100 Tage im Hungerstreik für Freiheit

Ralf Streck 13.02.2007 20:41 Themen: Repression Weltweit
Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs kann die spanische Regierung den Hungertod eines Basken verhindern. Seit 100 Tagen befindet sich der ETA-Gefangene Iñaki de Juana Chaos im zweiten Hungerstreik. Dass die spanische Justiz mit der Reduzierung der Strafe von fast 13 auf 3 Jahren einen großen Schwenk machte, hängt mit der großen Aufmerksamkeit für die Besonderheiten des Falls zusammen. De Juana hat angekündigt, den Streik bis zu seiner Freiheit forzusetzen.
Fast alles im Fall des 51jährigen Basken ist besonders, wenn es um seine Behandlung geht. Besonders trifft ihn die Behandlung durch Spanien, weil die Anschläge, an deren Planung oder Durchführung er beteiligt war, die Hauptstadt Madrid betrafen und 25 Menschen das Leben kosteten. 1983 war er in den Untergrund gegangen, nachdem er für die ETA zuvor sogar in die baskische Polizei infiltriert war und dort auch eine Führungsposition einnahm. 1987 wurde der Sohn von zwei spanischen Einwanderern, dessen Vater sogar Mitglied der rechtsradikalen Falange war, verhaftet.

Die sozialistische Regierung war, obwohl sie angeblich einen Friedensprozess einleiten wollte, Ende 2004 der Meinung, eine Haftstrafe von 18 Jahren sei für Leute wie ihn nicht genug. Kurz zuvor noch hatten die Sozialisten die rechtsradikale Volkspartei (PP) in ihrer Regierungszeit noch dabei unterstützt, die Höchststrafe auf 40 Jahre anzuheben. Da man an der Regierung aber soweit gehen wollte wie die PP beim Verbot von Batasuna, also ein neues Gesetz sogar rückwirkend anzuwenden, griff man zu einem Trick, gab der Justizminister sogar in einem Lapsus zu, der ihm möglicherweise den Job gekostet hat, Um Freilassungen wie bei Juana Chaos "zu verhindern", werde man "neue Anklagen konstruieren", sagte Juan Fernando López Aguilar damals. Heute wurde er abgelöst.

So wurde De Juana nach seiner Haftverbüßung im Oktober 2004 einfach im Knast behalten und erst zwei Monate danach bildeten zwei Artikel, die er für die Tageszeitung Gara schrieb, die Basis, um eine Anklage wegen "terroristischen Drohungen" zu konstruieren. Dafür forderte das Ministerium für Staatsanwaltschaft 96 Jahre Haft. Gegen die verantwortlichen der Zeitung, die sich ja an dem Delikt beteiligt haben müssten, wurde keine Klage erhoben.

De Juana trat aus Protest gegen den Vorgang schließlich in den Hungerstreik, den er kurz vor dem Prozess im vergangenen November nach zwei Monaten abbrach. Er wurde von allen Seiten dazu gebeten, weil der Streik den laufenden Friedensprozess schwer belastete. Zudem hatte ihm Regierung signalisiert, er erhalte die Freiheit. Aber der von den Anhängern der PP dominierte Nationale Gerichtshof sah das ganz anders und verurteilte ihn zu fast 13 Jahren Haft, womit das Sondergericht weit über dem üblichen Strafmaß lag, weshalb er wieder in den Hungerstreik trat. Zuletzt zettelten die Richter sogar einen Justizputsch an. Als die zuständige Kammer den Gefangenen wegen seines Gesundheitszustandes unter Hausarrest stellen wollte, rebellierten die PP-Richter und erzwangen, dass ein Plenum der Richter entscheidet, obwohl die meisten Richter nicht mit dem Fall betraut waren. Weil nicht einmal die Verteidigung informiert wurde, hält selbst die Staatsnanwaltschaft den Vorgang für illegal.

Nun senkte am Montag im Eilverfahren der Oberste Gerichtshof in der Revision die Strafe auf drei Jahre ab, nachdem der Fall international für großen Wirbel sorgte. Das Folterpräventionskomitee des Europarats besuchte den abgemagerten Gefangenen, der seit Wochen ans Bett gefesselt ist und zwangsernährt wird. Der britischen Tageszeitung Times gelang ein Interview (1), indem die Vorgänge angeprangert wurden. Nur so lässt sich der plötzliche Schwenk erklären. Schließlich waren es genau die Richter, die gegen die übliche, ohnehin schon weite Terrorismusdefinition des Nationalien Gerichtshof gerade erst drei Jugendorganisationen zu Terroristen stempelte.(2) Außergewöhnlich war auch, dass das Urteil vom Plenum des Gerichtshofs statt von einer normalen Kammer gefällt wurde.

Nach dem Urteil, kann nun die Regierung entscheiden und den gesundheitlich schwer angeschlagenen Gefangenen aus humanitären Gründen entlassen, wofür ihr die Konservativen aber wütend vorwerfen würden, der "Erpressung" nachgegeben zu haben. Mit der Geste bekäme der Friedensprozess aber eine Chance. Denn der Umgang mit den Gefangenen, war für die ETA ein Grund, am Friedenswillen der Regierung zu zweifeln, weshalb sie mit dem tödlichen Anschlag in Madrid die Waffenruhe nach neun Monaten unterbrach. De Juana will den Streik bis zur Freilassung fortsetzen, hat sein Anwalt nach dem Besuch heute erklärt. Er habe keine Straftat begangen und man werde Klage gegen das neue Urteil vor dem Verfassungsgericht einlegen. Dass sich im von der PP dominierten Justizapparat was ändern könnte, hat der heute vereidigte neue Justizminister angedeutet. Er bezeichnete zum Beispiel den Kontrollrat als illegitim, weil die PP-Mehrheit dort seit Monaten eine Umgestaltung blockiert.

(1)  http://de.indymedia.org/2007/02/167723.shtml
(2)  http://de.indymedia.org/2007/01/166681.shtml

© Ralf Streck, Donostia den 13.02.2007
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Ergänzung

tierr@ 14.02.2007 - 09:20
Gerade jetzt wäre es wichtig, nochmals anzusagen, dass die Welt mit dieser Praktik nicht einerstanden ist:

José Luís Rodríguez Zapatero
Presidente del Gobierno Español
( Präsdident der spanischen Regierung )
Palacio de la Moncloa,
Avda. Puerta de Hierro, s/n.
28071 Madrid
España
 Jlrzapatero@presidencia.gob.es
Fax: 0034 913900217

Carlos Divar Blanco
Presidente Audiencia Nacional
( Präsident des Nationalen Gerichtshofs )
C/ García Gutiérrez, 1
28004 Madrid
España
Fax: 0034 913973381

Mercedes Gallizo Llamas
Directora General de Instituciones Penitenciarias
(Generaldirektorin des spanischen Strafvollzugswesens )
C/ Alcalá, 38-40
28014. Madrid
España
Fax: 91 335 40 52

STOP TORTURA - DE TODAS PARTES

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

@joxe — Ralf