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Trotz der Bitte, de.indymedia.org zum Veröffentlichen von eigenen Berichten und selbst recherchierten Reportagen zu nutzen, wurde hier ein Termin, ein Aufruf, die Einladung zu einer Veranstaltung oder die Ankündigung einer Aktion reinkopiert.
Es ist nicht das Ziel von Indymedia, ein möglichst umfassendes Infoportal incl. Terminkalender anzubieten. Indymedia will eine Plattform für engagierte MedienmacherInnen und ihren eigenen Inhalte bieten. Das Veröffentlichen von Terminen, Aufrufen und Einladungen gehört nicht zu den Zielen des Projektes. Mehr Informationen, warum sich Indymedia nicht zum Veröffentlichen von Terminen eignet, findest Du hier. Bitte nutze stattdessen die verlinkten Terminkalender-Seiten.
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Opernball 2007
Dokumentation des Aufrufs der antifa [f] zum
antikapitalistischen Block auf der Opernballdemo
in Frankfurt/Main.
antikapitalistischen Block auf der Opernballdemo
in Frankfurt/Main.
Am 24. Februar findet in Frankfurt am Main erneut der
„Deutsche Opernball“ statt. Hierzu treffen sich – wie
in den Jahren zuvor – zahlreiche prominente
Funktionsträger aus Politik, Wirtschaft und
Kulturbetrieb um unter dem Motto „Das Leben ist
schön“ ein Fest zu feiern. Nachdem man 2005 noch
unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und
mit Unterstützung eines massiven Polizeiaufgebotes die
„beschwerlichen Reformen“ für den Standort
Deutschland feiern wollte, gibt man sich nach den
Protesten der letzten Jahre nun wieder betont
unpolitisch.
Dennoch rufen – ebenfalls wie in den letzten Jahren –
linke Gruppen und Studierendeninitiativen zu
Protesten auf. Dieses Mal soll im Rahmen der
Mobilisierung gegen den G8-Gipfel und unter dem Motto
„Her mit dem schönen Leben!“ ein Gegenpunkt gegen die
Selbstinszenierung der gesellschaftlichen Eliten
gesetzt werden. Forderungen des linken Bündnisses
werden voraussichtlich die Erhöhung der Hartz
IV-Bezüge, die Abschaffung von Studiengebühren und
gleiche Rechte für alle sein. Wir werden unseren Teil zu
diesem Event wie auch zum G8-Gipfel in Heiligendamm beitragen,
können jedoch solch konstruktivem Rebellentum wenig abgewinnen.
Gegen die unzufriedenen Bürger vor und die zufriedenen Bürger in
der Oper setzen wir am 24. Februar zusammen mit dem „...ums
Ganze!-Bündnis“ darauf, Marketing für
das so unrealistisch wie notwendige Vorhaben zu
machen, die kapitalistische Gesellschaft endlich zu
überwinden.
Anstatt also nur an der Inszenierung des Protests von
Demokraten und ande-ren zivilcouragierten
StaatsbürgerInnen gegen die Politik und das Verhalten
der Eliten teilzunehmen rufen wir die radikale Linke
zum antikapitalistischen Block auf; einem Block dem
es selbstverständlich und maßloserweise ums Ganze
geht.
Gegen die Sinnstiftung für Rechtsstaat und
Nation, Demokratie und Kapital setzen wir auf
Ausdrucksformen die nicht vereinnahmbar sind und
denen die FreundInnen des schlechten Bestehenden
nichts Positives abgewinnen können.
Kritik
Die Bedingung von Kritik ist, dass der/die/das
Kritisierte es besser kann. Jeder Kritik geht also die
richtige bzw. falsche Unterstellung voraus, dass ihrem
Gegenstand eine Potenz innewohnt, die mehr ermöglicht.
Folglich macht es wenig Sinn Hunden vorzuwerfen, dass
sie nicht fliegen können: Es geht einfach nicht.
Genauso verhält es sich – das Große spiegelt sich im
Kleinen – mit Gesellschaftskritik. Sie macht nur Sinn,
wenn die Unterstellung, dass Gesellschaft letztlich
von Menschen gemacht und dementsprechend veränderbar
ist, wahr ist. Wenn nicht sind Menschen Hunde und alle
Mühe und aller Fortschritt waren umsonst. Nicht
zuletzt, weil – nur nebenbei bemerkt – der
selbstgemachte Weltuntergang in Form atomarer
Katastrophen oder eines sonstigen (eventuell
endgültigen) Rückfalls in die Barbarei dann
tatsächlich nur noch eine Frage zunehmender
Wahrscheinlichkeit ist.
Die Kritik der Gesellschaft – die heutzutage eine
zunehmend globale kapitalistische ist – setzt
jedenfalls voraus, dass die Gesellschaft auch
grundsätzlich anders aussehen könnte. Sie geht daher
davon aus, dass das Leid und die Entfremdung
angesichts der Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte nicht nur bedauerlich, sondern schon
seit langem schlichtweg unnötig ist, also besser heute
als morgen abgeschafft gehört. Soll dieses Ziel
verfolgt werden, muss jedoch Klarheit darüber
herrschen, was genau dieser Kapitalismus eigentlich
ist. Denn Gesellschaftskritik ist nicht das
Herummäkeln an scheinbar isolierten Phänomenen,
sondern die Kritik des Funktionszusammenhangs, in dem
diese Symptome stehen. Denn Gesellschaft – das ist
mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Und
Gesellschaftskritik stellt in Frage und kann daher nur
sagen was jeweils nicht dafür spricht.
Politik
In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass der so oft von
radikalen Linken gegen die Globalisierungsbewegung
erhobene Vorwurf der „verkürzten“ Kapitalismuskritik
daneben geht. Denn die
noch so militant vorgetragenen Forderungen nach einer
Steuer auf Finanzspekulationen, gegen den
Neoliberalismus, der Abschaffung von Studiengebühren,
gleichen Rechten für alle etc. sind keine
Gesellschaftskritik. Das ist Politik. Wenn Kritik die
Funktionsweise der kapitalisti-schen Gesellschaft, die
Sach-zwänge der allseitigen Konkurrenz und Gewalt,
die Totalität der Herrschaft der noch so „fair“
produzierten Dinge über ihre Produzenten – also die
Entfremdung des menschlichen Wesens – aufheben will
und dementsprechend keinen konstruktiven Standpunkt
vertreten kann, ist Politik die Vermittlungsform von
Konflikten innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Wo
die Kritik den König geköpft hat und beispielsweise
weiß, dass die bösen „Ackermänner“ auch nur noch
traurige Charaktermasken sind, kämpft die Politik mit
Korruptionsvorwürfen und Moral um ihren Anteil.
Politik heißt konstruktive Verbesserungsvorschläge und
„Richtungsforderungen“ aufstellen. Politik macht
keine Geschichte indem sie durch Selbstorganisation,
Vergesellschaftung der Produktionsmittel, durch
Partei, Besetzung und Generalstreik endlich in den
Lauf der Dinge eingreift, sondern ist in ihren lahmen
Appellen und Konzepten stets auf den Staat als
Materialisierung der faulen Allgemeinheit verworfen.
Dieser fasst bekanntlich die gegensätzlichen
kapitalistischen Interessen zusammen und sichert durch
sein Gewaltmono-pol die Geschäftsgrundlage. Er
konstitutiert die Nation, diesen vorgeblichen
Schicksalszusammenhang zwischen den Menschen. Der
Staat ist folglich ein Arschloch. Und der Politik geht
es nicht um die Aufhebung ihrer eigenen Grundlagen –
Staat, Nation, Recht und Kapital – sondern darum,
Probleme und Unzufriedenheit innerhalb der bestehenden
Ordnung zu lösen.
Unterschied ... ums Ganze!
Nun ist Politikmachen trotzdem nicht unbedingt das
schlechteste. Denn tatsächlich ist selbst die
kapitalistische Gesellschaft nicht ein monolithischer
Block, sondern unterliegt schwankenden
Kräfteverhältnissen.
Folglich ist es ein Unterschied, ob mensch es in
seiner Umgebung beispielsweise mit Horden von Nazis
oder aufgeklärten Demokraten zu tun hat. Oder ob
mensch verhungert oder eben nicht, oder ob mensch
studieren kann oder eben nicht oder auch wie sehr
mensch überwacht wird – schließlich ist das Leben
kurz. Und nach dem fast gänzlichen Aufgehen der
linksliberalen Szene im Standort Deutschland muss die
radikale Linke vieles mitmachen.
Alles andere wäre nicht nur zynisch, sondern
schlichtweg dumm. Dementsprechend ist es natürlich
auch das gute Recht jedes Staatsbürgers, gegen die
aktuelle Politik des Staates zu protestieren. Außerdem
lässt sich mit Leuten, die zumindest versuchen,
selber zu denken nicht nur netter zusammen leben,
sondern auch tatsächlich eher darüber reden, wie das
falsche Ganze vielleicht doch noch zu überwinden ist.
Und dafür ist es sicherlich sinnvoll, den
unmittelbaren politischen Gegner auch als solchen zu
behandeln und sich dafür nicht nur am Strafgesetzbuch
zu orientieren.
Politik kann also Vorfeldarbeit für die Revolution
sein. Mehr aber auch nicht. Denn wer nicht mit den
Funktionsprinzipien dieser Gesellschaft bricht, der
ist (siehe attac bis Linkspartei) dazu gezwungen sie
zu reproduzieren. Man sollte also seine
„Interventionen“ nicht als revolutionär ausgeben,
wenn sie es nicht sind. Was sich dagegen anbietet,
ist, zumindest die Rationalisierung der Politik durch
die Anerkennung ihrer notwendigen Beschränktheit.
Eine emanzipatorische Bewegung müsste, da sie aus
Objekten der (Staats-) Gewalt Subjekte der Geschichte
machen will, aus dieser Erkenntnis jedoch letztlich
das Ziel der Abschaffung von Politik und Staat
ableiten.
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern
Doch auch die reformistische Linke darf sich nicht
selbst ins Bein schießen: Es stellt schließ-lich einen
massiven Unterschied dar, ob mensch das Bestehende im
Rahmen dieser Ordnung „verbessern“ will – oder
reaktionäre Strömungen unterstützt und damit diese
Verhältnisse noch verhärtet.
Die Linke braucht sich nicht den Kopf von Staat und
Kapital zerbrechen; wenn sie es dennoch macht, dann
kommt meistens nur noch Schlimmeres raus. Wo die
Forderung nach Schuldenerlass für die „Dritte Welt“
oder der Abschaffung von Studiengebühren als solche
nachvollziehbar sind, ist die Reproduktion von dumpfem
Arbeits- und Leistungsfetisch und antisemitischen
Stereotypen re-aktionär.
Denn auch wenn Koch und Bush durch die Gegend wanken
wie die letzten Marionetten – die Fäden zieht niemand.
Vielmehr machen Chefs bürgerlicher Staa-ten
legitimerweise das, was sie
und die Mehrheit ihrer Wähler als aktuell beste
Entsprechung der im bürgerlichen Sinne
unhintergehbaren Zwänge des Kapitalismus ansehen. Das
ist Demokratie – Verein freier Menschen ist was
anderes.
Es hilft nichts, sich selber dumm zu machen. Und Lügen
über die Gesellschaft sollte die Linke getrost den
Faschisten überlassen. Es gibt also schon gar keinen
Grund, so zu tun, als ob man etwas gegen den
Kapital-ismus habe, wenn man doch eigentlich nur
seinen Objektstatus im neoliberalen Staat gegen jenen
im miefigen Sozialstaat tauschen will.
Gewalt und Spektakel
Gewalt, das sind im Kapitalismus immer die anderen.
Und auch im Vorfeld der diesjährigen Opernballdemo
wird in den einschlägigen Medien wieder von
„Randalieren“ und „Polithooligans“ die Rede sein.
Nicht nur die vollkommen übertriebenen – zwischen
Faszination und betonter Empörung schwankenden –
Berichte der BILD-Zeitung zu solchen Anlässen zeigen,
wie sehr das Selbstverständnis der bürgerlichen
Gesellschaft vom Thema Gewalt berührt wird.
Weil sie sich nicht eingestehen kann, dass – entgegen
ihrem Anspruch, mit Gewalt und Irrationalität
aufgeräumt zu haben – die heutige Gesellschaft auf
Gewalt beruht wird diese externalisiert. Obwohl nicht
nur der Staat als institutio-nalisierte Gewalt mit
seinen Ab-schiebungen, Polizeieinsätzen, Kriegen,
Arbeitsämtern etc. sondern vielmehr die ganze
kapitalistische Gesellschaft auf der strukturellen
Gewalttätigkeit, der allseitigen Konkurrenz aller
gegen alle beruht, steht diese immer wieder
fassungslos vor den Ergebnissen ihrer eigenen Ordnung.
Gewalt wird so zum Spektakel, zum öffentlichen und
faszinierenden Anderen der doch eigenen
Vorraussetzungen.
Dementsprechend werden in dieser Wahrnehmung auch alle
Qualitäten kassiert: Ob religiöser Terrorismus,
rassisti-sche Brandanschläge oder ziel-gerichtete
Militanz gegen einen Abschiebeknast spielt für den
Staatsanwalt keine Rolle. Eine fortschrittliche
Bewegung muss dagegen die Logik der gewalttätigen
Gewaltlosigkeit zurückweisen und die Erkenntnis stark
machen, dass die vorgebliche Gewaltfreiheit der
gesellschaftlichen Mitte doch nur im Windschatten des
staatlichen Gewaltmonopols steht.
Gleichwohl kann Gewalt gerade aufgrund ihrer Herkunft
aus eben dieser Gesellschaft kein Gradmesser für
Radikalität sein. Nicht zuletzt, weil eine
„militärische“ Auseinandersetzung heutzutage aus
emanzipatorischer Perspektive nicht zu gewinnen ist.
Vielmehr gilt es, sich nicht für die natürlich
berechtigte Anklage „gesellschaftlicher
Fehlentwicklungen“ einspannen zu lassen, sondern
sinnentleert im besten Sinne dem Kapitalismus
symbolisch den Spiegel vorzuhalten und die allseitige
Gewalttätigkeit zu thematisieren – mit der
Verantwortung für jene Perspektive, die auf nicht
weniger als ein Ende der Gewalt zielt.
Tokio Hotel für alle?!
Egal ob die Kinderband Tokio Hotel nun dieses Jahr
tatsäch-lich zum Opernball kommt oder nicht – auch das
offizielle Programm des Opernballs verweist mit
Mainacts wie „Deutschlands ältestem Rock’n’Roller“
Peter Kraus oder Kim Wilde – die in den letzten Jahren
vor allem als Gärtnerin in englischen TV-Shows
aufgefallen sein soll – auf das Problem der Forderung,
diesen „Luxus“ auf alle auszuweiten.
Hieran zeigt sich das grundsätzliche Problem einer
ober-flächlichen Betrachtung des Kapitalismus, die
diesem nur fehlende Verteilungsgerechtigkeit
vorwerfen kann. So richtig beispielsweise die Parole
„Luxus für Alle!“ nach wie vor als symbolische
Bestimmung der Perspektive gegen Verzichtsethik und
Arbeitswahn ist, so begrenzt erweist sich ihr
kritischer Gehalt an der bürgerlichen Realität.
Denn auch Ticketpreise von über 200 Euro, großes
Buffet und eine Vielzahl von Mitgliedern der
sogenannten Elite ändern nichts daran, dass der beim
Opernball so mühsam zur Schau gestellte Luxus nur
einen matten Abglanz des Möglichen darstellt.
Das Problem ist also nicht nur, dass die Orgien – hier
großes Fressen und Schlemmen – im Kapitalismus eben
leider nicht für alle da sind, sondern vielmehr auch,
dass das, was hier als Luxus präsentiert wird,
eigentlich langweiliger Spießerkram ist: Wer Roland
Koch schon mal zu Deutschlands ältestem Rock’n’Roller
– Peter Kraus – mit einem Leuchtstäbchen in der Hand
und Nudeln mit Hackfleischsauce auf dem Teller hat
„tanzen“ sehen, der weiß was gemeint ist. Nichts
gegen Nudeln, aber am Fakt, dass man nicht so genau
weiß, ob die Deko des Opernballs oder die Besucher
langweiliger und verbrauchter aussehen, zeigt sich,
dass das Problem eben doch das Verhältnis der Menschen
zu den von ihnen selbst produzierten Dingen ist.
Nicht die Quantität des Wohlstands, sondern vor allem
die fehlende Qualität der im Kapital- ismus für den
Zweck des Marktes produzierten Güter ist es, die die
Entfremdung des Menschen anzeigt. Entsprechend
geschichtsohnmächtig verhalten sich denn auch die
Menschen untere- inander. Hierauf fußt die falsche
Wahrheit dieser Gesellschaft, die zugleich auch die
größte intellek- tuelle Zumutung ist, nämliche jene,
in einer ange- blich menschlichen Gesellschaft zu
leben, deren Insassen sich aber trotzdem bei jeder
Gelegenheit ganz offen zu Sachzwängen bekennen. Für
die radikale Linke kann das nur die Forde- rung
bedeuten, diesen schlechten Luxus auf alle auszuweiten
um dann aber schleunigst darüber hinaus gehen zu
können. Oder – wie ein irakisch- er LKW-Fahrer jüngst
den Sachverhalt treffender zusammenfasste – „Three
years ago it was my dream to own a truck, now I want
to burn it.“
Symbole vs. Symbole
Keine Frage, die Aussichten auf eine positive
Umwälzung der Verhältnisse sind verschwindend gering.
Die Guten sind wenige, zersplittert und haben
psychische Probleme. Eine antikapitalist- ische Praxis
– die streng genommen schon ihre eigene Aufhebung
durch den radikalen Bruch, die Revolution wäre – ist
nicht in Sicht. Das macht es jedoch umso notwendiger,
als Radikale aufzutre- ten und öffentlich zu sein.
Gerade weil man den Kapitalismus nicht ka-
puttschlagen, sondern nur durch Kämpfe für eine höhere
Form gesellschaftlicher Organisation aufheben kann,
gilt es, Werbung für eine radikale Kritik und Praxis
zu machen; gilt es, sich Events wie des Opernballs und
des G8-Gipfels zu bedi- enen, die als Symbole dafür
stehen, welche (im doppelten Wortsinn) ungeheueren
Reichtümer diese Gesellschaft einerseits schafft und
die doch derartig mit Herrschaft infi ziert sind, dass
es nur so kracht. Hier bietet es sich an, Kontakt
aufzunehmen und der politischen Sinnstiftung für den
gan- zen irrationalen Mist, für Nation und Staat, eine
so symbolische wie unkonstruktive Absage zu erteilen.
Es gilt auf die Straße zu gehen, um deutlich zu
machen, dass demonstrieren für ein schönes Leben nicht
viel bringt. Denn Kriterium der Gesellschaftskritik
ist nicht Recht haben, sondern die Verwirklichung
jener Wahrheit, dass die Menschheit doch keine
fehlgeschlagene Laune der Evolution sind – also die
grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft, die
Machbarkeit der Geschichte.
Kritik und Praxis
Da die Kritik der Gesellschaft selbst aus dem falschen
Ganzen kommt, muss sie sich die Hände schmutzig machen
und sich in die Widersprüche begeben, denen sie selbst
entstammt. Sie tut dies jedoch nicht als diffuser Teil
einer „Bewegung der Bewegungen“, sondern als Ver-
sprechen einer jenseits der Events einzulösen- den
Organisierung und Praxis. Das ist wichtig. Denn der
schickste riot ist nur so gut wie die
Gesellschaftskritik und deren Organisierung, die
dahinter aufscheint. Zeigt sich doch in diesem
Zusammenhang immer wieder, dass das „Gipfel- Hopping“
der radikalen Linken vor allem Aus- druck ihrer
eigenen Schwäche ist. Wichtiger als die fortwährende
Produktion von symbolischen Aktionen – die wie eine
Flaschenpost das bestim- mte Nicht-einverstanden-sein
mit ungewissem Adressaten verbreitet – wäre
schließlich Subver- sion, die den Alltag tatsächlich
aus dem Tritt bringt. Könnten wir z.B. die Uni
besetzen und halten würden wir es machen – können wir
aber nicht, weil wir schlichtweg zu wenige sind. Wer
an dieser Ohnmacht etwas ändern will, der ist gerade
in ohnmächtigen Zeiten zur symbolisch- en Praxis
verdammt. Die Erkenntnis der eigenen Schwäche
impliziert also die Notwendigkeit, vor und nach den
Events die eigene Vernetzung und den internationalen
inhaltlichen Austausch in Maulwurfsarbeit
voranzutreiben. Und bei diesen Events gilt es – so
oder so – deutlich zu machen, dass nur der Bruch mit
den Funktionsprinzipien dieser Gesellschaft ein
schönes Leben für alle bringen kann. Große Aufgaben,
keine Frage, aber niemand hat behauptet, dass es
einfach werden würde. Außerdem wäre, kleine Brötchen
zu back- en schon mal wieder ein Anfang. Wenn man sich
also endlich darauf einigen könnte, dass der Kampf für
eine bessere Zukunft nicht der um eine „andere Welt“,
nicht für mehr Bafög und gegen Käfi ghaltung – sondern
einer ums Ganze ist, dann wäre schon viel gewonnen.
Sonst bleibt das Glück immer nur zum Greifen nah. In
diesem Sinne:
Join the anticapitalist block!
Her dem schönen Leben: happiness is just around the
corner – Kapitalismus abschaffen!
„Deutsche Opernball“ statt. Hierzu treffen sich – wie
in den Jahren zuvor – zahlreiche prominente
Funktionsträger aus Politik, Wirtschaft und
Kulturbetrieb um unter dem Motto „Das Leben ist
schön“ ein Fest zu feiern. Nachdem man 2005 noch
unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und
mit Unterstützung eines massiven Polizeiaufgebotes die
„beschwerlichen Reformen“ für den Standort
Deutschland feiern wollte, gibt man sich nach den
Protesten der letzten Jahre nun wieder betont
unpolitisch.
Dennoch rufen – ebenfalls wie in den letzten Jahren –
linke Gruppen und Studierendeninitiativen zu
Protesten auf. Dieses Mal soll im Rahmen der
Mobilisierung gegen den G8-Gipfel und unter dem Motto
„Her mit dem schönen Leben!“ ein Gegenpunkt gegen die
Selbstinszenierung der gesellschaftlichen Eliten
gesetzt werden. Forderungen des linken Bündnisses
werden voraussichtlich die Erhöhung der Hartz
IV-Bezüge, die Abschaffung von Studiengebühren und
gleiche Rechte für alle sein. Wir werden unseren Teil zu
diesem Event wie auch zum G8-Gipfel in Heiligendamm beitragen,
können jedoch solch konstruktivem Rebellentum wenig abgewinnen.
Gegen die unzufriedenen Bürger vor und die zufriedenen Bürger in
der Oper setzen wir am 24. Februar zusammen mit dem „...ums
Ganze!-Bündnis“ darauf, Marketing für
das so unrealistisch wie notwendige Vorhaben zu
machen, die kapitalistische Gesellschaft endlich zu
überwinden.
Anstatt also nur an der Inszenierung des Protests von
Demokraten und ande-ren zivilcouragierten
StaatsbürgerInnen gegen die Politik und das Verhalten
der Eliten teilzunehmen rufen wir die radikale Linke
zum antikapitalistischen Block auf; einem Block dem
es selbstverständlich und maßloserweise ums Ganze
geht.
Gegen die Sinnstiftung für Rechtsstaat und
Nation, Demokratie und Kapital setzen wir auf
Ausdrucksformen die nicht vereinnahmbar sind und
denen die FreundInnen des schlechten Bestehenden
nichts Positives abgewinnen können.
Kritik
Die Bedingung von Kritik ist, dass der/die/das
Kritisierte es besser kann. Jeder Kritik geht also die
richtige bzw. falsche Unterstellung voraus, dass ihrem
Gegenstand eine Potenz innewohnt, die mehr ermöglicht.
Folglich macht es wenig Sinn Hunden vorzuwerfen, dass
sie nicht fliegen können: Es geht einfach nicht.
Genauso verhält es sich – das Große spiegelt sich im
Kleinen – mit Gesellschaftskritik. Sie macht nur Sinn,
wenn die Unterstellung, dass Gesellschaft letztlich
von Menschen gemacht und dementsprechend veränderbar
ist, wahr ist. Wenn nicht sind Menschen Hunde und alle
Mühe und aller Fortschritt waren umsonst. Nicht
zuletzt, weil – nur nebenbei bemerkt – der
selbstgemachte Weltuntergang in Form atomarer
Katastrophen oder eines sonstigen (eventuell
endgültigen) Rückfalls in die Barbarei dann
tatsächlich nur noch eine Frage zunehmender
Wahrscheinlichkeit ist.
Die Kritik der Gesellschaft – die heutzutage eine
zunehmend globale kapitalistische ist – setzt
jedenfalls voraus, dass die Gesellschaft auch
grundsätzlich anders aussehen könnte. Sie geht daher
davon aus, dass das Leid und die Entfremdung
angesichts der Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte nicht nur bedauerlich, sondern schon
seit langem schlichtweg unnötig ist, also besser heute
als morgen abgeschafft gehört. Soll dieses Ziel
verfolgt werden, muss jedoch Klarheit darüber
herrschen, was genau dieser Kapitalismus eigentlich
ist. Denn Gesellschaftskritik ist nicht das
Herummäkeln an scheinbar isolierten Phänomenen,
sondern die Kritik des Funktionszusammenhangs, in dem
diese Symptome stehen. Denn Gesellschaft – das ist
mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Und
Gesellschaftskritik stellt in Frage und kann daher nur
sagen was jeweils nicht dafür spricht.
Politik
In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass der so oft von
radikalen Linken gegen die Globalisierungsbewegung
erhobene Vorwurf der „verkürzten“ Kapitalismuskritik
daneben geht. Denn die
noch so militant vorgetragenen Forderungen nach einer
Steuer auf Finanzspekulationen, gegen den
Neoliberalismus, der Abschaffung von Studiengebühren,
gleichen Rechten für alle etc. sind keine
Gesellschaftskritik. Das ist Politik. Wenn Kritik die
Funktionsweise der kapitalisti-schen Gesellschaft, die
Sach-zwänge der allseitigen Konkurrenz und Gewalt,
die Totalität der Herrschaft der noch so „fair“
produzierten Dinge über ihre Produzenten – also die
Entfremdung des menschlichen Wesens – aufheben will
und dementsprechend keinen konstruktiven Standpunkt
vertreten kann, ist Politik die Vermittlungsform von
Konflikten innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Wo
die Kritik den König geköpft hat und beispielsweise
weiß, dass die bösen „Ackermänner“ auch nur noch
traurige Charaktermasken sind, kämpft die Politik mit
Korruptionsvorwürfen und Moral um ihren Anteil.
Politik heißt konstruktive Verbesserungsvorschläge und
„Richtungsforderungen“ aufstellen. Politik macht
keine Geschichte indem sie durch Selbstorganisation,
Vergesellschaftung der Produktionsmittel, durch
Partei, Besetzung und Generalstreik endlich in den
Lauf der Dinge eingreift, sondern ist in ihren lahmen
Appellen und Konzepten stets auf den Staat als
Materialisierung der faulen Allgemeinheit verworfen.
Dieser fasst bekanntlich die gegensätzlichen
kapitalistischen Interessen zusammen und sichert durch
sein Gewaltmono-pol die Geschäftsgrundlage. Er
konstitutiert die Nation, diesen vorgeblichen
Schicksalszusammenhang zwischen den Menschen. Der
Staat ist folglich ein Arschloch. Und der Politik geht
es nicht um die Aufhebung ihrer eigenen Grundlagen –
Staat, Nation, Recht und Kapital – sondern darum,
Probleme und Unzufriedenheit innerhalb der bestehenden
Ordnung zu lösen.
Unterschied ... ums Ganze!
Nun ist Politikmachen trotzdem nicht unbedingt das
schlechteste. Denn tatsächlich ist selbst die
kapitalistische Gesellschaft nicht ein monolithischer
Block, sondern unterliegt schwankenden
Kräfteverhältnissen.
Folglich ist es ein Unterschied, ob mensch es in
seiner Umgebung beispielsweise mit Horden von Nazis
oder aufgeklärten Demokraten zu tun hat. Oder ob
mensch verhungert oder eben nicht, oder ob mensch
studieren kann oder eben nicht oder auch wie sehr
mensch überwacht wird – schließlich ist das Leben
kurz. Und nach dem fast gänzlichen Aufgehen der
linksliberalen Szene im Standort Deutschland muss die
radikale Linke vieles mitmachen.
Alles andere wäre nicht nur zynisch, sondern
schlichtweg dumm. Dementsprechend ist es natürlich
auch das gute Recht jedes Staatsbürgers, gegen die
aktuelle Politik des Staates zu protestieren. Außerdem
lässt sich mit Leuten, die zumindest versuchen,
selber zu denken nicht nur netter zusammen leben,
sondern auch tatsächlich eher darüber reden, wie das
falsche Ganze vielleicht doch noch zu überwinden ist.
Und dafür ist es sicherlich sinnvoll, den
unmittelbaren politischen Gegner auch als solchen zu
behandeln und sich dafür nicht nur am Strafgesetzbuch
zu orientieren.
Politik kann also Vorfeldarbeit für die Revolution
sein. Mehr aber auch nicht. Denn wer nicht mit den
Funktionsprinzipien dieser Gesellschaft bricht, der
ist (siehe attac bis Linkspartei) dazu gezwungen sie
zu reproduzieren. Man sollte also seine
„Interventionen“ nicht als revolutionär ausgeben,
wenn sie es nicht sind. Was sich dagegen anbietet,
ist, zumindest die Rationalisierung der Politik durch
die Anerkennung ihrer notwendigen Beschränktheit.
Eine emanzipatorische Bewegung müsste, da sie aus
Objekten der (Staats-) Gewalt Subjekte der Geschichte
machen will, aus dieser Erkenntnis jedoch letztlich
das Ziel der Abschaffung von Politik und Staat
ableiten.
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern
Doch auch die reformistische Linke darf sich nicht
selbst ins Bein schießen: Es stellt schließ-lich einen
massiven Unterschied dar, ob mensch das Bestehende im
Rahmen dieser Ordnung „verbessern“ will – oder
reaktionäre Strömungen unterstützt und damit diese
Verhältnisse noch verhärtet.
Die Linke braucht sich nicht den Kopf von Staat und
Kapital zerbrechen; wenn sie es dennoch macht, dann
kommt meistens nur noch Schlimmeres raus. Wo die
Forderung nach Schuldenerlass für die „Dritte Welt“
oder der Abschaffung von Studiengebühren als solche
nachvollziehbar sind, ist die Reproduktion von dumpfem
Arbeits- und Leistungsfetisch und antisemitischen
Stereotypen re-aktionär.
Denn auch wenn Koch und Bush durch die Gegend wanken
wie die letzten Marionetten – die Fäden zieht niemand.
Vielmehr machen Chefs bürgerlicher Staa-ten
legitimerweise das, was sie
und die Mehrheit ihrer Wähler als aktuell beste
Entsprechung der im bürgerlichen Sinne
unhintergehbaren Zwänge des Kapitalismus ansehen. Das
ist Demokratie – Verein freier Menschen ist was
anderes.
Es hilft nichts, sich selber dumm zu machen. Und Lügen
über die Gesellschaft sollte die Linke getrost den
Faschisten überlassen. Es gibt also schon gar keinen
Grund, so zu tun, als ob man etwas gegen den
Kapital-ismus habe, wenn man doch eigentlich nur
seinen Objektstatus im neoliberalen Staat gegen jenen
im miefigen Sozialstaat tauschen will.
Gewalt und Spektakel
Gewalt, das sind im Kapitalismus immer die anderen.
Und auch im Vorfeld der diesjährigen Opernballdemo
wird in den einschlägigen Medien wieder von
„Randalieren“ und „Polithooligans“ die Rede sein.
Nicht nur die vollkommen übertriebenen – zwischen
Faszination und betonter Empörung schwankenden –
Berichte der BILD-Zeitung zu solchen Anlässen zeigen,
wie sehr das Selbstverständnis der bürgerlichen
Gesellschaft vom Thema Gewalt berührt wird.
Weil sie sich nicht eingestehen kann, dass – entgegen
ihrem Anspruch, mit Gewalt und Irrationalität
aufgeräumt zu haben – die heutige Gesellschaft auf
Gewalt beruht wird diese externalisiert. Obwohl nicht
nur der Staat als institutio-nalisierte Gewalt mit
seinen Ab-schiebungen, Polizeieinsätzen, Kriegen,
Arbeitsämtern etc. sondern vielmehr die ganze
kapitalistische Gesellschaft auf der strukturellen
Gewalttätigkeit, der allseitigen Konkurrenz aller
gegen alle beruht, steht diese immer wieder
fassungslos vor den Ergebnissen ihrer eigenen Ordnung.
Gewalt wird so zum Spektakel, zum öffentlichen und
faszinierenden Anderen der doch eigenen
Vorraussetzungen.
Dementsprechend werden in dieser Wahrnehmung auch alle
Qualitäten kassiert: Ob religiöser Terrorismus,
rassisti-sche Brandanschläge oder ziel-gerichtete
Militanz gegen einen Abschiebeknast spielt für den
Staatsanwalt keine Rolle. Eine fortschrittliche
Bewegung muss dagegen die Logik der gewalttätigen
Gewaltlosigkeit zurückweisen und die Erkenntnis stark
machen, dass die vorgebliche Gewaltfreiheit der
gesellschaftlichen Mitte doch nur im Windschatten des
staatlichen Gewaltmonopols steht.
Gleichwohl kann Gewalt gerade aufgrund ihrer Herkunft
aus eben dieser Gesellschaft kein Gradmesser für
Radikalität sein. Nicht zuletzt, weil eine
„militärische“ Auseinandersetzung heutzutage aus
emanzipatorischer Perspektive nicht zu gewinnen ist.
Vielmehr gilt es, sich nicht für die natürlich
berechtigte Anklage „gesellschaftlicher
Fehlentwicklungen“ einspannen zu lassen, sondern
sinnentleert im besten Sinne dem Kapitalismus
symbolisch den Spiegel vorzuhalten und die allseitige
Gewalttätigkeit zu thematisieren – mit der
Verantwortung für jene Perspektive, die auf nicht
weniger als ein Ende der Gewalt zielt.
Tokio Hotel für alle?!
Egal ob die Kinderband Tokio Hotel nun dieses Jahr
tatsäch-lich zum Opernball kommt oder nicht – auch das
offizielle Programm des Opernballs verweist mit
Mainacts wie „Deutschlands ältestem Rock’n’Roller“
Peter Kraus oder Kim Wilde – die in den letzten Jahren
vor allem als Gärtnerin in englischen TV-Shows
aufgefallen sein soll – auf das Problem der Forderung,
diesen „Luxus“ auf alle auszuweiten.
Hieran zeigt sich das grundsätzliche Problem einer
ober-flächlichen Betrachtung des Kapitalismus, die
diesem nur fehlende Verteilungsgerechtigkeit
vorwerfen kann. So richtig beispielsweise die Parole
„Luxus für Alle!“ nach wie vor als symbolische
Bestimmung der Perspektive gegen Verzichtsethik und
Arbeitswahn ist, so begrenzt erweist sich ihr
kritischer Gehalt an der bürgerlichen Realität.
Denn auch Ticketpreise von über 200 Euro, großes
Buffet und eine Vielzahl von Mitgliedern der
sogenannten Elite ändern nichts daran, dass der beim
Opernball so mühsam zur Schau gestellte Luxus nur
einen matten Abglanz des Möglichen darstellt.
Das Problem ist also nicht nur, dass die Orgien – hier
großes Fressen und Schlemmen – im Kapitalismus eben
leider nicht für alle da sind, sondern vielmehr auch,
dass das, was hier als Luxus präsentiert wird,
eigentlich langweiliger Spießerkram ist: Wer Roland
Koch schon mal zu Deutschlands ältestem Rock’n’Roller
– Peter Kraus – mit einem Leuchtstäbchen in der Hand
und Nudeln mit Hackfleischsauce auf dem Teller hat
„tanzen“ sehen, der weiß was gemeint ist. Nichts
gegen Nudeln, aber am Fakt, dass man nicht so genau
weiß, ob die Deko des Opernballs oder die Besucher
langweiliger und verbrauchter aussehen, zeigt sich,
dass das Problem eben doch das Verhältnis der Menschen
zu den von ihnen selbst produzierten Dingen ist.
Nicht die Quantität des Wohlstands, sondern vor allem
die fehlende Qualität der im Kapital- ismus für den
Zweck des Marktes produzierten Güter ist es, die die
Entfremdung des Menschen anzeigt. Entsprechend
geschichtsohnmächtig verhalten sich denn auch die
Menschen untere- inander. Hierauf fußt die falsche
Wahrheit dieser Gesellschaft, die zugleich auch die
größte intellek- tuelle Zumutung ist, nämliche jene,
in einer ange- blich menschlichen Gesellschaft zu
leben, deren Insassen sich aber trotzdem bei jeder
Gelegenheit ganz offen zu Sachzwängen bekennen. Für
die radikale Linke kann das nur die Forde- rung
bedeuten, diesen schlechten Luxus auf alle auszuweiten
um dann aber schleunigst darüber hinaus gehen zu
können. Oder – wie ein irakisch- er LKW-Fahrer jüngst
den Sachverhalt treffender zusammenfasste – „Three
years ago it was my dream to own a truck, now I want
to burn it.“
Symbole vs. Symbole
Keine Frage, die Aussichten auf eine positive
Umwälzung der Verhältnisse sind verschwindend gering.
Die Guten sind wenige, zersplittert und haben
psychische Probleme. Eine antikapitalist- ische Praxis
– die streng genommen schon ihre eigene Aufhebung
durch den radikalen Bruch, die Revolution wäre – ist
nicht in Sicht. Das macht es jedoch umso notwendiger,
als Radikale aufzutre- ten und öffentlich zu sein.
Gerade weil man den Kapitalismus nicht ka-
puttschlagen, sondern nur durch Kämpfe für eine höhere
Form gesellschaftlicher Organisation aufheben kann,
gilt es, Werbung für eine radikale Kritik und Praxis
zu machen; gilt es, sich Events wie des Opernballs und
des G8-Gipfels zu bedi- enen, die als Symbole dafür
stehen, welche (im doppelten Wortsinn) ungeheueren
Reichtümer diese Gesellschaft einerseits schafft und
die doch derartig mit Herrschaft infi ziert sind, dass
es nur so kracht. Hier bietet es sich an, Kontakt
aufzunehmen und der politischen Sinnstiftung für den
gan- zen irrationalen Mist, für Nation und Staat, eine
so symbolische wie unkonstruktive Absage zu erteilen.
Es gilt auf die Straße zu gehen, um deutlich zu
machen, dass demonstrieren für ein schönes Leben nicht
viel bringt. Denn Kriterium der Gesellschaftskritik
ist nicht Recht haben, sondern die Verwirklichung
jener Wahrheit, dass die Menschheit doch keine
fehlgeschlagene Laune der Evolution sind – also die
grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft, die
Machbarkeit der Geschichte.
Kritik und Praxis
Da die Kritik der Gesellschaft selbst aus dem falschen
Ganzen kommt, muss sie sich die Hände schmutzig machen
und sich in die Widersprüche begeben, denen sie selbst
entstammt. Sie tut dies jedoch nicht als diffuser Teil
einer „Bewegung der Bewegungen“, sondern als Ver-
sprechen einer jenseits der Events einzulösen- den
Organisierung und Praxis. Das ist wichtig. Denn der
schickste riot ist nur so gut wie die
Gesellschaftskritik und deren Organisierung, die
dahinter aufscheint. Zeigt sich doch in diesem
Zusammenhang immer wieder, dass das „Gipfel- Hopping“
der radikalen Linken vor allem Aus- druck ihrer
eigenen Schwäche ist. Wichtiger als die fortwährende
Produktion von symbolischen Aktionen – die wie eine
Flaschenpost das bestim- mte Nicht-einverstanden-sein
mit ungewissem Adressaten verbreitet – wäre
schließlich Subver- sion, die den Alltag tatsächlich
aus dem Tritt bringt. Könnten wir z.B. die Uni
besetzen und halten würden wir es machen – können wir
aber nicht, weil wir schlichtweg zu wenige sind. Wer
an dieser Ohnmacht etwas ändern will, der ist gerade
in ohnmächtigen Zeiten zur symbolisch- en Praxis
verdammt. Die Erkenntnis der eigenen Schwäche
impliziert also die Notwendigkeit, vor und nach den
Events die eigene Vernetzung und den internationalen
inhaltlichen Austausch in Maulwurfsarbeit
voranzutreiben. Und bei diesen Events gilt es – so
oder so – deutlich zu machen, dass nur der Bruch mit
den Funktionsprinzipien dieser Gesellschaft ein
schönes Leben für alle bringen kann. Große Aufgaben,
keine Frage, aber niemand hat behauptet, dass es
einfach werden würde. Außerdem wäre, kleine Brötchen
zu back- en schon mal wieder ein Anfang. Wenn man sich
also endlich darauf einigen könnte, dass der Kampf für
eine bessere Zukunft nicht der um eine „andere Welt“,
nicht für mehr Bafög und gegen Käfi ghaltung – sondern
einer ums Ganze ist, dann wäre schon viel gewonnen.
Sonst bleibt das Glück immer nur zum Greifen nah. In
diesem Sinne:
Join the anticapitalist block!
Her dem schönen Leben: happiness is just around the
corner – Kapitalismus abschaffen!
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Ergänzungen
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Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Israel: Geschlechtertrennung im Bus — Soraya
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