Erfolgreicher Generalstreik in Israel

Michele Giorgio / Gewerkschaftsforum Hannover 02.04.2007 02:59 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Ein unbefristeter Generalstreik legte am 21.März 2007 in Israel weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. Der Gewerkschaftsbund Histadrut hatte dazu aufgerufen, um die Regierung zur Auszahlung ausstehender Löhne zu zwingen. Rund 150.000 Beschäftigte beteiligten sich nach Gewerkschaftsangeben an dem Ausstand. Betroffen waren unter anderem Behörden, Häfen, Bahn, Nahverkehr, Müllabfuhr, Post und der Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. Der Streik endete mit einem Erfolg. Doch die Politik der Histadrut-Führung ist alles andere als klassenkämpferisch, wie die linke italienische Tageszeitung "il manifesto" vom 22.3.2007 berichtet.
Dass die israelische Regierung Olmert / Peretz nach dem verlorenen Libanon-Krieg vom letzten Sommer schwer angeschlagen ist und das ganze Land eine tiefe politisch-psychologische Krise durchmacht, die durch eine Vielzahl von aufgedeckter Skandale genährt wird, ist offensichtlich und sehr erfreulich. Diesen Umstand nutzte jetzt – wenn auch spät – der israelische Gewerkschaftsbund Histadrut zu einem erfolgreichen Generalstreik, wie die linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ am 22.3.2007 berichtet. Bei aller Freude über diesen Erfolg der Arbeiterbewegung sollte die strikt pro-zionistische Ausrichtung des israelischen Gewerkschaftsbundes allerdings nicht vergessen werden. In diesem Zusammenhang ist Dani Ben Simhons Kritik der Geschichte der Histadrut nach wie vor eine sehr empfehlenswerte Lektüre. In deutscher Sprache unter:  http://antifa.unihannover.tripod.com/Histadrut-Demontage.htm

Erst wenn es der israelischen Arbeiterbewegung gelingt, diese grundlegende Schwäche zu überwinden und insbesondere zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit mit den palästinensischen und den übrigen arabischen Arbeitern zu finden, wird sie wirkliche politische und soziale „Triumphe“ erringen können. Was nicht bedeutet, dass die Entwicklungen bis dahin bedeutungslos wären.


Israel legt die Arbeit nieder und die Regierung Olmert gibt sofort nach

Michele Giorgio – Jerusalem

Der gestern von der israelischen Gewerkschaftszentrale Histadrut proklamierte Generalstreik dauerte nur wenige Stunden. Die Arbeitsniederlegung, an der sich ungefähr 200.000 öffentlich Bedienstete beteiligten, trug allerdings sofort die erhofften Früchte ein.

Der Generalsekretär der Histadrut, Ofer Eini, verkündete gestern Nachmittag, dass dank eines mit den betroffenen Innen- und Finanzministerien erreichten Abkommens den ca. 4.000 Beschäftigten der verschiedenen Gemeindeverwaltungen, die seit mehreren Monaten kein Geld mehr bekommen hatten, die Gehälter ausgezahlt werden. Weitere 600 werden die ausstehende Entlohnung aus dem Hilfsfond der Gewerkschaft erhalten. Und nicht nur das, sagte Eini: Es wurden auch harte Sanktionen gegenüber denjenigen Kommunen beschlossen (einschließlich der Absetzung von Bürgermeistern und der Auflösung von Gemeinderäten), die es in Zukunft, aufgrund von Haushaltsproblemen, erneut unterlassen sollten, die Gehälter auszuzahlen.

Das war ein Erfolg für die Arbeitenden, aber Eini kann sicher nicht von einem Triumph sprechen. Das Gelingen des Streiks stellt de facto das Scheitern der abwartenden und auf endlosen Dialog mit der Regierung und den Gemeindeverwaltungen ausgerichteten Linie dar, die Eini zum Ärger der auf ihre Gehälter wartenden öffentlich Bediensteten wochenlang verfolgt hatte. Vor circa zwei Wochen hatte die ((linksliberale)) Tageszeitung „Haaretz“ über die Frustration der Arbeiter aufgrund des Verhaltens des Gewerkschaftsführers berichtet, der in dem Augenblick als er das Amt des Histadrut-Vorsitzenden anstelle von Amir Peretz (der in der Zwischenzeit Verteidigungsminister geworden ist) übernahm, kämpferische Appelle von sich gegeben hatte, denen dann allerdings sehr wenige konkrete Aktionen folgten.

Der gestrige Streik begann um 8 Uhr italienischer Zeit. Nachdem die mit der Regierung in extremis geführten Verhandlungen zum x’ten Mal gescheitert waren, war Eini letztendlich gezwungen die Arbeitsniederlegung zu proklamieren. In Israel kam das Leben zum Erliegen. Bei den neuralgischen Dienstleistungen, wie dem öffentlichen Nahverkehr, den staatlichen Behörden und selbst den von den Feuerwehr garantierten Notdiensten ging nichts mehr.

Die Arbeit eingestellt haben auch die Beschäftigten des internationalen Flughafens „Ben-Gurion“, die nur bereit waren die Landung des Flugzeugs mit der englischen Fußball-Nationalmannschaft an Bord zu garantieren, die am Samstag gegen die lokale Vertretung in einer für die Qualifikation zur Europameisterschaft 2008 entscheidenden Partie antreten muss. Der Streik sollte ohne zeitliche Begrenzung fortgesetzt werden. Am Nachmittag gab die Regierung – nachdem das Oberste Arbeitsgericht die von den Behörden eingereichten Widersprüche abgewiesen hatte – allerdings nach. Das Problem hätte bereits sehr viel früher gelöst werden können, aber das Desinteresse der Regierung, der auch die Arbeiterpartei angehört, sowie das Zögern Einis (der mit doppeltem Faden mit dem Verteidigungsminister Amir Peretz verbunden ist, welcher seine Vergangenheit als Gewerkschafter bereits vergessen hat) zogen die ganze Angelegenheit über Monate hin.

Die Wut der auf ihre Gehälter wartenden Beschäftigten erreichte ihren Höhepunkt als die israelische Presse über das achtstündige Verhör berichtete, dem Finanzminister Avraham Hirschson (Kadima-Partei) vor zwei Tagen von der Polizei unterzogen worden war, weil er verdächtigt wird, 13,5 Millionen Dollar aus den Kassen der Nationalen Arbeiterunion entwendet zu haben, einer rechten Gewerkschaft, deren Generalsekretär Hirschson bis 2005 zehn Jahre lang war. Ein Wirtschaftskommentator der Tageszeitung „Haaretz“ merkte an, dass die Regierung aufgrund der ständigen Untersuchungsverfahren „gelähmt ist“, denen ihre Minister (angefangen bei Ministerpräsident Ehud Olmert) ausgesetzt sind.

In der Zwischenzeit heben die Medien weiterhin das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 4% im Jahr 2006 hervor und zeigen sich optimistisch, was die wirtschaftliche Zukunft Israels anbelangt. Wobei sie die Schwindel erregende Zunahme der Armut und der realen Arbeitslosenquote in den letzten Jahren vergessen. Einer Arbeitslosenquote, die bei 20% liegt und damit sehr viel höher ist als die auf 8,5% festgesetzte offizielle. „Niemand spricht allerdings von den Milliarden Dollar, die die (israelische) Offensive des vergangenen Sommers im Südlibanon gekostet hat“ – sagte „il manifesto“ gegenüber der Ökonom Shir Hever. „In dieser Situation müsste die Gewerkschaftszentrale eine erstrangige Rolle für die Rechte der Erwerbslosen, der prekär Beschäftigten bzw. der schwächsten Teile der Bevölkerung spielen. Aber die Histadrut verteidigt in Wirklichkeit nur die Rechte der abgesichertsten und am höchsten entlohnten Beschäftigten.“

((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover))
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Ergänzungen

Es gibt auch andere Kritik an der Histadrut

verlinker 02.04.2007 - 10:52
Warum gerade eine italienische Zeitung zum beinah zwei Wochen alten Streik in Israel zitiert wird ist mir schleierhaft. Des Weiteren ist mir die Relevanz der "strikt pro-zionistische Ausrichtung des israelischen Gewerkschaftsbundes" in einer Auseinandersetzung mit einer strikt zionistisch ausgerichteten israelischen Regierung ebenfalls nicht klar. Der Zionismus kann demnach nicht der Auslöser der Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaft und Regierung sein. Es ging um ausstehende Lohnauszahlungen der kommunalen Bediensteten. Trotzdem gibt es Kritik am Vorgehen der Histadrut, die jedoch weder mit Zionismus noch mit fehlender Solidarität mit palästinensischen und arabischen Arbeitern zu tun hat.

1.) Der Streik durch die HISTADRUT instrumentalisierte Bereiche, die mit der kommunalen Verwaltung nichts zu tun haben, wie zB das Fughafenpersonal im Flughafen BEN GURION und das Postpersonal. Diese bezeugten so ihre (proletarische) Solidarität mit den schnöde am ausgestreckten Arm verhungernden kommunalen Verwaltungsbediensteten und Arbeitern.

2.) Die HISTADRUT-Funktionäre sind in staatliche und parteiliche Netze verwickelt. Sie scheinen ihre gewerkschaftliche Macht vor allem für politische Karrieren zu nutzen. (Der Verteidigungsminister Peretz war bis zur seiner Berufung Vorsitzender der HISTADRUT.)

3.) Die HISTADRUT-Funktionäre versuchten wochenlang den Streik abzuwenden, konnte jedoch dem Druck der Basis nicht standhalten und musste den Streik ausrufen.


Quellen:
-  http://www.hagalil.com/01/de/Israel.php?itemid=672
-  http://www.linkezeitung.de/cms/content/view/2390/35
-  http://www.israeltoday.co.il/default.aspx?tabid=178&nid=12058
-  http://www.haaretz.com/hasen/spages/840314.html
-  http://www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1173879122639&pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull

Arab Women March in Tel Aviv Demanding Work

palestina libera , palestina rossa 02.04.2007 - 16:58
Arab women have never before marched in Tel Aviv with banners raised demanding work. This year on International Women’s Day it happened: some 150 Arab female agricultural workers from the Galilee and the center of the country marched through the streets, demanding that the government stop “importing” cheap, exploited workers from Thailand and allow them – the women – to earn a living.

The marchers waved the banners of the Workers Advice Center (WAC) that helps them to find work and defends their rights. As they marched, they shouted slogans such as “No to unemployment,” “No to the new slavery of foreign workers,” “Yes to work, no to poverty,” and “Create job opportunities.”

The aim of the demonstration was to give the lie to the claims of Israeli farmers and the establishment, who assert that local workers are not ready to work in agriculture, and that it is Arab society that prevents women from working and not the lack of jobs. The demonstrators protested against the Israeli government's decision to import 3000 Thai agricultural workers, in addition to the 26,000 that already work in Israel. “Whenever we appeal to a farmer to give us work, he says, no thank you, I already have Thai workers,” said Khitam Naamneh, a WAC activist.

The high poverty rate among Arabs in Israel (50%), and the low participation of Arab women in the work force (only 17%), led WAC to decide to raise the issue of unemployment among Arab women in Israeli public opinion. Women’s work is the key to lifting Arab society above the poverty line.

The march drew the attention of the Israeli media, and received prime time coverage in the first and second TV channels. A short video named “A day in the life of Siham,” produced by the Video 48 group, was also shown on Israeli TV.

The women’s march terminated in the Tel Aviv Cinematheque, where the Women’s Forum of WAC held a panel with Jewish and Arab speakers. The speakers noted the importance of establishing a farmers' trade union to defend the rights of women and prevent abusive employment by subcontractors, and protect them from the policy of importing cheap foreign labor. They insisted on the importance of work for achieving economic and personal empowerment, and encouraged the female agricultural workers who are organized in the Women’s Forum to continue their just and courageous struggle.

 http://www.workersadvicecenter.org/woman_day_2007.html

Bilder

 http://www.workersadvicecenter.org/gallery/index.html