Biotreibstoffe werden zum sozialen Sprengsatz

Werner Paczian 09.03.2007 11:43 Themen: Biopolitik Globalisierung Weltweit Ökologie
Proteste in Brasilien vor Bush-Besuch
SAO PAULO, HAMBURG – Landlose Bauern haben am Mittwoch in Brasilien eine Mine, eine Bank und eine Ethanol-Fabrik besetzt, um gegen die Ausweitung des industriellen Zuckerrohranbaus und den Ausverkauf brasilianischer Fabriken zur Ethanolproduktion zu protestieren. Die Aktionen stehen im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Besuch von US-Präsident Bush, der eine Ethanol-Allianz mit Brasilien anstrebt. Ethanol wird in Brasilien als Treibstoff für Pkws benutzt und als Folge des weltweiten "Biokraftstoffbooms" zunehmend in alle Welt exportiert.
Die Besetzungen sind Teil einer Aktionswoche, mit der die Öffentlichkeit auf die gravierenden Probleme beim Zuckerrohranbau und der Produktion von Ethanol aufmerksam gemacht werden sollen. Die starke Ausweitung des industriellen Zuckerrohranbaus hat Umweltzerstörung und -verschmutzung durch das Abbrennen der geernteten Felder, unmenschliche Arbeitsbedingungen sowie die weitere Konzentration von Landbesitz zur Folge, was zu einer Vertiefung der krassen sozialen Unterschiede in Brasilien führt.Kelli Mafort, Koordinator der mächtigen brasilianischen Landlosenbewegung MST, erklärte: "Ethanol ist keine saubere Energieform und ist umweltschädlich. Mit der Aktion wollen wir auch dem amerikanischen Präsidenten Bush sagen, dass er hier keine Freunde hat." MST-Führer Joao Pedro Stedile fügte hinzu: „Bush kommt als Botschafter der multinationalen Konzerne, der Agroindustrie, der Ölfirmen und der Automobilhersteller, die gemeinsam das weltweite Geschäft mit Biotreibstoffen kontrollieren wollen.“Die massiven Proteste in Brasilien, dem mit Abstand größten Produzenten von Ethanol aus Zuckerrohr, werfen auch einen Schatten auf den EU-Gipfel in Brüssel. Dort soll entschieden werden, ob sich die EU verbindlich auf Mindestmengen beim Verbrauch von Biotreibstoffen festlegt. Umweltorganisationen wie Rettet den Regenwald (Hamburg) kritisieren solche Festlegungen, weil der Boom bei Biotreibstoffen Kleinbauern vertreibt, Regenwälder zerstört, die Artenvielfalt bedroht und immer stärker eine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion darstellt.
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Ergänzungen

In Brazil, Bush Announces Ethanol Deal

Brezen für Brazil 09.03.2007 - 20:10

endlich

biofuelwatcher 09.03.2007 - 22:14
Wir sollten diesen Kämpfen noch viel mehr Sichtbarkeit hier in der Metropolen geben. Gibt es Möglichkeiten Leute, die an diesen Widerstand beteiligt sind nach Heiligendamm einzuladen? Kann DISSENT & Co da was machen ? In Mexiko gab es vor einigen Wochen auch bereits Auseinandersetzungen, weil Tortillas unbezahkbar werden aufgrund von steigenden Maispreisen, die zur Gewinnung von Ethanol destiniert werden.

Europa setzt eher auf Palmöl aus Südostasien (Indonesien / Malaysia), was desaströse Folgen haben wird. Indonesien ist mittlerweile unter den Top 3 der Welt was CO2 Emissionen angeht.

Gute Infos hier:  http://biofuelwatch.org.uk

Ein gutes Interview dazu gibt es auch auf der "Reclaim Power" DVD zum Klima-Aktionscamp in England.
Siehe:
 http://www.cinerebelde.org/site.php3?id_article=342〈=de





Achtung bei Infos über Biosprit!

Stephan 11.03.2007 - 22:02
Ich bin keinerlei Weise abhängig von einem Ölmulti. Ich bin Maschinenbau-Ingenieur. Mein Wissen in Bezug auf die Landwirtschaft habe ich hauptsächlich über das deutsche Peak-Oil-Forum (www.peak-oil-forum.de bzw. altes Forum:  http://f27.parsimony.net/forum67590/index.htm) bzw. vor allem dank verschiedener eifriger Poster gewonnen. Dort kann man mich auch erreichen.

Folgende Aussagen des obigen Artikels stimmen nicht:
"Die starke Ausweitung des industriellen Zuckerrohranbaus hat Umweltzerstörung und -verschmutzung durch das Abbrennen der geernteten Felder,"

1. Beträgt die Fläche des Zuckerrohranbaus ca. 5,8 Mio. Hektar bei einer Gesamt-Fläche Brasiliens von ca. 854 Mio. Hektar (Deutschlands Gesamtfläche: ca. 35 Mio. Hektar):
"In Brasilien wird Zuckerrohr auf einer Fläche von 5,8 Mio ha angebaut. Die Zuckerrohrfelder ziehen sich vom Nordosten des Landes bis in den Süden."
D.h. nur ein sehr kleiner Teil der Fläche Brasiliens wird für den Anbau von Zuckerrohr verwendet.
 http://www.agri-cultour-brazil.com/LANDWIRTSCHAFT/PFLANZENPRODUKTION/Zuckerrohr.html

2. Beträgt die Anbau-Fläche von Soja ca. 23 Mio. Hektar, wovon ein großer Teil genverändertes Soja ist ("Mit einer Anbaufläche von 23 Millionen Hektar ist Brasilien nach den USA der zweitgrößte Sojaproduzent und nimmt in der Rangliste der Soja-Exporteure den ersten Platz ein.
...
Mittlerweile ist Brasilien nach den USA, Argentinien und Canada weltweit bereits viertgrößter Produzent von gentechnisch verändertem Soja. Ende 2005 wurden auf etwa 40 Prozent der nationalen Soja-Anbaufläche gv-Sorten ausgesät."
 http://www.agri-cultour-brazil.com/LANDWIRTSCHAFT/PFLANZENPRODUKTION/Soja.html)
Die Anbaufläche von Soja ist vier mal größer als die von Zuckerrohr. Wenn man sich also um Monokulturen Sorgen machen will, dann sollte man dies zuerst beim Soja tun. Und Soja wird in Europa überwiegend als Futtermittel in der Tierhaltung eingesetzt.("In der EU werden 80% der Sojabohnen zu Futtermitteln verarbeitet, der übrige Teil geht in die Lebensmittelerzeugung und in den technischen Bereich."; gleicher Link)

3. Die Felder werden nicht NACH der Ernte, sondern davor abgebrannt: "Gängige Praxis bei der Zuckerrohrernte war und ist teilweise heute noch das Abbrennen der Felder. Dies diente der Erleichterung der Arbeit, da die messerscharfen Blätter die Erntehelfer verletzen können.
...
Das Abbrennen der Felder vor der Ernte führte zu Luftverschmutzung und Atemwegsproblemen."
 http://www.agri-cultour-brazil.com/LANDWIRTSCHAFT/PFLANZENPRODUKTION/Zuckerrohr.html

4. Sind die heutigen Zuckerrohr- bzw. Ethanolfabriken relativ modern: "Durch das neue brasilianische Energieeinspeisegesetz kann nun aus der überschüssiger Bagasse, die bei den Zucker- und Ethanolfabriken anfällt, Strom gewonnen, und in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden." (gleicher Link) D.h. die Produktion von Bio-Ethanol benötigt nicht etwa Energie, sondern sie liefert welche.

5. Ist Zuckerrohr immer noch eine Pflanze und keine fossile Energie, d.h. die Verbrennung bzw. Nutzung dieser Pflanze ist weitgehend CO2-Neutral!
Dazu: "Bis zu 8 Ernten (Schnitte oder Ratoons) können auf einem Zuckerrohrfeld wachsen. In Indien beträgt die Nutzungsdauer z. B. 2 Schnitte, in Brasilien dagegen 5 Schnitte. Eine Zuckerrohrpflanze kann bis zu 20 Jahre alt werden.
...
Allerdings ist Zuckerrohr selbstverträglich und wird oft mehrere Jahre hintereinander auf demselben Feld angebaut."
 http://www.strube-dieckmann.de/inhalt/1_willkommen/Zuckerrohr2003_anbau.html

6. Wird in Brasilien im großen Stil die Entdeckung der Forscherin Johanna Doebereiner genutzt: Das Bakterium acetobacter diazotrophicus wurde in die Zuckerrohrpflanze eingeschlüst und hat damit das Zuckerrohr zu einer Art Hülsenfrucht gemacht, die nämlich ebenfalls mit Hilfe von Bakterien ihren eigenen Stickstoffdünger produzieren und sogar noch überschüssigen an den Boden abgeben.
Daher kann hier jede Menge Dünger beim Anbau von Zuckerrohr gespart werden. Ein ähnliches Bakterium wurde auch für Soja entdeckt, wobei Soja sowieso schon eine Hülsenfrucht ist!

Die Beschreibung der unmenschlichen Arbeitsbedingungen ist dagegen korrekt und wird vor allem im Nordosten Brasilien, dem Armenhaus, wohl noch immer so ("m hügeligen Nordosten des Landes wird Zuckerrohr noch von Hand geerntet, wohingegen die Ernte im flachen Süden meist voll mechanisiert ist. Eine Vollerntemaschine ersetzt 100 Arbeiter.
...
Die Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfeldern sind auch im 21. Jahrhundert teilweise noch katastrophal.
...
Unzureichende Arbeitskleidung, hohe Unfallraten und nicht regulierte Arbeitszeiten gehören zum Alltag. Die saisonal beschäftigten Zuckerrohrschneider haben außerhalb der Erntezeit (4-6 Monate im Jahr) kaum andere Möglichkeiten, Arbeit zu finden."
 http://www.agri-cultour-brazil.com/LANDWIRTSCHAFT/PFLANZENPRODUKTION/Zuckerrohr.html)

Der Regenwald ist wohl eher nicht das Anbaugebiet des Zuckerrohrs: "Zuckerrohr hat einen hohen Wasserbedarf, der jährlich 1500 bis 2000 mm beträgt und diesen auch übersteigen kann. Auf Staunässe reagiert das Rohr jedoch sehr empfindlich."
 http://www.strube-dieckmann.de/inhalt/1_willkommen/Zuckerrohr2003_anbau.html
Im Bundestaat Mato Grosso, der direkt an das Regenwaldgebiet grenzt und oft im Zusammenhang mit dem Regenwald genannt wird, besteht nur ein kleiner Teil aus Regenwald.

Stephan