Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz

F. J. Hanke 12.02.2007 22:40 Themen: Indymedia Repression
Über "Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz" sprach Jörg Bergstedt am Donnerstag (1. Februar) im Buchladen-Café Am Grün in Marburg. Auf Einladung der "Linken Fachschaft 03" berichtete der Polit- und Umwelt-Aktivist von der Projektwerkstatt Saasen dabei überwiegend von eigenen Erfahrungen. Lügen, Fälschungen und Verdrehungen der Wahrheit durch Richter, Polizisten und andere Prozess-Beteiligte standen im Mittelpunkt des amüsant und pointiert vorgetragenen Referats.
Als ersten Fall präsentierte Bergstedt die Ereignisse rund um den Erlass einer "Gefahrenabwehr-Verordnung" durch das Gießener Stadtparlament. Als Zuschauer bei der entscheidenden Sitzung dort ein Transparent entrollten, stürzten sich Polizeibeamte auf Bergstedt. Mehrere Beamte in Zivil hätten bereits im Saal gesessen, berichtete der Polit-Aktivist. Stadtverordnetenvorsteher Gail habe jedoch viermal öffentlich bestritten, davon gewusst zu haben. Einmal habe er diese Behauptung sogar in einer Aussage vor Gericht aufgestellt.
Der damalige Gießener Polizeipräsident Manfred Meise habe zunächst erklärt, die Polizei habe einen Fehler gemacht, zivile Beamte ohne Erlaubnis des Stadtverordnetenvorstehers im Saal zu postieren. Bei einem Strafverfahren erhielt Bergstedt jedoch Einsicht in Akten, die einen Bericht des Einsatzgruppen-Leiters des betreffenden Kommandos enthielten.
Darin berichtete der Beamte ausführlich, wie er Gail von Meise vor der Sitzung persönlich vorgestellt worden sei und dem Stadtverordnetenvorsteher Angaben zur Zahl seiner Beamten im Saal und zur Einsatz-Strategie gemacht habe.
Nun bestätigte Meise bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, dass die Polizei Gail vorab über ihren Einsatz informiert hatte. Ein Verfahren gegen Gail wegen uneidlicher Falschaussage verlief dennoch im Sande.
Um Polizei-Aktionen gegen Kritiker der Gießener "Gefahrenabwehr-Verordnung" zu legitimieren, hatte Bürgermeister Heinz-Peter Haumann eine Bombendrohung einfach erfunden. In einer Pressemitteilung gab er sogar den Zeitpunkt ihres Eingangs an. Später bekundete er nur, er habe die Möglichkeit gewalttätiger Aktionen gegen die geplante Verordnung gesehen und sogar den Einsatz einer Bombe nicht ausgeschlossen. Eine konkrete Bombendrohung jedoch habe es nicht gegeben.
Trotz dieses großzügigen Umgangs mit der Wahrheit wurde der CDU-Politiker bei der Direktwahl zum Gießener Oberbürgermeister im September 2003 wieder ins höchste Amt der mittelhessischen Universitätsstadt entsandt.
Eine Dichterlesung vor den Gebäuden der Gießener Justiz bildete den Anlass für ein weiteres Fall-Beispiel in Bergstedts Vortrag. Aus dem harmlosen Vortrag literarischer Texte habe die Polizei zunächst einen Farb- und später sogar einen Brand-Anschlag konstruiert, den die "Literaten" geplant haben sollen. Mit dieser Begründung wurden zwölf Personen in "Unterbindungsgewahrsam" genommen. Zur Begründung argumentierte die Gießener Polizei nach seinen Unterlagen mit entsprechenden Plänen Bergstedts. Er habe sich während dieser Aktion jedoch in Marburg befunden, erklärte der Referent.
Als letzten Fall berichtete Bergstedt von einem Federballspiel zwischen den Gießener Gerichtsgebäuden. Während er und weitere Personen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt dort ihrem Sport frönten, habe die Polizei eine aufwendige Beobachtungs- und Beschattungs-Aktion durchgeführt. Dabei sei sogar Bereitschaftspolizei aus dem südhessischen Mühlheim sowie eine Hightech-Beobachtungsgruppe des Hessischen Landeskriminalamtes zum Einsatz gelangt.
Gewundert habe er sich, dass die Polizei sie zwischen den Gebäuden des Gerichts und des Gefängnisses unbehelligt Federball spielen ließ. Auf dem Heimweg sei die Gruppe mit ihren Fahrrädern dann von sieben oder acht Polizei-Autos angehalten und festgenommen worden. Beschuldigt wurde Bergstedt nun eines Angschlags auf die CDU-Kreisgeschäftsstelle in Gießen und mehrerer Farbschmierereien. All diese Taten sollten aber genau zu dem Zeitpunkt stattgefunden haben, wo Bergstedt unter aufwendiger Polizeilicher Beobachtung auf dem Grundstück beim Gericht Federball spielte.
Bergstedts Fazit lautete: Aus den Akten könne er entnehmen, dass die Polizei nicht einmal davor zurückschrecke, Straftaten zu erfinden. Eine wichtige Rolle spiele hier der hessische Innenminister Volker Bouffier, dessen Gießener Anwaltskanzlei häufig das Ziel von Farb- und Stinkbomben-Attacken geworden war. Bouffier selbst habe die aufwendige Polizei-Aktion gegen ihn und andere Mitglieder der Projektwerkstatt veranlasst. Ihm zuliebe habe man Bergstedt Straftaten untergeschoben, die es nie gegeben habe, um ihn hinter Gitter zu bringen. Zu Bergstedts Glück hatte das Bundesverfassungsgericht die Inhaftierung des Aktivisten jedoch einstweilen untersagt.

Franz-Josef Hanke (Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union)
( http://www.hu-marburg.de/)

Kostenfreier Download der Rede des Referenten:

Teil 1 (18mb)
 http://rapidshare.com/files/16029395/Teil1_ErfundeneBombendrohung.mp3.html

Teil 2 (24mb)
 http://rapidshare.com/files/16044100/Teil2_Gedichtelesung_wird_zum_Brandanschlag.mp3.html

Teil 3 (16mb)
 http://rapidshare.com/files/16130250/Teil3_Umkehrung_Angezeigte_Polizei.mp3.html

Teil 4 (67mb)
 http://rapidshare.com/files/16189014/Teil4_Gedichtelesung_die_Geheimnisse.mp3.html

Anleitung zum Download:
Auf "Free" klicken, dann etwa eine Minute warten, dann gibst Du die Sicherheitsnummer ein (Javascript einschalten!) und schon kannst Du die Datei herunterladen. Dann gibst Du an, wo es auf der Festplatte gespeichert werden soll.


Weblink mit Dokumenten zum Download:
 http://www.polizeidoku-giessen.de.vu/
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Ergänzungen

Querverweis

fraggle 13.02.2007 - 00:10
Siehe auch den Bericht zu Boufier und Zensur:
 http://de.indymedia.org/2007/02/168323.shtml

Kontakt für Veranstaltungen

K.O.B.R.A. 13.02.2007 - 01:41
Wer Kontakt sucht, um diese Veranstaltung auch im eigenen Ort zu organisieren, kann sich bei der Antirepressionsgruppe K.O.B.R.A. oder in der Projektwerkstatt (06401/903283) melden. Wer Rechtstipps sucht, findet die unter dem Link

Mord?

jb 13.02.2007 - 14:48
Auf den Seiten  http://www.polizeidoku-giessen.de.vu und als Hintergrund zur Doppel-Innenminister-Kanzlei  http://www.im-namen-des-volkers.de.vu sind mehrere Morde durch Polizeibeamte geschildert. Die sind nicht im übertragenen Sinne gemeint. Indirekt ist Mord durch Polizei und Justiz (Haftstrafe mit deutlich erhöhter Selbstmordquote, Vertreibung, Verelendung usw.) ohnehin unzählbar.

Rechtstipps mehr als unseriös

Tut nichts zur sache 13.02.2007 - 18:59
Eine wichtige Anmerkung zu diesem Artikel ist die Tatsache, dass sich die Projektwerkstatt und die Person Bergstedt mit ihrer Auffassung über Antirepressionspolitik im eklatanten Widerspruch zur Roten Hilfe e.V. (RH) befindet. Fährt die RH seit Jahren eine Kampagne, die die absolute und allumfassende Aussageverweigerung gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft fordert, verteidigt Bergstedt eine Linie des "kreativen Umgangs" mit den Repressionsorganen: geredet werden dürfe schon, man könne ja auch mal versuchen, Polizisten auszuhorchen usw. Die RH hält dies für naiv und verantwortungslos gegenüber jungen und/oder unerfahrenen GenossInnen. Sie macht seit Jahren keine expliziten Aussageverweigerungsveranstaltungen mehr mit Bergstedt. Jeder, der unvorbereitet und ungeübt in eine Verhörsituation kommt, ist beraten, einfach den Mund zu halten - man erspart sich und seinen GenosssInnen eine Menge Ärger.

Mord?

. 14.02.2007 - 22:05
Ganz einfach, Mord steht je nach Leser entweder für a) ein wertende Aussage, also eine besonders verwerfliche Tötung, in jedem fall aber eine kriminelle, d.v. von den geltenden Gesetzen unter Strafe gestellt, und nicht durch Notwehr oder auch nur die Annahme einer Notwehrsituation oder ähnliche Gründe gerechtfertigt und entschuldigt, oder b) für eine juristische Aussage, also eine Tötung nach dem speziellen Katalog des § 211. Letzteres werden die Verfasser kaum gemeint haben, zumindest fällt mir keiner der Punkte da ein die in Frage kämen. Bleibt also in der Absicht nur die wertende Handlung. Die Reaktion darauf wird entweder a) missverständlich sein, wenn juritische Auslegung angenommen wird oder b) zumindest dadurch abschrecken, dass hier durch die im Wort liegende Wertung ein Urteil vorweggenommen wird.

Die eigentlich Intention der (durchaus gut gemachten) Doku liegt aber ja in der Information, der Meinungsbildung. Die wird durch die Abschreckung durch das präsentierte Vorurteil natürlich versaut. Bliebe als letztmögliche Intention noch die "Bild-Variante", durch einen Schocker also Aufmerksamkeit zu erregen. Da würde ich alternativ "Todesschüsse" vorschlagen. Ungefähr gleicher Schockeffekt, weniger wertende und daher abschreckende Wirkung, keine Missverständnisse, da Todesschuss ja zumindest in einem Fall den unbestritten wahren Sachverhalt deckt.

Ok, beim anderen ging es um ein vor-de-Zug-getrieben-werden, aber egal, Aufmerksamkeit ist erstmal da, und sonst gibts auch keinen vernünftigen Grund in Form einer Bild-Schlagzeile an das Thema zu treten, offensichtliche, vorsätzliche und kaum getarnte Schweinereien sind ja genug da über die man reden kann, ich für meinen Teil hätte die Überreaktionen schlecht ausgebildeter, überforderter, vielleicht auch ein wenig selbtherrlicher Polizisten nicht so in den Vordergrund gestellt. Denn bei aller Missympathie, Mordlust oder auch nur echte Gleichgültigkeit würde ich keinem von denen unterstellen, wenn ein Mensch vor den eigenen Augen zu Brei zermahlen wird hat auch ein latent rassistischer, selbstherrlicher Bulle daran psychisch zu knabbern.

Unseriös?

jb 15.02.2007 - 16:46
Es mag jede und jeder mit bürgerlichen Kampfbegriffen um sich schmeißen, wie es ihn oder ihr gefällt. Wenn es aber eine Auseinandersetzung um verschiedene Strategien geben soll, wären Argumente hilfreich. Ich finde jedenfalls richtig, widerständig zu agieren - auch und gerade gegenüber Repressionsbehörden. Dass die "ausgehorcht" werden soll, hat hier nie jemand behauptet, sondern das ist Schlammschlacht - das hab ich aber von der Justiz und Polizei eigentlich schon genug um die Ohren. Aber immer nur schweigen, macht es der anderen Seite ganz schön leicht. Und immer nur auf ExpertInnen (AnwältInnen) verweisen, ist zwar in D-Land in Mode, aber deshalb nicht gut. Schließlich haben die kulturell eine enge Bindung zu den RobenträgerInnen der anderen Seite. Wer eine andere Welt will, kann nicht auf die Regeln der bestehenden pochen.

alltagsprobleme

altagsfanatiker 26.02.2007 - 04:30

lieber jörg,

siehst du, und da genau liegt das kommunikations problem:
deine definition von "mord" schliesst "verelendung durch haft" mit ein, du benutzt hier das wort "mord" also sehr viel anders als die mehrheitsgesellschaft.

die ursache dafür ist wahrscheinlich, dass du dir gesellschaftliche veränderung tendenziell als aktion einer kleinen radikalen minderheit vorstellst und dementsprechend auf die mehrheitsgesellschaft scheisst.

deswegen versuchst du auch immer noch mit dem mord an grams (einem gewaltstraftäter) durch einen polizeibeamten (der vermutlich ebenfalls ein gewaltstraftäter war) zu argumentieren, anstatt dich z.b. gegen die allgegenwärtige zwangsarbeit und lohndrückerei durch ein-euro-jobs zu engagieren, wovon 300,000 menschen (ja menschen, nicht "genossen"!) betroffen sind.

wenngleich du meine lacher meistens auf deiner seite hast in deinen veröffentlichungen - wenn man mit fotos von brennenden polizeiautos im briefkopf den verfassungsschützern briefe schreibt, wird man da nicht ernst genommen.
und du willst auch garnicht ernst genommen werden, du willst dich garnicht konstruktiv in die gesellschaft einbrigen und wirklich etwas verändern, sondern du willst täglich aufs neue bestätigung für deine bestehenden vorurteile und anschauungen finden.




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mord ist alltag — alltagsfanatiker

JA, mord — alltagsFAN