Auschwitz-Gedenktag und Hauptbahnhof Berlin

Bernd Kudanek alias bjk 29.01.2007 14:38 Themen: Antifa Antirassismus Repression
Nach jahrelanger Ablehnung kam bekanntlich Ende 2006 eine Einigung zwischen dem Centrum Judaicum, des Bundesverkehrsministeriums und Bahn-Oberknarz Mehdorn zustande. Der Zentralrat der Juden hatte den erzielten Kompromiß begrüßt. Beate Klarsfeld, die Initiatorin der Ausstellung "11.000 jüdische Kinder" auf französischen Bahnhöfen, war anfangs ebenfalls einverstanden, daß der widerstrebende Mehdorn nur Teile ihres Ausstellungskonzeptes übernehmen wollte. Sie hat, wie gestern in der Halle des Hauptbahnhofs zu hören war, sich nun aber dem Widerstand von Lea Rosh angeschlossen und ihre Meinung geändert.
Die hochumstrittene Lea Rosh findet es einen Skandal, daß nicht nur die über einjährige Vorbereitung der ohnehin minimalisierten DB-Austellung viel zu lange sei sondern sie beschuldigt die DB als Rechts-Nachfolgerin der Reichsbahn vor allem, Mehdorn wolle dem relativierenden Zeit-Ungeist vieler Politiker, der Gehirnwasch-Medien und weiter Teile der bundesdeutschen Bevölkerung folgend, die nunmehr geduldete Ausstellung "entemotionalisieren". Er wolle statt unfaßbares Leid und Schrecken der Juden, vor allem der Kinder, in den Vordergrund zu stellen, lieber - angeblich historisch korrekter - technische, vor allem bahntypische Details einbringen und so die Verbechen Nazideutschlands und die aktive Mittäterschaft wie auch die passive Duldung durch gleichgültiges Wegschauen des überwiegenden Teils der Deutschen im Dritten Reich bagatellisieren und de facto ausblenden. Dieser schlimme Trend wabert schon wieder in viel zu vielen und viel zu hohlen Köpfen.

Weil diese Verdrängung, diese Verniedlichung schrecklichen Unrechts und die einhergehende wieder erwachende, oftmals sich mehr und mehr zum Haß steigernde Aggressivität gegen neue Minderheiten, Mißliebige und Wehrlose mich ebenfalls aufs Äußerste empört, wollte ich an der für 16 Uhr angekündigten Protestveranstaltung vor dem Hauptbahnhof teilnehmen. Allerdings bin ich aus grundsätzlichen Vorbehalten den Haupt-Initiatoren gegenüber eher als sympathisierender Beobachter für das Ausstellungsanliegen dabeigewesen. Im Grunde also ähnlich wie bei den sogenannten Sozialprotestdemos, die von DGB- und anderen Gewerkschaftsbonzen immer wieder mal veranstaltet werden, wenn der Ruf nach politischem Generalstreik oder auch "nur" Rücknahme von Agenda 2010 und Hartz I - IV zu laut wird.

Jedenfalls war ich gegen 15:30 Uhr bereits auf dem Washingtonplatz vor Mehdorns gläserner Milliarden-Prunkmeile mit Schönwetter-Gleisanschluß, dem Hauptbahnhof, der bekanntlich am 18. Januar von dem ganz normalen Orkan "Kyrill" mal eben so demontiert wurde. Gut 70 Personen umstanden dichtgedrängt vor einer Glasdrehtüre ein Grüppchen, welches tapfer der ungemütlichen Kälte trotzend, mehrere Pappschilder hochreckte, auf denen Erklärungen zum heutigen Protest zu lesen waren. Allerdings waren auch hier beinahe mehr Presse- und Medien-Leute als tatsächlich Protestierende anwesend. Eine irgendwie ähnliche Situation wie beim überaus dämlich konzeptionierten "Waschen & Rasieren"-Spektakel des selbsternannten Erwerbslosensprechers Martin Behrsing, das am 2. Januar in Mainz stattfand und ihm folgerichtig voll in die Hosen ging.

Nachdem draußen die Promis um Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, und Gideon Joffe, Vorsitzender der "Jüdischen Gemeinde zu Berlin", genügend gefilmt und interviewt wurden, ging's nach innen in die Bahnhofhalle. Hier erklärte u. a. Beate Klarsfeld, warum ihr so sehr daran gelegen ist, die Ausstellung in deutschen Bahnhöfen nicht zu einer von Mehdorn geplanten bloßen musealen Veranstaltung zu gestalten sondern zu einem emotionalen Aufrütteln der Gesellschaft, der Menschen in den Bahnhöfen, die sie mit dem schrecklichen Leid der Juden und vor allem dem furchtbaren Los der Kinder konfrontieren möchte. - Einer Auffassung, der ich voll und ganz zustimme!

Die Bahn in Übereinstimmung mit der machthabenden Staatsmacht schürte die obrigkeitlich gewollte Terrorhysterie und hat Bahn-Sicherheitsleute, uniformierte und zivile sowie Milizenbullerei in großer Zahl in und um den Hauptbahnhof postiert, die sich sichtlich langweilten auch wenn einige grimmig dreinblickende Milizen-Offiziere recht dynamisch taten. Als sich bald nach 16 Uhr die Kundgebung augenscheinlich auflöste und nur noch wenige Aufrechte ihre Pappschilder hoch hielten und andere schon ihr Transpi einrollten, machte auch ich mich auf den Heimweg.

Abschließend sei noch hervorgehoben, diese Veranstaltung war des Auschwitz-Gedenktages würdig. Es gab keinerlei Haßparolen gegen Iran und auch keinen Mißbrauch des Begriffs Holocaust, wie bei der gestrigen faschistoidiotischen "Anti-Ahmadinedschad-Demo" ebenfalls hier in Berlin, es gab auch keine wirrköpfigen Nationalflaggenschwenker - es ging um das Gedenken an die Auschwitz-Opfer, stellvertretend für alle, die in Nazimörderdeutschlands KZ's elend umgekommen sind oder, wenn sie überlebt haben, zeitlebens traumatisiert blieben.

NIE WIEDER AUSCHWITZ !

bjk
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Ergänzungen

Nachtrag

Bernd Kudanek alias bjk 29.01.2007 - 14:57
Das Foto "Einfordern von DB-Verantwortung" ist unter  http://file1.carookee.com/forum/freies-politikforum/4/file/2462836/Einfordern%20der%20Verantwortung.jpg in besser lesbarer Vergrößerung zu finden.

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Schön, dass es in Berlin...

-- 29.01.2007 - 18:18
...noch Menschen gibt, die den Holocaust-Gedenktag nutzen, um der Holocaust-Opfer zu gedenken und das in einer guten öffentlichen Aktion demonstrieren!
Am selben Tag fand in Berlin eine Demo, ins Leben gerufen von einer rechten Gruppe, statt, auf der der Holocaust relativiert wurde:  http://de.indymedia.org/2007/01/167052.shtml

Wehret den Anfängen!!

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