6. Prozesstag in Dessau

prozessbeobachter_Innen 21.04.2007 00:24 Themen: Antifa Antirassismus
„Mit einer mechanisch betriebenen Kübelspritze war Jalloh leicht zu löschen“
Heute befragt das Gericht den 44-jährigen Zeugen Lutz K. Der Beamte der Dessauer Berufsfeuerwehr kleidet den Rang eines Brandoberamtsrats aus. Lutz K. war am 07. Januar 2005 der Einsatzleiter der Feuerwehr beim Brand im Dessauer Polizeirevier. Gegen 12.19 Uhr sei der Alarm mit den Worten „Kellerbrand im Polizeirevier“ in der Zentrale eingegangen. Als Zusatzinformation wäre der Feuerwehr zudem mitgeteilt worden, dass eine Person vermisst würde. Aus Richtung Hauptbahnhof sei der Löschzug dann in die gefahren. Vor dem Haupteingang habe eine Polizeibeamtin gestanden und sie eingewiesen. Während der Anfahrt hätte er gesehen, dass „sämtliche Türen offen standen“, erinnert sich der Zeuge. Das Reviergelände hätten die Einsatzfahrzeuge schließlich über den beschrankten Seiteneingang in der Wolfgangstrasse befahren; die Eingangstür zum Gewahrsamstrakt sei bei seiner Ankunft geöffnet gewesen. „Wir sind dann rein, auf der Treppe lag ein Gartenschlauch, später haben wir noch einen Feuerlöscher gefunden“. An dieser Stelle interveniert Richter Steinhoff: „Stopp. Das geht mir zu schnell“.
Der Vorsitzenden hält dem Zeugen vor, dass in der Akte die Alarmzeit mit 12.11 Uhr protokolliert sei. Lutz K. beharrt auf die Zeitangabe 12.19 Uhr und begründete dies mit dem ihm vorliegenden Computerausdruck: „Unser Rechner registriert exakt die Alarmzeit“. Dann bittet Steinhoff den Zeugen zum Richtertisch. Nach einem kurzen Gespräch nimmt Lutz K. wieder im Zeugenstand Platz. Der Vorsitzende gibt dann bekannt, dass die Alarmzeit 12.05 Uhr gewesen sei.
Lutz K. berichtet nun weiter von den Ereignissen. Auf dem Hof habe sich neben dem Löschzug auch ein Notarzt- und Rettungswagen befunden, letztere seien jedoch nicht über die Feuerwehr beordert, bzw. bereitgestellt worden.
Er sei überdies der Erste Feuerwehrmann vor Ort gewesen, aus dem Keller sei starker Rauch in den Hof gequollen, nach seiner Einschätzung sei es zu dem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, ohne Atemgerät in den Keller zu gelangen. Der Zeuge gibt weiterhin an, dass er unmittelbar neben dem Eingangsbereich zum Gewahrsamstrakt vier bis sechs Polizisten wahrgenommen habe, darunter habe er bei zwei Beamten einen verrußten Naseneingang registriert und daraus geschlossen, dass die beiden bereits unten in der Zelle gewesen seien.
Der Richter erfragt nun die Details zur Einweisung durch die Polizei. Lutz K. kann sich nicht erinnern, wer genau ihn eingewiesen habe, wisse jedoch noch, dass die Person „etwas dicklich“ gewesen sei und eine Uniform getragen habe. Dieser Person habe ihm zugerufen: „Erste Zelle rechts“. Weiterhin sei ihm berichtet worden, dass die im Gewahrsamstrakt befindliche Person an Hand- und Fußfesseln fixiert sei und alle Zellentüren offen stehen würden. Ihm sei dann der Schlüssel für die Fesseln übergeben worden.
Daraufhin habe er den ersten Trupp der Feuerwehr, bestehend aus zwei Mann, zur Bergung des Inhaftierten in den Gewahrsamstrakt hinunter geschickt. Unmittelbar danach habe ein zweiter Trupp den Keller mit einer Wärmebildkamera betreten. Während mittlerweile also vier Feuerwehrmänner im Gewahrsamstrakt gewesen seien, habe er sich zur Lösung des Rauchproblems für eine Rauchabsaugung entschieden. Um diesen Vorgang zu beschleunigen sei ein Kellerfenster im Gewahrsamsbereich eingeschlagen worden: „Dann funktionierte die Entlüftung“. Weiterhin führt der Zeuge aus, dass jeder Trupp ein Funkgerät dabei gehabt habe, und er die beiden Trupps dann angefunkt und um Informationen gebeten. Als er keine Antwort erhielt, habe er sich entschlossen, selbst mit einem Kollegen in den Gewahrsamsbereich einzudringen. Dort sei er dann auf die andere Feuerwehrbeamten gestoßen, die er gefragt habe, ob sie jemanden gefunden haben, was diese verneinten. „Dann haben wir alles noch mal abgesucht. Ich bin dann noch mal in die erste Zelle und zum Feuer zu“. Auf die Frage, wie oder wo Jalloh gebrannt habe, antwortet Lutz K., er habe „eher mittig gebrannt“. „Die Fächerstellung war schon erkennbar“, erinnert er sich an die für den Verbrennungstod typische Körperhaltung. Die Person sei daraufhin abgelöscht worden und man habe „alles so gelassen“, um die Leiche dann der Polizei übergeben.
Zu den Sichtverhältnissen im verqualmten Gewahrsamstrakt befragt, meint der Zeuge, dass man im Stehen wohl nur ein bis zwei Zentimeter weit habe sehen können. „Unten waren die besten Sichtverhältnisse, wir sind dann so rein, am Boden konnten wir 30 bis 40 Zentimeter weit sehen.“ Zu den Temperaturen könne er ferner nichts sagen, da über die Schutzbekleidung kein Temperaturempfinden möglich gewesen sei. Aus der Beschaffenheit des Feuers schließt der Zeuge jedoch, dass die Hitze nicht allzu groß gewesen sein könne, die Flammenhöhe habe nur 30 bis 40 Zentimeter betragen.

Nun übernimmt der Staatsanwalt die Befragung und erkundigt sich, ob die Feuerwehr einen Lageplan des Polizeireviers besitze. Diese Frage wurde von dem Zeugen verneint.
Auf die Frage des Oberstaatsanwalts Preissners, ob er von Hand- und Fußfesseln gewusst habe, antwortet der Zeuge : „Ich bin davon ausgegangen, dass er sich noch bewegen kann im Raum, sich in Sicherheit bringen kann“. Er ging also davon aus, dass Herr Jalloh zwar an Händen und Füßen, jedoch nicht an der Matratze fixiert war.
Ein weiteres Hindernis beim Auffinden des jungen Mannes war die ungenaue Beschreibung der Kellerräumlichkeiten. Der Feuerwehr wurde gesagt es sei die erste Zelle rechts, woraufhin diese davon ausging es sei die erste Tür rechts. Tatsächlich handelte es sich jedoch um die zweite Tür, die erste führt zum Technikraum.

RA`in Götz beginnt mit der Frage, wie die Leiche gelöscht wurde. Dazu führt der Zeuge aus : „Mit einer mechanisch betriebenen Kübelspritze war Jalloh leicht zu löschen“. An einen zeitlichen Ablauf des Löschvorgangs kann er sich heute entgegen der polizeilichen Vernehmung nicht erinnern. Den Zustand der Leiche beschreibt er wie folgt :“Er hatte schwere Verbrennungen.“ Aufgrund der langen Flammeneinwirkungen seien Aufplatzungen des Fleisches gut zu sehen gewesen. Er gibt auch an, dass der einweisende Beamte uniformiert gewesen sei, er jedoch nicht sagen könne, um wen es sich dabei handelte.
Ferner habe er nach Beendigung des Einsatzes am Rande beobachtet, dass der Beamte Mö. wegen psychischer Probleme vom Notarzt betreut wurde, jedoch auf dem Revier verblieb.

RA Isensee befragt den Brandoberamtsrat erneut zum Zustand der Leiche. Er äußert, der junge Mann habe auf dem Rücken gelegen und die Beine wären aufgrund der hitzebedingten Muskelkontraktion angewinkelt gewesen. Den Entstehungsort des Feuers vermute er in der Mitte der Matratze.

Auf die Frage des Nebenklagevertreters, ob die Leiche ein zweites Mal gebrannt habe, gibt er an, dass nach dem Ablöschen die Leiche noch einmal aufgeglimmt wäre, woraufhin sie ein zweites Mal gelöscht werden musste.

Erstmalig im gesamten Prozessgeschehen befragt Sachverständiger Kleiber von der Gerichtsmedizin Halle einen Zeugen. Er möchte von Lutz K. wissen, ob die Leiche während des Löschakts mechanisch berührt worden wäre. Dieser verneint dies und führt weiter aus:.
„ Selbst mit einer Wärmebildkamera war die Person nicht erkennbar. Jetzt macht es Sinn, weil die Person selbst gebrannt hat.“ Denn bis zu diesem Zeitpunkt wäre die Feuerwehr davon ausgegangen, dass es sich um eine brennende Decke handle, nicht um einen Menschen.

Im weiteren Verlauf der Zeugenbefragung wird die Zuständigkeit für brandtechnische Kontrollen zur Sprache gebracht. Laut dem Beamten wäre die Verantwortung dafür vom Landesverwaltungsamt auf die Kommune übergegangen.

Verteidiger Teuchtler fragt nach möglichen Ursachen für Fehlalarme bei Rauchmeldern.“ Einlagerungen von Rußpartikeln, Staub und fehlende Wartung an den Geräten.“, zählt Lutz K. auf. „ Kann auch Wasser einen Fehlalarm auslösen?“, will Teuchtler ganz konkret wissen. „ Ja“, so der Zeuge, „ jedoch nur Wasserdampf.“

Der Brandoberamtsrat gibt an, dass die Dessauer Berufsfeuerwehr für viele öffentliche Einrichtungen Lagepläne habe, in denen u.a. Treppenhäuser und Wasserentnahmestellen eingezeichnet sind. Für das Polizeirevier Dessau verfügte man jedoch über keinen solchen Plan.


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Ergänzungen

Wäre es der Sohn des Oberbürgermeisters....

data 08.05.2007 - 22:55
data 07.05.2007 - 05:38
Wenn es der Sohn des OB gewesen wäre, hätte ein Platzverweis genügt? Das war nicht möglich, weil die Identität unklar war. Für welche Sprache hätten wir denn einen Dolmetscher auf die Straße bestellen sollen? (Er rief etwas in deutsch.) Der Mann mußte mitgenommen werden.
Er schlug mit dem Kopf immer auf den Tisch. (Welchen Tisch - im Keller?)
Zur Leibesvisitation hätten wir ihn nackt ausziehen lassen und die Körperöffnungen prüfen lassen können. Da wäre kein Feuerzeug übersehen worden. Aber das hätte man gleich als rassistische Diskriminierung auslegen können. (MDR info Mitternacht zum zum Prozeßverlauf)

Woher wußte der Richter besser, als das Feuerwehr-Protokoll, wann die Feuerwehr gerufen wurde? Im Jahre 2005 war man einschließlich der Staatsanwaltschaft noch einig, dass der Betrunkene zur Identifizierung mitgenommen werden mußte, weil das Geburtsjahr auf dem Ausweis nicht erkennbar war (Knickstelle, wie im Panorama Video sichtbar). Woher wußten das die Polizisten, wenn der Ausweis erst auf der Polizeiwache entdeckt wurde? Was ist 2006 geschehen, dass dies nun anders dargestellt wird?

Woher erlangte die Staatsanwaltschaft bereits Tage nach dem tragischen Verbrennungstod den Entschluß, dass Ermittlungen außerhalb einer Selbstverbrennung nicht verfolgt werden brauchen, weil keine Beweise für etwas anderes aufgefunden wurden. War zu dem Zeitpunkt das Feuerzeug schon erfaßt? Nun ja, ein nicht vorhandenes Feuerzeug kann man ja schlecht als vorhandenen Beweis betrachten. Das hat irgendwie Logik.

Wenn es der Sohn des OB gewesen wäre, dann wäre er wohl kaum fixiert worden.
Es gibt Hinweise, daß die für gewalttätige Gewahrsamspersonen im Gesetz ermöglichte Fixierung nur bei dunkelhäutigen Personen (Afrikanern) angewendet wird. Bislang hieß es, eine bundesweite Polizeistatistik sei nicht möglich, da solche Einzelheiten nicht registriert werden. Hier wurde die Fixierung im Gewahrsamsbuch registriert. Eine Ausnahme? Was denn nun?

Die Fixierung der Person mit Alkoholvergiftung wurde in Rückenlage vorgenommen. Gehört da nicht stabile Seitenlage angewendet, um Ersticken bei Erbrechen entgegenzuwirken? Verfügen die Fixierer über eine Fahrerlaubnis, also Erste Hilfe - Kenntnisse vom DRK-Kurs?

Am 8.5. sagt der Polizeiarzt aus, ob 2 Promille hafttauglich machen, wo der Tisch stand und ob das Nasenbein schon blutete. Wer bei der NVA war, läßt sich darüber nicht für dumm verkaufen. MfG  schroder@t-online.de

PS: Da mir seit Montag kein Demokratiewächter gemailt hat, was an meiner Ergänzung unschicklich war, halte ich deren Verschwinden für ein Versehen und sende es noch mal.