Westsahara - näher am Krieg als am Frieden

Ralf Streck 17.04.2007 17:36 Themen: Militarismus Weltweit
Der Streit um die besetzte Westsahara geht in eine neue Runde. Vergangene Woche hat Marokko der UNO einen neuen Plan für das seit 32 Jahren besetzte Gebiet vorgelegt. Statt einer Abstimmung über die Unabhängigkeit, Basis des Waffenstillstandsabkommens mit der Befreiungsfront Polisario 1991, sollen die Saharaoris nur über eine begrenzte Autonomie innerhalb Marokkos abstimmen dürfen.
Mit dem Vorschlag will das autokratische Königreich die "exklusive Kompetenz" über das Gebiet erhalten. Das gilt für "die Währung, Nationalflagge und Hymne" sowie die "verfassungsgemäßen und religiösen Kompetenzen des Königs" der auch als "Garant" der "individuellen und kollektiven Freiheiten" bezeichnet wird, obwohl das Land in allen Berichten von Menschenrechten auftaucht und die Presse scharf zensiert. Natürlich umfasst dies auch die "Ausbeutung der Ressourcen". Ölfirmen aus den USA und Frankreich haben sich längst von Marokko Rechte zur Ölförderung in der Westsahara gesichert.

Die Polisario reagierte scharf auf den Vorstoß von Marokko und hat dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki Moon einen Gegenvorschlag übermittelt. Für die Regierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (RASD), die von 82 Ländern anerkannt ist, erklärte die Kultusministerin Mariam Hmada, der Autonomieplan "bringt uns dem Krieg näher als einer gerechten Lösung". Seit langem wird in den Flüchtlingslagern über die Rückkehr zum bewaffneten Kampf diskutiert, in denen etwa 200.000 Flüchtlinge seit dem chaotischen Abzug der spanischen Kolonialmacht 1975 unter harten Bedingungen ausharren.

Die Menschen verlieren die Geduld, weil Marokko seit 16 Jahren das von der Uno-Mission Minurso überwachte Referendum boykottiert. In den besetzten Gebieten sind die Saharaoris wegen der Siedlungspolitik Marokkos schon in der Minderheit und einer starken Repression ausgesetzt. Bei friedlichen Protesten gab es in den letzten zwei Jahren mehrere Tote, zahllose Verletzte, hunderte Gefangene und einige Menschen sind spurlos verschwunden. Nachrichten darüber gibt es wenig, denn die Gebiete sind seit 2005 abgeriegelt und auch internationalen Delegationen von Politikern und Journalisten wird der Zutritt verweigert. Mitte 2006 erhielt eine Delegation des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte zutritt und zählte zahllose Menschenrechtsverletzungen auf. Die seien die Folge davon, dass den Saharaoris das Recht auf Selbstbestimmung verweigert wird, resümiert die Kommission.

Die Polisario hält weiter am Referendum für die Unabhängigkeit im Rahmen des Plans des UNO-Sondergesandten James Baker fest. Das ist ein weiterer Kompromiss, denn der Plan-Baker verschob das Referendum auf 2009. Bis dahin sollte die Westsahara eine Autonomie erhalten. Doch Marokko lehnte auch den Vorschlag 2004 ab, weshalb Baker danach zurücktrat.

Positiv nahm die Polisario die Stellungnahme von Ban Ki Moon zum Autonomievorschlag von Marokko auf. Der UN-Generalsekretär forderte die Parteien auf, Verhandlungen ohne "Vorbedingungen" aufnehmen, um eine Lösung zu finden, die "gerecht, dauerhaft und für beide Seiten akzeptabel ist". Ban Ki Moon sagte, die Lösung müsse dem Gebiet das "Selbstbestimmungsrecht gewähren" und kritisierte auch die von der UNO-Kommission festgestellten Menschenrechtsverletzungen durch marokkanische Sicherheitskräfte. Alles andere wäre ein Scheitern der UNO angesichts der Unnachgiebigkeit eines Despoten.

© Ralf Streck, den 16.04.2007
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