Kündigungen bei PinMail München

m czora 21.03.2007 16:32 Themen: Soziale Kämpfe
Die PIN AG, die "Grüne Post" mit ihren zahlreichen Unterfirmen in den verschiedenen Städten ist nach eigenen Angaben der größte private Briefzusteller in Deutschland. Berühmt wurde bis her vor allem die Berliner PIN mit ihren extrem prekären Arbeitsbedingungen, die ihr den Namen "Lidl unter den Briefzustellern" einhandelte. Eine Kündingungswelle gibt es momentan bei der PinMail München.
Die Münchner Pin gibt es seit Oktober 2006. Etwa seit November wurden zahlreich BriefzustellerInnen eingestellt und von verschiedenen Depots im ganzen Stadtgebiet mit der Briefzustellung begonnen. Als Arbeitsmittel dienten Postfahrräder, später kamen Motorroller dazu. Vor allem Telefongesellschaften wie Arcor und Vodafone zählen seit dem zu den Auftraggebern, jedoch auch Behörden und verschiedene private Firmen.

Mit dem anfangs geringen Briefaufkommen war das Arbeiten eher entspannt. Es ging darum, die Bezirke auzukundschaften etc. Unbeliebt machten sich die Grünen BriefzustellerInnen lediglich bei den Bewohnern von Wohnblocks, in denen die Briefkästen nur mit Haustürschlüssel zugänglich sind. Hier mussten die Bewohner rausgeklingelt werden, die mit jeder Woche ärgerlicher wurden.

Inzwischen ist das Postvolumen gestiegen und damit die Anforderungen an jeden einelnen. In manchen Depots klagen die Briefzusteller über massive Überstunden und Zeitdruck, an anderen Standorten ist die derzeitige Lage in Ordnung.

Der Großteil der BriefzustellerInnen ist mit einer Halbtagsstelle angestellt. Bei nicht ganz 110 Monatsstunden erhalten sie 800 Euro Brutto. Der Nettobetrag liegt grob zwischen 600 und 650 Euro, womit sich in München eine Einzimmerwohnung mieten und eventuell heitzen lässt, das Essen kommt dann aber aus der Mülltonne hinter dem Supermarkt.

Nun kam am Montag mit der Gelben Post bei vielen Arbeitnehmern die Kündigung ins Haus. Es betraf vor allem diejenigen, die einige Fehltage angehäuft hatten.

“Eine krasse Fehlentscheidung, kommt wohl von ganz Oben”, sagt ein Mitarbeiter, der unbekannt bleiben möchte, dazu. Soziale Gesichtspunkte wurden völlig außer acht gelassen und Verdienste um die Firma blieben unbeachtet. “Es hat nicht interessiert, ob jemand ein Kind zu Hause hat und wieviele Tage die Kollegen trotz Krankheit täglich ihre Arbeit verrichteten”, sagt er uns wütent. Wie im vielfach beigepflichtet wird, war die Motivation anfangs wirklich sehr hoch. “Das Gefühl, eines neuen Anfangs, mit neuen Kollegen eine neue Firma aufzubauen, das hat uns alle eine Zeit lang begleitet.”
Das die Kündigungen wirtschaftlich sinnvoll waren, wird ebenso vielfach in Frage gestellt. “Das waren gute Leute, die haben nicht blau gemacht und müssen jetzt gehen, weil sie mit der Grippewelle ein paar Fehltage hatten”, so der Kommentar einer Mitarbeiterin.
Als ein Briefzusteller das ganze der behandelnden Ärtztin erzählte, sagte diese kopfschüttelnd: “Das ist gemein, richtig gemein, Sie hätten wirklich nicht arbeiten können, das hätte zu Folgeerkrankungen führen können.”

Juristisch scheint es kaum Möglichkeiten geben, sich zu wehren, da in der neu gegründeten Firma noch alle in der Probezeit sind. Viele wollen das ganze trotzdem nicht einfach hinnehmen. Hoffen wir, daß es jetzt richtig kracht, damit die “ganz Oben” merken, dass es so nicht geht! Und damit andere zweifelhafte Firmen in der Branche sehen, was passieren kann.

Leider können wir die Namen der BriefzustellerInnen, mit denen wir sprachen, nicht nennen -wir bitten um Verständnis.
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Ergänzungen

Harte Arbeit - Karger Lohn

Icke 22.03.2007 - 15:50
Krankheit und schon ist die Prämie futsch

"Wir haben ein Grundgehalt plus Prämienordnung. Es gibt Abzüge, wenn ich einen Krankheitstag habe. Offiziell krankgeschrieben - da fehlt mir Geld!", erklärt Robert Pinkus die firmeninterne Entlohnung. Dem widerspricht auch der Chef des Kurierdienstes, Günther Thiel nicht: "Ja, es ist eine harte Arbeit und niemand bekommt etwas geschenkt. Sondern er muss dafür arbeiten, aber dafür bekommt er sein Geld.", sagt der Vorstandsvorsitzende der PIN AG, Günther Thiel. Ob man von dem Gehalt, was seine Firma zahlt, gut leben könne, das wisse er nicht, sagt Thiel, man lebe auf jeden Fall besser denn als Hartz-IV-Empfänger.

Razzia bei PIN

Pinkus 23.03.2007 - 15:14
shz.de/23.03.07/PIN Mail im Visier der Zollfahnder

Neumünster / ro - Mit einem Großaufgebot von 30 Fahndern haben das Hauptzollamt und die Staatsanwaltschaft Kiel gestern die Firmenräume des privaten Briefzustellers PIN Mail in Neumünster, Kiel, Rendsburg und Schleswig durchsucht.

Ermittelt wird wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Außerdem sollen Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten worden sein, sagte Staatsanwalt Norman Löwisch, der bei der Kieler Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen zuständig ist. Auch Privaträume von Beschuldigten seien von der Durchsuchungsaktion betroffen, bei der umfangreiches Beweismaterial sicher gestellt worden sei.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi war in der Vergangenheit mehrfach gegen "Dumpinglöhne" und fehlende Sozialstandards bei PIN Mail zu Felde gezogen. "Wir sehen jetzt unsere Kritik bestätigt", sagte Verdi-Bezirksgeschäftsfüherin Sabine-Almut Auerbach.
PIN Mail ist mit etwa 120Mitarbeitern Schleswig-Holsteins größter privater Briefzusteller und Partnerunternehmen des Branchenprimus’, der PIN Group AG in Luxemburg.