dies voraussichtlich als unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht angerechnet. Auf einem Transparent hieß es dazu: "Was ist ein Fehltag gegen unsere Zukunft?" Viele TeilnehmerInnen wollen aktiv bleiben, weil sie enttäuscht sind, daß es trotz des großen Schulstreiks vor sechs Monaten mit 10.000 Teilnehmern und trotz der Wahlversprechen der in Berlin regierenden Parteien SPD und Linkspartei.PDS keine Verbesserungen in den Schulen gibt. Der passende Spruch dazu: "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten! Wer war mit dabei? Die Linkspartei!"

Linke AktivistInnen von Antifa-Gruppen, sozialistischen Organisationen, Studentengruppen und auch des Linkspartei-Jugendverbandes solid verteilten Flugblätter zum 1. Mai und zum G-8-Gipfel im Juni. Nach ihren Gründen zum Streiken gefragt, antwortete die 17jährige Julia: "Weil ich die Welt verändern will". Viele Teilnehmer teilten diese Einstellung: neben den traditionellen Parolen wie "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!" und "Bildung für alle, sonst gibt's Krawalle!" wurde immer wieder die Parole "One Solution: Revolution!" skandiert.

Die Berliner Polizei erklärte, es habe keine Zwischenfälle gegeben. Aber Manuel (19), der nach dem letzten Schulstreik verhaftet worden war und vier Monate in Untersuchungshaft saß, wurde aus unklaren Gründen kurzzeitig erneut festgenommen.

Dieser Schulstreik ist zu Stande gekommen, weil alle Beteiligten vom Streik im September mit 10.000 TeilnehmerInnen so beeindruckt waren. Da dieser Streik ebenfalls ein Erfolg war, wird die nächste Schüleraktion nicht lange auf sich warten lassen.

(eine gekürzte Version dieses Artikels erschien in der jungen Welt)


++++++++++++++++++++ UNVERSCHÄMTE EIGENWERBUNG ++++++++++++++++++++

Wir von der unabhängigen kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION haben zusammen mit anderen linken Jugendlichen in der Schülerinitiative "Bildungsblockaden einreißen!" den Schulstreik organisiert. Ursprünglich war von der GEW nur die Workparade - d.h. das Konzert mit einigen kurzen Reden dazwischen - geplant. Erst vor einem Monat entschied die Schülerinitiative, zusätzlich zur Gewerkschaftskundgebung einen Streik und eine Demonstration zu organisieren, damit der Tag einen klaren politischen Inhalt und ein bisschen mehr Action haben würde.

Revo-AktivistInnen waren - neben Mitgliedern von ['solid] und [arab] sowie vielen unorganisierten SchülerInnen – von Anfang an in der Schülerinitiative dabei, und in der Woche vor dem Streik waren wir jeden Tag unterwegs, um Flugblätter zu verteilen und Plakate zu kleben. Wir waren bemüht, die Basis der Schülerschaft für den Streik zu organisieren, wobei es im Vergleich zum letzten Streik weniger Zeit dafür gab. Bei der Demonstration selbst liefen wir ziemlich weit vorne mit unserem beliebten Spongebob- und "KLASSEN-KAMPF"-Transpi, und hielten einen Redebeitrag vom Lautiwagen.

Wir wollen, dass die SchülerInnen, die für den Streik aktiv geworden sind, weiterhin aktiv bleiben. Deshalb schlagen wir vor, an allen Berliner Schulen Anti-G8-Gruppen zu bilden, die vor Ort gegen den G8-Gipfel Anfang Juni mobilisieren [siehe Redebeitrag unten]. Alle SchülerInnen, die mit dem Streikaufruf dafür sorgen konnten, dass es in den Schulen wieder mal Interesse über politische Themen gab, können die Politisierung in diese Richtung weiterführen.

Viele linken Jugendgruppen waren in den letzten Wochen mit internen Streitigkeiten in der Linkspartei.PDS oder WASG zu beschäftigt, um sich ernsthaft an der Vorbereitung des Streiks zu beteiligen. Das ist für uns ein weiteres Zeichen dafür, dass eine unabhängige und revolutionäre Jugendorganisation nötig ist, um konsequent für die Rechte der Jugend zu kämpfen.

Das kapitalistische System macht Bildung zu einer Ware, die nach den Gesetzen des freien Marktes ge- und verkauft wird. Das bedeutet Gebühren auf der Uni, Bildung nur für die Elite, keine Ausbildungsplätze für einen großen Teil der Jugendliche usw.usf. Wenn wir ein freies und selbstbestimmtes Bildungssystem wollen, reicht es nicht, die Regierung darum zu bitten – es läuft kein Weg daran vorbei, dass wir uns selbst organisieren, um die Kontrolle über das Bildungssystem und die gesamte Gesellschaft zu erkämpfen. Wie wir eben gesagt haben: One Solution: Revolution!

Was können wir aus diesem Streik lernen? Wir laden ein, diese Frage am Freitag im Café Rojo zu diskutieren, wo es außerdem ein Vorbereitungstreffen für den revolutionären 1. Mai geben wird:

Café Rojo, das rote Jugendcafé in Kreuzberg/Schöneberg
jeden Freitag ab 17 Uhr (Programm ab 18 Uhr)
Mansteinstr. 10, U+S-Bhf Yorckstraße
 http://www.caferojo.de.vu


++++++++++++++++++++ REDEBEITRAG VON REVOLUTION ++++++++++++++++++++

No time to waste...

…denn in nicht mehr als sechs Wochen findet der G8 Gipfel statt. Vom 6-8. Juni schotten sich die Staats- und Regierungschefs der sieben mächtigsten Wirtschaftsnationen plus Russland zum Gipfeltreffen in Heiligendamm bei Rostock ab, um angeblich die Probleme der Welt im kleinen Kreis zu lösen. Diese Treffen dienen dem Ausgleich wirtschaftlicher und politischer Interessen der beteiligten Staaten. Diese acht Regierungen entscheiden über Angelegenheiten, die rund sechs Milliarden Menschen betreffen, aber dazu sind sie weder fähig noch legitimiert.

Die G8 gilt weltweit als Symbol für den globalen Kapitalismus. Um sich dem Gipfel entgegenzusetzen, organisiert sich bereits ein breites Spektrum verschiedenster globalisierungskritischer Initiativen und Bewegungen. Doch es finden sich wohl genauso viele, die zwar vom G8-Gipfel wissen und auch etwas dagegen tun wollen, doch nicht wissen was und wie.

Und weil alleine kämpfen nicht nur langweilig sondern meistens auch uneffektiv ist, lautet die Losung: GO GET ORGANIZED!

Welcher Ort eignet sich für diesen Zweck wohl am besten? Richtig geraten, der Ort, an dem sich Tag für Tag die meisten Jugendlichen befinden: die Schule. Damit möglichst viele SchülerInnen an der internationalen Großdemonstration und den Protesten gegen den Gipfel teilnehmen, müssen wir an jeder Schule Anti-G8-Gruppen aufbauen, um Informationen zu verbreiten und die Mobilisierung vor Ort zu organisieren.

Wendet euch zuerst an FreundInnen und Bekannte, um die Sache überhaupt ins Rollen zu bringen. Alle SchülerInnen, die etwas gegen den G8-Gipfel auf die Beine stellen wollen - egal ob von Antifa-Gruppen, sozialistische Organisationen, den Grünen, der Gewerkschaft, der Schülervertretung oder von gar keiner Gruppe – sollen regelmässig zusammenkommen und planen, wie man möglichst viele SchülerInnen in die Proteste einbindet. Aber vergesst die Publicity nicht: bewerbt eure Treffen mit Aushängen und Plakaten, damit bekannt wird, dass es eine Anti-G8-Gruppe gibt.

Man muss sich aber auch über die Politik der G8 informieren: bei den Gruppentreffen soll man auch inhaltliche Themen besprechen. Es braucht jedoch Zeit, bis sich ein gewisses Maß an Eigendynamik entwickeln kann. Deshalb sollte man sich schon im Vorfeld darauf einstimmen, Themen vorzubereiten, zum Beispiel die Armut in der Welt oder die bisherigen Anti-G8-Proteste.

Es geht auch darum, sich auf die Proteste dieses Jahr vorzubereiten. Wie soll der Protest aussehen? Was ist vor Ort geplant? Solche Themen stoßen bestimmt auf reges Interesse, und damit sind wir für die Demonstration in Rostock in bester Form.

Dann einfach an der Schule mobilisieren: mit Flugblättern, Plakaten, Transparenten, Treffen in den Pausen, Theaterstücken, Quiz-Spielen, was auch immer - seid kreativ! Wenn ihr Ideen braucht, könnt ihr euch an REVOLUTION wenden. Vernetzt euch mit anderen Anti-G8-Gruppen an Schulen, damit SchülerInnen aus ganz Berlin mitfahren.

Schliesslich sind wir Jugendliche in der kapitalistischen Gesellschaft von vielen Problemen konfrontiert, ob Arbeitslosigkeit, schlechte Schulen oder Ausbildungsplatzmangel. Darauf gibt es nur eine Antwort: selbst aktiv zu werden und zu kämpfen! Lasst uns den G8-Gipfel nutzen, um möglichst viele junge Menschen zu politisieren. Denn eine andere Welt ist möglich, wenn wir für eine Revolution kämpfen. Und diesen Kampf kann man schon in der Schule beginnen.

Von der Schule nach Heiligendamm!
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Ergänzungen

Stimmung auf der Demo

Kinna 26.04.2007 - 10:48
Die Stimmung auf dieser Demo war jedenfalls sehr viel aggressiever als auf der letzen. Es wurden vereinzelt Böller geworfen und die Bullen wurden sogar vertrieben, als sie eine Strasseseite dichtmachen wollten. Recht ordentlich für eine Schülerdemo.

bilder gibt es auch bei adf-berlin.de

linksetzer 26.04.2007 - 11:28
 http://www.adf-berlin.de zu finden unter gallery oder den direktlink

". weil man uns die Bildung klaut"

Daniel Baumann 26.04.2007 - 11:39
Tausende Schüler demonstrieren in Mitte für bessere Bildungs- und Ausbildungschancen

Bild

Bild 26.04.2007 - 20:27
Bild - Soli mit Griechenland !!!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

We don´t want this education ... — Jugendantifa Berlin

Was soll der SCheiß??? — schulaction

Antworten — Wladek Flakin

lieber Tokio Hotel — Schüler

Typisch Revo — Marius

@Marius — Wladek