3.Prozesstag–29. März 2007im Fall Oury Jalloh

prozessbeobachter 29.03.2007 22:58 Themen: Antifa Antirassismus Weltweit
„Ich konnte auch noch in die Zelle 5 hineinsehen. Das werde ich nie vergessen. Da war ein dunkelroter Fleck“


Der Brand in Zelle Fünf


...regelmäßige Prozessberichte und mehr unter :  http://prozessouryjalloh.de
Der heutige dritte Tag des Prozesses um den Feuertod von Oury Jalloh findet leider komplett ohne die beiden Nebenkläger statt. Beide, die Mutter und der Halbbruder des 21- jährigen Westafrikaners, sind während ihres Aufenthaltes in Dessau erkrankt.



Den Auftakt bildet die Befragung der Zeugin Anette F. Die 45jährige arbeitet seit 15 Jahren als Einlassdienst im Dessauer Polizeirevier und war am 07.01.2005 im Dienst.

F. gibt an, ihr sei während eines Toilettengangs gegen 11.30 Uhr ein „Sing-Sang“ aus den unter den WCs befindlichen Kellerräumlichkeiten aufgefallen, sie habe dem jedoch keine Beachtung geschenkt, obwohl sie Kenntnis darüber hatte, dass sich jemand in Gewahrsam befand. Der Sanitätstrakt befindet sich, das zeigte der gestrige Verhandlungstag, befindet sich direkt über der Zelle 5. Laut der Pförtnerin hätten sich 11.50 Uhr die Polizeibeamtin Beate H. und ihr Kollege Hartmut S., ein Beamter der Verkehrsabteilung, zu einem letzten Kontrollgang vor dem Unglück in den Gewahrsamstrakt begeben. Nach ca. 4-5 Minuten seien die Beamten wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt, der Kontrollgang wäre laut H. ohne Besonderheiten verlaufen. Dies könne sie deshalb so genau sagen, weil sie die Beamtin H. dazu befragt habe.



Gegen 12.00 Uhr sei der Beschuldigte Sch. mit dem Kollegen Gerhard M. zügigen Schrittes die Treppe herunter gelaufen gekommen und habe sich in den Keller begeben, wobei M. ungefähr 4 bis 5 Schritte hinter Sch. lief und ebenfalls in Richtung Keller rannte. Nach ca. 1-2 Minuten sei Sch. wieder nach oben in die Hauswache gekommen und hätte im DLG-Raum die Diensthabende Beate H. angerufen, diese solle, so habe F. vernommen, die Feuerwehr und einen Notarzt rufen, da es unten in der Zelle einen Brand gäbe. Laut F. sei der beschuldigte Dienstgruppenleiter Sch. relativ ruhig gewesen: „er schien die Sache im Griff zu haben…“ Ihr sei aufgefallen, dass Sch. zu diesem Zeitpunkt schon rußverschmiert war. Zwischenzeitlich habe er außerdem nach einer Decke gerufen, diese habe die Zeugin F. von einem ihr unbekannten Kollegen bekommen und sie Sch. überreicht.



Kurze Zeit später habe die 45jährige vom Revierleiter Gerald K. die Anweisung erhalten, die Türen des Besuchereingangs zu öffnen, um einen Abzug zu gewährleisten. Im Anschluss daran habe sie sich zusammen mit Revierleiter K. durch das Haus begeben, um 8 Brandschutztüren manuell zu schließen. Da sich der Eingangsbereich zusehends mit Rauch füllte, begab sich F. nach draußen auf die Treppe des Besuchereingangs, um auf die Feuerwehr zu warten. Als die Feuerwehr, die sie erstmals über das Martinshorn wahrgenommen habe und aus Richtung Hauptbahnhof eintraf, hätte sie das Tor an der Rückseite des Reviers geöffnet

Die Angestellte des Einlassdienstes habe erst nach ihrem Feierabend, der nach ihren Angaben gegen 13.30 war, erfahren, dass der junge Mann in der Gewahrsamszelle verbrannt sei.



Oberstaatsanwalt Preissner befragt sie, ob sie eine Einweisung zum Verhalten bei einem Brand bekommen hätte, woraufhin die Zeugin angibt, dass es lediglich ein Buch zum Nachlesen gibt (was sie auch getan hätte), aber es nie zu einer direkten Unterweisung gekommen sei.

Als RA Klinggräff F. fragt, ob man 2005 vom Hausapparat der Wache noch „nach draußen“ telefonieren konnte, bejaht sie dies. „Ist der Sch. nie in den Sinn gekommen, dass er direkt die Feuerwehr rufen kann?“, fragte ein Vertreter der Nebenklage. „Nein“, so die Antwort der Zeugin auf die Frage.

Auf Nachfrage von Verteidiger Teuchtler gibt F. an, dass die Einlasskräfte im Revier keine Vorgesetzten hätten, da dieser von einer Fremdfirma betrieben wird, dass aber der zuständige DGL durchaus weisungsbefugt sei.

Die Zeugin konnte sich nicht erinnern, dass der Angeklagte Sch. an diesem Tag zweimal vom Apparat der Hauswache telefoniert hätte. Ihr wäre nur das Gespräch mit Beate H. erinnerlich. Dies bestätigte F. auf mehrmalige Nachfrage ausdrücklich.





Die Vernehmung des zweiten Zeugen



Der 52jährige Kriminalbeamte Hans-Jürgen B. versieht seinen Dienst im Polizeirevier Dessau seit 1990. Der Zeuge ist für alle Prozessbeteiligten vor allem deshalb von Bedeutung, weil er zum Zeitpunkt des Brandes im Gewahrsamstrakt war und versuchte, in die Zelle 5 zu gelangen, um dort „zu helfen“. Außerdem bringt B. Sachverstand mit, der für die Klärung der Geschehnisse relevant ist. Er ist bei der Kriminalpolizei für den Bereich Brandermittlung zuständig und bekleidete zu dem bei der Dessauer Feuerwehr bis 1990 den Rang eines Brandobermeisters.
“Es war ein Freitag“, erinnert sich der Beamte an den 07. Januar 2005. Wann er an diesem Tag genau seinen Dienst begonnen hätte, kann er jetzt nicht mehr sagen. Der Richter fragt den Zeugen, ob ihm am besagten Tag bekannt gewesen wäre, dass eine Zelle im Gewahrsamstrakt belegt war. Zu Dienstbeginn hätte er davon noch keine Kenntnis gehabt, später habe er im Rechner nachgeschaut und gesehen, dass „da einer drinne ist“. Aus dem entsprechenden Eintrag habe er entnommen, dass der Insasse betrunken gewesen sei und „draußen randaliert“ habe. B. gibt zu Protokoll, dass er „gegen 12.00 Uhr“ das Revier verließ, um Zigaretten in einem Tabakwarengeschäft in der Johannisstrasse zu kaufen. B. sagt überdies aus, dass er bis zu dem Geschäft etwa 4-5 Minuten zu Fuß gebraucht habe. Nun kommt zur Sprache, dass in dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll, aus dem der Richter zitiert, andere Zeitangaben dokumentiert sind. „Diese Vernehmung war irgendwann im März“, spielt der Zeuge auf den langen Zeitraum zwischen dem Brand und seiner Befragung an. Da könne man sich unmöglich noch genau an zeitliche Abläufe erinnern. Der Richter sichtet die Akten und stellt dann klar, dass seine Vernehmung durch zwei Beamte der Polizeidirektion Stendal bereits am 25. Januar 2005, also 20 Tage nach dem Vorfall, erfolgt war. Später geht es in der Vernehmung des Zeugen um augenscheinliche Widersprüche zwischen seinen heutigen Aussagen und Erinnerungen zu dem Vernehmungsprotokoll, dass seiner Befragung durch Beamte der Polizeidirektion Stendal dokumentiert. Der Oberstaatsanwaltschaft Preissner spricht B. auf Ambivalenzen in der zeitlichen Abfolge der Dauer seines Zigarettenkaufs an und betont zusätzlich, dass er während des Verfahrens den Eindruck gewonnen habe, dass die Stendaler Beamten gewissenhaft arbeiten. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass die beiden vernehmenden Beamten überhaupt pingelig waren.“, sagt B. Darüber hinaus hätten sie die aus seiner Sicht späten Vernehmung folgendermaßen begründet: „Sie müssen entschuldigen, aber wir haben übersehen, dass sie auch da unten waren“, erläutert der Zeuge weiter. Erst nach mehrmaliger Nachfrage seitens der Prozessbeteiligten wurde die angewandte Vernehmungsmethode transparent. B. erklärt, er habe jeweils zu einer Frage ausgesagt, dann hätten die Beamten seine Worte paraphrasiert und diese dann erst auf Tonband aufgenommen. Anfänglich war insbesondere bei der Nebenklage der Eindruck entstanden, dass die Aussagen B.’s direkt aufgenommen worden wären. RA Isensee schlägt daraufhin vor: „Vielleicht müssen wir das Tonband mal hören, um es genau zu wissen“. Wenig später antwortet auch B auf eine Frage der Rechtsanwältin der Mutter von Oury Jallohs: „Holen sie das Band und spielen sie es ab“. Richter Steinhoff entgegnet später in diesem Zusammenhang, dass das wohl nicht mehr möglich ist: „Gelöscht, wie immer“. Ob er das von ihm unterschriebene Formular zur Vernehmung denn tatsächlich gelesene habe, beantwortet B. nach einer Inaugenscheinnahme am Richtertisch: „Nein!“
Der Zeuge berichtet dann, dass er nach seiner Rückkehr vom Zigarettenkauf im Bereich des Besuchereinganges auf den Angeklagte Sch. getroffen sei. Dieser habe ihm ohne weitere Erklärung zugerufen: „Jürgen, geh mal runter, da ist was passiert“. In diesem Moment habe er wahrgenommen, dass die Augen und die Mundwinkel des Dienstgruppenleiters durch Ruß schwarz eingefärbt gewesen seien. Auf eine Nachfrage des Vorsitzenden äußert B., dass er nicht gesehen habe, dass Sch. in diesem Moment im Pförtnerhaus telefoniert habe. „In ihrer Vernehmung steht es umgekehrt“, hakt Steinhoff nach und meint damit, dass B. laut Akte bei der Befragung ausgesagt hat, dass Sch. ihm diese Anweisung gegeben habe, während er ein Telefongespräch führte. „Nein!“, erwidert B. vehement, von einem Telefonat habe er nichts mitbekommen. Wenig später, so B., sei dann der Beamte Mö. erschienen und habe ihn aufgeregt angesprochen: „Eine Decke“ habe er angefordert.

„Da war richtig dicker, schwarzer, fettiger Rauch. Ich war lange genug bei der Feuerwehr, wenn Du da durchgehst, liegt man daneben.“, beschreibt er seine Wahrnehmung, nachdem er im Kellerbereich angelangt war. Im Vorraum des Gewahrsamstraktes hätte er seinen Kollegen Mö. getroffen. Später konkretisiert er auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage diesen Teil seiner Aussage. Mö. hätte nicht direkt vor der Zelle 5 gestanden, so wie es im Vernehmungsprotokoll nieder geschrieben wurde, sondern der Kollege habe aus dem Vorraum einen Blick in den Gewahrsamstrakt in Richtung der Zelle 5 geworfen. Diese befände sich nämlich unmittelbar hinter dem Vorraum auf der rechten Seite.

Er habe dann für sich entschieden, dass er ohne Hilfsmittel nicht in den Gewahrsamstrakt vordringen könne. Darauf hin sei er auf den Hof gerannt und habe aus dem Kofferraum seines Wagens eine Decke geholt. Mit Hilfe dieser habe er dann kriechend versucht, aus dem Vorraum kommend zur Zelle 5 zu gelangen. Es wäre ihm schließlich gelungen, bis zum Rand der Zelle zu gelangen. „Ich konnte auch noch in die Zelle 5 hineinsehen. Das werde ich nie vergessen. Da war ein dunkelroter Fleck“, beschreibt er seine Erinnerung. Diesen Fleck habe er links vom Eingang der Zelle, auf etwa 30cm Höhe gesehen. Später gibt er in der Zeugenvernehmung zu Protokoll, dass er lodernde Flammen nicht habe erkennen können. Ob es zu diesem Zeitpunkt noch offenes Feuer gegeben hätte, könne er nicht sagen. „Das war schon ein Risiko, da noch mal Reinzugehen“, bewertet er heute aus seiner Sicht das Gefahrenpotential für seine Person in diesem Moment. „Es muss jemand versucht haben, unten zu löschen. Mit einem Feuerlöscher“, so der Zeuge zu den Vorgängen in seiner Abwesenheit. Während des Kriechvorganges wäre er mit seinem Knie gegen einen Feuerlöscher gestoßen. Seiner Meinung nach könnte es sich dabei um den Feuerlöscher aus dem Vorraum des Gewahrsamstraktes gehandelt haben. Er habe nämlich in diesem Bereich eine an der Wand angebrachte Feuerlöscherhaltung gesehen, in der sich kein Gerät mehr befunden habe. Definitiv könne er jedoch nicht sagen, ob es dieser Feuerlöscher gewesen sei. Der Zeuge vermutet auch, dass der Leiter des Einsatzdienstes Kö. sich während des Brandes auch im Gewahrsamsbereich aufgehalten haben soll. Er habe ihm nach seinem erfolglosen Löschversuch zusammen mit anderen Beamten auf dem Hof gesehen. Auch bei ihm wären Russ-Spuren im Gesichtsbereich zu erkennen gewesen. B. vermutet, dass Kö. dort war, als er seine Decke aus dem Wagen holte.
Im Hof angelangt habe er Beamte gesehen, die aus dem Fenster des DGL-Raums geschaut hätten. Rufend habe er sie gefragt, ob die Feuerwehr schon verständigt sei. „Ja“, hätte ihm die Beamtin Beate H. zugerufen. „Wann ist die Feuerwehr eingetroffen“, möchte Richter Steinhoff wissen; B. weiß er nicht mehr genau: „So gegen 12.20 Uhr“. Ob jemand die Feuerwehr eingewiesen hätte, vermag der Zeuge nicht zu sagen. Er habe es jedenfalls nicht getan. Der Beamte Udo S. wäre kurz vor dem Eintreffen der Feuerwehr zusammen mit dem Angeklagten M. von der Streife zurückgekommen und soll B. angesprochen haben: „Jürgen, ist der da unten noch angekettet?“. In diesem Augenblick habe er das erste Mal erfahren, dass Oury Jalloh in der Zelle 5 fixiert gewesen war. Er erinnert sich nicht daran, dass auch der Angeklagte M. ihn in dieser Situation angesprochen habe.

„Was ich noch sagen möchte: Selbst wenn ich in die Zelle gekommen wäre, hätte ich ihn nicht retten können“, sagt er in diesem Zusammenhang zu einem früheren Zeitpunkt seiner Vernehmung. Er bestätigt, dass er keine Möglichkeit gehabt hätte, die Fixierung des Oury Jalloh zu lösen, da er in diesem Moment keinen Zugriff auf die Schlüssel hätte haben können. Demnach wäre die einzige Möglichkeit gewesen, den Inhaftierten mit dem Löschen Des Feuers mittels der Decke zu retten. Das jedoch sei ihm nicht möglich gewesen: „Der Vorraum war denn ja auch zu“.
Nach Beendigung der Löscharbeiten wäre B. nach eigenen Angaben in der Zelle 5 gewesen, um dort mittels „besserer Taschenlampen“ für Licht zu sorgen, da die elektrische Anlage nicht mehr funktioniert habe. Kollegen vom Kriminaldauerdienst des Polizeireviers Dessau hätten dann erste Dokumentations- und Sicherungsarbeiten durchgeführt. B,. habe einen Kollegen aufgefordert, alle Name der Beamten zu notieren, die sich dann im Gewahrsamstrakt aufhielten. Außerdem könne er sich an eine Anweisung des Revierleiters Ko. Erinnern, der angeordnet habe, dass niemand, außer den ermittelnden Beamten, die Räumlichkeiten betreten dürften. B. verneint diese Frage vehement, ob er irgendetwas in der Zelle berührt oder verändert habe. Die noch fixierte Leiche des Oury Jallohs habe er jedoch gesehen. Ein Feuerzeug habe er nicht gesehen.
Rechtsanwalt Teuschtler, der Verteidiger des Angeklagten M., will dann vom Zeugen wissen: „Kennen Sie die Brandschutzordnung?“ „Auf diese Frage habe ich gewartet. Wenn es nach mir ginge, müsste das Polizeirevier brandschutztechnisch gesperrt werden. Jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt“, sagt der Beamte aus. Er wäre auch nicht in die Erarbeitung der Brandschutzordnung involviert gewesen: „Um Himmelswillen“.

Einen Evakuierungsplan für den Gewahrsamsbereich kenne er nicht, antwortet B. auf Frage von Teuchtler. Er könne auch eine elektrische Ursache für das Feuer im Gewahrsamsbereich ausschleißen, B. dazu wörtlich: „Das ist ja nichts.“
Zum Abschluss der Befragung des Zeugen B. bringt die Nebenklage das Medieninteresse im Fall Oury Jalloh ins Spiel. RA Ulrich von Klinggräff möchte vom Zeugen wissen, ob es Dienstanweisungen bezüglich des Medienkontaktes gegeben hätte oder Dienstberatung, wo der Umgang mit der Presse zu Sprache kam. „Dafür haben wir einen Pressesprecher der regelt das“, so B. An Absprachen darüber hinaus könne er sich nicht entsinnen. Der Zeuge sagt auch: „Wenn ich jemand von den Medien sehe, sehe ich rot“. Abschließend äußert sich B. noch zur Aufarbeitung des Falls Oury Jalloh im Polizeirevier Dessau: „Das ist bis heute nicht aufgearbeitet. Es wurde doch geschwiegen, von Anfang an“.



Die letzte Zeugin heute, Frau Brigitte S.



Die 64jährige arbeitete seit 2002 als Verwaltungsbeamtin auf dem Polizeirevier Dessau, wobei sie hauptsächlich für die Finanzen und die Beschaffung zuständig gewesen sei.



Ihr Büro habe sich damals im ersten Stock des Gebäudes befunden, sie habe sich dies mit ihrer Kollegin T. geteilt; mit dieser sei sie am Mittag des 5. Januars 2005 gegen 11.30 Uhr auch zusammen in die Mittagspause in die Kantine gegangen. Etwa eine halbe Stunde später, gegen 12.00Uhr habe sie sich - vermutlich gemeinsam mit der Kollegin – wieder auf den Rückweg zu ihrem Büro gemacht.

Dort angekommen habe alsbald Frau T.’s Telefon geklingelt, am Apparat sei die Einsatzleiterin Beate H. gewesen. Frau T. habe ihr nach dem Telefongespräch mitgeteilt, dass Beate H. sie darüber informiert habe, dass es im Gewahrsamstrakt brenne, so die Zeugin. „Paar Minuten sind schon vergangen, wo wir uns noch unterhalten haben“, sie habe sich gewundert, „das kann doch nicht sein, was soll da brennen?“. Frau T. soll wohl daraufhin auch ihren Vorgesetzten Herr Mi. angerufen und informiert haben, der sich zu der Zeit im Urlaub befand. Dieses Telefongespräch jedoch habe S. nicht mehr mitbekommen.

Kurz danach sei sie dann schnell zum DGL –Bereich im selben Stockwerk gegangen, wo sie Beate H. alleine und telefonierend vorgefunden habe. Frau S. schätzt, dass sie dort gegen 12.15 Uhr eingetroffen sein muss. Ihr erster Blick sei dann auf den Monitor gefallen, auf dem kein klares Bild mehr zu erkennen gewesen sei: „Ich konnte ja erst noch ein bisschen was sehen, und plötzlich war alles grau“. Ob sie auf dem Monitor die Tür der Zelle Fünf gesehen habe, wusste die Zeugin nicht mehr, sicher sei sie sich jedoch, dass sie durch die Wechselsprechanlage ein ‚Plätschern’ wahrgenommen habe.

Zunächst habe sie ein paar Worte mit der deutlich beschäftigten Einsatzleiterin gewechselt,

„die hat so zu tun gehabt mit den Telefonaten, das klingelte ja immerzu“. Beate H. sei aufgeregt gewesen, was die Zeugin auf das ständige Klingeln des Telefons zurückführte. Auf die Frage des Staatsanwaltes, wie es Beate H. darüber hinaus gegangen sei, meint Frau S.: „Ich muss eigentlich bald sagen [Zögern; Anm. d. Red.] normal. Sie war ärgerlich, aber wegen der vielen Telefongespräche“. Einmal habe sie geschimpft: „Nicht schon wieder die Presse“. Weitere Gefühlsregungen der Beate H. seien ihr nicht aufgefallen. Ob sich das Verhalten von Frau H. in der Zeit, als sie sich im DGL-Bereich befand, geändert habe, will RA Isensee wissen – das könne sie nicht sagen, so die Zeugin.

Sie sei dann ans Fenster getreten, das einen Blick auf den Hof ermöglicht.

Die Feuerwehr sei schon da gewesen, sie habe die Wagen gesehen, jedoch konnte sie sich nicht entsinnen, vorher ein Martinshorn gehört zu haben. Auf dem Hof habe sie außerdem den Leiter des Polizeireviers K. und den Leiter des Einsatzdienstes Kö. gesehen. „Die waren beide eigentlich sehr aufgeregt“, Kö. sei es offensichtlich nicht gut gegangen, er habe gehustet. Erst später, als sie Kö. im 1.Stock wieder traf, habe sie auch bemerkt, dass er Russspuren am Körper trug.

Kurz darauf sei jemand, sie wisse nicht mehr wer, in den DGL-Bereich gekommen und habe nach den Zweitschlüsseln für den Gewahrsamsbereich verlangt. Sie habe sich daraufhin in einen Nebenraum des DGL-Raumes begeben, um dort die Schlüssel von ihrem abgestammten Platz zu nehmen. Diese haben sich immer in einem Stahlschrank in einem Briefumschlag befunden. „Ich bin dann schnell über den Flur gerannt, vorne kam mir Kö. entgegen, der hat sie mir abgenommen und ist die Treppe runter gerannt“. Dann sei sie zurück in den DGL-Bereich gegangen, wo sie später auf Revierleiter K. getroffen sei, der ihre Frage, ob noch irgendetwas zu machen sei, verneinte. Daraufhin habe sie sich zurück in ihr Büro begeben.



Der Richter befragt die Zeugin nun zu ihren Aufgabenbereichen als Verwaltungsbeamtin bei der Polizei Dessau. Ob sie auch für die Beschaffung der Matratzen für den Gewahrsamstrakt zuständig gewesen sei? Die Zeugin bestätigt dies, erläutert jedoch, dass sie die Bestellung immer nur an das TPA (Transportpolizeiamt) weitergeleitet habe: „Wir durften sie auf alle Fälle nicht selber beschaffen“. Im Beschaffungsprotokoll, in dem die zu beschaffenden Dinge aufgelistet gewesen seien, sei die Größe der Matratzen vorgegeben gewesen, des Weiteren, dass diese schwer entflammbar und abwaschbar sein müssten. Ob sich diese Auflage nur auf den Bezug oder auch auf den Inhalt der Matratzen bezogen habe, wisse sie nicht. Der Rechtsanwalt des Angeklagten Sch. erkundigt sich, wie die Ausmaße früherer Beschädigungen an den Matratzen ausgesehen haben. S. gibt an, dass hin und wieder die Nähte, und eventuell auch einmal der Bezug beschädigt gewesen seien. Letzteres könne sie jedoch nicht mit Gewissheit sagen. „Wenn man so eine Matratze ein paar Jahre hat, dann weiß ich nicht, wie dann der Faden nachgibt“.

Weiterhin stellt der Richter die Frage, ob auch die Beschaffung der Feuerlöscher in ihren Zuständigkeitsbereich gefallen sei. Dem sei so gewesen, wo aber welcher Feuerlöscher positioniert gewesen wäre habe sie nicht gewusst. „Ich habe auf alle Fälle eine Übersicht gehabt“, stellt sie fest. Auch sei sie sich gewiss, dass eine Kontrolle des Vorhandenseins der Feuerlöscher stattgefunden habe, sie wisse aber nicht mehr, ob dies vor oder nach dem 07. Januar 05 geschehen sei. Auf die Frage, wie viele Feuerlöscher sich im Kellergeschoß befunden haben, erwähnt sie einen im Technikraum und glaubt überdies, sich an einen Feuerlöscher rechts neben der Tür vor dem Gewahrsamsraum erinnern zu können. „Ich war nicht oft da unten“ erläutert sie, sie habe sich nur in den Gewahrsamstrakt begeben, wenn Zellen oder Matratzen beschädigt gewesen seien. Zu den anderen Stockwerken äußert sie: “Wir hatten auf jeder Etage im Flur den Rettungsplan hängen“. Die Feuerlöscher seien darauf als rote Symbole eingezeichnet gewesen. Einen Plan für das Kellergeschoß habe es auch gegeben, dieser habe ihrer Erinnerung nach etwas verstaubt an der rechten Wand im Durchgang zum Gewahrsamsbereich gehangen.

Zuletzt erfragt der Rechtsanwalt des Angeklagten Sch. noch einmal den Zustand der Feuermeldeanlage. Ob und wie viele Fehlalarme es gegeben habe? Die Zeugin gibt daraufhin zu Protokoll, dass es im vorangegangenen Jahr etwa drei Fehlalarme gegeben habe. „Wir haben ja die Anlage reparieren lassen, […] im September [2004], weil es Fehlalarm gegeben hat“. Die Frage, ob es später zu weiteren Fehlalarmen gekommen sei, verneint die Zeugin.
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Ergänzungen

wichtige Zeugen fehlen

egal 30.03.2007 - 11:47
Seltsam das die folgende Personen nicht als Zeugen auftreten müssen oder nicht angeklagt sind, oder die Aussage verweigern:
1. Der "Kollege" der mit dem angeschuldigten Hans-Ulrich M Oury Yalloh festgenommen hat, und wobei es offensichtlich zu schweren Mißhandlungen kam. Warum wurde nicht auch er der die ganze Zeit dabei, nicht wg. der mangelhaften Durchsuchung Yallohs (Feuerzeug) angeklagt? Was tat er und wo war er als Yalloh starb und das Feuer brannte?
Warum muß er nicht als Zeuge auftreten?
2. Der Arzt Blondau, (Neurologe P.): der vom Dienstgruppenleiter Andreas Schubert herbeigerufen "Piekste mal einen Neger!"wurde, der bei Yalloh die Blutprobe abnahm (2,9 %, dazu Haschisch und Koks) und dem die schweren Verletzungen und Kopfverletzungen bei Yalloh und seinen benebelten Zustand also bekannt waren und auch die möglicherweise tödlichen Folgen kannte, und ihn trotzdem für "polizei-hafttauglich" erklärte und eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus ablehnte, wo man natürlich auch die schweren Verletzungen dokumentiert hätte.
Blonau stellte auch den Totenschein (Selbstverbrennung) aus und übersah dabei die schweren Verletzungen Yallohs!
3. Warum verweigert der Angeklagte Hans-Ulrich M. die Aussage vor Gericht, und will nur über die erfolgte Durchsuchung Yallohs (kein Feuerzeug, kein Feuerzeug) reden - und weiter nichts? Was hat er zu verbergen? Will er sich nicht selbst belasten und in Widersprüche verwickeln? Wo war Hans-Ulrich M. als Yalloh starb und das Feuer ausbrach?
4. Wie ist es möglich das ein sollches Feuer („Da war richtig dicker, schwarzer, fettiger Rauch")durch ein einziges Feuerzeug entsteht - ohne Brandbeschleuniger?

Offenbar haben Staatsanwälte und Gericht nur die Zeugen laden lassen, die nichts zur tatsächlichen Aufklärung beitragen können, und genau die nicht vorgeladen, von denen sie wußten, daß ihre durch ein Gericht erzwungenen Aussagen schnell zur Aufklärung führen würden über die tatsächlichen Umstände von Yallohs Tod und des gelegten Feuers!

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vielen dank — michael