USA: Folter bis zum Wahnsinn

Naomi Klein 07.04.2007 19:12 Themen: 3. Golfkrieg Repression Weltweit
Psychologische Kriegsführung,- oder besser Folter: Die Vereinigten Staaten haben Hunderte, manchmal Tausende von Gefangenen in den Wahnsinn getrieben. Darüber wird jetzt vor einem Gericht in Miami verhandelt. Letztlich wird über das System der psychologischen Folter der USA geurteilt.
ISOLATIONSHAFT IM NETZ DER JUSTIZ
von: Naomi Klein

In dem Gerichtssaal von Miami werden die grausamen Mehoden, die seit dem 11.Sept. von Verhörführern der Vereinigten Staaten zur Unterwerfung der Gefangenen angewandt wurden, verurteilt...; doch im Fall von Jose Padilla, der nach dem Vorhaben der Bush-Administration wegen vermeintlicher Verbindungen zu einem internationalen Terrornetz verurteilt werden sollte, hat angeblich nie psychologische noch sonst irgendeine Form von Folter existiert. Dessen ungeachtet führen Padillas Anwälte an, dass dieser nicht in der Lage ist, an dem Prozess Teil zu nehmen, weil die Regierung ihn in den Wahnsinn getrieben habe.

Padilla, ehemaliges Bandenmitglied, geboren in Brooklyn und inhaftiert im Mai 2002 auf dem Flughafen O'Hare von Chicago, wurde als aktiv kämpfender Feind eingestuft und in ein Marinegefängnis in Charleston, South Carolina, gebracht. Dort war er in einer 9m auf 7m kleinen Zelle eingesperrt, ohne natürliches Licht, ohne Uhr und ohne Kalender. Immer wenn Padilla aus seiner Zelle gebracht wurde, wurde er in Ketten gelegt und musste schwere, verblendete Brillen und Ohrschützer tragen. Diesen Bedingungen war Padilla 1.307 Tage lang unterworfen. Über ihn war eine totale Kontaktsperre verhängt, mit Ausnahme seiner Verhörer, die ihn mit Fragen durchlöcherten und ihm grellen Licht und überreizenden Geräuschen aussetzten. Padilla sagte zudem aus, dass ihm ein Wahrheitsserum eingegeben worden sei, eine Substanz bei der sich laut seiner Anwälte um LSD oder CFC gehandelt haben muss.

Laut seinen Anwälten und zwei Psychologen, die ihn untersuchten, ist Padillas Zustand von einer derartigen Zerstörung, dass er zu seiner eigenen Verteidigung nicht mehr beitragen kann. Er ist der Überzeugung dass seine Anwälte Teil eines fortlaufenden Programms von Verhören sind und sieht dabei seine Fänger als Beschützer. Nachdem der Beweis erbracht wurde, dass die lang andauernde Folter Padilla schwer schädigte, wollen seine Anwälte die Vorgänge während dieser Jahre in dem Marinekerker, dem Gericht vorlegen. Die Staatsanwaltschaft erhebt dagegen energischen Einspruch und besteht darauf, dass Padilla´s Zustand gut seiund dass die genannte Behandlung, d.h. die Folter keine Relevanz besitzt.

Marcia Cooke,Bezirksrichterin der Vereinigten Staaten, vertritt hingegen eine andere Meinung: "Herr Padilla habe nicht in einer Kiste gelebt. Er habe sich an einem Ort befunden und an diesem Ort sind Dinge mit ihm geschehen. Die Richterin hat an mehrere Gefängnisangestellte die Anweisung erteilt, Erklärungen über die mentale Befindlichkeit Pandillas abzugeben. Das Gefängnispersonal wird darüber befragt werden, wie es sein kann, dass ein Mann, der angeblich in detaillierte, gegen die Regierung gerichtete Pläne involviert gewesen war, sich plötzlich verhält wie ein Möbelstück.

Huelga betont die Wichtigkeit der Besuche. Die zu Padillas Unterwerfung angewandten Techniken wurden, waren dieselben wie in der Bucht von Guantánamo seit der Ankunft der ersten Gefangenen dort vor 5 Jahren. Verblendete Brillen und Ohrschützer wurden eingesetzt, um die Sinne zu blockieren; die Häftlinge befanden sich in andauernder Isolierung, die von Storobskoplicht und Heavy Metal Musik unterbrochen wurde. Diesselben Praktiken sind in dutzenden Fällen von "ausserordentlicher Übergabe" durch die CIA dokumentiert und wurdem zudem auch in den Gefängnissen im Irak und Afghanistan verübt.

Viele haben dieselben Symptome erlitten wie Padilla. Laut dem Ex-Kaplan der Armee in Guantánamo, James Yee, existiert dort unter der Bezeichnung Delta Block, eine ganze Abteilung für Gefangenen, die sich fortlaufend im Delirium befinden. "Sie antworteten mir mit Kinderstimmen und redeten wahrhaftigen Unsinn. Viele von ihnen sangen mit lauter Stimme Kinderlieder, wobei sie deren Refrain immer wieder wiederholten. Alle Gefangenen dieses Delta Block stehen wegen Suizidgefahr rund um die Uhr unter Beobachtung".

Human Rights Watch hat die Existenz eines von den USA geführten Internierungslagers in der Nähe von Kabul aufgedeckt, das als "Gefängnis der Finsternis" bekannt ist: Winzige, vollkommen dunkle Zellen, die mit fremdartigen, ohrenbetäubenen Geräuschen angefüllt werden. "Viele werden verrückt", so ein ehemaliger Gefangener, "Man kann hören wie die Leute den Kopf gegen die Wände und Türen schlagen".

Diese Standarttechniken zur psychisch-geistigen Unterwerfung sind nie genau vor einem Gericht der USA geprüft worden, da es sich bei den Inhaftierten Personen um Ausländer handelt und man sie des Rechts habeas corpus beraubt hat; eine Rechteverweigerung die auf skandalöse Weise von einem föderalen Berufungsgericht in Washington DC bestätigt wurde.

Der Fall Padilla unterscheidet sich nur aus einem einigen Grund: Padilla ist us-amerikanischer Staatsbürger. Anfänglich war es nicht die Absicht der Administration gewesen, in seinem Fall zu verhandeln, doch als seine Rolle als aktiver Feind durch das Oberste Gericht in Frage gestellt war, änderte die Administration in abrupter Weise ihren Kurs, erhob Beschuldigungen gegen ihn und stellte ihn unter das Zivilrecht. Dies bewirkt nun, dass er das einzige Opfer der legalen Unterwelt seit dem 11.Sept. ist, dem in den USA ein ordetlicher Prozess gemacht wird.

Angesichts der aktuellen Situation hinsichtlich des Geisteszustands Padillas, sehen sich die Staatsanwälte vor ein Problem gestellt. Die CIA und die Armee wissen seit Anfang der 70iger Jahre, dass der Entzug von Sinneseindrücken und Sinnesüberreizung zu einer völligen Zerstörung der Persönlichkeit führt; und das ist genau das, was sie erreichen wollen. Der Entzug von Sinneseindrücken verursacht, dass sich der Betroffene geistig von Kontakten mit der Aussenwelt zurückzieht und auf diese Weise eine Selbstschädigung beginnt. Gleichzeitig bewirken die während der Verhöre kalkuliert eingesetzten Stimulationen, dass die betroffene Person in dem Vernehmungsführer eine Vaterfigur sieht. Diese Idee stammt von dem Verhörführer der Contraintelligenz, Kubrak, einem Handlanger der CIA, der 1963 wegen gewaltsamer Verhöre Wideständiger suspendiert worden ist.

Die Anleitung bassiert auf den Entdeckungen des bekannten CIA-Programms MK-ULTRA, das in den 50iger Jahren an die 25 Millionen Dollar für wissenschaftliche Untersuchungen von nicht üblichen Verhörtechniken kanalisierte. Einer der Psychater der Fonds von der CIA erhielt, war der infame Ewen Cameron von der McGill Universität in Montreal. Cameron unterwarf hunderte von PsychatriepatientInnen Elektroschocks von grösser Intensität, dem völligen Entzug von Sinneseindrücken und setzte sie unter Drogen wieLSD und CFC. 1960 nahm Cameron an einer Konferenz auf der Luftwaffenbasis Brooks in Texas Teil, wo er erklärte, dass der völlige Entzug von Sinneseindrücken die Anfangssysmptome der Schizophrenie hervorruft.

Es ist jedoch gar nicht nötig, diese Vergangenheit zu bemühen, um zu beweisen, dass die Armee der Vereinigten Staaten nur zu gut weiss, dass sie Padilla in den Wahnsinn getrieben hat. Die Feldanleitung der Armee, die im vergangenen Jahr neu aufgelegt wurde, sagt: Der Entzug von Sinneseindrücken kann als Konsequenz extreme Beklemmungen, Halluzinationen, fremde Gedanke, Depressionen und asoziales Verhalten verursachen sowie eine gravierende, psychologische Veränderung der Persönlichkeit mit sich bringen.

Wenn es diese Techniken waren, die Padilla wahnsinnig gemacht haben, heisst das, dass die Regierung der Vereinigten Staaten hunderte, möglicherweise tausende Gefangene auf der ganzen Welt bewusst in den Wahnsinn getrieben hat. Was in Florida zur Verurteilung steht, ist nicht der Geisteszustand eines Mannes..., es ist das System der psychologischen Folter der USA.

Naomi Klein, The Guardian, O4. März 07

Übersetzung für Rebelión: Jorge Rey González und Mabel Rivas González
Artikelversion unter:
www.nologo.org

1981 hat die AFAPP die Isolationshaft in dem Buch "Sterben um zu überleben" als eine Form der Weissen Folter angeklagt.

Aus dem Spanischen übersetzt von: tierr@
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Ergänzungen

A Trial for Thousands Denied Trial

February 26, 2007 (March 12, 2007 issue) 07.04.2007 - 19:35

Quelle?

muss ausgefüllt werden 08.04.2007 - 08:45
> Naomi Klein, The Guardian, O4. März 07

In meinem Guardian vom 4. März ist kein Beitrag von Naomi Klein zu finden.

Die Wahrheitsdroge

drogi 08.04.2007 - 11:37

Die zweite genannte Wahrheitsdroge wird wohl PCP sein (was ist CFC?), ein Dissoziativum. Die Wirkung wird im Wikipediaartikel Phencyclidin und den dort verlinkten Seiten erläutert.

Original-Artikel

Nordengland 08.04.2007 - 13:41
Der Original-Artikel findet sich hier (23. Februar, nicht 4. März):
 http://www.guardian.co.uk/comment/story/0,,2019341,00.html

Da kann man auch nachlesen, dass die Zelle nicht 9x7 Meter sondern Fuß (also 2,70x2,10 m) klein war.

@milan

stein 10.04.2007 - 15:26
das ist ein übersetzungsfehler. im original steht fuss und nicht meter. 7*9 fuss wären dann so ungefähr 2*3 meter.

Zelle9ft by 7ft, 9 Fuß/7 Fuß im Originaltext

Wahrheit 31.07.2007 - 21:33
Also die Zellgröße ist im Originaltext als
9ft by 7ft, d.h. 9 Fuß/7 Fuß im Originaltext
9 mal 30cm = 2,70 m
7 mal 30cm = 2,10 m

Zellgröße demnach 2,70 mal 2,10.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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9*7 Meter — milan

Danke — tierr@

Gefängniszelle — Baphomet