Keine Bundeswehr in Berliner Arbeitsämtern

Bundeswehr wegtreten! 20.04.2007 01:02 Themen: Militarismus Soziale Kämpfe
Die Veranstaltungen der Bundeswehr in den Arbeitsagenturen Berlin-Mitte und Berlin-Nord sind aufgrund der angekündigten Proteste abgesagt worden. Am 26. April, am 10. Mai und am 31. Mai waren „Vorträge und Informationsgespräche” der Wehrdienstberatung aus Berlin-Wedding in den Arbeitsämtern vorgesehen. Ein „Netzwerk für antimilitaristische Interventionen” hatte mit Flugblättern und Informationsmaterialien auf zahlreichen Veranstaltungen und im Internet zur Störung dieser Rekrutierungsshows aufgerufen. Die Aufrufe zum Protest zeigten wie schon im März d.J. ihre Wirkung: Die Arbeitsagenturen luden die Bundeswehr nun wieder aus.
Die Berliner Arbeitsagenturen reagieren damit auf die Proteste ähnlich wie der Leiter des Arbeitsamts in Köln. Dieser hatte die Sprechstunden der Bundeswehr aufgrund der Proteste bis auf weiteres ausgesetzt, zugleich aber deren Notwendigkeit betont. Auch in Berlin wird die Bundeswehr von den Arbeitsagenturen als Arbeitgeber geschätzt ohne zu reflektieren, dass eine Karriere bei der Bundeswehr auch im Zinksarg enden kann. Warum auch nicht? Ein toter Soldat wird nie mehr Teil der Arbeitslosenstatistik sein.

Wer der Bundeswehr ein Forum gibt, junge Arbeitslose und Hartz IV-Empfänger zu rekrutieren, fällt damit auch eine politische Entscheidung für Kriege und militärische Konfliktlösungen weltweit. Der durch die Bundeswehrveranstaltungen hergestellte Zusammenhang zwischen repressiver Sozialstaatspolitik nach innen und Kriegsführung nach außen ist kein Zufall. Parallel zur Umsetzung von Hartz IV in der BRD gab es eine militärische Um- und Aufrüstung, die Kriegsunterstützung im Irak und die Kriegsführung in Afghanistan. Geld für die militärische Außenpolitik der EU- und G8-Staaten ist selbstverständlich da, nicht zuletzt weil im Sozialbereich gekürzt wurde und wird.

Die Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte und Berlin-Nord, Ramona Schröder und Petra Röhlinger, wurden vor einigen Tagen von den DemonstrantInnen aufgefordert, ein friedenspolitisches Zeichen zu setzten und die Bundeswehr auszuladen. Die DemonstrantInnen wiesen in ihrem Schreiben auf die Auswirkungen der gesellschaftlich umstrittenen Rekrutierungsveranstaltungen und Auslandseinsätze der Bundeswehr hin. Sie baten darum, anstelle der Bundeswehr selbst einen Informationsstand im Arbeitsamt aufbauen und Informationsmaterialien verteilen zu dürfen. In ihren Antwortschreiben teilten die Behördensprecher mit, dass die Bundeswehr-Veranstaltung nicht stattfinde und der Bitte auf einen Infotisch im Arbeitsamt nicht entsprochen werden könne bzw. diese Anfrage als gegenstandslos angesehen werde. Auf die Kritik und die Proteste gingen sie nicht ein.

Begonnen hatten die Proteste in Köln. Kurze Zeit darauf wurden auch in anderen Städten Werbeveranstaltungen der Bundeswehr gestört und verhindert. In Bielefeld wurde die Bundeswehr-Veranstaltung abgebrochen, in Bautzen wurde mit Transparent und Flugblättern informiert und der Leutnant der Wehrdienstberatung aus dem Konzept gebracht (vgl.  http://de.indymedia.org/2007/03/171635.shtml und  http://de.indymedia.org/2007/04/173265.shtml ).

Die Berliner DemonstrantInnen und KriegsgegnerInnen können über die Absage aus der Arbeitsagentur zufrieden sein. Ein Termin für eine nächste Bundeswehr-Veranstaltung steht noch in den Sternen. Einige DemonstrantInnen zeigten sich aber auch enttäuscht: „Wir hatten so tolle Ideen, um die Werbeveranstaltung aus dem Ruder laufen zu lassen. Diese Ideen können wir nun gar nicht umsetzen, sondern müssen sie bis irgendwann einmal aufheben.” Die DemonstrantInnen wollen langfristig das Veranstaltungsprogramm der Berliner Arbeitsagenturen im Blick behalten und umgehend Proteste organisieren, sobald die Bundeswehr wieder eingeladen wird. Und das könnte schon Ende Mai sein...
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Ergänzungen

Tagesspiegel vom 18.04.2007

. 20.04.2007 - 01:14
Der Tagesspiegel schrieb am 18.04.2007 über mobilisierende Proteste zum G8. Dabei erwähnte er auch die Bundeswehr-Störaktionen:

[...] Etwas radikaler sind die Pläne des Netzwerks für antimilitaristische Intervention: Die Anhänger wollen gegen eine Informationsveranstaltung der Bundeswehr im Arbeitsamt demonstrieren und dabei Demonstranten gegen den G-8-Gipfel mobilisieren. „Wir werden reingehen und die Rede stören", sagt Carl Kemper. Neben der Abschaffung der Bundeswehr fordert das Netzwerk das Ende von Militäreinsätzen weltweit: „Nur die Menschen in den betroffenen Ländern können geeignete Lösungen finden", so Kemper.

Beispiel macht Schule

Gegen Hartz und Niedriglohn 20.04.2007 - 01:20
Inzwischen haben auch andere das Beispiel aufgegriffen und Veranstaltungen im Arbeitsamt Mitte gestört. Als Hartz IV-EmpfängerInnen zur Teilnahme an der Werbeveranstaltung für die private Arbeitsvermittlungsagentur Workoholic Personaldienste verpflichtet wurden, stellten sie einfach kritische Fragen, die zum vorzeitigen Abbruch führten. Sehr gut und weiter so!

Mehr Infos:  http://de.indymedia.org/2007/04/173422.shtml

Bundeswehr-Termine

briks 20.04.2007 - 01:35
Auf der Webseite vom Flugblatt ist eine Liste mit Bundeswehr-(Werbe-)Terminen:
 http://mil.bundeswehr-karriere.de/C1256D9600308C25/vwContentFrame/N26LLGWQ212DHONDE
Für 31.05.2007 ist wohl für Berlin etwas im BIZ geplant. Oder es sind noch veraltete Daten. Ab und zu da drauf kucken lohnt sich vielleicht.

Hamburg

db_smasher 20.04.2007 - 11:30
Ein Termin für HAMBURG, der in der o.g. Liste nicht auftaucht, steht auf  http://www.ausbildung-hh.de/veranstaltungen.php.
Im Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit, Kurt-Schumacher-Allee 16 wollen vom 29.10. bis 1.11.2007 Berater vom Reichswehrersatzamt Auskunft geben.

Antwort auf Kleine Anfrage - weitere Listen

ParlWatch 20.04.2007 - 12:29
Und hier noch eine Liste (Antwort auf eine Kleine Anfrage) der Reklameeinsätze mit mehr Hintergründen (warum werden welche Waffensysteme gezeigt etc.):
 http://www.ulla-jelpke.de/uploads2/1604768_Bundeswehr-Reklame.pdf

Druck auf BW erhöhen

bundeswehr-wegtreten 20.04.2007 - 13:40
Die angekündigten Proteste und direkten Störungen haben dazu geführt, dass die Bundeswehr in Berlin und Köln zunächst nicht mehr in den Arbeitsämtern für ihre „Jobs“ im Kriegshandwerk werben dürfen. Dies begreifen wir durchaus als Etappensieg der vielfältigen Störaktivitäten in mehreren Städten. Die Arbeitsagenturen scheuen die öffentliche Auseinandersetzung und wollen den Protesten damit (zeitlich begrenzt) ausweichen. Gegenüber der Presse versuchen sie sich auf ihren Dienstleistungsauftrag, jedem potenziellen Arbeitgeber ein Forum zu bieten, zurück zu ziehen. In Köln wollen Bundeswehr und Arbeitsamt bereits zum 24. Mai einen neuen Versuch starten. Über die Form ihres neuen Reklameeinsatzes schweigen sie sich noch aus. Daher ist es unbedingt notwendig, die Proteste auszuweiten und den Druck aufrecht zu erhalten bzw. zu erhöhen !!!

Truppe in Bedrängnis

junge Welt 21.04.2007 20.04.2007 - 21:46
Berliner Pazifisten schlagen Bundeswehr in die Flucht: Werbeveranstaltungen in Arbeitsagentur abgesagt

Von Jörn Boewe

Auf sogenannten Wehrdienstberatungen »informiert« – so nennt sie das auf ihrer Internetseite – die Bundeswehr »über Einstellungsvoraussetzungen, Ausbildungs-, Studien- und Karrieremöglichkeiten in den Streitkräften« – sofern man sie läßt. Zwei für den 26. April und 10. Mai geplante Werbeveranstaltungen in Berliner Arbeitsagenturen sind nach Protesten antimilitaristischer Gruppen abgesagt worden. Ein »Netzwerk für antimilitaristische Intervention« hatte mit Flugblättern und Informationsmaterialien auf diversen Veranstaltungen und im Internet zur Störung der »Rekrutierungsshows« aufgerufen. Die Aufrufe zeigten Wirkung: »Ganz offensichtlich haben die Arbeitsagenturen die Bundeswehr daraufhin wieder ausgeladen«, sagte Netzwerk-Sprecher Roland Wohlgemuth am Freitag gegenüber jW.

Die Arbeitsagenturen dementierten die Angelegenheit gestern knapp zur Hälfte. Es stimme zwar, daß die Veranstaltung am 26. April abgesagt worden sei, räumte die Pressesprecherin der Niederlassung Berlin-Mitte, Ines Borchard, auf Nachfrage ein. Aber mit dem Pazifistenprotest habe das nichts zu tun, es habe lediglich »interne Terminüberschneidungen« gegeben. »Tendenziell finden diese Veranstaltungen bei uns aber statt«, versicherte Frau Borchard.

Andererseits läßt sich bei den Bundeswehreinsätzen in der Arbeitsagentur Berlin-Mitte eine gewisse Tendenz zu Terminüberschneidungen nicht verhehlen. Auch schon die letzte, für März geplante, »Wehrdienstberatung« mußte ausfallen. Damals hatte aber die Bundeswehr selbst abgesagt, ist von Frau Borchard zu erfahren, ebenfalls aus, man ahnt es schon, »internen organisatorischen Gründen«.

Das nun scheint die offizielle Sprachregelung der Behörde zu sein. Auch die für den 10. Mai in der benachbarten Arbeitsagentur Berlin-Nord angesagte Beratung wurde nach Auskunft der dortigen Pressesprecherin Ellen Queisser aus »internen organsatorischen Gründen« abgesagt. Und obwohl es »unser gesetzlicher Auftrag« ist, über das Soldatenhandwerk »zu informieren, wie über jeden anderen Beruf auch«, ist derzeit noch unentschieden, »ob da noch mal was stattfinden soll«.

Soll nicht, meint Antimilitarist Wohlgemuth. Und wie es scheint, haben er und seine politischen Freunde eine erfolgreiche Aktionslinie entwickelt, Deutschlands starke Truppe in die Flucht zu schlagen. »Wir waren Mitte Februar mal auf so einer Veranstaltung im Berufsinformationszentrum Berlin-Mitte und haben uns das angeschaut«, berichtet er. »Dann haben wir zur nächsten Veranstaltung im März eine kleine Kundgebung angemeldet und angekündigt.« Außerdem habe man die Agentur darauf hingewiesen, daß man es sich offenhalte, an der »Wehrdienstberatung« teilzunehmen und die Veranstaltung »mit kritischen Fragen zu begleiten«. Daraufhin, wenn auch offiziell nicht deswegen, traten die Streitkräfte den geordneten Rückzug an.

Bei der Truppe selbst blieb man in der Angelegenheit gestern eher einsilbig. Fregattenkapitän Christoph Blömer vom Dezernat »Personalwerbung« weiß sicher einiges, darf aber nichts sagen – Befehl ist Befehl. Ein erregter Oberst vom Pressestab des Verteidigungsministerium »versteht die ganze Aufregung« nicht. Welche Aufregung? »Ja, eben«, sagt der Oberst, der nicht zitiert werden will und stellt klar: »Das« – gemeint ist künftiges Werbetrommeln im öffentlichen Raum – »das werden wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen.« Ob das stimmt, wird sich zeigen. Am 31. Mai, so erfährt man auf dem Internet-»Karriereportal«, will die Bundeswehr zwischen 15 und 18 Uhr im Berufbildungszentrum Berlin-Mitte, Friedrichstraße 39 ihre nächste öffentliche Beratung abhalten.

Film über BW-Propaganda

Proper Gander 20.04.2007 - 23:47
Zum Download bei Indymedia:

Dokumentarfilm "Gesteuerte Demokratie?" von Steven Hutchings

Ausgehend vom “sicherheitspolitischen Paradigmenwechsel” am Ende des kalten Krieges untersucht Gesteuerte Demokratie? Kontinuitäten und Veränderungen in der Informations- und Medienarbeit der Bundeswehr. Anhand von Zeitzeugeninterviews mit Soldaten aus Einheiten für “Psychologische Kampfführung” (PSK) bzw. “Psychologische Verteidigung” (PSV) wird deren vornehmlich gegen die DDR gerichtete Propaganda- und Zersetzungstätigkeit beschrieben. Der Apparat der PSK bzw. PSV wurde einhergehend mit einer Skandalisierung seiner verdeckt ausgeführten Ausforschungs- und Einwirkungstätigkeit im bundesdeutschen Inland zum Ende der 80er Jahre aufgelöst. Nach der Wiedervereinigung werden die Aufgaben der PSV unter neuem Namen und mit veränderten Aufträgen von verschiedenen Stellen der Bundeswehr fortgeführt. Auch die aktuelle Entwicklung dieses militärischen Beeinflussungsapparates wird im Film veranschaulicht. Unter die Lupe genommen werden die Akademie für Information und Kommunikation, die Informations- und Medienzentrale der Bundeswehr sowie das Zentrum für Operative Information.


Auch auf DVD, Kontakt per Email!

flugblaetter

coyp 29.05.2007 - 12:16
hier nochmal die zwei unterschiedlichen flugblätter mit denen bei der aktion einerseits besucherInnen und andererseits mitareiterInnen informiert wurden.