Antifa-Demo in Wismar

Wismar 11.04.2007 23:25 Themen: Antifa Antirassismus
In Wismar hat sich eine rechtes kriminelles Milieu etabliert, dessen Aktivitäten vom Geschäftemachen bis zum Morden reichen. Während die Stadt sich um ihr Image sorgt, wollen Antifas am kommenden Sonnabend gegen die Neonazi-Strukturen auf die Straße gehen.
Verschweigen, leugnen, runterreden. Wie man mit rechter Gewalt umzugehen hat, ist in Behördenkreisen allemal bekannt. Wismar macht hier keine Ausnahme. "Weder aus Zeugenaussagen noch aus den Einlassungen der Tatverdächtigen haben sich Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen Hintergrund ergeben", beschwichtigte Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick vor einem knappen Jahr, nachdem ein Afriker brutal überfallen wurde. Weil eine Gewalttat in Potsdam kurz zuvor die Republik in Betroffenheit versetzt hatte, schaffte es auch die kleine Hansestadt an der Ostseeküste plötzlich in die bundesweite Presselandschaft.

Mehrere Monate nach der Tat saßen jene, denen Ausländerfeindlichkeit nicht anzumerken sei, vor Gericht, begleitet von Kameraden in Nazi-Klamotten, die sich nicht scheuten, am Rande der Verhandlung den Hitlergruß zu zeigen. Dass es in Wismar vielleicht doch ein Problem mit Neonazis gibt, war inzwischen jedoch zur Binsenweisheit geworden. Dazu hatte es nicht der jahrelangen Meldungen von Übergriffen auf Nicht-Deutsche oder alternative Jugendliche, rechtsradikalen Schmierereien oder einer vielfältigen Rechtsrockszene bedarft. Vielmehr gingen jene Szenen um die Welt, in denen Neonazis eine Antifa-Demonstration mit Baseballschlägern anzugreifen versuchten und von der Polizei mit entsicherten Waffen gestoppt werden mußten. Auch, wenn die Beamten die Ereignisse später umzuschreiben versuchten: Bewegte Bilder scheinen sich nicht so leicht verdrängen zu lassen wie anonyme Presseberichte.

So offenbarte sich jenen, die hineinschauen wollten, ein erschreckendes Kaleidoskop rechter Umtriebe: Von rechten Wohnprojekten, Veranstaltungsorten, Bands und Läden erstreckte es sich über das Geschäftsimperium um Phillip Schlaffer und Ingo Knauf bis hin zu stetigen Übergriffen und sogar einem Mord inner- und außerhalb der Szene. Während Neonazis im Rest von Mecklenburg-Vorpommern um ein bürgerliches Image bemüht sind, prahlte das rechts-kriminelle Milieu von Wismar mit seinen Taten.

Irgendwann jedoch war der Moment da, an dem Polizei und Justiz des ewigen Herunterspielens gegen wachsenden öffentlichen Druck müde waren - oder sich schlichtweg nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen wollten. Zwar verhinderten selbst Festnahmen und wiederholte Hausdurchsuchungen keine weitere Gewalt, doch langsam rudert man in Wismar zurück. Schlaffer, von wohl nicht wenigen Strafverfahren und Vorwürfen der Zusammenarbeit mit den Polizei und Verfassungsschutz bedrängt, hat inzwischen erklärt, seine Geschäfte an befreundete Kameraden abgegeben zu haben. Den Anfang seines Ausstiegs begleitet er allerdings mit der Versicherung, dass "die Bewegung und der national sozialistische Grundgedanke mein Lebensinhalt" bleiben werden...

Der Stadtverwaltung fällt es inzwischen schwer, da nicht mitzuziehen gegen Rechts. Als Ergebnis von Sondersitzungen mit der einberufenen Zivilgesellschaft, die die Stadtoberhäupter nicht der Antifa überlassen wollen, soll eine Imagekampagne gegen Rechts ins Leben gerufen werden, inklusive Großdemonstration am 8. Mai. Dabei geht es weniger um die Neonazis, beteuert man der Presse. Stattdessen solle das Sicherheitsbedürfnis der Bürger, dass trotz niedriger amtlicher Statistiken über Gewalttaten ein Problem mit Rechtsradikalen erkannt hat, zurechtgerückt werden. "Wismar ist keineswegs der Hort alles Bösen", heißt es aus den Reihen der Polizei. Bürgermeisterin Rosemarie Wilcken: "Die jüngste Kriminalitätsstatistik weist Wismar als besonders sichere Stadt aus. Dennoch empfinden viele Bürger das angesichts schlagzeilenträchtiger Fälle anders. Dem müssen wir uns stellen."

Antifa-Gruppen reicht dieser offizielle Antifaschismus freilich nicht. Als Teil einer Kampagne mit dem Ziel, dass Geschäfte und Treffpunkte von Neonazis endgültig geschlossen werden, ruft die Antifa Wismar zusammen mit befreundeten Gruppen zu einer Demonstration am kommenden Sonnabend auf. Unter dem Motto "Close it! Nazistrukturen lahmlegen" geht es ab 12 Uhr vom Bahnhof aus durch die Innenstadt. Kein Verschweigen, kein leugnen, kein runterreden. Hier ist bekannt, wie man richtig mit Neonazis umzugehen hat.

Links

"Close it! Nazistrukturen lahmlegen"
Sonderseite der Antifa Wismar zur Demo
http://demo.antifa-wismar.de/

Sondersitzung gegen das schlechte Image
Ein Pressespiegel zu rechten Aktivitäten in Wismar und dem Umgang der regionalen Behörden mit dem Problem.
http://www.links-lang.de/0704/03.php

Nazi-Angriff auf Antifademo in Wismar
Film der Filmpiraten von den Ereignissen am 12. August 2006 in Wismar
http://filmpiraten.blogsome.com/2006/11/20/naziangriff-auf-antifademo-in-wismar/

Dynamische Lageentwicklung, bedeutsame Übergriffe, entschlossenes Eingreifen
Die Schilderung der Ereignisse auf der Antifa-Demo in Wismar aus Sicht der Polizei in der Antwort einer Anfrage der NPD-Fraktion im Landtag
http://www.landtag-mv.de/dokumentenarchiv/drucksachen/5_Wahlperiode/D05-0000/Drs05-0300.pdf
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Ergänzungen

Stadtplan + Auflagen

"Close it" 12.04.2007 - 08:30
Auf der Mobiseite sind die Auflagen + Stadtplan mit Demoroute verfügbar. Wir empfehlen allen die zur Demonstration kommen wollen mit zug anzureisen, da für sichere Parkplätze nicht gewährleistet werden kann.

Info am Rande

Antifa 12.04.2007 - 17:11
Die Baseballkeulen schwingenden You Tube Stars werdet ihr wohl nicht in Wismar treffen. Die sitzen in U-Haft, weil sie einen ihrer Kameraden abgeschlachtet haben.

U-Haft

Antifa Wismar 12.04.2007 - 20:06
Es sitzen nur 2 von den 5 Angreifern in U-Haft. Darunter der Flaschenwerfer und der Typ mit dem Basecap.
Es ist auch nicht richtig, dass das Opfer vom 2.Januar was du da ansprichst aus der rechten Szene kam.

...

... 12.04.2007 - 22:20

zum Mord sagt die taz

egal 14.04.2007 - 08:27
"fünf Neonazis während einer Feier in einer Wismarer Wohnung einen 30-jährigen Kameraden getötet haben" - hört sich doch irgendwie nach einer Nazi-Leiche an.
"Mittlerweile sitzen er und alle anderen Verdächtigen - darunter ein 37-jähriger Vater und sein 17-jähriger Sohn - in Haft, der Vorwurf lautet auf gemeinschaftlichen Totschlag." - das hört sich nach mehr als zwei Verdächtigen an, die in Haft sitzen
"Ihren Kameraden sollen die Rechten "äußerst brutal" getreten und mit Messerstichen verletzt haben." - die taz benutzt das Wort Kameraden bestimmt nicht, weil sie nun darauf stehen. Viel eher soll das wohl die politische Haltung des Opfers erklären.
 http://www.taz.de/pt/2007/01/10/a0079.1/text

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Wahnsinn! — Hämbürg

U-Haft — Neune