Antisexistische Aktion im nächtlichen Berlin

as 05.02.2007 22:59
In der vergangenen Nacht hat in Berlin eine konzertierte, antisexistische Aktion zum Thema "Definitionsmacht" stattgefunden.
In der Nacht vom Sonntag auf Montag hat eine unbekannte Gruppe ein Aktion zum Thema "Definitionsmacht" in Berlin durchgeführt. Es wurde an den Fassaden von sechs Berliner Verlagshäusern Plakate und Infomaterial geklebt, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Mit den parallelen Plakatierungen soll auf die derzeitig verletzende Praxis im Umgang mit Opfern von sexueller Gewalt aufmerksam gemacht und die Berichterstattung in den Zeitungen kritisiert werden. Es wird in den Texten eine Definitionsmacht der Betroffenen gefordert, denn "Vergewaltigung ist nicht objektiv beweisbar!".

Zu den sechs Verlagshäusern gehören, die Berliner Zeitung, die Junge Welt, die Jungle World, Neues Deutschland, die taz und die zitty.

Ob die Aktion in den Zeitungen aufgegriffen wird, bleibt abzuwarten.


--- Kapagnentext von definitionsmacht.tk ---


Erklärungen zur Kampagne
Warum diese Kampagne?

definitionsmacht.tk // november 2006

Dies ist eine Kampagne für das Empowerment von Menschen, die sexuelle Gewalt, Vergewaltigung erlebt haben. Auch für diejenigen, die sich gefährdet fühlen und vor sexueller Gewalt Angst haben. Dies ist ein Aufruf an alle nicht direkt Betroffenen, sich mit der Lebenrealität der Betroffenen oder bedrohten Menschen aueinander zu setzen und sich vor Augen zu führen, wie viele Menschen damit kämpfen eine solche Erfahrung zu überleben während die Freund_innen, die Familie, das Gericht, die Gesellschaft schweigt und verleugnet, oder zum Schweigen zwingt. Wir sprechen hier von einer marginalisierten Erfahrung, nicht aber von einer Minderheit.

[ist] sexuelle Gewalt [ist] normal?!

In einer mündlichen Direktbefragung aus 2005, durchgeführt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sagte jede siebte der befragten Frauen zwischen 16 und 85 Jahren, dass sie sexuelle Gewalt erlebt hat, welche nach der engen juristischen Definition als Straftat gilt. [...]

Weiterlesen:  http://www.jpberlin.de/antifa-pankow/defmacht/index.php?section=kampagne_erkl
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Ergänzungen

Bilder

Passant 05.02.2007 - 11:09
So hat's bei der Jungen Welt ausgesehen...

zu Links 234

elfboi 06.02.2007 - 09:34
Ich habe schon oft erlebt, daß ich in verschiedensten Situationen nicht ernstgenommen wurde, weil ich nicht als Mann wahrgenommen wurde. Ich bin biologisch männlich, von meinem gesamten Wesen und auch von meinem äußeren Erscheinungsbild her aber sehr androgyn (und definiere mich selbst auch nicht als Mann), und oft werde ich auch für eine Frau gehalten - was biologisch betrachtet schon einmal generell falsch ist, aber mich als Mann zu betrachten in jedem Sinne, der über die Biologie hinausgeht, wäre auch nicht sonderlich richtig.

Ich bin halt ein androgyner Elf. Ich will ein Gender für mich ganz alleine, keins, das ich mit der Hälfte der Weltbevölkerung teilen muß. Leider stoße ich oft auf Ablehnung, Unverständnis oder gar Feindseligkeit. Solange ich für eine Frau gehalten werde, muß ich mit den üblichen Belästigungen durch aufdringliche Männer leben. Werde ich als Mann angesehen, wird von mir ein Rollenverhalten erwartet, das ich nicht liefern kann. Merken die Leute, die mich anfänglich für eine Frau gehalten haben, daß sie sich irren, daß ich offenbar biologisch männlich bin, aber ihren Rollenerwartungen nicht entspreche, dann wird es oft richtig ungemütlich... meist halten sie mich dann für eine Transe oder sowas, was ich auch wiederum nicht bin. Ich passe halt nicht in die Schablonen, nach denen die Mehrheit ihre Welt wahrnimmt, und die Menschen werden oft aggressiv, wenn sie etwas nicht verstehen.

Wenn es nach mir ginge, gehörte Gender entweder abgeschafft, oder es müßte deutlich mehrdimensionaler und multipolarer werden.

zur form der auseinandersetzung

egal 06.02.2007 - 09:57
das thema ist offenbar heiß, wie man bereits an der indy-internen auseinandersetzung sehen kann. fragwürdig fänd ich, wenn jetzt, nachdem sich die befürworter/innen dieses artikels durchgesetzt haben, wiederum alle ergänzungen, die sich gegen die in dem artikel vertretene meinung richten als "nicht inhaltlich" versteckt werden, wohingegen alle unterstützer/innen des artikels oder der aktion, um die es darin geht, total inhaltlich sein sollen. das kann doch nicht der weisheit letzter schluss sein.
ich halte nichts vom definitionsrecht. nicht weil ich die argumentation nicht nachvollziehen kann, die dahinter steht - die hat einiges für sich - sondern weil diese art von umkehr der unschuldsvermutung nicht als rechtsregel taugt.
es ist ein drama, dass vergewaltigungen oftmals in einem rahmen stattfinden, welcher eine späteren beweis für die betroffene frau nur sehr schwer möglich macht, weil es weder zeugen, noch zwingend spuren von gewalteinwirkung oder zwang gibt.
das gilt jedoch auch für eine menge anderer straftaten, wie nötigungen, bedrohungen, erpressungen und vielem mehr.
nur ist es bei sexuellen übergriffen nun einmal so, dass die opfer in der regel weiblich oder minderjährig sind und die straftat weit gravierender, als die anderen von mir beschriebenen. dennoch hat es auch hier etwas mit gerechtigkeit zu tun, wenn kein mann damit rechnen muss beweisen zu müssen, dass er nicht gegen den willen der betroffenen, (bei kindern eher kein thema) bzw., dass er überhaupt nicht gehandelt hat.
potentielle opfer sind nicht die besseren menschen, die niemals auf so etwas wie falsche anschuldigungen verfallen würden. auch hier lauern gefahren und zwar große.
wie schief so etwas gehen kann war gut zu beobachten, als in den usa die großen hexenjagden auf vermeintliche kinderschänder/innen losgingen und sich diverse eltern plötzlich dem vorwurf des mißbrauchs ausgesetzt sahen, weil selbsternannte spezialist/innen die zeichnungen oder das verhalten der kinder in dieser richtung interpretierten. und da war nicht einmal böser wille der vermeintlich betroffenen im spiel. diese eltern sahen sich vor dem dillemma beweisen zu sollen, dass sie gerade nicht mißbrauch an ihren kindern begangen hatten.
beweisen zu müssen, dass man etwas nicht getan hat ist oftmals nahezu unmöglich, insbesondere wenn auf der anderen seite eine person steht, die sagt "ich war dein opfer".

ebenso höchst problematisch ist bei der idee der definitionsmacht der verzicht auf jede "objektive" defintion des begriffs "sexueller übergriff" oder "vergewaltigung". es steht dann dem "opfer" zu jede handlung des "täters" so zu definieren, wie es ihm angemessen erscheint. das opfer wird zum richter. das ist mit einer vernünftigen rechtsetzung und der verbesserung der gesellschaft nicht vereinbar.
ohne klischees bemühen zu wollen will ich hier eine eigene erfahrung mit befürworter/innen der definitionsmacht nennen:
In der diskussion um sexistisches männliches verhalten und die definitionsmacht der frau diesbezüglich habe ich erlebt, dass auch blicke von manch einer person als "vergewaltigung" empfunden werden können.
das taugt natürlich nicht zur verallgemeinerung und soll auch nichts ins lächerliche ziehen, sondern nur darauf hinweisen, dass der verzicht auf jede andere definition als die des "opfers" keinen fortschritt bei der rechtsfindung darstellt.
die unschuldsvermutung hat jahrhunderte gebraucht, um sich durchzusetzen und sie führt- wie an dieser debatte sichtbar wird - nicht immer zu befriedigenden ergebnissen. sie aber auszuhebeln, wird niemals ein geselleschftlicher fortschritt sein.

selbstgerechte Szenepolizei

V 06.02.2007 - 19:33
Die Befürworter des Definitionsrechts argumentieren, dass ohne ein gleichzeitiges Sanktionsrecht das Definitionsrecht wirkungslos weil Machtlos sei. Definitionsrecht hat in der Praxis immer bedeutet, dass die Frau oder ihr selbsternanntes "Umfeld" auch die Sanktionen bestimmten. Da konnte dann von Kneipenverbot bis Szeneauschluss alles drin sein.
Dies führte in der Vergangenheit zu selbsternannter Szenepolizei, die mit vorgeschobenen edlen Motiven die bösen Männer und ihr Umfeld jagten. Wehrten sich diese bestätigte das nur das Bild der Frauenschlagenden Machoschweine. Das in so einer Praxis Willkür und Doppelmoral Hand in Hand gehen hat sich immer wieder gezeigt.

 http://www.trend.infopartisan.net/trd0501/t130501.html

Trau schau wem

Christof Meueler 07.02.2007 - 13:38
Liebe GenossInnen,

diese Aktion hat in der jW auf jeden Fall kein Mensch mitbekommen. Ihr könntet uns ja bei Gelegenheit das verwendete Plakat einmal zukommen lassen.

viele Grüße

Christof Meueler
Redakteur Feuilleton

Rainer Balcerowiak
Redakteur Innenpolitik

Zensur

antifa 07.02.2007 - 15:53
ein sehr gelungener text zum thema definitionsrecht (referat auf einer konferenz des asta zum thema im jahr 2001) wird hier offenbar als zu kritisch eingestuft. hier noch einmal der link:

 http://www.lesmadeleines.net/defrecht/defrecht.htm

gibts als .pdf

lesen bildet!

guter text

egal 07.02.2007 - 15:57
Definitionsrecht
Notwendige Antwort auf sexuelle Gewalt gegen Frauen oder Teil eines das Geschlechterverhältnis konservierenden Diskurses?

definitionsrecht-kritischer text der gruppe les madeleines:

 http://www.lesmadeleines.net/defrecht/defrecht.htm

"Definitionsmacht" & Folgen

thinko 09.02.2007 - 18:26
Wenigstens die USA, wie immer Vorreiter in Sachen Emanzipation, nehmen die "Definitionsmacht" ernst:

 http://www.focus.de/panorama/welt/sexuelle-belaestigung_nid_40866.html
 http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/20.10.1999/ak-po-we-35930.html

Ernsthaft: leider gibt es kaum Unterschiede zwischen der linken Debatte über "Definitionsmacht" und der "Kinderschänder"-Jagd der Rechten.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 53 Kommentare an

sexismus as its best... — antisexista

Muss mal gesagt werden — kopfschüttel

ist sexistisch — feministin

GAP — GÄHN

folklore..... — schwuppe

Links, 234 — wtfl

die Macht des Mannes? — greenspan

updaten… — wtfl

Macht als Mann — wtfl

Bei Frauen ist Alles Anders! — Lele lal Mariuhan

Notwendigkeit — auch ein mann

Hmmm — Mona

Alternative? — madsheep

@ elfboy — super!

beschäftigung — erfordert

ui — uiui

Tolle Forderungen — Verfassungsschutz

moderationspolitik — bikepunk 089

Alles von vorn — Thirtysomething

Im Jungle... — Jungle Praktikant

hahaha gerechtigkeit — hahaha gerechtigkeit

Lüsterne Blicke — Definator

bürgerliches recht — justitia aka. egal

@definator — wtfl

fight sexism — jess

stimmt — justitia

Die Macht — machtlos sein will

@wtfl, jess — Definator

Sex Sales! — Lele lal Mariuhan

@ mods — les madeleines

Nichts gegen die Aktion! — Lele lal Mariuhan

@wtfl — Definator

@ definator — wtfl

@Elvboi — appd@email.com

- — -

@greenspan — wtfl

man, man, man^ — Mannfred