Antifaschistische Kundgebung in Pforzheim

Antifa 27.02.2007 02:49 Themen: Antifa
In Pforzheim (Baden-Württemberg) fand am Freitag, den 23. Februar 2007 eine antifaschistische Kundgebung gegen eine Nazi-Fackelmahnwache statt. Am 23. Februar 1945 wurde Pforzheim von den Alliierten aufgrund der vorhandenen Rüstungsindustrie bombardiert. Seit 1994 nutzt der neonazistische Verein „Freundeskreis ‚Ein Herz für Deutschland’, Pforzheim e.V.“ (FHD) diesen Jahrestag, um den „Pforzheimer Bombenopfer“ mit Fackeln zu gedenken. Dieses Jahr konnte die Nazi-Mahnwache teilweise gestört werden.

Mobilisierung

Für die Gegenaktivitäten zum 23. Februar 2007 wurde extra eine Mobilisierungsseite eingerichtet. Am 06. Februar wurde im Freien Radio Stuttgart ein Radiobeitrag über den 23. Februar gesendet. Im Vorfeld zum 23. Februar gab es einige antifaschistische Veranstaltungen. Das Bündnis gegen Rechts veranstaltete u.a. eine zweiwöchige Ausstellung mit dem Thema „Kindheit ohne Würde, über die Deportation von jüdischen und Sinti & Roma - Kindern im 3. Reich“. Zusätzlich gab es noch vom BgR am 22. Februar eine Infoveranstaltung mit dem Thema „Frauen und Rechtsextremismus“. Die Antifa Pforzheim veranstaltete trotz städtischer Repression am 15. Februar eine Infoveranstaltung mit dem Thema „Outfit und Kultur der Neonazis im Wandel“. Ursprünglich sollte noch am 17. Februar ein antifaschistisches Konzert stattfinden. Dieses wurde jedoch von der Stadt „verboten“.

Antifaschistische Kundgebung

Für den 23. Februar 2007 wurde eine antifaschistische Kundgebung angemeldet. Der Treffpunkt war um 17.30 Uhr auf dem Marktplatz. In Karlsruhe und Stuttgart gab es die Möglichkeit mit einer gemeinsamen Zugfahrt nach Pforzheim zu kommen. An der Kundgebung beteiligten sich insgesamt 350 Personen. Etwa um 18.30 Uhr wurde die Kundgebung aufgelöst und es startete die erste Spontandemo mit etwa 50 Personen Richtung Leopoldsplatz in die Innenstadt.

Kurze Zeit später formierte sich in der Nordstadt ein Block mit etwa 150 Personen und es zog die zweite Spontandemo Richtung Wartberg zu dem Mahnwachengelände. Es wurden einige Sprints hingelegt und die Stimmung war kämpferisch. Ein Durchbruch der Polizei nach vorne, die sich hinter dem Block befand, wurde verhindert und der Wartberg wurde um 19.00 Uhr erreicht. Die erste Polizeiabsperrung wurde problemlos passiert. Die zweite Absperrung konnte nicht durchbrochen werden. Ein weiterer Durchbruchversuch am Abhang wurde ebenfalls durch eine Hundestaffel und Schlagstockeinsätze verhindert.

Der Großteil der Leute blieb dann auf der Wartbergallee, die zum Mahnwachengelände führte, und blockierte diese etwa eine Stunde lang. Ab 19.00 Uhr versammelten sich die Neonazis an der Hangkante des Wartberges. Es soll etwa um 19.15 Uhr eine Gruppe von 15 Neonazis von Autonomen kurz angegriffen worden sein. Der Führer des FHD, der kleine italienischstämmige Silvio Corvaglia, hielt wie üblich vor etwa 100 Neofaschisten seine Rede.

Von 19.40 bis 20.00 Uhr, dem Zeitpunkt der Bombardierung Pforzheims, zündeten die Neonazis ihre Fackeln an. Etwa um 19.45 Uhr haben AntifaschistInnen diese Glorifizierung des Nationalsozialismus durch Feuerwerkraketen gestört. Woraufhin sich einige der extrem Rechten durch lautes Schreien sehr aufregten. Als sich langsam alles zurückzog, startete gegen 20.00 Uhr die dritte Spontandemo vom Wartberg Richtung Bahnhof.

Einige AntifaschistInnen, die sich ebenfalls durch die Nordstadt Richtung Bahnhof auf dem Weg machten, wurden von einem Zivilpolizeiauto zweimal angefahren und danach grundlos verfolgt. Später wurden in der Nordstadt willkürlich Leute festgenohmen, die für AntifaschistInnen gehalten wurden. Dabei wurden vier Personen mit gezogenen Dienstwaffen überwältigt; u.a. wurde eine Person auf einer Toilette in einer Gastwirtschaft mit einer auf den Kopf gerichteten Dienstwaffe vom einem Beamten des LKA Baden-Württemberg festgenohmen, obwohl die Gastwirtschaft schon vorher komplett mit Polizeifahrzeugen umstellt war.

Nach Polizei-Auskunft soll es 6 Festnahmen gegeben haben. Diesen Leuten wird Landfriedensbruch und unerlaubte Vermummung vorgeworfen. Um 23.30 Uhr kam die letzte Person aus der Ingewahrsamnahme raus. Es waren insgesamt 500 Polizeibeamte im Einsatz. Zwar konnte die Nazi-Fackelmahnwache nicht wie vor fünf Jahren verhindert werden, aber Ansätze dafür waren vorhanden.

Braunes Pforzheim

Unter anderem existiert in Pforzheim der sich bürgerlich und legalistisch gebende FHD, welcher nun seit fast 20 Jahren regelmäßig Saalveranstaltungen mit Holocaust-Leugnern und NPD-Prominenz veranstaltet. Wie scheinheilig diese „Wölfe im Schafspelz“ sind, zeigte ein vom FHD organisiertes Nazi-Konzert in Niefern bei Pforzheim im Jahre 2004. Dabei spielten vor rund 350 Nazi-Skins und den FHD-Biedermännern u.a. die Nazi-Skinband Sleipnir aus NRW und der Nazi-Liedermacher Frank Rennicke, der vor kurzem in der Nähe von Stuttgart auftrat.

Desweiteren besteht seit fast 7 Jahren in Mühlacker bei Pforzheim eine Nazi-Skinheadgruppierung namens „Stallhaus Germania“, welche jährlich bis zu 5 Nazi-Konzerte im Enzkreis organisiert. Auf diesen Konzerten sind mehrere Hundert Neonazis anwesend, welche auch z.T. aus den benachbarten Bundesländern und dem benachbarten Ausland anreisen.

Seit Ende 2005 besteht in Pforzheim noch zusätzlich eine Kameradschaft namens „Heidnischer Sturm Pforzheim“ (HSP). Aufgefallen sind deren Mitglieder z.B. auf Nazi-Aufmärschen in München, Stuttgart und Dresden. Im Dezember 2006 machte der HSP eine Begegnung mit der Daten-Antifa.

In der Pforzheimer Stadtverwaltung sitzen zwei Republikaner und die CDU steht traditionell sehr weit rechts. Deren Chef Stefan Mappus, der mittlerweile stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg ist, hat 2003 höchstpersönlich eine antifaschistische Infoveranstaltung verboten und ist bekennender Sympathisant der französischen „Front National“.

Geschichtsrevisionismus

Auch dieses Jahr veranstaltete die Stadt Pforzheim eine Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof anlässlich des Jahrestages der Bombardierung. Es wurde eine Rede von der Oberbürgermeisterin Christel Augenstein gehalten und ein Kranz niedergelegt. Die Vorgeschichte zum 23. Februar wurde wie immer bewusst verschwiegen und die Verbrechen Nazideutschlands wurden mit der Bombardierung Pforzheims gleichgesetzt. Anwesend waren auch Vertreter der baskischen Stadt Guernica; diese Stadt wurde 1937 von der Luftwaffe NS-Deutschlands – genannt „Legion Condor“ – mit dem Ziel, die Stadt komplett auszuradieren, bombardiert.

Presse

Es gab vor dem 23. Februar einen Hetzartikel in der Pforzheimer Zeitung. Auch nach dem 23. Februar gab es einige Presse- und Onlineberichte. Das antifaschistische Engagement wird generell in den Dreck gezogen und kriminalisiert. Die Polizeigewalt wird wiederum schöngeschrieben oder gar nicht erwähnt.

Einige Beispiele sind die Berichte vom Mühlacker Tagblatt, der Pforzheimer Zeitung und dem SWR. Weitere Berichte gab es bei Ka-News, auf Indymedia und Stattweb.

Verwaltungsgebühren

Von der Stadt Pforzheim wurden auch dieses Jahr 100 € Verwaltungsgebühren für die antifaschistische Kundgebung auferlegt. Bereits nach dem 23. Februar 2005 wurde gegen diese Verwaltungsgebühren Widerspruch eingelegt, was einer Klage gegen die Stadt Pforzheim gleichkam. Am Donnerstag, den 29. März 2007 kommt es um 9.00 Uhr in Karlsruhe im Verwaltungsgericht zum ersten Prozesstermin.

Nähere Informationen gibt es auf einer extra eingerichteten Internetseite.

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Ergänzungen

noch was zu FHD

No-Nazi 28.02.2007 - 07:10
Es sollte noch erwähnt werden, dass der FHD in Zukunft wohl nicht mehr in der Form wie er es derzeit tut, auf dem Wartberg auftretten will, da der FHD das Ansehen der Stadt nicht verschmutzen will.
Als Vorschlag brachte der FHD die Angliederung an die städtische Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof mit allen Gemeinderäten und den BürgerInnen.
Sollte die Stadt Pforzheim mitziehen nächstes Jahr, dann wird dies eine noch braunere und unvorstellbarere Situation, wie sie es eh schon ist.

Lassen wir uns überraschen und kreuzen uns schon jetzt den 23.2. für nächstes Jahr im Kalender an.