"Staatsschutz" im Einsatz (GÖ)

Beobachterin 18.04.2007 22:45 Themen: Antirassismus Repression
Polizei beobachtet heimlich eine Tafel-Enthüllung am so genannten "Südwestafrika-Denkmal" in Göttingen.

Diese Zusatztafel greift mehr als 100 Jahre nach dem Kolonialkrieg gegen Nama und Herero endlich die opferperspektive auf.
Ob das der Polizei nicht gefällt, weiß man nicht.
Jedenfalls wurden die 22 Personen gründlich beobachtet.
Die Enthüllung einer Gedenktafel durch die Stadt Göttingen wird heimlich von Polizei beobachtet.

Die Geschichte des Kolonialismus und des Umgangs mit eben dieser Geschichte ist lang und kompliziert.
An der Geismar Landstraße/Ecke Friedländer Weg steht in Göttingen das "Deutsch-Südwestafrika-Denkmal". Es ist damit eines der ganz wenigen Kolonialdenkmäler auf deutschem Boden. Öfter haben sich die deutschen Kolonialtruppen am Ort ihrer Verbrechen fern der Heimat selber Denkmäler gesetzt.
Dieses manchmal auch "Namibia-Denkmal" genannte Göttinger Denkmal ist den getöteten Soldaten des Göttinger 82er Regiments gewidmet und steht unweit der ehemaligen Lüttich-Kaserne (heute Gothaer-Versicherungsgruppe). Man gedenkt also der Täter und nicht der Opfer des Kolonialismus.
Diesen ungeheuerlichen Umstand zu ändern bedurfte eines rund 30 Jahre währenden Einsatzes mehrerer Menschen.
Mehrmals wurde das Denkmal teilweise zerstört. Die ursprüngliche Tafel ist verschwunden und wurde in den 1980er Jahren ersetzt ohne die Opferperspektive aufzugreifen. Der auf dem Steinsockel angebrachte Adler wurde gestohlen. Jahre später tauchte der Kopf des Adlers wieder auf und wurde noch später einer Universität in Namibia übergeben, wo er als Mahnmal gegen Kolonialismus ausgestellt ist.
Die jetzt angebrachte Zusatztafel lässt die mehrfachen Teilzerstörungen sichtbar bleiben und erklärt darüber hinaus die Denkmalsgeschichte und greift endlich die Opferperspektive auf. Diese Tafel ist die Antwort auf eine (Zitat Kulturdezernentin) "nicht autorisierte Zusatztafel einer 'antikolonial-Initiative'". Die erwähnte Initiative hatte im Januar 2006 eine eigene Zusatztafel aufgestellt. Die Stadtverwaltung entfernte diese Tafel nach wenigen Tagen. Das "Tafeln-zerstören" hat in Göttingen halt Tradition. Da wollte die Stadtverwaltung auch mal mitmachen.

Fotos von der heutigen Veranstaltung besitze ich nicht, aber es wurde fotografiert von Presse und "Privatpersonen".
Am Ende der Veranstaltung wurde ich auf einen Vorfall aufmerksam, der mich diesen Artikel schreiben lässt:
Zwei Männer liefen einem der Fotografen hinterher und sprachen ihn an. Er hätte sie fotografiert und das sei nicht akzeptabel.
"Wenn diese Fotos veröffentlicht werden, werden Sie strafrechtlich verfolgt!" sagte der eine Mann barsch.
"Entschuldigen Sie, wer sind Sie? Was wollen Sie?" war die Antwort des Fotografen.
"Wir sind von der Polizei!" war die unmissverständliche Antwort im Befehlston. Und sie fuhren fort, "Ich empfehle Ihnen, den Chip zu löschen. Wir könnten das auch anders regeln. Dann nehmen wir Ihnen die Kamera erstmal weg!"
Nach dem Abgeben des Versprechens, keine Veröffentlichung der Fotos mit den Polizisten zu planen bzw. vorzunehmen, durfte der Fotograf gehen.
Ich sprach später kurz mit dem Fotografen. Dieses Gespräch diente mir der Ergänzung meiner eigenen Beobachtung, die ich hier schildere.
Es ist schon kurios. Da veranstaltet die Stadt Göttingen ganz offiziell (der Text der Zusatztafel wurde im Kulturausschuss einstimmig beschlossen) eine Tafelenthüllung und der "Staatsschutz" (Kriminalpolzei/ Politische Abteilung) beobachtet heimlich die Kulturdezernentin und einen Universitätsprofessor wie sie zwei kurze Ansprachen halten sowie selbstverständlich das Publikum.
Was soll das? bleibt als Frage zurück.

Wir müssen uns wohl wegen der bewiesenen Rassismus-, Folter- und Mord-Vorwürfe gegen die Bundeswehr und wegen der zahlreicher werdenden Auslandseinsätze auf die Errichtung weiterer "Helden-Denkmäler" gefasst machen. Da will die Staatsmacht schon mal die Deutungshoheit über diese Denkmäler für sich reklamieren.
Das könnte eine Erklärung sein.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

druck machen — anwältInnen einschalten