Batasuna will Brücken nicht abbrechen

Ralf Streck 19.01.2007 13:27 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Der Anschlag der baskischen Untergrundorganisation ETA zum Jahreswechsel am Madrider Flughafen schien dem Friedensprozess mit Spanien und Frankreich zu beerdigen. Wir sprachen mit Joseba Alvarez, Auslandssprecher der verbotenen Partei Batasuna (Einheit), über die Chance, den von der Partei initiierten Prozess wieder in Gang zu setzen.
Wieso waren Sie von dem Anschlag überrascht? Batasuna sagte doch seit Monaten, der Prozess sei blockiert.

Die Möglichkeit einer Aktion der ETA stand im Raum. Es gab Warnungen, wie zuletzt der Raub von Waffen in Frankreich, die zeigten, dass die Verhandlungen mit der sozialistischen Regierung fatal laufen. Ähnlich war die Lage zuletzt auch in den Gesprächen zwischen den Parteien. Von September bis Dezember wurde intensiv geredet und die Positionen näherten sich an Punkten an, weshalb die Sozialisten (PSOE) sogar ein Vorabkommen bis Dezember ankündigten. Dann weigerten sie sich aber, etwas schriftlich zu fixieren. Wir erklärten dann, so sei der Prozess undurchführbar. Trotzdem erklärte Ministerpräsident Zapatero am 29. Dezember noch, alles liefe gut und nächstes Jahr werde noch weiter sein. Der Anschlag am Tag danach, bei dem zwei Todesopfer zu bedauern waren, hat eher im Ausmaß und der Wirkung überrascht.

Nun hat Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero im Parlament offiziell erklärt, die ETA habe die Waffenruhe beendet. Ein Dialog sei unmöglich, solange Gewalt ausgeübt wird. Die Volkspartei (PP) wollte die Erlaubnis des Parlaments aufheben, die Zapatero seit 2005 Verhandlungen mit der ETA erlaubt, was er ablehnte. Hat er die Tür offen gelassen?

Die beiden großen Parteien haben ihr weiteres Verhalten in Szene. Die Ultrarechte will Zapatero stürzen und sich deshalb auf kein Bündnis einlassen. Sie bläst zum Generalangriff vor den Wahlen im nächsten Jahr, weil sie Zapatero geschwächt sieht. Positiv ist, dass es weiter Verhandlungen geben kann, falls eine nachprüfbare Waffenruhe besteht. Die Regierung hat diesen Prozess zwar beendet, sie kann aber einen neuen Prozess aufnehmen, müsste aber Konsequenzen aus dem ziehen, dass alle beteiligten ihr einen miserablen Umgang bescheinigt haben.

Es war erstaunlich, dass Zapatero bestätigte, seine Regierung habe in neun Monaten Waffenruhe praktisch nichts zur Förderung des Prozesses getan: "Ich habe die gesamte Zeit die wichtigsten Säulen im Anti-Terror Kampf aufrecht erhalten", sagte er.

Vielleicht glaubte er, was seine Leute erzählen: Die ETA sei schwach, die linke Unabhängigkeitsbewegung ebenfalls, weil Batasuna seit Jahren verboten ist und man deshalb den Prozess wie einen Kaugummi in die Länge ziehen kann, um sich mit der PP nicht anlegen zu müssen. Doch das ist falsch. Die linke Unabhängigkeitsbewegung ging in den Prozess, um für die wesentlichen Fragen, wie dem Selbstbestimmungsrecht und der territorialen Einheit des Baskenlandes ein Ergebnis zu finden, um den Konflikt beizulegen. Doch in der Waffenruhe wurden Angriffe auf uns sogar verstärkt: Statt das Parteiengesetz zu ändern, um Batasuna eine legale Arbeit zu ermöglichen, wurden Parteiführer verhaftet und sogar Pressekonferenzen gesprengt. 2004 meldete ich aber zum Beispiel die Veranstaltung an, auf der der Friedensplan vorgestellt wurde. Gefangene kommen nicht aus dem Knast, obwohl sie ihre Strafe abgesessen haben, die Folter besteht weiter, usw. Es wurde kein Umfeld geschaffen, das für den Friedenprozess förderlich ist, kritisierte auch Amnesty International.

Erstmals hat Batasuna von der ETA eine Waffenruhe gefordert. Ist die nun erklärte Waffenruhe glaubhaft? Denn die ETA behielt sich "Antworten" vor, falls die "Angriffe" andauerten?

Mit dem Schreiben hat die ETA glaubhafte eine Waffenruhe erklärt. Die Lage wäre sonst komplett anders. Wir gehen aber davon aus, dass wir in einer Situation wie im März sind, auch wenn wir eine Präzisierung fordern. Der Zusatz ist wohl so zu verstehen, dass die ETA nicht ein weiteres Jahr ungenutzt verstreichen lassen will. Ob die Regierung erneut verhandelt, wird sich zeigen.

Was wird Batasuna tun, um einem Friedensprozess zu schaffen?

Keine Brücken abbrechen, die in jahrelanger Arbeit mühsam gebaut wurden. Der Dialog muss fortgesetzt werden. Wir sind zu Schritten bereit und fordern auch Schritte von der Regierung und der ETA. Die Abwesenheit von Gewalt zur Lösung des Konflikts gilt für alle. Alle müssen aber auch die Möglichkeit haben, sich frei und demokratisch zu betätigen. Andere mögen unsere Schritte unzureichend nennen. Wir hoffen, dass andere wenigstens Schritte gehen, die wir unzureichend nennen könnten. Ein solcher Schritt wäre, die Beteiligung der linken Unabhängigkeitsbewegung an den kommenden Wahlen zu sichern.

© Ralf Streck, den 17.01.2007
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Ergänzungen

Ergänzung

tierr@ 20.01.2007 - 19:16
NACHRICHT vom 20.Jan.07:
Die in der Batasuna organisierten baskischen Jugendlichen der
bereits verbotenen Organisation Segi sowie deren Vorläufer Jarrai und Haika wurden von der spanischen Justiz "dem Terrornetz der ETA zugeordnet und verboten".
Nach der Einstufung als Terrrorgruppe wurden vom Nationalen Gerichtshof auf dem Fuss 23 Haftbefehle gegen führende Segi-Mitglieder ausgestellt, denen zahlreiche Gewaltakte im Baskenland zur Last gelegt werden.

Da im Falle solcher Festnahmen aufgrund von Terrorismusvorwürfen im spanischen Staat das "incomunicado" greift, die absolute Kontaktsperre, die länger als 10 Tage aufrechterhalten werden kann und bei der es in den meisten Fällen zu Folterungen kommt, mit denen "Geständnisse" und/oder belastende Aussagen erpresst werden/sollen ( bislang hat noch keine der UN-Empfehlungen zur Abschaffung dieser legalisierten Illegalität, wie etwa Videokameras bei Verhören ec., gegriffen ), hier nochmals ein LINK zu:
BERICHTE UNTER DEM INCOMUNICADO GEFOLTERTER BASKEN/KINNEN: http://de.indymedia.org//2005/09/127238.shtml
 http://de.indymedia.org//2005/09/127236.shtml

Terroristisch

Ralf 21.01.2007 - 11:38
Wie vorauszusagen war, wurden vom Obersten Gerichtshof die baskischen Jugenorganisationen nun doch als "terroristisch" eingestuft ( http://de.indymedia.org/2006/11/162121.shtml) Mehrfach hatte der Gerichtshof, der von ultrarechten Richtern dominiert ist, das Urteil verschoben. Unter den neuen Bedingungungen, nach dem Ende der Waffenruhe ( http://de.indymedia.org/2007/01/165256.shtml), haben sie nun ein klares Gesinnungsurteil gesprochen. Terroristisch ist es nun schon, für eine politische Vorstellung einzutreten. Damit wurde Präjudiz für die folgenden Verfahren geschaffen und dürfte Auswirkungen in ganz Europa haben, falls eine solche Definition nicht zurückgedrängt wird.

@tierra

Ralf 21.01.2007 - 11:42
Segi.... ist/sind keine Jugendorganisationen von Batasuna, sondern unabhängige Organisationen der linken Unabhängigkeitsbewegung.