Ungdomshus - Soli in Norwegen

Außengruppe 03.03.2007 19:40 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Der Kampf geht weiter - wir sind alle Ungdomshuset!
Demonstration in Bergen
Den zahlreichen Demos in ganz Europa schließt sich auch der hohe Norden an. So zeigten heute, am Samstag Nachmittag, in Bergen, Norwegen, ca. 50 Menschen ihre Solidarität mit den KämpferInnen in Kopenhagen.
Mit wehenden Fahnen, Transpies, Flugblättern, guter Musik und guter Laune zogen wir zum dänischen Konsulat, an dessen Wänden noch deutliche Spuren der letzten Solidaritätserklärung zu erkennen waren. Nach einem feurigen Redebeitrag und dem obligatorischen ‚lange-finger’- Lied ging es mit lauten Parolen quer durch die Innenstadt zur Abschlusskundgebung in der belebten Fußgängerzone.
Unserem Punkrockmegafon folgten neugierige Blicke, Flugblätter wurden gerne genommen und gelesen, einige Leute schlossen sich spontan unserem Zug an.
Am Montag folgt die nächste Demo.

Allen, die sich auf dem Weg nach Kopenhagen befinden: Viel Glück und gutes Durchkommen!!!
Allen, die vor Ort auf welche Art auch immer für das Ungdomshuset kämpfen: macht weiter! haltet durch! Ihr seid nicht allein!
Wir grüßen Euch!


Hier noch der übersetzte Redebeitrag:


Wir stehen vor einem leeren Konsulat. Der Konsul ist zu Hause übers Wochenende. Sein Engagement hört freitags punkt 3 Uhr auf und beginnt nicht wieder vor Montag morgen 8 Uhr. So ist es aber nicht bei allen. In Kopenhagen hat eine Szene an die 25 Jahre ein Haus aufgebaut, das Sammelplatz für politisch Radikale aus ganz Europa und dem Rest der Welt wurde. Das Ungdomshuset aufzubauen ist kein 8 – 4 Uhr Job. Es ist eigentlich überhaupt gar kein Jobb, sondern ein brennendes Engagement.

„Jugendaufstand“ nennen die Medien die Unruhen der letzten Tage in den Straßen Kopenhagens. Eine verständliche Reaktion darauf, dass alles, wofür du dir den Arsch aufgerissen hast, abgerissen wird, so würde ich es nennen.

Seitdem das Haus 1982 besetzt und später von der Kommune Kopenhagens an die Nutzer übertragen wurde, war es ein Freiraum für politisch bewusste Menschen. Das Haus hat eine einzigartige Konzertszene, ein jährliches D.I.Y. – Festival, das größer und größer wurde, Volxküche, Kino, Buchladen, Ungdomsdisko, Diskussionsforum, nichthierarchische Struktur, kollektives Selbstverständnis und einen Raum frei von Rassismus, Sexismus, Heterosexismus, harte Drogen - und Profit. Das Ungdomshus ist nicht bereit zu akzeptieren, dass alles in der Gesellschaft käuflich sein soll um etwas Wert zu sein. Hier und heute geht es nicht um Pflasterstein und Gemäuer, sondern darum, Dinge anders zu machen – und besser.

Andersartigkeit wurde ebenso wenig wert geschätzt im Kopenhagener Rathaus, und so verkauften die schlichtweg das Haus im Jahr 2000. „Zu Verkaufen – inklusive 500 steineschmeißender autonomer Gewaltpsychopaten aus der Hölle“ stand halbironisch auf den Transparenten des Ungdomshus. Das Christenpack vom Faderhuset nahm die Herausforderung an. Aber das, was in der norwegischen Presse als Kirchengemeinde bezeichnet wird, wird in Dänemark allgemein als rechtsextreme Sekte gesehen, die das Haus übernommen hat und offen kund gibt, sie wolle ganz Nørrebro von Autonomen und Muslimen säubern. Sektenführerin Ruth Evensen meint, das Haus auf direktem Geheiß Gottes gekauft zu haben.

Das Ungdomshus hat große Geduld, Kreativität und Einsatzwillen gezeigt, um alternative Lösungen im Konflikt um das Haus zu finden: Durch Stiftungslösungen, Verhandlungen, Unterstützungsgruppen u.s.w. Das Haus hat sich sogar so weit durchgerungen und angeboten, aus dem – legendären und fantastischen – Jagtvei 69 wegzuziehen. Die Stiftung Jagtvei 69 versucht, das Haus für den sechsfachen Preis vom Faderhuset zurückzukaufen. Alles, was die Politiker entgegen gebracht haben, war der Kauf eines anderen Hauses weit über dem Marktpreis – 12 Millionen Kronen wollten sie haben für ein altes Schulgebäude in der Stensgade. Nun, die Unruhen nach der Räumung haben den dänischen Staat bisher 7,4 Millionen gekostet, den dänischen Mainstreammedien zufolge. Und sie können nicht behaupten, sie hätten das nicht kommen sehen!

„Bål og brand og rudeknus / hvis i rører vores hus” (Feuer und Brand und Scherben, wenn ihr unser Haus anrührt) ist lange eines der Schlagworte des Ungdomshus gewesen. Ich bin deshalb nicht überrascht über die Ausmaße der Zerstörungen in Kopenhagen, und ich glaube, Polizei, Politiker und der durchschnittliche Kopenhagener sind es auch nicht. Aber wären die Nutzer des Ungdomshus Pazifisten gewesen, so hätten sie vor einem Viertel Jahrhundert auch kein Haus bekommen. “You cannot depend upon American institutions to function without pressure“ sagte der Pazifist Martin Luther King ein weiteres Vierteljahrhundert zuvor. Veränderungen kommen nicht von selbst. Und einen alternativen Lebensstil aufrechtzuerhalten führt Kampf mit sich.

Die Antwort der Politiker und des dänischen Staates sind Wasserwerfer, Tränengas, Festnahmen und unmenschliche Haftbedingungen. Wir verstehen die Wut der Kopenhagener Autonomen!
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