100 Tage und kein Bleiberecht

kein mensch ist illegal! 22.02.2007 09:58 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
„Ab Morgen Früh können langjährig Geduldete ihr Bleiberecht bekommen.“ Dieses große Versprechen gaben die Innenminister der Länder nach ihrer Konferenz in Nürnberg am 17.11.06. Sie einigten sich auf eine „Bleiberechtsregelung“ für die rund 200.000 Menschen, die seit Jahren lediglich mit einer „Duldung“, d.h. ohne sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland leben müssen.
Am 24. Februar ist die Regelung seit 100 Tagen in Kraft. Bisher wurden kaum Aufenthaltstitel nach der Regelung vergeben. In Niedersachsen bekamen z.B. bisher von 22.600 Geduldeten lediglich 49 ! ein Bleiberecht! Vom 22. bis 24. Februar rufen deshalb Bleiberechtsinitiativen und antirassistische Gruppen auf zu Aktionen für das ganze Bleiberecht. In 18 Städten sind Proteste angekündigt.

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Geduldet?
Etwa 200.000 Menschen leben in der BRD mit dem Status der Duldung. Werden die Personen hinzu gezählt, die sich im Abschiebeverfahren befinden, in den Abschiebeknästen sitzen oder lediglich solche Titel wie Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt bekommen haben, dann sind es insgesamt 360.000 Menschen, die von Behörden als „ausreisepflichtig“ geführt werden. Die meisten leben seit vielen Jahren in der BRD oder sind hier geboren. Ihre Abschiebung ist nicht möglich, dennoch gelten sie als „ausgewiesen“ und unterliegen damit bestimmten Gesetzen, die konkret massive Entrechtung bedeuten: Sie bekommen Gutscheine und gekürzte Sozialleistungen, es ist ihnen verboten zu arbeiten oder einen eigenen Wohnsitz zu wählen. Sie unterliegen der Residenzpflicht und haben keinen Anspruch auf Sprachkurse oder sog. „Integrationsmaßnahmen“.

In den letzten Jahren haben sich immer häufiger „Geduldete“ gegen diesen Status zur Wehr gesetzt und damit erreicht, dass es einen breiten Konsens für eine Bleiberechtsregelung gibt. Die Regelung die am 17.11.2006 von Innenministerkonferenz (IMK) verabschiedet wurde, steht allerdings weiter in der Logik der Entrechtung und Abschiebung. Sie ist das „humanitäre Feigenblatt“, mit dem die massenweise Abschiebung von langjährig geduldeten Menschen durchgesetzt werden soll. So wird immer wieder behauptet, wer keine Straftaten begangenen habe, wer bereit sei zu arbeiten, Deutsch spreche und „integriert“ sei, könne nun ein Bleiberecht erhalten. Die Übrigen könnten dann mit der geplanten weiteren Verschärfung der sozialen Situation und neuen Instrumenten der Schikanen und Abschiebungen, aus dem Land getrieben werden. Was hinter dieser Argumentation steckt, wollen wir an einigen ausgewählten Punkten der Regelung deutlich machen:


Straftaten

Wer zu insgesamt 50 oder 90 Tagessätzen Strafe verurteilt worden ist, hat keinen Anspruch auf das Bleiberecht. Für langjährig Geduldete ist es schwer, nicht nach einem der speziellen Ausländergesetze verurteilt zu werden, z.B. der Residenzpflicht: Wer seinen zugewiesen Landkreis wiederholt verlassen hat, hat sich bereits strafbar gemacht. Nicht selten kommt es bei Polizeikontrollen zudem zu Übergriffen und Verletzungen durch die Beamten. In der Folge werden die Kontrollierten mit Verfahren wegen Widerstand oder Körperverletzung überzogen. Auch die Erfüllung der Passpflicht endet für viele Flüchtlinge mit einer Verurteilung: Viele Identitätsnachweise werden von den Behörden als Fälschungen angezeigt.


Passpflicht

Nur mit einem gültigen Nationalpass hat eine Person Anspruch auf das Bleiberecht. Einige Ausländerbehörden verlangen beispielsweise, dass zunächst der Pass abgegeben wird, bevor alle anderen Kriterien der Regelung geprüft werden. Die Passbeschaffung kann einige Monate dauern. Falls die Ausländerbehörde dann allerdings nach einem der anderen Kriterien ablehnt, steht der Abschiebung nichts mehr im Wege. Besonders perfide ist diese Praxis bei den libanesischen Bürgerkriegsflüchtlingen. Sie gelten den Behörden als türkische Staatsangehörige. Nur wenn sie diese türkische Identität annehmen, wird ihr Antrag bearbeitet. Es liegt auf der Hand, wie sich die Behörden in Northeim und Göttingen verhalten werden, wenn sie im Besitz der Pässe sind: Sie schieben ab!


Mitwirkungspflicht

Für Geduldete besteht die Pflicht, an ihrer Abschiebung mitzuwirken. Haben sie diese Pflicht bisher nicht erfüllt, kann ihnen das Bleiberecht versagt werden. Wenn also nun ein Pass vorgelegt wird, wie es die Ausländerbehörde verlangt, kann dies von der Behörde als „Nichterfüllen der Mitwirkungspflicht“ ausgelegt werden (weil der Pass schon früher hätte vorgelegt werden können). Diese Auslegung liegt im Ermessen der Behörden. Die Mitwirkungspfllicht kann schon dann als „nicht erfüllt“ angesehen werden, wenn beispielsweise gegen eine drohende Abschiebung erfolgreich Rechtsmittel eingelegt worden sind.


Arbeit

Es kommt bei der Regelung nicht allein darauf an, ob jemand arbeitet. Ausschlaggebend ist die Höhe des Lohns. Für eine Familie mit vier Kindern, müsste der Betrag, der nach Abzug von Miete und Nebenkosten übrig bleibt z.B. bei ca. 1600 Euro liegen. Dass es für Menschen, die seit Jahren unter einem Arbeitsverbot hier leben, deren Ausbildung oftmals nicht anerkannt wird und denen zudem durch die Schikanen der Behörden und den Abschiebedruck massiv zugesetzt worden ist, nahezu unmöglich sein wird, eine entsprechende Arbeit zu finden, liegt auf der Hand. Arbeitsunfähige oder Menschen im Rentenalter haben nur dann Anspruch auf das Bleiberecht, wenn von dritter Seite für ihren Unterhalt und die medizinische Versorgung und Pflege gesorgt wird. Das Bleiberecht wird zudem nur für die Dauer des Arbeitsvertrages gewährt und alle zwei Jahre neu überprüft: Sinkt der Lohn, steigt die Miete oder kommt ein Kind hinzu, kann das die Abschiebung bedeuten.

In der Regel gilt bei der Arbeitssuche für Geduldete der gesetzliche Grundsatz: Arbeit zuerst für Deutsche! Dieses „Vorrangprinzip“ ist für die Bleiberechtsregelung außer Kraft gesetzt worden. Allerdings sind die Arbeitsagenturen angehalten, zu prüfen, ob der Antragsteller in seinem Job zu den gleichen Bedingungen beschäftigt wird wie „Deutsche“ in einem vergleichbaren Job. In der Praxis zieht sich diese Prüfung oft so lange hin, dass der Arbeitgeber sich schließlich für einen anderen Kandidaten entscheidet. Vereinzelt wurde auch schon die Arbeitserlaubnis verweigert, da der Lohn nicht den geltenden Tarifen entsprach.

Viele weitere Kriterien und Ermessensspielräume der Behörden machen die Regelung zu einem Risiko für die Betroffenen und an der Unsicherheit des Aufenthalts ändert sich nichts. Zugelassen zur Reglung wird nur, wer zunächst alle Asyl- und verwaltungsrechtlichen Verfahren die auf einen Aufenthalt ausgerichtet sind, abbricht und zu zurück nimmt. Also, erst wenn alle Hindernisse gegen die Abschiebung ausgeräumt sind, wird der Antrag bearbeitet. Und dann liegt es im Ermessen der Abschiebebeamten, ob das Bleiberecht gewährt wird!


**Pressemitteilung des Bleiberechtsbüro***

Aktionstag: 100 Tage und kein Bleiberecht!
24.02.2007: Bundesweiter Aktionstag für das ganze Bleiberecht.

Seit Jahren verspricht die Politik, den unmenschlichen Zustand der Kettenduldungen (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, §60a AufenthG) für Ausländer abzuschaffen. Zuletzt verkündete die Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder im Herbst 2006 ein neues Bleiberecht, doch 100 Tage später ist klar: es handelt sich nur um einen einmaligen Gnadenakt, von dem nur sehr wenige der knapp 200.000 Geduldeten profitieren. Der Angstzustand "Duldung" bleibt für die meisten bestehen. Zum Alltag in Deutschland gehören nach wie vor Lagerunterbringung, Abschiebungen, Arbeitsverbote und die Verletzung der Würde von Flüchtligen.

Im März will der Bundestag zwar beim Bleiberecht nachbessern, aber gleichzeitig das Aufenthaltgesetz weiter verschärfen, was neue Geduldete und noch mehr Illegalisierte zur Folge hätte. Daher gehen am 24. Februar unter dem Motto "100 Tage und kein Bleiberecht" in ganz Deutschland Menschen auf die Straße und fordern vom Bundestag: Schafft die Duldung ab!


Wir wollen ein echtes Bleiberecht:

* Statt eines einmaligen "Gnadenerlasses" mit Stichtagsregelung muss es einen dauerhaft verankerten Rechtsanspruch auf Bleiberecht geben, der auch später Eingereisten ein "Hineinwachsen" in ein Aufenthaltsrecht ermöglicht.
* Das Bleiberecht muss von der Arbeit entkoppelt werden.
* Verurteilungen und mangelnde Mitwirkung an der eigenen Abschiebungdürfen niemanden vom Bleiberecht ausschließen.
* Das Bleiberecht darf nicht mit Verschärfungen im Ausländerrecht erkauft werden.


100 tage und kein Bleiberecht! - Wo passiert was?

* Berlin: "Flüchtlinge werden sitzen gelassen!" -- 100 Tage und kein Bleiberecht. Aktion und Kundgebung im Rahmen des bundesweiten Aktionstages für das ganze Bleiberecht am Samstag, 24. Februar 2007, 11.oo Uhr, Pariser Platz am Brandenburger Tor. Stühle mitbringen!
* Güstrow : Kundgebung am Marktplatz beim Rathaus am 24. Februar von 11 bis 14 Uhr.
* Hamburg: "Hamburger Flüchtlingspolitik: Abschreckung durch Auslagerung - Schikane und Abschiebungen statt Bleiberecht" - Kundgebung vor der Ausländerbehörde am Freitag, 23. Februar 2007, um 10.oo Uhr. Schon am 19. Februar: Menschenkette rund um die Binnenalster: "Gemeinsam gegen die Abschiebung der afghanischen Flüchtlinge". 15.oo Uhr, Alsteranleger Jungfernstieg.
* Göttingen : Demonstration am Donnerstag, 22. Februar 2007 durch die Innenstadt zur Ausländerbehörde. Dort Abschlusskundgebung und Pressekonferenz, mit mit Beiträgen zur Bleiberechtsregelung und dem Änderungsgesetz sowie Beiträgen von Geduldeten, deren Anträge auf Bleiberecht aussichtslos sind.http://papiere-fuer-alle.org/bleiberecht
* München: Pressekonferenz am Freitag, 23. Februar 2007 im Bayerischen Flüchtlingsrat. Danach Aktionen vor SPD- und CSU-Zentrale am Freitag. Demonstration fürs ganze Bleiberecht mit Microphone Mafia (hiphop aus Köln) am Samstag, 24. Februar 2007 um 15.00 Uhr am Stachus.
* Landshut: Kundgebung am Samstag, 24. Februar 2007, 12 - 14 Uhr Rathausplatz Landshut
* Kassel: "99 Tage -- und kein Bleiberecht !!!" -- Kundgebung am Freitag, 23. Februar 2007, von 8.oo bis 12.3o Uhr vor den Ausländerbehörden, Kurt-Schumacher-Str. 29 u. 31, 34117 Kassel.
* Marburg: Kundgebung am Donnerstag, 22. Februar, 15 Uhr auf dem Marktplatz
* Alsfeld (Hessen): Freitag, 23. Februar 2007, 19.3o Uhr, Infoveranstaltung zu "100 Tage und kein Bleiberecht"
* Mannheim: Kundgebung Samstag, 24.02. 12 Uhr Paradeplatz
* Nürnberg: Pressekonferenz am 22. Februar
* Darmstadt: Kundgebung am Freitag, 23. Februar 2007 um 11.3o Uhr vor dem Regierungspräsidium Darmstadt. Anlass ist der Aktionstag "100 Tage und kein Bleiberecht" sowie konkret der Sammelcharter der Fluggesellschaft LTU, der am 13.2. von Düsseldorf aus startete, und mit dem 3o Flüchtlinge aus ihrem bisherigen Leben gerissen wurde, obwohl sie mit viel Energie dabei waren, die geforderten Hürden des Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz zu überwinden.
* Freiburg: Informationsstand am Samstag, 24. Februar 2007 von 10.oo bis 16.oo Uhr in der Innenstadt von Freiburg. Mit einem speziellen Flugblatt wird zur Suche nach Arbeitsplätzen für Flüchtlinge, die einen Job fürs Bleiberecht brauchen, aufgerufen.
* Lindau: Pressearbeit von exilio e.V.
* Gelnhausen: Mahnwache vor dem Main-Kinzig-Forum am mit anschließender Visite bei der Kreisausländerbehörde am Freitag, 23. Februar 2007
* Hanau: Informationsstand am Hanauer Marktplatz am Samstag, 24. Februar 2007 von 10 bis 14 Uhr.
* Friedberg
* Wetzlar
* Regensburg
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Ergänzungen

Flyer zur Demo in Göttingen

(muss ausgefüllt werden) 22.02.2007 - 10:22
100 Tage und kein Bleiberecht!

Aktionstage für das bedingungslose Bleiberecht: 22. bis 24. Februar 2007

www.papiere-fuer-alle.org/bleiberecht

„Ab Morgen Früh können langjährig Geduldete ihr Bleiberecht bekommen.“ Dieses große Versprechen gaben die Innenminister der Länder nach ihrer Konferenz in Nürnberg am 17.11.06. Sie einigten sich auf eine „Bleiberechtsregelung“ für die rund 200.000 Menschen, die seit Jahren lediglich mit einer „Duldung“, d.h. ohne sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland leben müssen.
100 Tage nach Inkrafttreten der Regelung ziehen wir Bilanz: In Göttingen haben seit November 0,5 % der geduldeten Flüchtlinge und Migrant_innen ein Bleiberecht erhalten! Von insgesamt 1301 geduldeten Menschen in Stadt und Landkreis Göttingen bekamen bis jetzt lediglich 7 ein Bleiberecht. Die Hürden der Verhinderung des Bleiberechts liegen sowohl in den durch die IMK gesetzten Ausschlusskriterien, wie auch in den unbestimmten Teilen der Regelung: Viele Passagen der Regelung werden nach dem Ermessen der Ausländerbehörde der ausgelegt: In Göttingen ist beispielsweise der gleiche „Sachbearbeiter“ für die Bearbeitung der Anträge zuständig, der seither für „Aufenthaltsbeendigung“ (Selbstbezeichnung) zuständig war und ist. Für viele „Geduldete“ kann der Antrag aufs Bleiberecht zudem zur Abschiebefalle werden:

LibaSoli: Bleiberecht nur gegen falsche Identität!
Seit sieben Jahren versucht die Ausländerbehörde in Northeim über 120 libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge in die Türkei abzuschieden. Nachdem es über Jahre nicht gelungen war, den Libanon zur Aufnahme der Flüchtlinge zu bewegen, wurde den Familie in Northeim und Einbeck die türkische Staatsangehörigkeit zugeschrieben und ihnen vorgeworfen, seit ihrer Ankunft in der BRD über diese türkische Identität getäuscht zu haben. Dies ist auch der Grund mit dem die Ausländerbehörde selbst Kinder und junge Erwachsene abschieben will, die hier geboren sind. Insbesondere die jungen Erwachsen könnten nun von der Bleiberechtsregelung profitieren. Wie z.B. Fatima (Name geändert), die seit 17 Jahren in Deutschland lebt und auch schon die Zusage eines Arbeitgebers für einen Ausbildungsplatz hat. Allerdings bekommt sie keine Arbeitserlaubnis. Die Ausländerbehörde Northeim verlangt zunächst, dass sie sich einen türkischen Pass besorgt und sich einen neuen türkischen Namen zulegt. Genau dieser türkische Pass fehlt der Behörde seit Jahren, um Fatima in die Türkei abschieben zu können. Als Lockmittel stellt die Behörde völlig unverbindliche „Bescheinigungen“ aus, in denen es heißt, die betreffende Person könne bei Vorlage eines türkischen Passes unter die Bleiberechtsregelung fallen, wenn sie zugleich die anderen Kriterien erfülle! Darunter z.B. das Kriterium der Mitwirkungspflicht und der Täuschung. Nach dem bisherigen Vorgehen der Ausländerbehörden gegen die Bürgerkriegsflüchtlinge liegt es auf der Hand, dass die Anträge nach Vorlage des Passe abgelehnt werden und die Abschiebung der Jugendlichen droht.

Weiterhin kein Bleiberecht für Roma!
Das gleiche Problem stellt sich auch bei vielen Roma und Ashkali aus Göttingen, die trotz drohender Verfolgung und Verelendung in den Kosovo abgeschoben werden sollen. Zudem verlangt die Göttinger Ausländerbehörde nach Auskunft der Behördenchefin Munke, dass der gesamte Unterhalt durch Erwerbstätigkeit aufgebracht werden soll – gerade bei Familien mit Kindern, lässt die Regelung dabei aber den Behörden ausreichend Spielraum zugunsten der Betroffenen! Hinzu kommt, dass viele der Roma-Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien seit Jahren in Göttingen unter krankmachenden Bedingungen leben und nicht arbeiten dürfen: Auf dem Göttinger Arbeitsmarkt dürfte es für sie unmöglich sein, einen ausreichend bezahlten Arbeitsplatz zu finden. Sie bleiben in den Augen der Göttinger Verwaltung die „Unerwünschten“ daran ändert auch die Bleiberechtsregelung nichts.
Bleiberechtserlass, Artikel 2: „Konsequente Rückführung“

Dies sind nur zwei kleine Schlaglichter auf die (Nicht-)Umsetzung des Bleiberechts in Göttingen – sie ließen sich noch um etliche weitere Punkte ergänzen! Und das wäre noch nicht alles: Ein wesentlicher Bestandsteil der Bleiberechtsregelung ist der Beschluss der Innenminister, alle Flüchtlinge, die nicht darunter fallen, verstärkt abzuschieben. Wörtlich heißt es im 2. Artikel des Beschlusses:
„Der Aufenthalt von Ausländern, die nach dieser Regelung keine Aufenthaltserlaubnis erhalten können, muss konsequent beendet werden. Die Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern soll durch geeignete Maßnahmen verbessert werden und praktische Hindernisse der Abschiebung insbesondere von Straftätern sollen soweit möglich beseitigt werden. ... ."

Konkret wird derzeit ein neues Gesetz vorbereitet, dass Abschiebungen erleichtern und die Schikanen gegen Flüchtlinge verschärfen soll. Es ist zu befürchten, dass dieses Vorhaben konsequenter umgesetzt wird, als die Bleiberechtsregelung: Ausländerbehörden sollen die Befugnis erhalten, ohne richterliche Genehmigung Hausdurchsuchungen bei Flüchtlingen durchzuführen, Abschiebehaft soll verlängert werden und es ist geplant, weitere Haftgründe einzuführen. „Geduldete“ sollen in Zukunft noch weniger Sozialleistungen erhalten – das Arbeitsverbot bleibt freilich bestehen. Zur Zeit wird noch diskutiert, ob zu diesen Verschärfungen noch eine gesetzliche Bleiberechtsregelung in das Zuwanderungsgesetz aufgenommen werden soll. Die bisherigen Vorschläge orientieren sich allerdings an der Nürnberger Regelung.

Deshalb wollen wir mit dem Aktiontag rund um den 24. Februar, dem 100sten Tag der Bleiberechtsregelung, unsere Forderungen nach dem ganzen Bleiberecht erneuern! Wir fordern:

Ein Bleiberecht für alle geduldeten Flüchtlinge und Migrant_innen!

Legalisierung alle Papierlosen!

Gleiche Rechte und Zugang zu medizinischer Versorgung für alle!

Das Bleiberecht darf nicht mit Verschärfungen im Zuwanderungsgesetz erkauft werden!

Calipso modern

caravan 23.02.2007 - 21:16
„Bleiberecht“ - Calipso modern
100 Tage sind nun vergangen seit der Innenministerkonferenz, wo die erste so genannte Bleiberechtsregelung in der BRD beschlossen wurde. Der 17. November war der Stichtag. Wer zu diesem Zeitpunkt 8 Jahre, bzw. als Familie mit Kindern, die Kindergarten oder Schule besuchen, 6 Jahre im Zustand der Kettenduldung ausgehalten hatte, bekam die Chance, an einem skurrilen Qualifikationsrennen, dem sogenannten „Hoffnungslauf“ teilzunehmen.
Die Regeln : Ein Zeitfenster von einem halben Jahr zum Stellen des Antrags.
Zugelassen wird, wer:

1.)sich keine Verurteilungen über 50, bzw. bei Verstößen gegen das AusländerInnenrecht 90 Tagessätzen eingehandelt hat. Familien bei denen das einem Mitglied widerfahren ist, scheiden aus.

2.)Wer trotz aller bisherigen integrationsverhindernden Maßnahmen genug Deutsch sprechen kann. Familien bei denen ein Mitglied das nicht geschafft hat, scheiden aus.

3.)Wer bis zum 30.September eine Arbeit gefunden hat, von der er/sie sich , bzw. die Familie ernähren kann, ohne Sozialleistungen beziehen zu müssen. Um die Startchancen für alle gleich zu gestalten, wurden bei Einführung des Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 alle potentiellen TeilnehmerInnen auf Null gesetzt und mit einem Arbeitsverbot belegt. Nun können alle ihre Fähigkeiten bei der Arbeitssuche beweisen. Zweieinhalb Monate nach dem Stichtag fiel der Startschuss, da das Rennen und der Rennplatz ja erst organisiert werden musste, und alles muss ja seine Ordnung haben, wir sind ja in Deutschland.

4.)Besondere Geschicklichkeit können die teilnehmenden BewerberInnen beweisen bei der Überzeugung potentieller ArbeitgeberInnen, dass nämlich der Eintrag in ihrer Duldung durch einen schlichten Zettel, nach dem sie erstmal Arbeit suchen dürfen, irgendwie außer Kraft gesetzt wäre. Hier können die BewerberInnen besonders mit ihren Deutschkenntnissen punkten.

5.)Weitere Überzeugungskraft braucht es, wenn der/die potentielle ArbeitgeberIn veranlasst werden soll, einen Fragebogen für den Schiedsrichter Arbeitsamt auszufüllen, worin der Tarif und Arbeitsbedingungen, sowie das möglichst Unbefristete des Arbeitsverhältnissen angeführt ist.

6.)Hat der/die RennteilnehmerIn diese Hürde geschafft, geht das Rennen zur Botschaft: die Erfüllung der Passpflicht steht an. Da fast alle Geduldeten passlos sind, eine weitere reizvolle, Spannung versprechende Etappe in unserem Rennen. Die Teilnehmenden müssen nun entweder einen Pass ihres Herkunftslandes besorgen, was nach 8 Jahren Passlosigkeit Phantasie und „Kreativität“ erfordert - womöglich erleichtert das danach eine Bewerbung bei Siemens – oder eine Bescheinigung dieser Botschaft bringen, dass das nicht geht.
Die RennteilnehmerInnen können dann einen Rennausweis bei der Rennleitung beantragen.

7.)Hierbei ist besonders Flexibilität und Risikobereitschaft gefragt: wer ausscheidet wird mit Hilfe des erworbenen Passes zum Ausgangspunkt seiner/ihrer Flucht abgeschoben.
Eine besonders reizvolle Aufgabe, den dort aufgestellten langen Messern zu entkommen, ist
eine weitere Variante eines Qualifikationsrennens, um vielleicht in 8 Jahren wieder an
einem "Hoffnungslauf" teilnehmen zu können.

8.) Wer diese Hürden alle geschafft hat bekommt 2 Jahre befristetes Aufenthalts- und
Arbeitsrecht – sofern er/sie seine/ihre Arbeit nicht wieder verliert. Dann tritt nämlich
automatisch Punkt 7 in Kraft.

1.Jetzt beginnt ein neues Rennen. Ausreichend Wohnraum muss besorgt werden. Bis wann, liegt hier spannenderweise völlig im Ermessen der Rennleitung.

Sehr aufregend das Ganze. Dieses reizvolle Spiel mit mobilisierten Hoffnungen, die zu einem Großteil in Stücken an der Rennstrecke liegen bleiben verspricht tolle sportliche Unterhaltung im Jahr nach der WM
Das ganze erinnert an einen karibischen Tanz namens Calipso: Zu ihrer Unterhaltung dachten sich die SklavenhalterInnen in der Karibik einen Tanz aus: Ein Seil wurde gespannt und sich bewerbende SklavInnen mussten zu Trommelrythmen in Rücklage darunter durch tanzen. Bei jeder gelungenen Runde wurde das Seil ein Stück niedriger gespannt, bis es noch ca. 40 cm Abstand vom Boden hatte. Wer es schaffte, darunter durch zu tanzen, ohne das Seil, oder den Boden zu berühren, wurde freigelassen. Auch recht spannend...

Aktion in Gelnhausen (Hessen)

Bündnis für Bleiberecht 23.02.2007 - 21:55
http://de.indymedia.org/2007/02/168960.shtml Link zu einer Webseite

Aktion in Berlin

100 Stühle 25.02.2007 - 12:03

noch ein bericht

caravanX 26.02.2007 - 18:59
Auch in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) hat heute anlässlich des bundesweiten Aktionstages "100 Tage und kein Bleiberecht" eine Kundgebung stattgefunden.

In der Rede wurde die Verbindung hergestellt zwischen dem Leben müssen in Lagern, den Gründen für Migration in den sog. "industrialisierten" Länder und der konkret auf Treffen wie dem G8-Gipfel vereinbarter neoliberaler Politik mit all ihren Auswirkungen.

 http://de.indymedia.org/2007/02/169026.shtml

ein weiterer Artikel

caravanY 26.02.2007 - 19:02
vielleicht lassen sich die ganzen Artikel auch wieder auf der Hauptseite verlinken, damit nicht alle immer die ganzen Kommentare runterscrollen müssen. Danke

Abschiebung verhindert -Bleiberecht gefordert
München: lautstarker Protest für das ganze Bleiberecht – gestoppte Abschiebung am Flughafen

 http://de.indymedia.org/2007/02/169248.shtml

zusammenfassung der samstagsaktionen

bleiberechtsbuero 26.02.2007 - 19:43
hier noch ein artikel mit berichten, die auf keiner eigenen internetseite gepostet wurden.

 http://www.bleiberechtsbuero.de/?p=117

Artikel zu Samstag in München

carva.net 27.02.2007 - 12:47
Hier noch ein Artikel zur Demo am Samstag in München und zur verhinderten Abschiebung am Montag.

 http://carava.net/?p=28

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