5. Prozesstag im Todesfall Oury Jalloh

Prozessbeobachter_Innen 20.04.2007 02:52 Themen: Antifa Antirassismus
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„’Komm zurück und macht mich ab’, den ganzen Tag über“



Die zentrale Zeugin Beate H. wurde 9 Stunden befragt
Bevor der fünfte Prozesstag so richtig begann, kam es zu einem tumultartigen Zwischenfall im Saal 118 des Dessauer Landgerichts. „Nee da nicht hin, dass ist gefährlich“, sagt ein anwesender Afrikaner und meint damit ein jungen Mann, der allein in der Ecke sitzt. Vor Prozessbeginn macht die Information die Runde, dass dieser ein Prozessbeobachter der neonazistischen NPD sei. Tatsächlich veröffentlichte ein Autor namens Swen Behrendt auf einer Internetseite der NPD ein Artikel der den Schluss zulässt, dass ein rechtsextremer Aktivist persönlich den Verlauf der Hauptverhandlung verfolgt hat.

„Dieser Mann ist rassistisch“, sagt ein anderer Mann mit afrikanischem Migrationshintergrund dann. Mit Verweis auf den öffentlichen Charakter des Prozesses versucht eine Justizangestellte schließlich, die Debatte zu beenden. Erfolg hat diese Intervention indes nicht. „Der Nazi soll gehen“, skandiert eine weitere Beobachterin lautstark. „Er soll raus“, äußern sich andere. Nach Rangeleien wird der vermeintliche Rechtsextremist schließlich von Justizbeamten aus dem Saal geführt. Richter Steinhoff bekommt von den Geschehnissen persönlich nichts mit, weil er erst nach der Situation den Saal betritt. In einer Verhandlungspause informiert sich der Vorsitzende über den Vorfall und positioniert sich. Wenn er nicht störe, könne er im Saal bleiben: „Solange er sich ordentlich benimmt, kann er hier bleiben“, sagt Steinhoff. Der von Regina Götz, der Anwältin der Nebenklage, eingebrachte Einwand, dass der Mann womöglich Kleidung der Modemarke „Thor Steinar“ getragen habe, lässt der Richter als Argumentation nicht gelten. Die speziell ausgebildeten Justizbeamten am Eingang hätten so etwas nicht festgestellt, ansonsten wäre er erst gar nicht an der Kontrolle vorbeigekommen. „Solche Leute fliegen raus“, sagt Steinhoff und nennt als plastisches Beispiel einen Hakenkreuzbutton am Revers. Schließlich verkündet der Richter, dass der Prozessbeobachter, wenn er wolle, wieder an der Verhandlung teilnehmen könne. „Zuschauer bestimmen hier nicht, wer hier teilnimmt und wer nicht“, sagt Steinhoff unmissverständlich. Regina Götz, die die Mutter Oury Jallohs vertritt, hat im Zusammenhang mit dem NPD-Artikel Strafanzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede zum Nachteil ihrer Mandantin erstattet.



Eine zentrale Zeugin für den Fall Oury Jalloh, die 39jährige Beamtin Beate H., die im Polizeirevier Dessau seit 1997 tätig ist und am 07.Januar 05 als Einsatzleiterin im DGL fungierte, wird heute volle 9 Stunden befragt. „Ich war die so genannte rechte Hand des Herrn Sch.“ beginnt sie auf die Aufforderung des Richters, über ihre Wahrnehmungen der Vorkommnisse des besagten Tages zu berichten. Sie habe ihren Dienst gegen 05.30 Uhr begonnen, der DGL Sch. sei zu dem Zeitpunkt schon vor Ort gewesen.

Zunächst habe es am frühen Morgen des 05. Januar 2005 einen anderen Einsatz gegeben, so die Zeugin, gegen Acht Uhr habe dann Frau B. angerufen, die mit zwei anderen Frauen ihre Arbeit im Auftrag der Stadtreinigung in der Turmstrasse verrichtet habe, diese habe um Unterstützung der Polizei gebeten, da es Probleme gebe. Beate H. ging erst im Laufe des Tages noch einmal näher auf diesen Notruf ein, zunächst jedoch erwähnte sie nur weiter, das besagte Frau B. kurz darauf ein zweites Mal angerufen habe, nun wohl schon ängstlicher und sie habe darum gebeten, dass „schnellstmöglich jemand kommt“. Die Zeugin gibt weiterhin an, daraufhin den zuständigen Arzt, Dr. B. angerufen zu haben um ihn über die vorzunehmende Blutabnahme zu informieren, dieser sei jedoch nicht erreichbar gewesen und so habe sie ihm die Nachricht auf die Mailbox gesprochen. Ob daraufhin noch ein weiteres Gespräch mit dem Arzt von Seiten der Polizei stattgefunden habe, könne sie nicht sagen.

Nachdem der Streifenwagen mit Oury Jalloh im Revier eingetroffen sei, habe sich kurz darauf der (angeklagte) Beamte M. aus dem Gewahrsamstrakt telefonisch bei ihr zurückgemeldet, um ihr die Personalien des Festgenommenen durchzugeben, dabei habe es Schwierigkeiten gegeben, da der Nachname Jalloh des Öfteren im Computer zu Finden gewesen sei, so H. Durch das Telefon habe sie zudem gehört, wie der zweite Beamte der Streife, Udo S. gerufen habe: „Ulli, komm schnell, ich kann ihn allein nicht halten“. Der DGL Sch. habe zu dem Zeitpunkt unmittelbar neben ihr gestanden. Wer den Schlüssel zum Gewahrsamstrakt gebracht habe, will der Richter wissen. „Ich hatte da keinen Blick darauf“, sagt die Zeugin zum Standort der Ablage für den Schlüssel. Steinhoff erkundigt sich dann, ob ihr zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass der Mann, der gerade in den Gewahrsamstrakt verschafft wurde, dort verbleiben solle: „Wieso, weshalb, kann ich nicht sagen, damit habe ich mich nicht befasst“, sagt Beate H.

Zu den Kontrollen sagte die Zeugin zunächst aus, dass um 10.30Uhr ihr Kollege T. seine letzten Kontrollgang in Zelle Fünf durchgeführt habe, da er sich danach mit dem Schlüssel zum Gewahrsamstrakt bei ihr im DGL zurückgemeldet habe. Im Gespräch mit dem Kollegen habe Beate H. zum ersten Mal erkannt, dass Oury Jalloh unten in der Zelle fixiert sein müsse, da der Kollege und daraufhin habe sie sich persönlich dazu entschieden, die Wechselsprechanlage einzuschalten, „weil ich es moralisch nicht für vertretbar halte, dass ein Mann gefesselt ist und keinen Kontakt mit mir hat“. Jalloh habe in den darauffolgenden Stunden „vor sich hin erzählt“, und immer wieder gefordert, losgebunden zu werden: „Komm zurück und macht mich ab, denn ganzen Tag über“. Er habe dabei gut zu verstehendes Deutsch gesprochen, dies sei jedoch „grammatisch nicht richtig gewesen“. Sie habe ihm durch die Anlage mitgeteilt, dass sie ihn hören könne, woraufhin er seine Aufforderung wiederholt habe. Weiterhin seien die Hand und Fußfesseln kontinuierlich zu hören gewesen, sie seien „auf die Fliesen draufgepoltert“.

Beate H. gibt an, dass der Kontrollgang um 11 Uhr von den Beamten Jürgen S. und Bernd M. durchgeführt worden sei, danach, gegen 11.30 Uhr, sei Jalloh aufgebrachter gewesen, habe wieder gefordert, losgemacht zu werden, sie habe daraufhin versucht „ihn zu beruhigen, es gelang mir nicht“. „Es war für den Dienstablauf störend, ich habe es trotzdem angelassen“, sagt die Beamtin zur ihrem Entschluss, die akustische Überwachung der Zelle 5 aufrecht zu erhalten. „Ich war der Meinung, dass gegen 11.30 Uhr eine Kontrolle war, ich habe aber keinen gesehen und gehört“, sagt Beate H. zur der Frage des Vorsitzenden, ob sie in diesem Zeitraum Beamte im Gewahrsamstrakt wahrgenommen habe. Ihr Blickfeld der visuellen Überwachung des Gewahrsamstraktflures sei eingeschränkt gewesen: „Von Zelle 1 auf Zelle 5“. Sie hätte sich die Videokameras immer von einem Kollegen einstellen lassen. „Das ist ja schon verwunderlich, die Technik gehört zu ihrem Aufgabenbereich und sie können sie nicht bedienen“, sagt dazu der Vorsitzende der Kammer. „In keiner Zelle ist eine Kamera, obwohl wir das angestrebt haben, es wurde nicht genehmigt“, sagt Beate H.

Ob zwischen ihrem und dem Kontrollgang der Kollegen M. und S. noch ein weiterer Kontrollgang gegen 11.30 Uhr stattgefunden habe, bleibt zunächst unklar, diese Aussage, bzw. Vermutung der Zeugin sollte im weiteren Tagesverlauf noch eine tragende Rolle spielen.

Um 11.45 Uhr habe sie dann beschlossen, selbst hinunter in die Zelle zu gehen, „ich wollte die Person sehen“. Bei ihrem Kontrollgang habe sie sich auf dem Weg zum Gewahrsamstrakt nach einem weiteren Beamten umgesehen, und sei schlussendlich auf Herrn Sch. vom Verkehrsdienst gestoßen, der sie dann auf ihrem Kontrollgang begleitet habe. Sie und ihr Kollege wären im Türbereich stehen geblieben und hätten die Zelle nicht betreten. Bei ihrem Eintreffen in der Zelle habe Jalloh weit unten auf der Matratze gelegen, den linken Arm „sehr fest um die Matratze“, so dass nur sein rechter Arm noch Bewegungsfreiheit hatte. Er habe ruhig da gelegen und ruhig geatmet, „ich war eigentlich erstaunt“, so Beate H. In der Zelle habe sie auf dem Fußboden eine Wasserlache vorgefunden, die „augenscheinlich zusammengelaufen“ gewesen sei, schon bei dem am Vortag Inhaftierten habe sie diese Pfütze bemerkt, sie wisse jedoch nicht, ob es dieselbe gewesen sei. Jalloh habe sie angesprochen: „Was ist das, warum bin ich angekettet“, sie habe entgegnet, dass er doch wissen müsse, was er getan habe, er jedoch meinte: „Ach, ich weiß nicht. Komm, mach mich ab“. Außerdem wäre die Hose Jallohs geöffnet gewesen und wäre über die Hüften gezogen gewesen. Die Unterhose hätte man sehen können. Da Jalloh „den Umständen entsprechend in Ordnung gewesen“ sei, habe sie die Kontrolle dann beendet. Zurück im DGL habe sie Jallohs Stimmung daraufhin als wechselhaft wahrgenommen, er habe wiederholt um Losmachen gebeten und auch bei ihrer weiteren Arbeit am PC habe sie ihn im Hintergrund immer wieder durch die Sprechanlage rufen hören. Der Dienstgruppenleiter Sch. habe kurz darauf telefoniert und aufgrund dieser Rufe habe er dann auch während seines Telefongesprächs die akustischer Überwachungsanlage leiser gedreht: „Man versteht ja sein eigenes Wort nicht“, erinnert sich die Zeugin an eine Bemerkung des Dienstgruppenleiters., Beate H. habe ihm jedoch umgehend klar gemacht: „Solange ich hier sitze bleibt das Ding an“. Alsbald habe sie ein Rauschen und Plätschern durch die Anlage gehört, Sch. habe währenddessen hinter ihr gestanden und sie habe ihn aufgefordert, auch zuzuhören; einen Augenblick später sei ein „greller Piepston“ zu vernehmen gewesen. “Jetzt fängt das Ding an zu spinnen“, erinnert sich die Zeugin an ihre damalige Einschätzung. Sie sprach damit Fehlalarme an, die es immer wieder gegeben hätte. Unmittelbar vor dem 07. Januar 2005 hätte es aber keine Fehlermeldungen mehr gegeben. „Sch. drückte das Ding aus und es ging gleich wieder an“, so die Zeugin. „Ich habe mich dann kurzfristig entschieden, alle Funkwagen zurückzurufen“, sagt die Beamtin. In der weiteren Befragung gab sie dann an, diesen Rückruf später auf den Streifenwagen der sich am nächstes zum Revier befand, eingeschränkt zu haben. Kurz darauf habe der Alarm der Brandmeldanlage erneut angeschlagen. Laut der Zeugin wollte der Angeklagte Sch. diesen erneut wegdrücken, sie habe aber interveniert: „Lass es, geh“. Danach habe sie mit der Verwaltungsangestellten T. telefoniert und ihr mitgeteilt, das die Brandmeldeanlage angeschlagen hat: „Ich habe gemerkt das etwas nicht stimmte, ich wollte die Verwaltung informieren“. Auf die Frage des Richters, wann denn nun der DGL die Zentrale verlassen habe, antwortet sie heute: „Das letzte mal wo ich Herrn Sch. gesehen habe, war, als er das zweite Mal den Alarm ausgedrückt hat“. Dann hätte der Alarm der Lüftungsanlage angeschlagen, sie hätte diesen abgestellt, weil Andreas Sch. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im DGL-Raum gewesen sei. Als sie gerade über die Sprechanlage Kontakt mit Herrn Jalloh in der Zelle 5 aufnehmen wollte, habe das Telefon geläutet. Der Kommissar vom Lagedienst (KVL) der Polizeidirektion Dessau sei am Apparat gewesen und habe nach dem DGL verlangt. Dann hätte sie Herr Jalloh über den Sprechfunk kontaktiert: „Beruhige Dich, es kommt jemand runter“. Dieser hätte geantwortet: „Komm zurück, mach mich ab!“. Nach einer kurzen Pause habe er dann das Wort ‚Feuer’ erwähnt. Zunächst sei sie geschockt gewesen. „Da kam pechschwarzer Rauch raus, ich war wie gelähmt“, so die Polizeibeamtin zu ihrer Beobachtung über den Monitor. Sie habe dann über die Überwachungsanlage wahrgenommen, wie der Angeklagte Sch. „Feuerlöscher“ gerufen und der Beamte Mö. nach einer „Decke“ verlangt habe. Sie habe die Beamten im Gewahrsamstrakt dann über die Sprechanlage gefragt, ob sie Hilfe benötigen würden. Darauf habe sie keine Antwort erhalten. Beate H. sagte weiter aus, dass ein Rasseln der Fußfesseln und ein Schleifen zu hören gewesen sei: „Ich dachte sie haben ihn los gemacht.“



„Das Wort Feuer war das Letzte, was ich von Oury Jalloh gehört habe“, sagt die Zeugin sichtlich berührt.

„Haben alle eine Uhr mit Sekundenzähler?“, leitet Richter Steinhoff das folgende Simulationsspiel mit seiner Frage an die Prozessbeteiligten ein. Das Gericht möchte damit rekonstruieren, wie lange die Gespräche vom DGL-Raum der Beate H. gedauert haben. Für den Rückruf der Streifenwagen stellt Richter Steinhoff fest: „Wir haben 30 Sekunden gemessen.“

Dann befragte der Oberstaatsanwalt Preissner die Zeugin Beate H., wie es ihr ergangen sei noch den Ereignissen des 7. Januar 2007. Sie wäre vom 11.02. bis zum 19.04.06 u.a wegen psychischer Probleme krankgeschrieben gewesen. „Nicht gut“, wäre es ihr nach Dienstantritt gegangen. Sie berichtet auch von ihrer psychologischen Problemen: „Mir ging es von Tag zu Tag schlechter.“ Sie hätte zu keinem Zeitpunkt Druck verspürt, antwortet Beate H. auf Nachfrage von der Staatsanwaltschaft. „Die Beamten aus Stendal haben diesen Eindruck gewonnen“, hält ihr Preissner vor. Der Oberstaatsanwalt will dann wissen, ob die nach dem 07.01.2005 Kontakt mit dem Angeklagten Sch. gehabt habe. Beate H. gibt an, dass ihr ehemaliger DGL ihr telefonisch zum Geburtstag gratuliert habe. Sie habe das Gespräch nach „ein bis zwei Minuten“ beendet und Sch. unmissverständlich klar gemacht, dass sie aus Anraten der Staatsanwaltschaft Dessau keinen weitern Kontakt mit Sch. wünsche.

Später dreht sich das Gespräch noch um ein Treffen zwischen der Zeugin und dem Kriminalbeamten Hanno S. Auf Grund eines Berichtes im Fernsehen, den die Zeugin gesehen habe, habe sie Kontakt mit ihm aufgenommen. In der Reportage seien Aussagen vorgekommen, die nur aus ihrer Vernehmung stammen könne, die sie jedoch in der Art so nie geäußert habe. Über das Gespräch haben S. ein Protokoll gefertigt und dieses an die dafür zuständige Stelle weitergegeben.

Nach Neun Stunden und Fünf Pausen beendet Richter Steinhoff den heutigen Tag mit der Frage an die Zeugin, ob diese rauche. Beate H. verneint dies.



Im Laufe des heutigen Tages ergeben sich außerdem diverse Widersprüche in den Aussagen der Zeugin Beate H., auf die sowohl der Richter als auch die Anwälte der Nebenklage näher eingehen.

Der Staatsanwalt fasst dies gegen Ende des Tages unter der Formulierung zusammen, dass er mit den verschiedenen Aussagen der Zeugin nicht mehr klar komme: „es gibt jetzt vier Varianten“.

Zunächst haben in der Vergangenheit bisher zwei verschiedene Vernehmungen der Zeugin stattgefunden, einmal die Polizeiliche durch den Beamten W. des Polizeidirektion Stendal und zum Zweiten die Richterliche am 15. März 2005. Zudem existiert eine durch den ehemaligen Anwalt der Zeugin, Dr. Küster, vorgenommene Stellungnahme, den Frau H. wiederum selbst schriftlich korrigiert hat. Zuletzt werden die heute vor Gericht gemachten Aussagen der Zeugin ins Protokoll aufgenommen.

Zu den Disparitäten ihrer polizeilichen Vernehmung zu der Heutigen erklärt die Zeugin, dass damals, am Abend des 07. Januar 2005, der Polizeibeamte W. ihre eigenen Aussagen noch einmal eigenhändig umformuliert und dann erst auf Tonband aufgenommen habe. Dabei könne es zu Missverständnissen gekommen sein, zu Beginn der Vernehmung habe sie diese auch korrigiert, sie sei jedoch „fix und alle“ gewesen und hätte daher einige Fehler übersehen haben können. Zudem können die Unstimmigkeiten auch durch Irrtümer in der Übertragung des Tonbandprotokolls ins Schriftliche entstanden sein.

In ihrer polizeilichen Vernehmung hatte H. laut Vorhalt unter anderem ausgesagt, dass sich (zum Zeitpunkt der Alarme) der DGL Sch. erst nach dem Eintreffen der Sachbearbeiterin Frau S. aus dem Nebenzimmer hinunter in den Gewahrsamstrakt begeben habe. Heute jedoch ist sich Beate H. sicher, dass der DGL Sch. schon vor dem Eintreffen von Frau S. auf dem Weg zur Zelle Fünf war, da Frau Sch. beim Eintreten in den DGL-Bereich fragte, warum ‚der’ denn so renne, womit sie den DGL gemeint habe.

Während des Polizeiverhörs hatte die Zeugin außerdem berichtet, dass sie das zweite Telefonat mit der Verwaltungsbeamtin Frau T. geführt habe, bevor der Lüftungsalarm angeschlagen habe, der DGL Sch. seinerseits sei erst danach in Richtung Gewahrsamstrakt aufgebrochen. Am heutigen Tage wiederum bestätigt Beate H. jedoch mehrfach, dass das zweite Telefongespräch mit Frau T. aus eben dem Grund, dass die Lüftungsanlage anschlug, stattgefunden habe und zu dem Zeitpunkt der DGL Sch. schon längst auf dem Weg zur Zelle 5 gewesen sei.

Ferner unterstreicht Beate H. die Tatsache, dass die polizeiliche Vernehmung ihrer Meinung nach abgebrochen worden sei – laut Vorhalt aus den Akten hat jedoch der vernehmende Beamte W. ausgesagt, dass das Verhör ordnungsgemäß zu Ende gebracht worden sei.

Warum sie offensichtliche Fehler im Protokoll des Verhörs nicht schon früher korrigiert habe, kann die Zeugin nicht mehr sagen; überdies habe sie die verschriftliche Fassung nie zu Gesicht bekommen, allerdings hat Beate H. selbst eine Erklärung unterzeichnet, dass sie darauf verzichtet, das Tonband noch einmal vorgespielt zu bekommen - und zugleich bestätigt, dass es sich dabei um ihre wahrheitsgemäßen Aussagen handele.

Bezüglich der richterlichen Vernehmung am 15.März 2005 betont die Zeugin, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt in Krankschreibung und unter psychologischer Behandlung befunden habe; sie habe starke Medikamente eingenommen, während der Vernehmung habe sie Medikamente eingenommen. Auf die Frage von RA Klinggräff, ob ihr da schon bewusst gewesen wäre, dass sie „eine nicht ganz unwesentliche Zeugin“ in diesem Verfahren sei, antwortete sie zunächst mit Nein, äußerte dann jedoch, dass sie gewusst habe, dass sie eine wichtige Zeugin sei, jedoch nicht „in dem Ausmaß“. Bei den richterlichen Vernehmungen seien zudem ihre Kollegen Udo Sch. und die beiden Angeklagten Ullrich M. und Andreas Sch. anwesend gewesen, gibt Frau H. zu Protokoll.

Des weiteren erklärt sich Beate H. nun zu der durch ihren ehemaligen RA Küster vorgenommene Stellungnahme, und betont, dass diese in mehreren Punkten ungenau und unstrukturiert sei, sie legt dazu eine eigene Korrektur zur Ansicht vor, die sie angefertigt habe, als sie sich das erste Mal seit 2005 wieder mir dem Fall und ihren Unterlagen beschäftigt und die Mangelhaftigkeit des vom Anwalt angefertigten Schriftstückes erkannt habe – dies sei zu dem Zeitpunkt gewesen, als sie die Vorladung zur heutigen Gerichtsverhandlung Ende Februar/Anfang März diesen Jahres erhalten habe. Hier widerspricht sich die Zeugin erneut, als sie zunächst anbringt, dass sie das Mandat ihres RA Dr. Küster bereits Mitte 2006 aufgrund dieser unvollständigen Stellungnahme gekündigt habe. Als sie auf mangelnde Logik in ihrer Aussage hingewiesen wird, berichtigt sie, dass Dr. Küster aufgrund eines ungenügenden Vertrauensverhältnisses mittlerweile nicht mehr ihr Anwalt sei, und sie damals schlicht den Eindruck gehabt habe, dass dieser nicht wirklich gewillt gewesen sei, sie und ihre Interessen überhaupt zu vertreten, und aus diesem Grund das Mandat gekündigt habe.

RA Klinggräff erkundigt sich daraufhin, warum sie diese Stellungnahme erst jetzt korrigiere, da Dr. Küster ihrer Meinung nach so einen „Murks“ geschrieben habe. Beate H. erläutert dies dadurch, dass ihr mentaler Zustand damals sehr schlecht gewesen sei und sie das Schreiben nur überflogen habe. Weiterhin fragt der Richter, aus welcher Intention heraus sie ihre Korrektur geschrieben habe: „Ist das gut fürs Verfahren?“. Ob es Taktik oder Verfälschung gewesen sein könne? Darauf entgegnet die Zeugin, dass sie „es so erzähle, wie es war“. Aufgrund ihrer damaligen seelischen Verfassung habe sie RA Dr. Küster nicht auf seine Fehler hingewiesen.

Ob sie Dr. Küster diesbezüglich zwecks einer Befragung vor Gericht von seiner Schweigepflicht entbinden möge, will die Zeugin erst nach Absprache mit ihrem (jetzigen) Anwalt entscheiden, da sie aufgrund eben dieses nicht vorhandenen Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und

Dr. Küster nicht sicher sein könne, dass er die vorgefallenen Meinungsverschiedenheiten wahrheitsgemäß darstellen werde; die Entscheidung sei jedoch „noch nicht gefallen“, betonte sie.

Eine weitere Unstimmigkeit ergibt sich aus einem Vorhalt aus der polizeilichen Vernehmung der Verwaltungsbeamtin Frau T., mit der die Zeugin Beate H. aufgrund des anschlagenden Alarmes am 07.Januar 2005 telefoniert habe. Frau T. hatte in der Vernehmung am 17. Januar 2005 ausgesagt, dass der erste Anruf durch Beate H. aufgrund des anschlagenden Alarms von Brandmeldeanlage und Lüftungsanlage stattgefunden habe, in einem zweiten Anruf habe H. sie dann über die Rauchschwaden im Gewahrsamstrakt informiert. Beate H. ihrerseits sagt heute aus, dass der erste Anruf bei Frau T. angesichts des durch die Wechselsprechanlage wahrgenommenen Plätscherns und des anschlagenden Brandmelders erfolgt sei, beim zweiten Mal habe sie Frau T. dann telefonisch über den ausgelösten Alarm der Lüftungsanlage informiert. Die Unterschiede zwischen den beiden Aussagen erklärt sich die Zeugin dadurch, dass Frau T. sich vermutlich an die beiden ersten Telefonate als an ein Einziges erinnern könne, da beide in relativ kurzem Zeitraum aufeinander folgend stattgefunden hätten. Eventuell habe daraufhin ein drittes Telefongespräch stattgefunden, in dem Beate H. der Verwaltungsbeamtin gegenüber die Rauchschwaden erwähnt haben könne, daran könne sie sich jedoch nicht erinnern, so die Zeugin.

Ein letzter Komplex zu den widersprüchlichen Aussagen der heutigen Zeugin erwirkt gegen Ende des Tages eine sorgfältige Diskussion zwischen Richter, RA Klinggräff und Beate H.

Gegen Sechs Uhr will RA Klinggräff seine vermeintlich letzte Frage stellen. Aus welchen Gründen die Zeugin davon ausgehen könne, dass zwischen ihrer und der Kontrolle um 11.30 Uhr ein weiterer Kontrollgang stattgefunden habe. Bei der polizeilichen Vernehmung 2005 hatte sie ausgesagt, dass sie durch das Sprechfunkgerät mitbekommen habe, dass „mindestens zwei Kontrollen stattfanden“. Zunächst weicht die Zeugin daraufhin mehrfach aus und beginnt, den Tagesablauf des 07. Januar 2005 erneut zu erläutern. Im Gewahrsamsbuch ist an besagtem Tag kein weiterer Kontrollgang zwischen dem der beiden Beamten M. und S. und dem von Beate H. aufgezeichnet, die Zeugin hatte jedoch mehrfach ausgesagt, dass sie von einem weiteren Kontrollgang ausgegangen sei, unter anderem auch in der richterlichen Vernehmung am 15. März 2005. Der Richter konfrontiert sie daraufhin mit einer mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantwortenden Frage: „Sind sie aufgrund von spezifischen Geräuschen davon ausgegangen, dass um 11.30 Uhr eine Kontrolle stattgefunden hat. Ja oder Nein?“ Nach längerem Überlegen beantwortet die Zeugin dies mit einem Ja. Ob sie irgendwelche Geräusche gehört habe, beispielsweise das Geklapper der Zellenschlüssel? „Ich habe mir das zu diesem Zeitpunkt so gedacht“, entgegnet Frau H.

Schlussendlich hält der Staatsanwalt Frau H. ihre vier verschiedenen Aussagen noch einmal vor. Worauf er hinaus wolle, will der Richter daraufhin von ihm wissen. Der Staatsanwalt erwidert, er erwarte eine Erklärung von Seiten der Zeugin. Der Richter räumt daraufhin ein, dass sie diese in den letzten Stunden ja schon zu geben versucht habe. „Ob wir ihr das glauben oder nicht ist eine andere Frage“, schließt der Richter.
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Ergänzungen

fast zu schön...

um wahr zu sein 20.04.2007 - 16:24
Offenbar soll diese neueste Version der Aussage von Beate H. doch nur belegen, daß Oury Yalloh lebte und sich unterhalten konnte, putzmunter war, das Feuer also selbst legen konnte - trotz 2,9 Promille -, und dann "Feuer!" gerufen hat - kein Fremdverschulden also:
Laut Beitrag:
„Das Wort Feuer war das Letzte, was ich von Oury Jalloh gehört habe“, sagt die Zeugin sichtlich berührt."
Wie schön für die Angeklagten, die Dessauer Polizei und den BRD-Staatsapparat. Fast zu schön um wahr zu sein!
Wenn er so munter war, warum wurde er nicht freigelassen und woher kam die Blutlache, die einer der Beamten in der Zelle gesehen hatte. Und was ist mit den Knochenbrüchen, den Schädelverletzungen usw.?

Hans-Jürgen B.: ein dunkelroter Fleck

2. Verhandlungstag 20.04.2007 - 17:01
Der 52jährige Kriminalbeamte Hans-Jürgen B. sagte bei seiner Aussage vor Gericht im laufenden Prozeß am 29. März 07:
- „Da war richtig dicker, schwarzer, fettiger Rauch. Ich war lange genug bei der Feuerwehr, wenn Du da durchgehst, liegt man daneben.“, beschreibt er seine Wahrnehmung, nachdem er im Kellerbereich angelangt war." -
Und weiter:
- "Er habe dann für sich entschieden, dass er ohne Hilfsmittel nicht in den Gewahrsamstrakt vordringen könne. Darauf hin sei er auf den Hof gerannt und habe aus dem Kofferraum seines Wagens eine Decke geholt. Mit Hilfe dieser habe er dann kriechend versucht, aus dem Vorraum kommend zur Zelle 5 zu gelangen. Es wäre ihm schließlich gelungen, bis zum Rand der Zelle zu gelangen. „Ich konnte auch noch in die Zelle 5 hineinsehen. Das werde ich nie vergessen. Da war ein dunkelroter Fleck“, beschreibt er seine Erinnerung. Diesen Fleck habe er links vom Eingang der Zelle, auf etwa 30cm Höhe gesehen. Später gibt er in der Zeugenvernehmung zu Protokoll, dass er lodernde Flammen nicht habe erkennen können."-
Dieser "dunkelrote Fleck" dürfte doch wohl Blut gewesen sein!
Soll wirklich ein Verblutender mit schweren inneren Verletzungen und Knochenbrüchen fähig sein, sich putzemunter mit der Beamtin Beate H. per Zellenmikro zu unterhalten, die in den anderen Aussagen als kalt und gleichgültig gegenüber der unten stattfindenden Verbrennung eines Gefangenen geschildert wird und nun auf einmal ist die Dame nun ganz gerührt-schluchz:
- „Das Wort Feuer war das Letzte, was ich von Oury Jalloh gehört habe“, sagt die Zeugin sichtlich berührt." -
Ohne Brandbeschleuniger hätte es niemals diesen "richtig dicker, schwarzer, fettiger Rauch" gegeben.
Offenbar soll mit immer neuen Versionen und Variationen der Tatbeteiligten und Zeugen die Wahrheit vertuscht werden.
Oury Yalloh wurde von der Polizei Dessau so schwer mißhandelt, daß er an seinen Verletzungen in der Polizeizelle starb, obwohl er vorher dem Polizeiarzt Dr. Blondau vorgeführt worden war, der ihn aber nicht sofort ins Krankenhaus einweisen ließ, um die Dessauer Polizeibrutalität zu vertuschen.
Dann wurde die Leiche angezündet, um die Spuren zu verwischen und Dr. Blondau stellte den Totenschein aus: Selbstverbrennung - Fremdeinwirkung ausgeschlossen!

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