Zug der Erinnerung

poitre 27.01.2007 21:21
Zwischen Würzburg und Schweinfurt verkehrte am vergangenen Samstag (27. Januar 2007) der Zug der Erinnerung. In der historischen Bahn wurde mit Dokumenten und Bildern der 11.000 jüdischen Kinder gedacht, die über die Strecken der ehemaligen deutschen Reichsbahn in das Konzentrationslager nach Auschwitz deportiert wurden. Reden, die am Bahnsteig an die Vergangenheit erinnern sollten, wurden vom Bahnhofsmanagement in Würzburg und Schweinfurt an Ort und Stelle verboten, auch polizeiliche Ordnungskräfte waren im Einsatz, um das Redeverbot durchzusetzen.
Die Redner wollten an den Bahnsteigen in Unterfranken auch an die über 2.000 Deportierten Juden aus Mainfranken erinnern, die mit der Deutschen Reichsbahn in den Tod geschickt wurden. Am Bahnhof sollten beispielsweise Grußworte der jüdischen Gemeinde Würzburg gesprochen werden. Die Veranstaltung ist auf ein enormes Medienecho gestoßen.

Wie Tatjana Engel von der Initiative Elftausend Kinder berichtet, hat die Bahn AG am Holocaust Gedenktag auch auf anderen Bahnhöfen in Deutschland von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und den Initiatoren der Ausstellung die Durchführung von Pressekonferenzen, das Abhalten von Reden und die Verteilung von Informationsmaterial an Reisende untersagt. In Berlin wurde nach Angaben von Frau Engel durch den Vorsitzenden der Deutschen Bahn AG eine Pressekonferenz auf dem Hauptbahnhof verboten. Als Teilnehmer sollten der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Gideon Joffe und die Publizistin Lea Rosh sowie die Pariser Organisatorin des Gedenkens an die 11.000 deportierten jüdische Kinder, Beate Klarsfeld, reden. Auch in Frankfurt wurde mit dem Einsatz von Ordnungskräften auf dem Bahnhof gedroht, wenn Informationsmaterialien über die 3 Millionen deportierten Menschen verteilt werden.

In dem Zug der Erinnerung, der zwischen Würzburg und Schweinfurt pendelte, war eine beeindruckende Ausstellung zu sehen. Die Besucher der Sammlung berichten von einer würdevollen Erinnerung an die jüdischen Opfer der Nazibarbarei. In den Diskussionen unter den Mitreisenden wurde wiederholt der Umgang der Deutschen Bahn AG mit der Vergangenheit kritisiert. Es herrschte vielfach die Meinung, dass die Bahn AG ihrer Verantwortung vor der Geschichte nicht ausreichend gerecht wird.
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Ergänzungen

Aktion in Göttingen

egal 28.01.2007 - 14:59
wie in vielen anderen Städten wurde auch auf dem Göttinger Bahnhof an die drei Millionen Deportierter erinnert. An einem Bauzaun im Bahnhof wurde eine improvisierte Ausstellung über die elftausend jüdischen Kinder aus Frankreich gezeigt, die mit der Bahn nach Auschwitz deportiert wurden. Im Bahnhof wurde innerhalb einer Stunde über 900 Infobroschüren verteilt. Für viele überraschend war, dass die Bahnreisende trotz Eile oft sehr interessiert waren.
Bundesweit waren im Vorfeld alle Bahnbedienstete vom Bahnvorstand schriftlich angewiesen wurden, jegliches Gedenken im Bahnhof zu unterbinden. In Göttingen führte dies dazu, dass Mitarbeiter der Bahn die Ausstellung mit Bildern deportierter Kinder eigenhändig abrissen und einer Personen ein Hausverbot erteilten, dieses aber nicht durchsetzen konnten. Die Polizei beschränkte sich in Göttingen darauf Präsenz zu zeigen.
Dass die Deutsche Bahn kein Interesse hat, die Verstrickungen ihres Vorgängerunternehmens in die Ermordung von Millionen von Menschen aufzuklären, hat sie gestern bundesweit mal wieder unter Beweis gestellt.

"Waggon-Aktion! vor dem Kölner Hauptbahnhof

wollek 28.01.2007 - 16:54
Im Rahmen der zahlreichen Aktionen zum 27, Januar vor und in Bahnhöfen der Deutschen Bahn , fand (findet) auch in Köln eine grössere Veranstaltung auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes statt. Unter dem Titel "GEDENKEN UND RESPEKT" initiierte die Kölner Initiative "Die Bahn erinnern" eine Ausstellung in einem historischen Güterwaggon, den sie nach einigem "ziehen und zerren" mit der Stadtverwaltung, schliesslich dort abstellen durfte. Der Waggon wurde bereits gestern (also am 27. Januar)von hunderten von Interessierten besucht, die sich im Inneren des Waggons über die Einbindung der Reichsbahn in die nationalsozialistischen Verbrechen informierten. Die zahlreichen BesucherInnen des Waggons reagierten fast ausnahmslos positiv auf die Aktion und zeigten sich zum Teil empört über die nun schon seit Jahren andauernde Weigerung der Bahn ihre Räume für ein angemessenes Gedenken an die Opfer der Deportationen zu öffnen. Der Waggon wird noch bis einschliesslich
01.Februar auf dem Bahnhofsvorplatz stehen und ist täglich mindestens von 17 bis 19 Uhr geöffnet.

Kundgebung doch im Berliner Hauptbahnhof !

Bernd Kudanek alias bjk 29.01.2007 - 16:47
poitre schrieb: "In Berlin wurde nach Angaben von Frau Engel durch den Vorsitzenden der Deutschen Bahn AG eine Pressekonferenz auf dem Hauptbahnhof verboten."

Das ist so nicht richtig, siehe hier:  http://de.indymedia.org/2007/01/167101.shtml

bjk
Forum:  http://freies-politikforum.carookee.com

Zug der Erinnerung

Mainpost 29.01.2007 - 22:30
Aus der Würzburger Mainpost vom 28.01.2007:

Eklat um "Zug der Erinnerung"

Ein "Zug der Erinnerung" zwischen Würzburg und Schweinfurt sollte an die Opfer der Nationalsozialisten und ihrer Mitläufer erinnern.


Würzburg - Samstagvormittag am Hauptbahnhof Würzburg, Bahnsteig 11: Eine historische Dampflok steht am Gleis. In den alten Waggons hängen alte Fotos - Bilder von Menschen, die die Deutsche Reichsbahn in die Vernichtungslager der Nazis transportiert hat.

Auf dem Bahnsteig ist eben eine Gedenkfeier zu Ende gegangen, und die Worte des Berliner Politologen Ekkehart Krippendorf hängen noch in der Luft: "Eigentlich ist unsere Präsenz hier ein Skandal", hat er als Vertreter der Organisation "Elftausend Kinder" gesagt, weil es nötig sei, die Bahn daran zu erinnern, dass sie "die Nachfolgerin der Deutschen Reichsbahn ist, und dass die Reichsbahn mitschuldig ist an diesen großen Verbrechen."

Etwa drei Millionen Menschen hat die Reichsbahn in die NS-Vernichtungslager transportiert. Im Deutschen Eisenbahnmuseum in Nürnberg hat sich das Unternehmen mit der Deportation auseinandergesetzt. Wenn die Bahn sage, das müsse reichen, "bedeutet das eigentlich, dass sich die Bundesbahn nicht von der Komplizität der Reichsbahn mit diesem Verbrechen distanziert, sondern sagt, wir würden's genau wieder so machen". ("Komplizität" ist die Teilnahme an einem verwerflichen Verhalten, ohne aktiv mitzuwirken, Anm. d. Red.)

Hintergrund von Krippendorfs Vorwürfen ist die Weigerung der Bahn, auf ihren Bahnhöfen die Ausstellung "Elftausend Kinder - mit der Reichsbahn in den Tod" zu zeigen. Krippendorf sagte, die Ausstellung müsse gezeigt werden, um "auch nur den Schatten des Verdachtes auszuräumen", die Mentalität der Bahn-Manager sei vergleichbar mit der in der Reichsbahn. Vor Krippendorf hatte der evangelische Dekan Günter Breitenbach gesprochen. Der war anschließend schwer verstimmt: So sei das nicht ausgemacht gewesen. Ausschließlich dem Erinnern und Gedenken an die Nazi-Opfer habe die Gedenkfeier gelten sollen, sagte der Geistliche dieser Zeitung. Einige der rund 60 Zuhörer auf dem Bahnsteig reagierten betroffen: Sie empfanden die Attacken als ein Stören des Gedenkens.

Sehr erregt war Hans-Jürgen Vogt, der Würzburger Bahnhofsmanager. Die Veranstalter hätten ihn hintergangen. Erst am Donnerstag habe er aus der Zeitung von der Gedenkfeier erfahren. Er habe klarmachen wollen, dass er eine Protestveranstaltung gegen die Bahn nicht erlaube. Hans-Rüdiger Minow, Sprecher der Veranstalter, habe aber das Gespräch verweigert. Am Samstagnachmittag verschickte Minow, nachdem auch er und der katholische Dekan Erhard Kroth am Bahnsteig gesprochen hatten, eine Pressemitteilung: Die Bahn AG habe in Würzburg "öffentliche Reden jeder Art verboten". Die Polizei sei im Einsatz, um das Redeverbot durchzusetzen.

Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Jung


Und ebenfalls am 28.01.2007 im Lokalteil Schweinfurt der Mainpost:

Kein großer Bahnhof für Gedenk-Zug

SCHWEINFURT (FT) Erinnerung an drei Millionen Bahn-Deportierte im „Dritten Reich“


Eher klein war die Zahl derer, die sich am Samstag gegen Mittag auf dem Bahnsteig 3 des Schweinfurter Hauptbahnhofes versammelten, um den „Zug der Erinnerung“ zu empfangen, der anlässlich des Holocaust-Gedenktages auf der Strecke Würzburg-Schweinfurt hin- und her pendelte.

Auf die Schiene geschickt hatte die vier von einer historischen Dampflok gezogenen Waggons die „Initiative Elftausend Kinder“ und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes im Kreisverband Würzburg. Sie wollten so das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die drei Millionen Menschen lenken, die mit der Bahn in die Vernichtungslager Osteuropas deportiert wurden.

Ziel sei es, so Pressesprecher Hans-Rüdiger Minow, die Opfer, unter ihnen viele Kinder, aus der Anonymität zu holen. Einer kleinen Ausstellung im Zug gelang dies auch durch Bilder und Texte aus dem Bayerischen Staatsarchiv, die die Würzburger Deportationen bedrückend dokumentierten.

Die Herkunftsorte der Verschleppten, die sich bei der dritten Deportation am zynisch „Evakuierungsstelle am Ringpark“ genannten Würzburger Sammelpunkt einzufinden hatten, waren neben Schweinfurt auch die Landkreis-Gemeinden Schwanfeld, Theilheim, Euerbach, Obbach, Schonungen, Niederwerrn und Gochsheim. Ausgesprochen enttäuscht zeigen sich die Initiatoren von dem Umgang der Deutschen Bahn AG mit diesem Kapitel ihrer Unternehmensgeschichte.

Die Bahn hatte von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und jegliche Reden und Ansprachen auf den Bahnhöfen in Würzburg und Schweinfurt untersagt. Bahnchef Mehdorn verweigere trotz Drucks aus dem Bundesverkehrsministerium seit Jahren ein Treffen mit Opfer-Vertretern, bei dem über eine Aufarbeitung der Rolle der Bahn bei der Shoa gesprochen werden soll. Für eine umfassende Ausstellung über die Geschehnisse fehle es laut DB an Geld und Personal.

Damit setze sich die Deutsche Bahn negativ von der Französischen Staatsbahn ab, die in Frankreich eine Dokumentation über die dort auf dem Schienenweg deportierten elftausend jüdischen Kinder finanziert habe. Zwar existiere eine kleine Ausstellung in Nürnberg, diese werde aber dem Thema nicht gerecht, sei ohne Mitwirkung der Opfer-Organisationen, so Minow, der von einem „beschämenden Verhalten“ spricht. Einziger Vertreter der Stadt war beim ersten Stopp des Zuges in Schweinfurt SPD-Rat Peter Then.

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