Dt. Atomforum - Proteste seit 2004 in Berlin

Bärbel Koch 06.02.2007 05:16 Themen: Atom Ökologie
Seit einigen Jahren veranstaltet das -Deutsche Atomforum e.V.- seine Wintertagung Anfang Februar in Berlin. Dies lief wohl einige Jahre ungestört, bis Berliner AtomkraftgegnerInnen auf die Idee kamen, dagegen ja durchaus auch mal protestieren zu können. – Daher findet die jährliche Wintertagung seit 2004 nur noch unter Polizeischutz statt. – Hier folgt ein Bericht über das -Deutsche Atomforum e.V.- , die Proteste der letzten Jahre und was dieses Jahr so geplant ist....
Das Deutsche Atomforum wurde in den 50er Jahren gegründet mit dem Anliegen, die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie voranzutreiben. Erschienen die Gründungsmitglieder dereinst zunächst noch ehr wissenschaftlich motiviert, so ist die Mitgliederliste inzwischen eine Auflistung der Créme de la Créme bundesdeutscher Konzerne, die in irgendeiner Weise sich Profite erhoffen können aus Betrieb, Bau, Finanzierung und Export von Atomanlagen.
Bauunternehmen, Stahlverarbeitende Industrie, Banken, Versicherungen, Elektronikfirmen, Transportunternehmen ( die Bahn-Tochter Nuclear Cargo + Service GmbH verdient Geld mit Castortransporten ) etc.
Eine Auflistung der Firmen und Konzerne, die Mitglied im –Deutschen Atomforum e.V.- sind findet sich im Internet unter  http://www.anti-atom.de/datf.htm (Stand 2001).

So ergibt sich eine finanzkräftige Mitgliederschaft in diesem Verein, wodurch der Verein große Kapazitäten für Öffentlichkeitsarbeit hat und dies auch erdrückend nutzt. Für Werbe-Kampagnen, Pressearbeit, atomkraft-verherrlichende Materialien für Schulen etc. wird da eine Menge Geld rausgehauen, um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Atomkraft zu verbessern.

Die jährliche Wintertagung des –Deutschen Atomforum e.V.- in Berlin dient der Imagepflege nach innen und außen. Es heißt, die Wintertagung habe den Charme eines biederen Familientreffens, bei dem sich die Anwesenden in Plena-Vorträgen und Buffet-Gesprächen gegenseitig versichern, wie toll und unverzichtbar sie Atomenergie finden und dies dann am Ende nach außen mit einer Presseerklärung abrunden.
Als Tagungsort dient regelmäßig das Nobel-Hotel MARITIM in der Friedrichstrasse in Berlin-Mitte.
Die diesjährige Wintertagung findet diese Woche statt ( 07./08. Februar) unter dem Motto:
-Kernenergie im Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft-

Erstmals gab es 2004 Proteste gegen die Wintertagung. Neben kleineren Aktionen/Mahnwachen am Eröffnungsabend fand in jenem Jahr am eigentlichen Tagungstag eine Protest-Kundgebung mit ca. 100 Menschen statt, direkt an der Ecke gegenüber des Tagungshotels MARITIM. Der Schluß-Redner kündigte an, dies sei erst der Auftakt für künftige Jahre.

2005 gab es um die Wintertagung herum eine ganze Reihe von Aktionen und kritischen Gegen-Veranstaltungen, einen kleinen Gegen-Kongreß am Wochenende zuvor und eine überaschende spektakuläre Transpi-Aktion von Robin-Wood-Aktivisten auf dem Hotel-Vordach am Eröffnungsabend. Zur Hauptkundgebung kamen dann deutlich mehr Menschen als im Vorjahr ( knapp 250 ), auch Leute aus dem Wendland und die Berliner Samba-Action-Band trommelte. Die polizeiliche hermetische Abriegelung rund um das Maritim-Hotel wurde als dermaßen provozierend empfunden, dass sich einige Dutzend Menschen spontan entschlossen, die Straße am MARITIM-Hotel für sich zu reklamieren und einmal kurz am Hotel vorbei zu ziehen, was bei den anwesenden BeamtInnen keine sonderliche Begeisterung auslöste.

2006 konnte die Kundgebung nicht mehr in unmittelbarer Hotel-Nähe stattfinden, da der bisherige Kundgebungsort inzwischen durch eine Großbaustelle besetzt war. Es wurde ausgewichen auf den Mittelstreifen von Unter den Linden, immerhin noch in Sichtweite des Hotels. Für besonderen Unmut sorgte der Hauptredner der Wintertagung, der häss iche Ministerpräsident Roland Koch. Dieser forderte auf der Wintertagung nicht nur längere AKW-Laufzeiten, sondern drängte unverholen auf eine Richtungsentscheidung für den Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland.
Die Proteste waren 2006 wieder originell, die Beteiligung an der Kundgebung aber spärlich. Es hatte wenig Mobilisierung stattgefunden und es war einfach ein übles Wetter, kalt mit Schnee-Regen. Dennoch war die Stimmung bei den maximal 50 Teilnehmenden relativ gut. Auch das mitgebrachte lebendige Schwein, was bei den Protesten einem Roland-Koch-Darsteller zur Seite gestellt wurde, hatte den Tag gut überstanden. ( frei nach Orwell blieb aber unklar, wer nun eigentlich wer war...).

Ein Video mit einem kurzen groben Zusammenschnitt der Proteste von 2004, 2005 und 2006 ist hier hochgeladen. (eigenes Material von zwei AktivistInnen, 9 1/2 Minuten, für DSL-Download geeignet, Abspielsoftware für .rm - Dateien erforderlich )


2007 wird auf der Wintertagung wohl auf eine pro-atom-Provokation á la Roland Koch verzichtet. Vielmehr wird Kreide geschluckt und der Dialog mit einer prominenten Quoten-Atom-Gegnerin gesucht. Wollen wir hoffen, dass die hierfür eingeladene eigentlich atomkritische grüne Ex-NRW-Ministerin Bärbel Höhn inzwischen soweit in der Opposition angekommen ist, dass sie sich nicht so über den Tisch ziehen läßt, wie seinerzeit bei der Erweiterungsgenehmigung für die Uran-Anreicherungsanlage in Gronau/NRW. (...und sich dann Mai 2005 bei der prä-oppositionellen Teilnahme an der nächsten anti-atom-Demo in Ahaus irgendwie wunderte, dass nur verhaltene Freude aufkam, als sie aus der noch-Minister-Limosine stieg...)
Auch wenn die Wintertagung diesmal Kernenergie im gesellschaftlichen Spannungsfeld thematisieren will, wird das Deutsche Atomforum kaum mit neuen Erkenntnissen überraschen. Erklärtes Ziel bleibt ja, die Rahmenbedingungen für Atomenergie zu verbessern. Zu erwarten sind die üblichen Klimaargumente, die ja derzeit gerade schwer im Trend sind.
Verschwiegen wird dabei allerdings, dass Atomkraftwerke nicht klimaneutral oder CO2-neutral arbeiten, spätestens, wenn auch der riesige Aufwand bei Uran-Abbau, Uran-Anreicherung, Bau, Transporten mitgerechnet wird. Daneben gibt es Berechnungen, dass ein klimaschützender Effekt bestenfalls erreicht werden könnte, wenn weltweit ca. 600 zusätzliche Atomkraftwerke gebaut würden. Das kann ernsthaft kein vernünftiger Mensch wollen, zumal die Uranvorkommen begrenzt sind und die Frage der Entsorgung des Atommülls unlösbar bleibt. (Solange Schein-Lösungen wie undichte Salzstöcke sinnvollerweise außen vor bleiben.)
Neben der ohnehin vorhandenen Sicherheitsproblematik im Normalbetrieb auf technischer Ebene (Learning by doing, wie sogar Herr Gabriel nach dem Forsmark-Störfall vorigen Sommer kritisch anmerkeln durfte) wurde jetzt in neuen Berichten über Forsmark deutlich, dass der Faktor Mensch auch nicht so ohne ist: Wirtschaftlichkeit geht vor Sicherheit und einige Forsmark-Mitarbeiter haben offensichtlich Homer Simpson latent zum Vorbild erkoren.
( siehe Link zu Artikel über Vattenfall/Forsmark weiter unten...)

Daher gilt es deutlich zu machen: Atomenergie ist keine Lösung, sondern Teil des Problems !

Wird es dieses Jahr Proteste gegen das Deutsche Atomforum geben ?
Definitiv ja und diesmal nicht nur mit Kundgebung, sondern auch mit einem Demonstrationszug, der lautstark unmittelbar am Tagungsort vorbeiführen wird.
Inspiriert durch gute Gepflogenheiten bei den Castor-Auftakt-Demonstrationen im Wendland haben sich Leute aus dem gesamten Berliner atomkritischen-Spektrum angesagt:
Die Autorin dieser Zeilen hat positive Rückmeldungen gehört von Menschen des anti-atom-plenums, Berliner Castor-Bezugsgruppen, unorganisierten Linken, Umweltverbänden wie Bundjugend, Greenpeace, Robin Wood, von ausstiegskonsens-kritischen GrüneJugend-Leuten, Linkspartei-Umweltbewegte, attac-Umfeld, Samba-Action-Band etc...

Wieviele Menschen zusammenkommen, um gemeinsam gegen Atomkraft und das Deutsche Atomforum zu demonstrieren ist schwer zu schätzen, nicht jede(r) kann sich an einem Donnerstag nachmittag um 15 Uhr Zeit nehmen, auch ist das Wetter noch unklar.

Umso wichtiger, dass möglichst viele sich warm und bunt anziehn, wärmende Getränke in Thermosflaschen sowie Transparente und Lärminstrumente mitbringen und helfen, ein Zeichen für einen echten Atomausstieg zu setzen.

Der Protest sammelt sich am Donnerstag, 08.Febr. um 15:00 Uhr an der Ecke Chausseestrasse/Zinnowitzerstrasse. Denn dort liegt die Vattenfall-Zentrale.
Vattenfall ist ja nunmal einer der vier großen Energiekonzerne und hiervon das mit dem größten (und berechtigten) Image-Problem.
Denn Vattenfall wirbt unfreiwillig für die Proteste durch die skandalösen Arbeitsumstände, die vor wenigen Tagen über das Vattenfall-AKW im schwedischen Forsmark an die Öffentlichkeit drangen:
siehe:
 http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1062631&sid=11668d92d0af41a4f275390548b95c9c

( Falls Link wegen Länge nicht funktioniert, komplett kopieren und in die Adress-zeile des Browsers einfügen...)

Der Demonstrationszug führt dann von der Vattenfall-Zentrale Richtung Friedrichstrasse, dort an der EnBW-Konzern-Niederlassung vorbei und (diesmal sogar polizeilich offiziell gnädig genehmigt, wer hätte das gedacht) wird es sich der Protest wie 2005 nicht nehmen lassen direkt am Hotel MARITIM, dem Tagungsort der Wintertagung, lautstark vorbei zu ziehen.

Auf dem Mittelstreifen von Unter den Linden gibt es anschließend weitere Rede-Beiträge.

Auch wenn das Wetter dieses Jahr erneut ungemütlich werden könnte, besteht die Aussicht, dass alle, die sich am Donnerstag nachmittag die Zeit nehmen können und wollen, den Weg zum Treffpunkt finden und die Chance nutzen, in Berlin gegen Atomkraft und die damit verflochtenen Probleme und Strukturen zu demonstrieren.

Video: Ausschnitte von Protesten 2004, 2005, 2006
( Video 9 1/2 Min, 16 MB (für DSL), Abspielsoftware für .rm -Dateien erforderlich )

Infos zur Demo:
 http://www.nixatom.de/

Folgende Seite gibt viele Details zur völligen Unbedenklichkeit von Atom-Anlagen etc. , wirklich sehr beruhigend:
 http://www.atomindustrie.de/

Selbstdarstellung des Deutschen Atomforum:
 http://www.atomforum.de

zur Wintertagung:
 http://www.kernenergie.net/r2/de/Veranstaltungen/Tagungen/Wintertagung/index.php

Auflistung der Vereinsmitglieder (Stand 2001):
 http://www.anti-atom.de/datf.htm
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Ergänzungen