Aftershow zum 13. Februar

venceremos antifa dresden 28.02.2007 07:56
Ein Super-Mobilisierungserfolg, megaschlechtes Wetter, allerdings kein Schnee, super motivierte Leute und das totale Chaos in der Dresdner Innenstadt sorgten wohl für den absurdesten 13. Februar, den die Stadt je gesehen hat.

Aber fangen wir am Anfang an.
[Heidefriedhof]

Um 9.30 Uhr trafen sich ca. 150 Antifaschist_innen, darunter auch viele, die extra schon einen Tag eher angereist waren, um der alljährlichen Kranzniederlegung das richtige Ambiente zu verleihen. Während diverse Abgeordnete aller Fraktionen und Gruppen aus Stadtrat und Landtag, sowie diverse Opferwütige mit todernster Miene ihre Kränze niederlegten, feierten die Antifaschist_innen ausgelassen. Hinter diversen schicken Transparenten wurden Spiele ("Mal den Opfermythos" oder "Mein schönster Mythos") veranstaltet, Choreographien gezeigt ("10 german bombers"), Gedichte über die NPD-(Noch-)Fraktion vorgelesen und lecker warmer Tee getrunken. Dazu gab es tolle Musik und kreative Sprüche, die gerufen wurden.
Dass sich einige Nazis, darunter natürlich auch wieder Ronny Thomas und Sebastian Reiche, nicht entblöden, mit billiger Vermummung und Discountkameras auf Anti-Antifa zu machen, trug eher zur Erheiterung der Anwesenden bei, auch wenn die zuletzt bekannt gewordene Anti-Antifa-Akte zeigt, dass dahinter bitterer Ernst steckt.
Nach gut 1,5 Stunden wurde wieder alles zusammengepackt und mit der Beteuerung "Wir werden solange wiederkommen, wie die Scheiße hier andauert. Also wohl bis nächstes Jahr!" wurde der Opfermob sich selbst überlassen. Natürlich nicht, ohne noch ein letztes Mal mit dem "Heult doch!"-Transpi zu winken.

[Antifademo]

Trotz des schlechten Wetters kamen um 16 Uhr an der Altmarktgalerie/Dr.-Külz-Ring gut 1500 Antifaschist_innen zusammen, um gegen die Gedenkpolitik der Stadt und den Naziaufmarsch zu demonstrieren.
Nachdem die Auftaktkundgebung beendet wurde, zog die Demo lautstark durch die Innenstadt und machte die Bürger_innen auf ihre Anliegen aufmerksam. Währenddessen wurden Redebeiträge gehalten und eine gute Musikmischung zwischen linken Evergreens und netter Popmusik gespielt. Als die Demonstration den Rathenauplatz erreichte, wurde sie von der Anmelderin aufgelöst.

[Der Durchbruchsversuch]

Dies hinderte die Anwesenden allerdings nicht daran, entschlossen weiter zu laufen und den Durchbruch auf die Naziroute zu wagen. Verhindert wurde dies durch einen brutalen Polizeiknüppel-Einsatz, bei dem Tonfas auf Köpfe und in Gesichter geschlagen wurden. Gleich zu Beginn hat die Polizei damit ihr Vorhaben deutlich gemacht, den Naziaufmarsch mit allen Mitteln durchprügeln zu wollen. Die Polizei, die damit den ersten zivilcouragierten Blockadeversuch des Tages vereitelte, hatte sich nun für den weiteren Verlauf schlechte Karten verschafft und muss sich dann auch nicht wundern, dass es ab jetzt teilweise auch etwas weniger ordentlich zuging, um eine Blockade zu ermöglichen.

[Geh - Denken]

Kurz vor der Antifademo erreichte die "Geh Denken"-Demo den Rathenauplatz. Verschiedene Personen hielten ausführliche Reden bis die Antifa-Demo in Sichtweite war. Mit dem Näherkommen wurden dann allerdings die Reden hektisch abgebrochen und Ralf Hron dirigierte die Teilnehmer_innen in die innere Altstadt zur Demokratiemeile. Unklar bleibt, ob er hier vor der eigenen Courage abgehauen ist oder was sonst der Grund für die Flucht vor der Antifademo gewesen ist.

Mitleidserregend ist dagegen fast schon, dass wie bereits im vergangenen Jahr versucht wird, Teilnehmer_innenzahlen an "Geh Denken"-Demo und Demokratiemeile in nie erreichte Höhen zu reden und zu schreiben. Die Sächische Zeitung unterstützte diese Linie und berichtete von 5500 Teilnehmer_innen, die lediglich Ralf Hron herbei halluzinierte. Die Dresdner Neueste Nachrichten hingegen blieben bei realistischen Zahlen, die dann auf weniger als die Hälfte beziffert wurden.

[Antifas auf der Gedenkmeile]

So hatten sich die Stadt und der Polizeichef das mit dem Stillen Gedenken wohl nicht vorgestellt. Nach dem missglückten Durchbruchsversuch aufs Terrassenufer am Rathenauplatz versuchte die Polizei, alle Leute Richtung Frauenkirche - Demokratiemeile abzudrängen. Was soweit auch erstmal gelang! Mit dem lustigen Ergebnis, dass ca 1.500 Antifas lautstark einmal an der Frauenkirche vorbei zur Demokratiemeile und zurück tobten. Effektiver hätte die abendliche Gedenkstimmung nicht gestört werden können.
Dass auch dieses Jahr wieder die antisemitische Politsekte "AGFG" auf der "Demokratiemeile" vertreten war, sagt viel über das Dresdner Demokratieverständnis aus, ebenso wie der Fakt, dass diverse bürgerliche Initiativen versuchten, die anwesenden Antifaschist_innen mit kostenlosem Essen und "Gesprächen" einzulullen, anstatt die Naziroute zu blockieren.

[Nazis Blockieren]

Nach dem Besuch der Demokratiemeile - die Helfer_innen mussten sogar die Kerzen für den Slogan "Diese Stadt hat Nazis satt" selbst anzünden, da es nicht genug couragierte Bürger_innen gab - gings dann richtig los.
Nach und nach gelang es immer mehr Leuten, über den Pirnaischen Platz nach Johannstadt zu gelangen und dort dann direkt auf die Route zu kommen. Leider nutze die Polizei die abendliche Dunkelheit und die Nichtanwesenheit der Presse aus, um ab und zu ziemlich derb gegen Leute vorzugehen. So wurde der erste Versuch einer Sitzblockade ziemlich böse geräumt. Was natürlich nicht verhinderte, dass das ganze erneut versucht wurde. So gab es dann schließlich mehrere Blockaden, welche sich im Laufe der Zeit zu einer großen vereinigten. Währenddessen war es irgendwann nicht mehr möglich, mit dem Auto durch Johannstadt zu fahren, allerlei fand sich auf den Straßen - Bauzäune, Straßenschilder, Fahrradständer,... Wichtige Utensilien um den allzu brutalen Polizist_innen das Durchkommen zu den Sitzblockaden zu erschweren.

Allerdings, es wäre auch zu schön, um wahr zu sein, liefen die Nazis dann doch tatsächlich 20:30 Uhr los - sie sollten eine verkürzte Route gehen.
Ein weiterer Versuch einer Blockade auf der Steinstrasse wurde von der Polizei geräumt und so zog der Naziaufmarsch gegen 22 Uhr an der Synagoge vorbei und bog in die Steinstrasse ein. Tja und irgendwie wurde es dann immer später. Gegen 23:30 Uhr standen sie vorm Rathaus und sangen das Lied vom Kameraden und gegen 00:30Uhr wurde die Nazidemo dann am Zwingerteich mit allerdings nur noch 500 Teilnehmer_innen aufgelöst.

[Polizei]

Anderthalb- bis zweieinhalb tausend Beamt_innen wollte die Polizei einsetzen, wie sie vorher verlautbaren ließ. Mit Verstärkung waren es dann schließlich 2800. So weit, so gut, aber warum braucht die Polizei eigentlich noch Verstärkung, wenn schon 2500 Polizist_innen Dresden verstopfen?
Besonders Antifademos und Sitzblockaden sind der Einsatzleitung ein Gräuel. Unmissverständlich war klargemacht worden, dass mensch gegen Störer_innen "rechtmäßiger Aufzüge" (also der Nazidemonstration) vorgehen werde, dass deren Behinderung in einer Sitzblockade eine Straftat darstellen könne. Es ist aber keine, weil es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit handelt.
Trotz teilweise unverhältnismäßig brutal auftretender Polizist_innen und der Fokussierung ihrer Kräfte auf Antifademo und Blockaden, konnte die Blockade nicht verhindert werden.
Ob die in der Stadt frei umherschweifenden Nazigruppen ebenfalls dem Unvermögen der Polizei, sie zu kontrollieren, geschuldet sind, oder vielmehr ihrer Einschätzung, still gedenkende Nazis würden keine Gefahr für das stille Gedenken darstellen, mag dahingestellt bleiben.

Die abschließende Einschätzung des Polizeipräsidenten Dieter Hanitsch scheint auch nicht gerade eine der realistischsten, so prägte doch seiner Meinung nach "das Stille Gedenken den 13. Februar" (SächZ.14.02.07). Ist wohl alles eine Frage der Wahrnehmung und dann repräsentieren vollgepanzerte Polizist_innen überall, eine lautstarke Antifademo, eine auch nicht gerade leise Bürger_innendemo, dazu Böller und Strassenbarrikaden sowie ein Naziaufmarsch, der bis nachts halb eins mit gruseligster Musik und Propagandareden stattfand, halt ein ruhiges Gedenken.
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supi — berliner