Spanien und die Folter (Teil 1)

diverse 09.02.2007 17:48 Themen: Repression Weltweit
Die baskische Antifolterorganisation Torturaren Aurkako Taldea ( TAT ) hat eine umfassendes Info zum "Thema" incomunicado/Folter 2006 zusammengestellt. Auszüge daraus, die unerlässlich sind, wenn mensch wissen will, wie es um die aktuelle Anwendung von Folter in Europa bestellt ist, werden in mehreren Teilen und in Bezugnahmen zu aktuellen Fällen, nacheinander auf Indymedia.de erscheinen. TEIL 1....
INCOMUNICACION. Dezember 2006.
santurtzi-tkt @ euskalerria.org

INTERVIEW MIT DEM DIREKTOR DER WELTWEITEN ORGANISATION GEGEN FOLTER, ERIC SOTTAS...

Erfüllt der spanische Staat die geforderten Massnahmen gegen Folter?

Um auf diese Frage zu antworten nehmen wir die Erklärungen der verschiedenen Komitees, wie das Europäische zur Folterprävention zu Hilfe, dessen Dokument die Empfehlungen und Bestätigungen derer zusammenfasst, die den in Frage stehenden Ort besucht haben...; und sowohl vom Europäischen Folterpräventionskomitee aus wie auch als EU-Komissar in der Funktion des Sonderberichterstatters gegen Folter der UNO sehen wir immer denselben Typus von Empfehlungen:
Es werden Veränderungen in der Materie der Regelung bezüglich der Kontaktsperre (incomunicación/incomunicado ), ( Video )-Aufzeichnung der Festgenommenen, der fehlenden Untersuchungen dieser Fälle oder der Freigelassenen, die sie verurteilt hatten, gefordert. Der spanische Staat antwortet stereotyp und verbietet - theoretisch - die Folter...; nicht aber nicht die Verwendung von unter Folter gemachten Erklärungen; Anklagen werden nicht untersucht und Situationen, in welchen Folter stattfinden kann, werden nicht ausgeräumt. Tatsächlich sind die Empfehlungen, die hinsichtlich dieser Situation wiederholt an das Land gemacht wurden, nicht umgesetzt worden.

Sie haben bestätigt, dass im spanischen Staat gefoltert wird, aber die Bevollmächtigten in Madrid bezeichnen die baskischen Anklagen als « eine Gebrauchsanweisung der ETA »...

Ich glaube, das erste was gemacht werden muss, wenn eine Anzeige von Folter erhoben wird, ist zu prüfen, ob es schlagkräftige Argumente gibt. Leider gibt es Daten, welche die Existenz von Folterfällen beweisen. Mag sein, dass es Fälle von Folter gibt, die nicht vollständig bewiesen sind, aber die Zahl der existierenden Anklagen, die ZeugInnen oder die Spuren, die die Leute aufweisen, verbieten es, dies als Teil einer Kampagne anzusehen. Und ich glaube auch, dass anerkannt werden muss, dass Missbräuche exsistieren. Diese "Kampagnen,- oder Anleitungs-Theorie" ist ausserdem etwas, das man nicht auf lange Sicht hin wird aufrechterhalten können.

2002 sagten Sie hinsichtlich der Folter, dass « sie von vielen SpanierInnen gebilligt würde»...

Wir sehen uns einer Situation gegenüber, die uns sehr besorgt macht und die nicht nur im spanischen Staat existiert. Sie wurde durch die Attentate in New York ( 11/S ) oder in Madrid (11/M ) verursacht. Das absolute Verbot von Folter war immer etwas, das von der ganzen Welt akzeptiert wurde. Aber seit jenen Ereignissen wurde in den USA und den europäischen Ländern eine Regression des Totalverbots eingeleitet. Das ist für uns etwas sehr Schlimmes, denn wenn das Verbot nicht mehr absolut ist, verlieren wir eine wichtige Referenz. Wenn über Folter an sich diskutiert wird, ist alle Welt dagegen; wenn sie jedoch gegen jemanden angewandt wird, der/die unter dem Verdacht steht, ein schreckliches Verbrechen begangen zu haben, existiert eine gewisse Tolernaz und das ist schlimm. Für mich ist dies die grosse Herausforderung, die in unsere Hände gelegt ist, denn wenn wir den Terrorismus nicht akzeptieren, dürfen wir auch nicht jede Methode akzeptieren um ihn zu vermeiden.

Halten sie die Folter für eine in Euskal Herria/Baskenland systematische Praktik? Daten von Torturaren Aurkako Taldea (TAT) zufolge haben seit 1978 7000 Personen in Euskal Herria Folter angezeigt...

Folter ist dann systematisch, wenn sie eine so gut wie automatische Methode ist, um Festgenomme zu verhören und wir glauben nicht, dass dies der Fall ist. Es würde bedeuten, dass wenn eine Person verhaftet wird, sie automatisch gefoltert wird. Aber die Zahl der Anklagen zeigt sehr deutlich, dass im spanischen Staat immer noch gefoltert wird, besonders bei zwei Gegebenheiten: Baskenland und ImmigrantInnen.

In weiten Teilen der baskischen Bevölkerung herrscht der Eindruck, dass die Polizeikräfte bei Folter völlige Straflosigkeit geniessen: Die grosse Mehrzahl der Anklagen wird archiviert; die zu Prozessen führen, enden mit Freisprüchen und in den wenigen Fällen, in denen es eine Bestrafung gegeben hat, gab es sogar Begnadigungen/Straferlasse. Wie schätzen Sie diese Gesamtheit ein?

Unbestreitbar existiert eine hohe Anzahl von Anklagen, die ausserdem von der Justiz nicht berücksichtigt worden sind. Es gibt Fälle die nicht unbedeutend sind und bei denen es weder Sanktionen noch Kompensation gegeben hat. Wenn solche Anklagen erhoben werden, gibt es, obwohl es sich um eine Reklamation der Organismen handeln soll, einen Mangel auf der Ermittlungsebene, da für gewöhnlich weder die RichterInnen noch der Staat selbst diese Anklagen untersuchen. Später gelnagt man am Punkt der Straflosigkeit an, weil es effektiv zu Straferlassen gekommen ist. Wenn eine Regierung glaubt, dass diese Anklagen Teil einer Kampagne sind, muss sie eine tiefgreifende Untersuchung vornehmen, und diese darf nicht von Leuten geführt werden, die jemanden decken könnten.

Weiss man in Europa hiervon? Gibt es ein Wissen darüber, dass in einem seiner Mitgliedsstaaten Folteranklagen existieren. Was kann die EU tun, um Druck auf Madrid auszuüben?

Die erste Möglichkeit ist die Informationsschrift des Komitees für Folterprävention umzusetzen. Die anderen Massnahmen bewegen sich im Bereich der Protektion.

In Euskal Herria wurde die Abschaffung der "incomunicación" ( völlige Kontaktsperre nach Verhaftungen ) als der Schlüssel zur Beendigung der Folter genannt...

Die "incomunicación" ist der Zeitpunkt, an welchem die Folter am häufigsten verübt wird; besonders bei politischen Fällen. Es gibt die Empfehlung, diese Zeitspanne der Kontaktsperre auf ein Minimum zu reduzieren und den Besuch eines Arztes des Vertrauens zuzulassen. Wir wissen sehr gut, dass die Mehrzahl der Folterfälle während dieser Zeit geschehen. Demgegenüber fordern wir, dass die "incomunicación" abgeschafft oder im Falle ihrer Aufrechterhaltung, auf maximale Weise reduziert wird; etwas, was der spanische Staat nicht getan hat, der die Kontaktsperre noch immer fünf Tage und sogar noch länger anwendet.

INTERNATIONAL GESAMMELTE INFORMATIONEN ÜBER FOLTER IM STAAT SPANIEN
Dezember 2006

Wiederholt wurde innerhalb der letzten zehn Jahre von Internationalen Organisationen wie der UNO oder dem Europäische Anti-Folterkomitee die Anklage erhoben, das im spanischen Staat gefoltert wird; besonders im Falle bsakischer BürgerInnen, die der Kollaboration mit der ETA beschuldigt werden.

In Bilbao stellte der Präsident der Weltweiten Organisation gegen Folter, Eric Sottas, gemeinsam mit RepräsentantInnen verschiedener, baskischer Kollektive, die für die Abschaffung der Folter arbeiten, das Buch "Menschenrechtsverletzungen im spanischen Staat" vor, das von derselben Organisation, die aus 282 Organisationen in 92 Ländern besteht, in Zusammenarbeit mit der Koordination für Folterprävention auf Staatsebene zusammengestellt worden ist. Das Buch fasst die Empfehlungen und Forderungen verschiedener internationaler Organismen zusammen, die dem spanischen Staat in den letzten Jahren - wiederholt -angeraten wurden und benennt die Massnahmen und Schritte, im Bereich der Folter und Misshandlungen verhafteter Personen, die bis heute, entgegen aller Ratifizierungen und Zusagen, nicht umgesetzt worden sind.

Das international erarbeitete Buch zieht eine klare Schlussfolgerung für die Koordination für Folterprävention: " Auf den Komissariaten und in den spanischen Gefängnissen existiert die Folter weiterhin." "Folter ist in allen Fällen ein Verbrechen", so Sottas, der ausserdem vor den besorgniserregenden Aspekten eines Rückgangs der kritischen Handlungsweise und Proteste der Öffentlichkeit angesichts der Fälle von Folter und Misshandlungen warnte... "Es ist wichtig, den politischen Druck auf die spanische Regierung zu verstärken, damit sie ihre gewohnte Haltung in diesem Bereich aufgibt."

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ANTI-FOLTER AUF RICHTERLICHEN BESCHLUSS - HOFFNUNG ?

Der Richter des spanischen Nationalen Gerichtshofs, Baltasar Garzón ordnete erst vor Kurzem, unter andern an, dass "verhaftete Personen während der Zeitspanne der "incomunicación" auf Polizeistationen per Video aufgezeichnet werden müssen. Ausserdem müssen die Festgenommenen von ÄrtztInnen ihres Vertrauens, ohne Bevorzugung der Untersuchungen durch die GerichtsmedizinerInnen des Nationalgerichts, alle acht Stunden angesehen werden und ihr Aufenthaltsort muss den Angehörigen zu jeder Zeit mitgeteilt werden. Diese Anweisungen gelten auch für des "Terrorismus" Beschuldigte", in deren Fällen Garzón die Instruktionsgewalt besitzt, der seine Verfügungen als "Schutz der Vorgehensweise der Beamten und der Rechte der Verhafteten" bezeichntete. Es scheint jedoch so, als ob diese Massnahmen auf den Instruktionsbereich Garzón´s beschränkt bleiben... Spezielle Quellen des Gerichtshofs nämlich bekundeten indessen, dass "nicht auszuschliessen sei, dass diese Massnahmen von anderen RichterInnen nicht umgesetzt würden."

"Ein ungenügender Schritt nach vorn"...

Aiert Larrarte von TAT kommentierte, dass es notwendig ist, die Verfügung des Instruktionsrichters zu analysieren, weil "Garzón von Marketing mehr versteht, als von Recht." Trotzdem anerkannte die Organisation, dass die tatsächliche Umsetzung dieser Massnahmen "die Folter erschweren würde." "Wir wollen aber, so Larrarte, dass sie ganz verschwindet und dafür ist es nötig, dass die "incomunicación" und das Nationale Gericht verschwinden." Für TAT existieren drei Grundpfeiler zur Abschaffung der Folter:
Garantien dafür, dass sie ncht angewandt wird - Entschädigung der Opfer - und die Anerkennung der Existenz von Folter seitens des Staates. In diesem Sinn forderte die Organisation von Baltasar Garzón "all´die Fälle von Personen, die Misshandlungen angezeigt haben und die nachdem sie ihm vorgelegt worden waren, bislang nicht untersucht wurden, anzuerkennen."

Der Justizrat der baskischen Regierung hob hervor, dass "Garzón bis vor Kurzem nur zur Seite gesehen hat, wenn in seinem eigenen Büro Menschenrechtsverletzungen und Folter bei Verhören angeklagt wurden. Er hat nie etwas getan; absolut nichts." Der Generalsekretär der EA, Unai Ziarreta, forderte, die Massnahmen auf alle Verfahren auszudehnen, unabhängig von dem instruierenden Richter. "Garzón´s bisherige Linie ist es gewesen, gegenüber den Anklagen von Folter, die unzählige Verhaftete bei ihm eingereicht haben, nachdem sie sich in Händen der Staatssicherheitskräfte befunden hatten, Augen und Ohren zu verschliessen." Die Anordnungen betrachtete Ziarreta dennoch als ungenügend, "weil sie in keinem Moment die Anwendung der "incomunicación", welche die Basis für Folter an sich ist, in Frage stellen."

Torturaren Aurkako Taldea
www.stoptortura.com
Tel. 0034 943 333674
Fax. 0034 943 336479 .
Kale Nagusia 50 - 1ª .
20120 Hernani

( Quelle: PdF- INCOMUNICACION. Diciembre 2006 : http://www.lahaine.org/index.php?p=20219 )

Zu Baltasar Garzón siehe auch:
 http://de.indymedia.org/2006/02/139196.shtml

Zeugenaussagen Gefolterter aus dem Jahresbericht "Folter im Baskenland" / TAT/2004:
( hieraus stammt auch das Foto )
 http://de.indymedia.org//2005/09/127238.shtml
 http://de.indymedia.org//2005/09/127236.shtml

( freie Übersetzung: tierr@ )
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Spanien und die Folter/Teil 2, siehe:
 http://de.indymedia.org/2007/02/167927.shtml
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Ergänzungen

Hatsuna banatsana

Herida 09.02.2007 - 19:15

Danke, herz. dank ralph, spitze ...

Herida

Oihuka gara euskal herria aurkako taldea oihuka, si bravo companieiros !

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Spanien und die Folter/Teil 1
diverse 09.02.2007 - 17:48
Die baskische Antifolterorganisation Torturaren Aurkako Taldea ( TAT ) hat eine umfassendes Info zum "Thema" incomunicado/Folter 2006 zusammengestellt. Auszüge daraus, die unerlässlich sind, wenn mensch wissen will, wie es um die aktuelle Anwendung von Folter in Europa bestellt ist, werden in mehreren Teilen und in Bezugnahmen zu aktuellen Fällen, nacheinander auf Indymedia.de erscheinen. TEIL 1.... Spanien und die Folter/Teil 2
diverse 09.02.2007 - 17:28
Incomunicacion - totale Kontaktsperre nach polizeilichen Verhaftungen, wird als die Basis angesehen, die im spanischen Staat Folter erst ermöglicht. Der Kampf der baskischen, politischen Gerfangenen um Amnesty darf nicht ohne Berücksichtigung von Folter und "incomunicado" im Verlauf der Repressionsgeschichte gegen das Kollektiv gesehen werden...
Regierungsbildung unter EHAK- Verbot - 27.04.2005: Papierlose auf dem Weg in den Süden 26.04.2005: Vereint gegen spanische Massenprozesse 21.04.2005: Wahlen im Baskenland 19.04.2005: Baskische Kommunisten Wahlsieger 18.04.2005: Wahl im Baskenland 15.04.2005: Entscheidung über Friedenspross vertagt 15.04.2005: Batasuna erstmals ausgeschlossen 14.04.2005: Teil der PCE unterstützt baskische Kommunisten 12.04.2005: Auflösung des Terrorstaates Spaniens 12.04.2005: 17 Monate Streik bei deutscher Tochterfirma
Ganz schöne Arbeit hermano Ralph 07.06.2005 - 10:42 hast du/ihr euch gemacht, das zusammen zu sammeln. Unschuldig Ralph 08.03.2006 - 09:53
Ich habe nur geschrieben, danke an Malegría. Danke für die Übersicht
... die Artikel von Ralf sind ja echt informativ, die Übersicht ist super.
Danke an beide.
Teil III folgt. Hernia tabasuna!