Die US-Regierung und das Eichmann-Theater

gaby weber 23.04.2007 04:32 Themen: Antifa Militarismus Repression Weltweit
Wer offensichtlich noch am selben Tag vom Theater der Entführung von Adolf Eichmann profitiert hat, war die US-Regierung. Dies ist wohl auch der Grund, warum US-Staatsbürger und ein US-Flugzeug bei der Planung und Durchführung der Aktion eine zentrale Rolle gespielt haben. Warum mussten die USA Argentinien vor aller Welt erniedrigen?
Der Organisator des Holocaust war in Argentinien verbittert geworden und gab Interviews. Es war eine Frage der Zeit, dass irgendwann einmal ein Journalist an seiner Haustür klingeln würde. Eichmann war zu einer Gefahr geworden, für seinen früheren Arbeitgeber, Standard Oil, für Israel, für andere. Die Frage drängt sich auf: wenn man Eichmann zum Schweigen bringen wollte, warum dann nicht mit einem Genickschuss oder ihn einfach „verschwinden“ lassen? Das wäre billiger und praktischer gewesen, als ihn nach Uruguay zu locken, ein Flugzeug zu organisieren, Piloten zu engagieren, ihn festzunehmen, zu verhören und in einer Nacht- und Nebelaktion an Israel auszuliefern? Wozu das Theater? Es brachte auch für den jungen israelischen Staat zunächst diplomatische Probleme mit der argentinischen Regierung, die durch die (angenommene) Verletzung ihrer Souveränität in aller Welt blossgestellt und erniedrigt war. Und mögliche Komplikationen auch für Uruguay, falls eines Tages alles herauskommt ...

Wer offensichtlich noch am selben Tag von diesem Theater profitiert hat, war die US-Regierung. Dies ist wohl auch der Grund, warum US-Staatsbürger und ein US-Flugzeug bei der Planung und Durchführung der Aktion eine zentrale Rolle gespielt haben. Warum mussten die USA Argentinien vor aller Welt erniedrigen?

Die Antwort auf diese Frage liegt im 15. Stock des Aussenministeriums in Buenos Aires. Dort werden die bilateralen Verträge aufbewahrt. Und im Ordner „Argentinien-USA“ kann man nach Datum suchen. Im Mai 1960, dem Monat der Eichmann-Überführung, finde ich nur einen Vorgang, einen Brief des argentinischen Staatssekretärs Miguel Angel Centeno, gerichtet an den US-Botschafter. Dort, wo das Datum stehen sollte, heisst es nur „.... Mai 1960“, so als wäre der Verfasser dieses Briefes sicher gewesen, dass die argentinische Regierung an einem Tag im Mai 1960 diese Dokument unterzeichnen würde. Der Tag, an dem das Dokument unterzeichnet wurde, war der 23. Mai, wie der Eingangsstempel verrät. An diesem Tag hatte Ben Gurion in der Knesset die Verhaftung Eichmanns bekannt gegeben. Der Kriegsverbrecher war aus dem „Nazi-Nest“ geholt worden. Und die argentinische Regierung musste mit weiteren, derart demütigenden Aktionen rechnen. Sie ging in die Knie und unterwarf sich dem diplomatischen Druck der USA. Zitat aus dem Brief vom 23. Mai:

“Unter Bezug auf das Angebot der US-Regierung vom 9. September (1959), uns atomares Material und Forschungsgeräte zu liefern, ist es mir eine Ehre, Eurer Exzellenz mitzuteilen, dass die argentinische Regierung Ihre in dem Dokument ausgeführten Bedingungen akzeptiert“.

Im September 1959 war zwischen Argentinien und den USA ein Abkommen über die Zusammenarbeit auf nuklearem Gebiet vereinbart worden, Argentinien hatte sich nur noch den von den USA geforderten Kontrollen zu unterwerfen und versprechen müssen, die Atomtechnologie ausschliesslich zu zivilen Zwecken zu benutzen.

Doch die Argentinier zauderten. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hatten sie gezielt und mit grossem Aufwand deutsche Techniker an den Rio de la Plata geholt, vor allem Raketenspezialisten, Flugzeugbauer und Atomwissenschaftler. Es ging um den Aufbau einer nationalen Waffenindustrie. In Córdoba baute Kurt Tank eine Flugzeugfabrik, in der Nähe, in Carmen del Falda, wurden Raketen erprobt und in Bariloche bastelte Ronald Richter an der Atombombe und der Kernfusion.

Viele dieser Techniker verliessen nach dem Putsch gegen Perón, 1955, Argentinien. Die meisten gingen in die Bundesrepublik zurück, wo gerade die Bundeswehr gegründet worden war, viele folgten aber auch dem Ruf der USA, wo Wernher von Braun tätig war. Auch Ronald Richter diente sich der US Airforce (USAF) an, wurde aber wegen mangelnder Qualifikation abgelehnt - „not interested“, heisst es in dem vertraulichen Vermerk vom 21. November 1956 des Headquarters der USAF.

Die USA übten heftigen Druck auf die Regierung in Buenos Aires aus, die Zusammenarbeit mit den Nazi-Technikern zu beenden und boten sich selbst als neue Partner an. Im Juli 1955 wurde in Washington der bilaterale Vertrag unterzeichnet, der fünf Jahre gültig sein sollte. In Artikel II versprechen die USA, Argentinien sechs Kilo angereichertes Uran zu liefern, aber nur für „friedliche Zwecke“.

Dieser Vertrag lief im Juli 1960 aus und musste also verlängert werden. Aber die Argentinier wollten sich nicht auf die „friedlichen Zwecke“ beschränken lassen und sie brauchten auch eine viel grössere Menge von Uran. Seit September 59 war die Verlängerung unterschriftsreif, aber die Argentinier stellten sich stur. Bis zum 23. Mai 1960. An diesem Tag wurde weltweit bekannt, dass der ranghöchste NS-Mann in Exil aus dem Nazi-Nest Argentinien geholt worden war. An diesem Tag unterwarfen sie sich bedingungslos den Forderungen aus Washington. Zwei Wochen später wurde der bilatale „Vertrag über die zivile Nutzung der Atomenergie“ unterzeichnet.

Ein weiterer Sieg für die USA war das „Abkommen über Zusammenarbeit und technische Ausbildung durch US-Offiziere“ vom 2. August 1960. Die argentinische Regierung zahlt den im Lande tätigen US-Militärinstrukteuren Flugtickets Erster Klasse und Artikel XIII gewährt ihnen Immunität den argentinischen Gerichten gegenüber. Diese Zusicherung der Immunität war schon damals ungewöhnlich, was auch erklärt, dass diese Verträge nicht in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Und heute lehnt die Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten, auch Argentinien, die Immunität für US-Soldaten ab.

Es ist auffällig, dass Argentinien damals vor einer weltweiten Bloßstellung bewahrt wurde. Dabei schätzen Historiker, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg etwa 50.000 Nazis nach Argentinien abgesetzt hatten, darunter auch Kriegsverbrecher wie Eichmann und Mengele. In Argentinien kam dieses dunkle Kapitel der Geschichte erst in den neunziger Jahren in die Öffentlichkeit, in Deutschland bis heute nicht. Auch in den Protokollen und im Prozeß in Israel sagte Eichmann so gut wie nichts über die Struktur des Naziexils am Rio de la Plata aus, und weder die Richter und Ermittler noch die Weltpresse insistierten.

Dies sind die Tatsachen. Ab hier ein Kommentar: Man könnte sich auf den Standpunkt stellen: ein geniales Theater mit erfolgreichem Ende! Denn schließlich ist es ein Erfolg, dass der Spuk der Naziwissenschaftler am Rio de la Plata sein Ende fand. Argentinien ist ein atomwaffenfreies Gebiet und das ist gut so. Allerdings wäre es wünschenswert, dass der gesamte Planet atomwaffenfrei wird. Warum ist er es nicht?

Gründe genug, damit die USA und Argentinien endlich alle Dokumente freigeben.

Fortsetzung: Kuba - Ein Interview mit Fidel Castro, das (noch) nicht stattgefunden hat

Gaby Weber
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Ergänzungen

Zur Sache

freebse 23.04.2007 - 09:16
Eichmann arbeitete bei Daimler-Benz in Buenos Aires.
Nun gibt es zwei Versionen:

Die Version der Agenten, die von der israelischen Regierung nie dementiert wurde, lautet:

1. Nach jahrelanger Fahndung will der Mossad Eichmann in Argentinien gefunden und am Abend des 11.Mai 1960 auf seinem Nachhauseweg gestellt und gewaltsam in ein Auto gezerrt haben. In einer konspirativen Wohnung in Buenos Aires wollen sie ihn neun Tage gefangen gehalten haben.

2. In der Nacht des 20.Mai wollen Mossad-Agenten Eichmann, betäubt und in der Uniform eines El-Al-Stewards, an der unaufmerksamen argentinischen Zoll- und Passkontrolle vorbei am Internationalen Flughafen in Ezeiza in das El-Al-Flugzeug Bristol Britannia gesetzt haben, das am Morgen eine Regierungsdelegation nach Buenos Aires am Morgen eingeflogen hatte.

3. Das El-Al-Flugzeug soll kurz nach Mitternacht, am 21.Mai, in Ezeiza gestartet, und nach einer Zwischenlandung in Dakar am 22.Mai um 7.35 Uhr in Israel gelandet sein.


Diese Version bestreitet u.a. Gaby Weber und es deutet auch einiges darauf hin, das zumindest Version 1 nicht komplett stimmt:

1. Eichmann ist 1957 von einem Überlebenden des KZ Dachaus, Lothar Hermann, entdeckt worden, einem alten, blinden Mann. Er teilte dies dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer mit, der die israelische Regierung jahrelang vergeblich versuchte zu überzeugen, den Kriegsverbrecher vor ein israelisches Gericht zu bringen. Im März 1960 schrieb Hermann nach Israel: "Es scheint, dass Sie kein Interesse haben, Eichmann zu verhaften."

2. In der Nacht des 20.Mai wurde nach argentinischen Untersuchungen kein Mann in El-Al-Uniform am Airport in Ezeiza an den Kontrollbehörden vorbeigeschleust. Das El-Al-Flugzeug startete in Ezeiza ohne Eichmann an Bord.

3. Die Bristol Britannia hatte nach Angaben des Herstellers Bristol Aeroplane Company eine Reichweite von 6869 Kilometern. Die Distanz zwischen Dakar und Buenos Aires beträgt aber 6952 km. Deshalb musste das Flugzeug, wie auf dem Hinflug in Recife, auch auf dem Rückflug auftanken. Bei dieser, aus technischen Gründen zwingenden, Zwischenlandung wurde Eichmann in die El-Al-Maschine gesetzt, auf dem Flughafen Laguna del Sauce im uruguayischen Badeort Punta del Este. Aber wie war Eichmann dorthin gekommen? Freiwillig oder gewaltsam?


William Mosetti wurde am 25.November 1914 in Triest geboren. Sein Vater war Direktor von "Lloyd Triestino", der Reederei, die den Suezkanal kontrollierte. Mosetti junior wurde standesgemäß erzogen, lernte mehrere Sprachen und studierte in Florenz Mathematik, Chemie und Physik. 1935 nahm er als Oberleutnant am Abessinienfeldzug Mussolinis teil. Es ging um Erdölvorkommen. Standard Oil hatte dem Duce versprochen, den für diesen Krieg notwendigen Treibstoff zu liefern. 1936 fiel Addis Abeba, nicht zuletzt weil Mussolinis Armee Giftgas eingesetzt hatte. Nach dem Krieg kehrte Mosetti wieder ins Geschäftsleben zurück, jedoch nicht mehr in die Firma seines Vaters, die hatte Mussolini in der Zwischenzeit verstaatlicht, um die Handelsschiffe unter seine Kontrolle zu bekommen.


Die israelische Regierung verweigert jeglichen Kommentar. Sie verschweigt bis heute die Wahrheit und hält die Protokolle der Verhöre oder Verhandlungen mit Eichmann zwischen dem 11. und 21. Mai in Uruguay geheim.

Der Rest ist auf jeden Fall verschwoerungstheoretischer Quatsch oder auch Wahrheit, man weiss es nicht, selbst wenn die USA dabei mitmischte kann der Indymedia Poster dies auch nicht belegen, somit bleibt es Quatsch.

Genauso gut kann ich dem Originaltextschreiber darauf hinweisen, dass William Mosetti 1935 als Oberleutnant am Abessinienfeldzug Mussolinis teilnahm. Mosetti arbeitete nach dem Krieg 1939 zunaechst fuer General Motors und wechselte dann in Koeln zu Ford. Im November schliesslich wechselte er zur Standard Oil Company of New York. Dies ist soweit uninteressant, fuer Standard Oil arbeitete 1927 auch Eichmann, es gab einen Pakt zwischen Standard Oil und den Nazis. Standard Oil half Adolf Hitler an die Macht zu kommen um das Erdoel von Baku zu erobern. Den Treibstoff fuer diesen Krieg wollte Standard Oil bereitstellen. Von 1927-1933 arbeitet Eichmann bei Standard Oil Oesterreich. Mosetti war Offizier unter Mossolini, US Agent und ab 1959 Generalldirektor bei Daimler-Benz in Argentinien.

Die anderen Behautungen im Text lassen darauf schliessen, dass hier jemand die Sache in einem bestimmten Licht darstellen moechte, gerade die Sache mit den in die USA gehenden Wissenschaftlern ist anders und bewiesen eben nicht so.

Bei geschichtlichen Themen und Artikeln dazu ist immer Vorsicht angebracht, ansonsten gilt wie ueberall eine Quelle ist keine Quelle. Querverweise machen noch keinen Beleg, und selbst diese fehlen hier. Vielfach wird versucht Belege dafuer in verschieden Publikationen einzubringen um dann ein breites Belegungspotenzial zu haben. Das ist ganz alte Geschichtsfaelschertaktik. Vorsichtig sein muss man immer wenn man ueber geschichtliche Meinungen!!! (nichts anderes ist das) anhoehrt und mann nicht selber dabei war. Das man aber mit solchen Thesen auch Politik manchen kann, oder sogar diskriminieren und abwertend taetig werden kann ist gefaehrlich.






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