Demo in Wismar: "Nazistrukturen lahmlagen"

Zwar liegt das Ergebnis noch unter dem Landesdurchschnitt, zeigt jedoch, dass in Wismar rechtsextremes Potenzial vorhanden ist und die rechte Wählerschaft breiten Zulauf gewinnt.
Für den Wahlkreis Wismar ging NPD-Direktkandidat Rainer Schütt [geb. 1944 in Wismar] ins Rennen. Schütt trat nach Angaben der NPD schon zu Beginn der 90er Jahre der Partei bei, engagiert sich im Kreisvorstand von Ludwigslust und „verantwortet die Parteiarbeit in Nordwestmecklenburg“. Er war u.a. Kreisvorsitzender der NPD in Lübeck und von Ostholstein und schon bei den Bundestagswahlen 2005 Direktkandidat für Wismar. Bei der Landtagswahl 2006 konnte er 1093 Wählerstimmen [5,2 Prozent] auf seine Person vereinen und war mit Listenplatz 8 nicht allzu weit vom Einzug in den Landtag entfernt.
Neonazistrukturen und Treffpunkte
„Aus der Bewegung, für die Bewegung.“ So lautet das Motto vom „Werwolfshop“ in Wismar, der durch die Vermarktung von rechtem Merchandising zu einem überregionalen Anlaufpunkt für Neonazis wurde. Aus ihm heraus wurde im Sommer eine linke Demonstration der Kampagne „Keine Stimme den Nazis“ angegriffen und brachte die Stadt Wimar auf internationaler Ebene in Verruf. In der gleichen Straße gab es schon einmal einen rechten Szeneladen. Der „08/15-Store“ von René Metz musste jedoch aufgrund des Engagements der Anwohner dichtmachen.
Unweit vom Werwolfsshop versorgt das Tattoo- und Piercingstudio „Needle of Pain“ die Kundschaft mit rechter Propaganda. Bei Hausdurchsuchungen im „Werwolfshop“, „Needle of Pain“ und einer Privatwohnung im Februar 2007 wurden T-Shirts mit strafbaren Aufdrucken, zwei Koffer mit weiteren CDs strafbaren Inhalts und eine feuerbereite Pumpgun gefunden.
In der so genannten „Wolfshöhle“ wurden im Jahr 2006 regelmäßig „Nationale Stammtische“ abgehalten, mit dem Ziel örtliche Strukturen zu festigen. Zu den Gästen gehörten auch führende NPD-Kader der Region und des Landes wie Manfred Schütt und Stefan Köster. Daneben diente die Lagerhalle auch zur Durchführung von Konzerten und Festen der rechtsextremen Szene, war also Verbindungsstelle von NPD und „freien Kräften“. Öffentlicher Druck dürfte die Vermieter dazu bewegt haben den Vertrag zu kündigen. Eine Neuauflage ist nun in der Altstadt von Wismar zu finden: die „Wolfshöhle II“ wird von rechten Cliquen als Anlaufstelle und Wohnprojekt genutzt.

Rechtes Merchandising aus der Hansestadt
Gleich zwei große Naziversände sind im Raum Wismar angesiedelt. Der „H8-Store“ wurde lange Zeit von Philip Schlaffer betrieben, der seine Geschäfte mittlerweile an Norman Peters abgetreten hat. Unter dem Namen „Totenkopfversand“ setzt dieser nun die langjährige Tradition fort und versorgt die rechte Szene mit Musik, Klamotten [darunter Shirts mit Anspielungen auf eine CD der verbotenen Rechtsrockband Landser: „L.– Republik der Strolche“] und Literatur. Über das Label "North X" werden Rechtsrock-Bands seit 2002 Plattenveröffentlichungen ermöglicht: so veröffentlichte zum Beispiel die Güstrower Band "Inborn Hate" über das Label ihre Debut-CD. „North X“ bietet darüber hinaus vor allem Bands aus dem Ausland ein Forum: z.B. „Fortress“ (Australien), „Preserve Whity Aryans“ (Estland), „Sniper“ (Finnland) oder auch „Action Group 88“ (USA).
Der V7-Versand bietet an ähnlich breites Programm von Musik, über Bücher und Fanzines, bis hin zu einschlägigen Szeneklamotten oder Accessoires wie Fahnen und Schmuck. Die 2000 von Ingo Knauf gegründete und betriebene Firma hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Konkurrenten geschluckt [„Show-Down Records“ des ehemaligen „B&H“-Kaders Bernd Peruch, den „TTV-Versand“ von Lars Georgi, „Wotan Records“, sowie den „Aufruhr-Versand“ aus Gera]. Auf das Konto von Ingo Knauf gehen auch das Label "V7 Records" mit regelmäßig neuen Rechtsrockveröffentlichungen und die Sublabels "Bloody Core Records", sowie "Bloody Creed Records", auf denen er Metal- und Noisecorebands ein Forum bietet.

Naziaktivitäten
Ganze Bücher müsste der Verfassungsschutz über die neonazistischen Aktivitäten im Großraum Wismar schreiben, würde er ordentlich arbeiten. Auch im Jahr 2007 macht die Stadt Wismar regelmäßig Negativ-Schlagzeilen:
- am Neujahrstag war es bei einem Trinkgelage zu einer Schlägerei zwischen Neonazis gekommen, die für einen 31-Jährigen mit tödlichen Kopfverletzungen endete. Zwei der später Festgenommenen waren auch schon bei dem Angriff auf die "Keine Stimme den Nazis“-Demo dabei
- schon mehrfach war das Kultur- und Wohnprojekt "Tikozigalpa" Angriffen ausgesetzt. Anfang des Jahres schmissen Unbekannte Scheiben ein und demolierten ein davor parkendes Auto
- am 1. März wurde ein 28-jähriger Student aus dem Sudan von bisher unbekannten Tätern brutal überfallen und als „Neger“ beschimpft
- ein Bio-Bistro wurde Anfang März mit Hakenkreuzen, SS-Runen und rechten Parolen beschmiert
- Mitte März wurden schließlich Jugendliche vor und in der alten Mensa am Friedenshof von Nazis angegriffen, von denen mehrere anschließend ambulant behandelt werden mussten

Wismar - „Neugierig. Tolerant. Weltoffen"
Mit einer Imagekampagne will sich die Hansestadt Wismar nun gegen die rechte Gewalt wehren und offenbart damit vor allem eins: Besorgnis um den „guten Ruf“ der Stadt und rückläufige Besucherzahlen. Trotz zahlreicher rechter Übergriffe und Veranstaltungen reagierten entsprechende Institutunionen lange Zeit verhalten auf die Situation und versuchten rechte Schlägertrupps totzuschweigen. Das Engagement gegen Rechts beschränkt sich bis dato auf Demonstrationsverbote in der Neustadt. Im öffentlichen Diskurs wird Rechtsextremismus zum „Randphänomen“ degradiert und diffuse Ängste vor Krawalltouristen gestört, die am 14. April mit einer Demonstration die Wismarer Innenstadt unsicher machen wollen.



- - - - - - - - - -

Links:

"Close it! Nazistrukturen lahmlegen"
Sonderseite der Antifa Wismar zur Demo
 http://demo.antifa-wismar.de/

Sondersitzung gegen das schlechte Image
Ein Pressespiegel zu rechten Aktivitäten in Wismar und dem Umgang der regionalen Behörden mit dem Problem.
 http://www.links-lang.de/0704/03.php

Nazi-Angriff auf Antifademo in Wismar
Film der Filmpiraten von den Ereignissen am 12. August 2006 in Wismar
 http://filmpiraten.blogsome.com/2006/11/20/
naziangriff-auf-antifademo-in-wismar/

Dynamische Lageentwicklung, bedeutsame Übergriffe, entschlossenes Eingreifen
Die Schilderung der Ereignisse auf der Antifa-Demo in Wismar aus Sicht der Polizei in der Antwort einer Anfrage der NPD-Fraktion im Landtag
 http://www.landtag-mv.de/dokumentenarchiv/drucksachen/
5_Wahlperiode/D05-0000/Drs05-0300.pdf