Anmerkung der Moderationsgruppe: Trotz der Bitte, de.indymedia.org zum Veröffentlichen von eigenen Berichten und selbst recherchierten Reportagen zu nutzen, wurde hier ein Text aus einer anderen Quelle, ein Flugblatt, eine Presseerklärung oder eine Stellungnahme einer Gruppe reinkopiert.
Es ist nicht das Ziel von Indymedia ein umfassendes Infoportal mit Kopien möglichst vieler vermeintlich wichtiger und lesenswerter Texte anzubieten. Indymedia will eine Plattform für engagierte MedienmacherInnen und ihre eigenen Inhalte bieten. Die strategische Zweitveröffentlichung von Texten gehört nicht zu den Zielen dieses Projektes.
Bitte lest zu diesem Thema auch die Crossposting FAQ.

Italien ohne Indymedia.

saul 11.01.2007 23:52
Wieso erfährt man das erst aus der Jungle World? Kein Thema für Indy, wenn eine Indyseite zumacht? Dann sollt ich mal auf die Info bei JW verweisen.
Sonst soll ja eigenproduziertes rein, hier geht m.E. mal ne Ausnahme.
Ohne Netz und ohne Plan

Indymedia Italien hat sein vorläufiges Ende bekannt gegeben. Damit verliert die Linke ein wichtiges Forum der Selbstverständigung. von catrin dingler

Er habe in die Luft geschossen und nicht auf Carlo Giuliani gezielt. Ende November liefer­te Mario Placanica in einem Interview mit einer kalabresischen Tageszeitung überraschend eine neue Version der Ereignisse auf der Piazza Alimonda während des G 8-Gipfels in Genua im Sommer 2001. Ausgerechnet einen Tag nachdem die Beteuerungen des suspendierten Carabiniere von den Medien aufgriffen wurden und in den Fluren des Parlaments noch einmal erhitzte Debat­ten auslösten, verkündete Indy­media Italien sein vorläufiges Ende. Seit Dezember ist das Internet­portal nicht mehr aktiv, alle nationalen und lokalen Listen sind geschlossen, nur das Archiv kann weiterhin benutzt werden.

Die Geschichte des italienischen Indymedia ist eng mit den Ereignissen in Genua verknüpft. Zwar war das Portal im Jahr 2000 bereits aktiv, doch erst durch den G 8-Gipfel wurde es zum wichtigsten Be­zugspunkt der italienischen Antiglobalisierungsbewegung. Tausende Augenzeugenberichte, Fotos und Amateurvideos, die von den Aktivisten des unabhängigen Netzwerks gesammelt wurden, bildeten die Basis zur Rekonstruktion der Vorfälle in den Straßen und auf den Plätzen Genuas.

In den ersten Jahren nach den Ereignissen von Genua, als die No-global-Bewegung stetig wuchs und Kommunisten und Grüne die Zusammenarbeit mit der außerparlamentarischen Opposition suchten, galt Indymedia als das wichtigste und innovativste Medium der radikalen Linken. Doch inzwischen haben sich nicht nur die politischen Machtverhältnisse verändert, auch die Möglichkeiten zur freien Publikation haben sich vervielfacht. Indymedia Italien hat längst seinen einstigen Einfluss verloren, die Nachricht vom Ende wurde kaum noch kommentiert.

Die Geschichte des Netzwerks scheint für die italienische Linke ebenso abgeschlossen wie für das Gericht in Genua der Fall Giuliani: Die Aussagen Placanicas, so die Staatsanwaltschaft, böten keinen Anlass, das Verfahren nochmals aufzunehmen. Ähn­lich lapidar klingt auch die kurze Verlautbarung, mit der die italienischen Indymedia-Leute sich bis auf weiteres verabschieden: Sechs Jahre nach der Einrichtung von Indymedia Italien sei es notwendig, über diese Art Medium nachzudenken. Dazu brauche man Ruhe, eine Zeit des Schweigens.

In einer kurzen Begründung der Entscheidung heißt es: Im Laufe der Jahre seien die Gruppen untereinander in Konflikt geraten, besonders um den newswire und das open publishing habe es permanent Auseinandersetzungen gegeben. Anstatt Nachrichten zu produzieren, seien nach dem Copy-and-Paste-Prinzip Informationen aus den Mainstream-Medien reproduziert worden. Außerdem habe die Veröffentlichung von Fotos und Filmen, die persönliche Daten enthielten und sogar die Gesichter der Aktivisten zeigten, mangelnde Verantwortung im Umgang mit dem Medium demonstriert. Auch die Mailinglisten hätten immer schlech­ter funktioniert: Einerseits sei die Beteiligung an den Diskussionen rückläufig gewesen, andererseits aber sei es immer schwieriger geworden, dem Anspruch, alle Entscheidun­gen im Konsens zu treffen, gerecht zu werden.

Diese Probleme sind freilich nicht neu. Bereits auf der vorletzten Vollversammlung im Jahr 2004 waren die Schwierigkeiten, über die Listen zum Konsens zu finden, debattiert worden. Einige aus der alten Gruppe, die die Seite eingerichtet hatten, hatten sich deshalb zurückgezogen und jüngeren, aus lokalen Medienzentren kommenden Leu­ten die Leitung des nationalen Netzwerks überlassen. Doch die Probleme konnten dadurch nicht gelöst werden.

Jetzt hat die Ankündigung des Providers, einen wichtigen Server nicht mehr länger kostenlos zur Verfügung zu stellen, und damit die Notwendigkeit, nach neuen technischen Kapazitäten zu suchen, die Diskussion wieder angeregt. Auf der für Ende November einberufenen Vollversammlung standen drei Lösungen zur Alternative: Alles beim Alten zu belassen und nur nach einem neuen Provider zu suchen, das nationale Netzwerk zugunsten der lokalen Sta­tio­nen zu verkleinern und eventuell nur durch die auto­matische Transmission lokaler Informationen aufrechtzuerhalten oder aber das Projekt überhaupt zu beenden, wenigstens für eine Weile.

Wie zur Bestätigung der Krise zählte auch das Plenum in Turin nur wenige Teilnehmer. Kaum mehr als fünfzig Personen fanden sich zur Diskussion ein und beschlossen die vorübergehende Schließung. Vielleicht nur für »ein oder zwei Monate«, so lautete die optimistische Einschätzung eines Teilnehmers. Ein anderer Aktivist wollte sich zur Dauer der beschlossenen »Reflexionspause« nicht äußern. In einem längeren Interview mit dem freien Radio Onda d’Urto verteidigte er die Entscheidung, eine neue Phase einzuleiten. Es sei wich­tig, den Bruch zum bisherigen Projekt eindeutig zu markieren. Eine neue nationale Mailing­liste soll nun in der Diskussion klären, ob überhaupt ein neues Projekt Italien.Indymedia 2.0 gestartet werden soll.

Die Entscheidung, das Portal zeitweilig zu schließen, kam nicht überraschend. Indymedia Sizilien war schon einmal für mehrere Monate geschlossen, nachdem die Sparte des open publishing von den Fanclubs der Fußballmannschaft von Palermo zum verbalen Schlagabtausch miss­braucht worden war.

Tatsächlich dreht sich die aktuelle Diskussion vor allem um die freie Veröffentlichung. Man möchte die Form einer »Vitrine«, den Charakter eines »schwarzen Bretts« aufrechterhalten und gleichzeitig den in den vergangenen Jahren registrierten Verfall des Niveaus aufhalten. Dabei geht es nicht um durchaus fragwürdige politische Inhalte: Dass permanent Fotos und Videos veröffentlicht werden, auf denen israelische Fahnen verbrannt werden, wird in der radikalen Linken nicht problematisiert. Die antiisraelische Hetze ist Konsens. Gegenwärtig geht es um die Notwen­digkeit, pornografische, beleidigende oder einfach nur banale Beiträge auszusortieren.

In der Diskussion um die Moderationskriterien wird deutlich, dass sich die Aktivisten nicht darüber einig sind, ob sie überhaupt noch ein nationales Netzwerk wollen. Hinter der Forderung nach Dezentralisierung steht der Wunsch nach Lokalisierung. Regional und kommunal verwaltete Netz­werke, die ihre Informationen mehr oder weniger automatisch an einen nationalen Pool weiterleiten, sind längst wichtiger geworden als Indymedia.

Nach dem Ende der »Bewegung der Bewegungen« ist das multimediale Forum globalproject.info für alle, die, so heißt es in der Eigenwerbung, »Mul­titudine machen wollen«, zur wichtigsten Adresse geworden. Zum Thema Flucht und Migration hält die Plattform meltingpot.org die aktuellsten und fundiertesten Berichte bereit. Beide Foren bieten auch englischsprachige Seiten an, allerdings enthalten diese deutlich weniger Informationen als die italienischen Originalseiten. Dazu passt, dass in der aktuellen Diskussion um Indymedia der Aspekt des internationalen Austauschs überhaupt nicht reflektiert wird. Doch mit der Schließung von Indymedia Italien verabschieden sich die italienischen Medienaktivisten bis auf weiteres aus dem Projekt eines internationalen Mediennetzwerks.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Mhhh..ist doch seit Wochen bekannt!

jameson 12.01.2007 - 00:06
Ich bin der Meinung, dazu auch hier auf Indy was gelesen zu haben. Und wenns zu wenig war, dann hätten halt mehr Leute was schreiben müssen. Der Artikel in der Jungle World ist aber trotzdem recht interessant, wobei da auch einige Fehler drin sind, so ist zum Beispiel Indy kein rein linksradikales Ding - das hats ja so attraktiv gemacht. Und die "Bewegung der Bewegungen" ist nur in Europa beendet, wobei sich die Jungle World da auch auf die Schulter klopfen kann, immerhin hat sie sie wesentlich zur Spaltung (innerhalb der Linken, sowie zwischen Linker und Normalbevölkerung) und erfolgreich zur Adaption neoliberalen Gedankenguts in die Restlinke beigetragen.

Kommt mir bekannt vor

Dein Name 12.01.2007 - 00:35
"Anstatt Nachrichten zu produzieren, seien nach dem Copy-and-Paste-Prinzip Informationen aus den Mainstream-Medien reproduziert worden. Außerdem habe die Veröffentlichung von Fotos und Filmen, die persönliche Daten enthielten und sogar die Gesichter der Aktivisten zeigten, mangelnde Verantwortung im Umgang mit dem Medium demonstriert."

Nachtigall ick hör dir tapsen...

Tja, so ist das in Bewegungsflauten

Mr.X 12.01.2007 - 00:43
Bewegungen sind besonders in Europa immer recht kurzlebig, selten geht sowas länger als 2, 3 Jahre. Vielleicht macht die Revision in Italien ja wirklich Sinn. Wobei mich mal interessieren würde, wie es nach dem Ende von Berlusconi mit den sozialen Bewegungen im Lande aussieht. Das Letzte, was ich mitbekommenhabe, daß Berlusconi Tausende in den Knast gesteckt hat, teilweise mit denen neuen Sondergesetzen, teilweise ohne konkrete Anklage und so, wie auch schon in den 70ern passiert, die Bewegungen durch die Repression teilweise(?) zerschlagen wurden. Wennjemand was über die Entwicklungen des letzten Jahres schreiben kann, wäre das echt super. Vor diesem Hintergrund könnte man auch die Indymedia-Sache besser bewerten.

Chiude per ricominciare

Antifa Freiburg 12.01.2007 - 02:40
Das IMC italy.indymedia.org wurde vorübergehend vom Indykollektiv geschlossen. Zur Begründung heißt es: „Indymedia behielt stets die ‚Natur‘ eines lokalen/globalen Netzwerkes bei, welches (sich nun entschied) zurück zu den Strassen und öffentlichen Plätzen zu kehren um den Kreis wieder zu schließen.“

Quelle: 04.12.2006,  http://www.antifa-freiburg.de/spip.php?page=antifa&id_breve=2803&design=3

Übersetzung aus der Schweiz:
 http://ch.indymedia.org/demix/2006/12/44802.shtml

Die Entwicklung bleibt nicht stehen

xXx 12.01.2007 - 10:30
Im Jahre 1999 war die Idee von Indymedia geradezu revolutionär, eine Openposting-Nachrichtenplattform als Beispiel gelebter Utopie, die besser funktionierte, als es die optimistischsten Optimisten zu erträumen wagten. Bald war die Idee etabliert und die Indys der ersten Stunde wandten sich noch radikaleren Ansätzen zu und waren in der Entstehung der ersten Weblogs (und später derPodcasts) beteiligt, die noch erfolgreicher wurden. Heute haben sich die Weblogs etabliert und diese Leute arbeiten an der Umsetzung noch weitergehender Ideen.
Indymedia bliebt natürlich trotzdem weiter wichtig: nach dem Abflauen der Noglobals und ihrer Verschmelzung mit der Friedensbewegung im Norden bis 2003/2004 und im Süden bis heute (siehe Oaxaca-Aufstand). In Italien ist man nun an den Punkt gelangt, sich zu überlegen, wie es weitergeht. Das ist so mutig wie wichtig, denn alles andere wäre Stillstand.
In Deutschland dagegen ist man konservativer und starrer im Denken. Weder die Noglobals, noch die Indymedia-Idee konnte sich unter Linken (die mehrheitlich im Denken der 80er gefangen sind) etablieren. Das sieht man gut in dem häufigen Missbrauch von Indymedia für allen möglichen gruppenegoistischen Müll (Aufrufe, Werbung, Zankereien) und man sieht es daran, daß viele linke Zusammenhänge bis heute lieber mit der Mainstreampresse kommunizieren, als das Einzelpersonen Indymedia für Berichte nutzen. Beispielsweise hat kein einziges der 3 NoG8-Bündnisse bis heute Indymedia verlinkt. Man arbeitet lieber wie in den 80ern: eine Pressegruppe verteilt hierarchisch Aussendungen an die Presse, die einzelnen Aktivisten sind nur Statisten.
Weil die Idee von Indy hier also immer noch neu und revolutionär ist, macht ein nächster Step also noch keinen Sinn. Leider.

Nicht nur Italien

Logo 12.01.2007 - 12:26
Nur als Info seit ca. 5 Tagen ist die IMC-Seite Irlands auch aus dem Netz wegen Serverkündigung!

Link plus Spendenaktion:  http://ie.indymedia.org/

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Catrin Dingler — Steffen Beuerle