Räumungsklage: Ludwigstrasse 15 in Tübingen

Hausgemeinschaft Lu 15 12.01.2007 20:18
Das Wohnprojekt Ludwigstrasse 15 in Tübingen kämpft gegen die Räumungsklage des Studentenwerks A.d.ö.R.
Die BewohnerInnen des Projektes hielten bei dem Gerichtsverfahren ein Plädoyer zum Widerstand gegen die Räumung und verdeutlichten nochmal ihre Ziel, das Haus mit Hilfe des Mietshäuser Syndikates Freiburg zu kaufen.
Sehr geehrte Frau Richterin, und alle hier Anwesenden

Wir möchten kurz aus unserer Sicht darstellen worum es dem Wohnprojekt LU15 geht.

Es bleibt vorweg zu sagen, dass wir uns an dieser Stelle solidarisieren mit den vielen anderen Projekten in Baden Württemberg und darüber hinaus, die mit Engagement, gegenseitiger Unterstützung und Übernahme von Verantwortung alternative Wohn- und Haus-Projekte aufgebaut haben. Besondere Solidarität bringen wir denjenigen Initiativen entgegen, die durch ihnen entgegengebrachten Ignoranz und einseitige Bevorzugung wirtschaftlicher Interessen seitens der Städte, zum Scheitern verurteilt wurden. Nicht selten wurden diese gewalttätig geräumt und müssen wieder von Neuem beginnen, wie z.B. die Projekte Ex-Steffi in Karlsruhe und das OBW9 in Stuttgart.

Nun aber zur LU: Kurz der geschichtliche Hintergrund:
Das Studentenwerk Tübingen konnte unser Haus und dessen als Baugrundstück deklarierten großen Garten, 1989 sehr günstig erwerben. Dies war nur möglich weil es zehn Jahre zuvor besetzt worden war.
Das Interesse der Anstalt lag dabei eigentlich nur auf dem besagten Garten-Grundstück um dort zu bauen. Dieses stand jedoch, ohne den Teil auf dem sich die LU befindet, nicht zum Verkauf.
Unter der heiß erkämpften Zusicherung seitens des Stuwe´s an die HausbewohnerInnen, ihre Selbstverwaltung NICHT weiter anzutasten, realisierte das Studentenwerk dort den Bau mehrere Wohnheime.

Heute steht das Projekt Lu15 wieder auf dem Spiel:
Dabei geht es uns – und das ist hier noch einmal klar zu stellen - nicht darum, das Studentenwerk an sich zu schädigen, da wir es in seinem sozialen, öffentlichen Auftrag respektieren.
Wir möchten jedoch verdeutlichen, dass AUCH das Wohnprojekt LU15 von seinem Selbstverständnis her sehr wohl in gesellschaftlichem Interesse handelt und sich als eine gelebte Alternative zum gewinnorientierten Wohnungsmarkt sieht, was im Laufe der letzten Monate auch an verschiedenen Stellen der Öffentlichkeit vermittelt wurde.

In den zahlreichen Gesprächen, die es bis vor kurzem noch gab, haben wir immer wieder Vorschläge gebracht, wie BEIDEN hier anwesenden Interessen entsprochen werden könnte. Leider wurden diese meist mit einem nicht weiter begründeten NEIN seitens der Geschäftsführung des Stuwe´s abgelehnt.
Der Hintergedanke, auf dem juristischen Weg eine allein für sich zufriedenstellende Lösung zu erreichen, mag da auch eine Rolle gespielt haben, die es angesichts dieser Ignoranz gegenüber unserer Arbeit und der Existenz des Projektes an sich, für uns natürlich nicht einfacher machte. Aber lassen wir die Spekulation.

Da wir nicht davon ausgehen können, dass dem Gericht die Bedeutung des Begriffs des „selbstverwalteten“ oder „alternativen Wohnprojektes“ geläufig ist hier eine kurze Erläuterung:

Ein Wohnprojekt dieser Art stellt der zur Zeit grassierenden Zerstörung materieller Lebensgrundlagen und sozialen Rückhalts einen Wohn- und Lebensentwurf entgegen, der bundesweit bereits von einer beachtlichen und steigenden Anzahl von Hausgemeinschaften praktiziert wird. Ein hier bekanntes und praktische Beispiel für ein solches, sich bereits selbst tragendes Projekt ist z.B. die Tübinger Schellingstraße 6. Denn in selbstverwalteten Wohnprojekten wie der LU15, wo eine bunte Mischung aus Studierenden, Arbeitenden, Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Kindern lebt, bewegen sich nicht nur die Mieten auf einem erträglichen Niveau, sondern wir organisieren auch das Leben in unserem Haus gemeinsam und unterstützen einander bei den täglichen Herausforderungen des Lebens, seien dies persönliche Nöte oder finanzielle Schwierigkeiten.
Die inneren Strukturen fordern und fördern ein reges Engagement sowohl an gemeinschaftlichen Aufgaben als auch an Kreativität, die nicht selten auch über die Hausgemeinschaft hinaus geht und somit auch - wie hier in Tübingen - zu einem aktiven Bestandteil der kulturellen Lebendigkeit des Viertels und der Stadt beiträgt.

Eine derartige Initiative, die sich hier in der LU15 so lange gehalten und dabei auch weiterentwickelt hat, jetzt mit einem Mal zu zerstören, widerspricht jeder Vernunft, die etwas über den eigenen Tellerrand hinausschaut und z.B. für eine soziale Verantwortung-übernehmende und Initiative-ergreifende Stadtbevölkerung eintritt.

Projektinitiativen zu unterstützen anstatt zu zerstören, sollte zum jetzigen Zeitpunkt mehr denn je auf jeder Agenda stehen, da es aussichtslos ist, derartiges „von oben“ zu initiieren.
Dies gilt erst recht für solche Projekte, die sich schon bewährt und ein breites Spektrum an Bevölkerung hinter sich stehen haben, was man im Falle der LU15 insofern behaupten kann, als dass sich schon ca. 1500 Menschen durch ihre Unterschriften mit dem Wohnprojekt LU15 solidarisiert haben. Auch der mittlerweile auf rund 200 Mitglieder angewachsene Unterstützer-Verein spiegelt dies wider.

Um das Projekt endgültig zu sichern und nicht wieder nur aufschiebende Flickschusterei zu betreiben. Gleichzeitig dem Studentenwerk aber entgegen zu kommen, wollen wir mittels einer sich in Gründung befindenden GmbH, die Ludwigstraße 15 selbst kaufen und damit diesen Wohn- und Lebensraums auch für zukünftige Bewohnerinnen und Bewohner sichern.
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass das einem Kauf zu Grunde liegende Modell NICHT bedeutet, dass sich ein paar wenige Leute FÜR SICH ein Haus kaufen und somit persönlich bereichern. (Wir erläutern an dieser Stelle bei Bedarf gerne weiter).
Auch das Studentenwerk würde von dem Verkauf der Lu 15 an die Bewohner/innen profitieren, da es mit dem so erwirtschafteten Gewinn und zusätzlich erzielten Einsparungen andernorts auf weniger destruktive Weise und WIRKLICH zusätzliche Wohnplätze in seinem Sinne schaffen oder erhalten könnte.

Wir fordern, dass die über zweieinhalb Jahrzehnte in der Ludwigstraße 15 gewachsene, selbstorganisierte und gemischte Wohnkultur nicht der „corporate identity“ eines Studentenwerks zum Opfer fallen darf.
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