Radioaktivität im andalusischen Huelva

Ralf Streck 30.03.2007 20:43 Themen: Weltweit Ökologie
Ein Auswärtiger, der die südspanische Stadt Huelva besucht, könnte eine riesige weiße Fläche am Stadtrand für Meersalz halten. Schließlich befindet sich die Fläche in den Feuchtgebieten eines Flusses nahe dem Mittelmeer, nur etwa einen halben Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Doch weit gefehlt, denn in einer Mine und in den Becken und Senken des Feuchtgebiets wurden auf 1200 Hektar Fläche hier zwischen 70 und 120 Millionen Tonnen Industrieabfälle abgekippt, die sich zu kleinen Hügeln mit bis zu fünf Metern Höhe auftürmen. Die enthielten nicht nur Dünnsäure und gefährliche Schwermetalle sondern sind auch radioaktiv, zum Teil auch hochradioaktiv..
Mehrfach hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace, auf der Fläche, die so groß wie 2400 Fußballfelder ist, Messungen mit Geigerzählern vorgenommen. Die Organisation behauptet, ein Mensch werde auf dem offen zugänglichen Gelände der 20-30fachen Strahlendosis ausgesetzt, der er nach geltendem Recht nur über den Zeitraum von einem Jahr verteilt ausgesetzt sein dürfte.

Die Messungen wurden nun im Beisein des grünen Europaparlamentariers und Mitglied des Petitionsausschusses David Hammerstein wiederholt, wobei in der Zone CRI 9 die 25fache Menge der erlaubten Jahresdosis gemessen worden sei. Hier seien nicht nur die Industrieabfälle aus der Herstellung von Phosphorsäure abgelagert worden, die schwach radioaktiv sind, sondern auch mit Cäsium-137 verseuchte Abfälle, die aus einem Unfall 1998 in einer Anlage der Firma Acerinox stammten.

In einem Hochofen im südspanischen Algeciras war damals irrtümlich mit Schrott ein medizinisch-radiotherapeutischer Cäsium-Strahler eingeschmolzen worden, wobei alle Kontrollen versagt haben. Weder wurde das radioaktive Material im Vorfeld erkannt, noch wurde die austretende Radioaktivität von den Sensoren am Hochofen registriert. Allerdings schlugen zwischen dem 1. und dem 8. Juni Messstationen in Frankreich, Italien und sogar in den Niederlanden Alarm.

Mit Bezug auf Angaben des Kontrollrats für nukleare Sicherheit (CSN) liege die Radioaktivität der bei Huelva ebenfalls abgelagerten Asche aus dem Hochofen sogar 3500fach über dem erlaubten Wert, berichtet Greenpeace. Nach dem Besuch von Hammerstein wird die Organisation nun formal eine Petition bei dem Ausschuss einreichen, weil nach ihrer Einschätzung die europäischen Richtlinien für radioaktive Strahlung, für giftige und gefährliche Abfälle und für den Trinkwasserschutz verletzt werden.

Greenpeace will erreichen, dass über die EU die Halde als "radioaktive Anlage" eingestuft und entsprechend gesichert wird. Die lokalen Behörden in Andalusien und die übergeordneten Behörden in der Hauptstadt Madrid schauten dem Teil illegalen Treiben bisher zu. "Das Risiko, dem die Bevölkerung ausgesetzt wird, ist nicht hinnehmbar", beklagt Greenpeace gemeinsam der Grünen Partei und Bürgerinitiativen. Das Gesundheitsministerium von Andalusien versuche weiterhin die Gefährdungen klein zu reden und stelle die Interessen der Industrie über die Gesundheit der Bürger,

Tatsächlich ist die Krebssterblichkeit in Huelva so hoch ist wie nirgends sonst in Spanien. Das Gesundheitsministerium der sozialistischen andalusischen Regionalregierung macht dafür aber starken Tabakkonsum der Bevölkerung und die hohe Verkehrsdichte verantwortlich. Die Umweltschutzbeauftragte Isabel Rodríguez erklärte inzwischen, die Messungen seien falsch.

Allerdings widerspricht sich das Gesundheitsministerium selbst, wenn der besonders starke Tabakkonsum für die hohe Krebsrate angeführt wird. Denn in einer eigenen Studie siedelt das gleiche Ministerium Huelva sogar unter dem Durchschnitt in Andalusien beim Tabakkonsum an. Eine Bürgerinitiative die für die Dekontaminierung eintritt, spricht auch von einer erhöhten Sterilitätsrate, einer hohen Zahl ungewollter Schwangerschaftsabbrüche und zahlreicher Atemwegserkrankungen. Huelva soll auch die Stadt mit der höchsten Rate von Asthmatikern in Spanien sein.

Mit Erstaunen nehmen die Umweltschützer auch zur Kenntnis, dass in der nordspanischen Region Katalonien gehandelt wird. Dort wurden die Mechanismen in Gang gesetzt um am Fluss Ebro 700.000 Tonnen gleichartiger Abfälle abzutragen. Das ist eine 2000fach geringere Menge, um die es in Huelva geht.

© Ralf Streck, den 28.03.2007
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