Großmachtinstrument UNO

Wal Buchenberg 09.01.2007 20:07 Themen: Militarismus Weltweit
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, hatte sich der Westen schleunigst daran gemacht, den ehemaligen Machtbereich der Sowjetunion zu beerben. Das Instrument dafür war in erster Linie die UNO, ein Zusammenschluss aller Staaten bzw. Regierungen, und damit scheinbar uneigennützig und neutral.
Die zeitliche Verteilung der Anzahl von UN-Militärs (mit den unterstützenden Zivilkräften) in Einsätzen rund um die Welt steigt einen enormen und plötzlichen Anstieg nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems. Siehe folgende Grafik:



Seit Beginn der 90er Jahre wurde die UNO immer mehr zum bewaffneten Organ der verbliebenen Großmächte und immer weniger bleibt von dem friedlichen Image von Lebensmittelspendern an notleidende Flüchtlinge und Opfern von Naturkatastrophen.

Daran konnte auch der gescheiterte Versuch der USA, ihr Irakabenteuer von der UNO absegnen zu lassen nichts ändern. Inzwischen hat die UNO mit Ban Ki-Moon einen neuen Generalsekretär. Und seit sich die Mehrheit in den USA offen gegen das US-Abenteuer im Irak gewandt hat, wird die UNO auch für die US-Regierung wieder wichtiger.

UNO macht Kriegführen einfacher und billiger


Nach einem von den Medien verbreiteten Vorurteil ist die UNO eine Friedensmacht. Ihre Soldaten heißen "Peacekeeper". Tatsächlich hat die UNO mindestens seit den 90er Jahren die Schwelle zum Krieg deutlich herabgesetzt. Die UNO macht das Kriegführen für die Großmächte einfacher und billiger.



Einfacher macht sie das Kriegführen, weil sie den Militäreinsätzen eine breitere Legitimation gibt: Wo ein Einzelstaat Krieg führt, weiß Hinz und Kunz, dass es sich hier um enge, staatsegoistische Interessen handelt. Wo eine Koalition einen Krieg führt ist angeblich höheres Menschheitsinteresse im Spiel. Seit dem 30jährigen Krieg waren alle großen Kriege Koalitionskriege - ohne dass es um höhere Menschheitsinteressen ging. Der spanische Erbfolgekrieg war ebenso ein Koalitionskrieg wie die napoleonischen Kriege oder die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts.

Die heutigen UNO-Kriege sind nichts anderes als Koalitionskriege der Großmächte, allein mit dem Unterschied, dass früher über die zu bildende Koalitionen von Fall zu Fall und von Krieg zu Krieg immer neu verhandelt wurde, während die UNO für dieses Prozedere einen festen "Fahrplan" bereithält.
Nur wer wenig Geschichtskenntnisse hat, kann sich einbilden, das heutige UNO-Prozedere sei umständlicher und langwieriger als die Koalitionsverhandlungen unter früheren Kriegsparteien.
Gemeinsame Kriege der Großmächte gegen schwächere Staaten wurden schon früher als "Strafaktion" oder "Befreiung" hingestellt, ob es nun um türkische Tätlichkeiten auf dem Balkan oder um Übergriffe auf ausländische Missionare in China handelte.

Billiger macht die UNO das heutige Kriegführen für die Großmächte, weil durch die UNO die Kriegskosten auf noch mehr Staaten verteilt werden als früher. In jedem einzelnen Fall sind es die Großmächte, die den Kriegsknopf betätigen. Gegen ihren Willen geht in der UNO gar nichts. Die Großmächte sind innerhalb der UNO die Kriegsstrategen: Sie legen die Kriegsziele und Kriegsmittel fest, während die anderen Staaten die Soldaten stellen. Oder wie es der "Economist" vornehmer ausdrückt: Das UNO-System "hat eine zweigleisige Struktur entwickelt: die mächtigen Staaten entscheiden über die Missionen (und zahlen für sie), während die armen Staaten wie Indien, Pakistan, Bangladesh, Nepal und Jordanien ihnen dafür die Soldaten stellen. Die Regierungen dieser Länder erhalten dafür eine Entschädigung. Diese Bezahlung entwickelt sich zu Subsidien für deren Militärkräfte, während die UNO-Missionen selber diesen Truppen ein kostenloses Training verschafft." (The Economist, 6. Januar 2007). Siehe die Grafik über die Verteilung der "Blauhelme" in aller Welt.



Die interne Regierungs-Diskussion in der UNO verwischt immer stärker die Grenzen zwischen Krieg und Nichtkrieg und baut die Hürden vor einem bewaffneten Eingreifen der UNO weiter ab.
In einem Papier der Bundesregierung heißt es: Man diskutiere in und mit der UNO "zwei Reformfelder, die sich primär auf das Bedrohungsszenario inner- und zwischenstaatlicher Konflikte beziehen. Zum einen wird es um Grundsätze für die Anwendung von militärischer Gewalt gehen, die sowohl das Recht auf Selbstverteidigung von Staaten als auch humanitäre Interventionen betreffen. Das vom UN-Generalsekretär eingesetzte Expertengremium (UN-High Level Panel) wie auch der Generalsekretär selbst plädieren in ihren Berichten dafür, dass ein Staat das Recht auf Selbstverteidigung auch dann hat, wenn eine unmittelbare Bedrohung, aber noch kein direkter Angriff vorliegt. Bei lediglich potenziellen Gefahren kann demnach ausschließlich der UN-Sicherheitsrat präventiv tätig werden. Kofi Annan unterstützt ausdrücklich auch den Ansatz einer kollektiven Schutzverantwortung der Staaten in Fällen schwerster Menschenrechtsverletzung. Umstritten ist aber, ob die VN auch bei der latenten Gefahr von Verbrechen wie Völkermord militärisch eingreifen dürfen bzw. müssen."




UNO - ein Instrument des Friedens?


Während die UNO mehr und mehr zum Kriegsinstrument mutiert, wollen Parteien und Parteipolitiker in Deutschland ihre eigene Militär- und Kriegsstrategie zunehmend hinter der UNO verstecken.

Unter dem Slogan "Wege aus Krieg und Gewalt" forderte der Friedenspolitische Ratschlag: "Eine der wichtigsten Aufgaben für die Staatengemeinschaft muss demnach sein, das gegenwärtige Machtgefälle zwischen USA und UNO wieder zugunsten der UNO zu verschieben. Andernfalls droht ein Rückfall in Zeiten, wo nicht die Stärke des (Völker-)Rechts, sondern das Recht des Stärkeren gegolten hat."
Als wäre das Völkerrecht nicht notwendig und immer schon das Recht der Stärkeren!

Der außenpolitische Sprecher der PDS. Gehrcke, stellt immerhin fest, dass eine Bundesregierung Böses im Schild führt, wenn sie nach einem Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen strebt: "Ein ständiger Sitz im Weltsicherheitsrat ist das erklärte Ziel der ... Bundesregierung. In dieser Forderung bündeln sich die Absicht, als Großmacht in der Weltpolitik mitmischen zu wollen ..."
Dass die UNO ein Instrument von Großmachtpolitik ist, scheint nur für die Bundesregierung, aber nicht auch für andere Staaten und Regierungen zuzutreffen. Wie sonst könnte Herr Brie (PDS) sonst zu dem Schluss kommen: : "Mit Einschränkungen, aber als ein geschichtlicher Fortschritt, stellte die UNO-Charta internationales Recht zur Ächtung des Krieges dar und wies entscheidende Merkmale eines demokratischen Völkerrechts auf. Geschaffen wurde ein System von Regelungen und Gremien, mit denen Konflikte friedlich beigelegt werden sollten."

Der neue "Bremer Programm-Entwurf" der SPD gibt ganz offen zu, dass die UNO gegenwärtig das geeignetste Instrument ist, um eigene staatliche Machtpolitik durchzusetzen: "Kein Staat kann im globalen Zeitalter Erfolg haben, indem er seine Interessen einseitig durchsetzt. Wir bekennen uns zum Multilateralismus durch internationale Organisationen und internationales Recht im weltweiten Rahmen. Dafür ist es unabdingbar, die internationalen Organisationen mit hinreichender Durchsetzungsmacht auszustatten. Nur sanktionsbewehrt wird das internationale Recht Verbindlichkeit gewinnen und konfliktlösend wirken können. Deshalb wollen wir die Vereinten Nationen stärken."

Die Vereinten Nationen sind ein Instrument der Großmächte, um staatliche Interessen mit militärischer und anderer "Durchsetzungsmacht" zu betreiben. Die Vereinten Nationen sind ein Instrument der Macht, kein Instrument des Friedens. Die Vereinten Nationen sind kein Instrument der Emanzipation.


Wal Buchenberg für Indymedia 09.01.2007


Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

seit 1990

tagmata 10.01.2007 - 00:04
"Seit Beginn der 90er Jahre wurde die UNO immer mehr zum bewaffneten Organ der verbliebenen Großmächte"

...weil sie vorher nur zankapfel der beiden ideologischen blöcke waren. und eigentlich nix weiter. "cap anamur" hat die boat people aus dem wasser befischt, nicht die un. im prinzip *gibt* es eine un, die in *irgendeiner* weise handeln kann, erst seit 1990. (wo war die un 1985 in äthiopien? weitgehend abwesend, weil die udssr nicht wollte, daß mariam von externen bei seinem netten kleinen bürgerkrieg in die suppe gespuckt wird)

Die Grossmächte

gibt es seit 10.01.2007 - 12:07
1990 nicht mehr. Seitdem gibt es klar unterschiedliche Intressen zwischen den USA und der EU, unter massgeblichen Einfluss Deutschlands. Die Weigerung von Schröder beim Irakkrieg mitzumachen war mehr als ein taktisches Spielchen Deutschlands, sondern drückt grundsätzlich andere Intressen der Bundesrepublik, Frankreichs und andrer EU-Staaten gegenüber den USA aus unsd ein konkurrierendes Einflussnehmen zwischen beiden aus. Das taktische Bündnis, das die EU mit den arabischen Eliten und teilweise mit den islamistischen Organisationen eingeht (Kontakte des BND mit Hisbollah und Hamas, Versuch mit Teilen der Islamisten im Iran zu paktieren) steht ganz klar gegen die Intrssen der UDA im Mittleren Osten.
Nochj ist dies kein offenens Konkurrenzverältnis, aber auf längere Sicht kann dies passieren.

Richtig, es herrscht Streit

um die Hackordnung 10.01.2007 - 13:06
der imperialistischen Blöcke: die Vereinigten Staaten, als Leitwolf innerhalb des gesamten imperialen Blocks, wird von Teilen der aufstrebenden europäischen Eliten nicht mehr grundsätzlich anerkannt.

Die Krieg im ökonomischen Rahmen ist zwischen dem imperialen NAFTA Block (Vereinigte Staaten und Kanada) und dem imperialen Europäischen Block voll entbrannt: ob es dabei um die Spielwiesen Airbus und Boing oder um die Kriege im Automobilbereich, bei BAE und EADS oder im Energiesektor geht: überall ist die kalte kriegerische Konkurrenz zu erkennen.

Das sich diese verschärfte Auseinandersetzung auch auf dem Parkett der UN deutlich zeigt, ist kaum verwunderlich.

In Afrika ist diese Auseinandersetzung so eben wieder voll entbrannt: Der Angriff Äthopiens und der Vereinigten Staaten auf die Milizen in Somalia wird von vielen europäischen Eliten mit Skepis gesehen: Sie sehen ihre eigenen Interessen durch dieses Vorgehen gefährdet und erkennen genau ,dass der Spielraum für ihre eigenen Alleingänge (wie die Franzosen das im kleinen Rahmen gegen jegliche internationale Regeln praktizieren) langfristig keine Sicherheit für die Ausbeutung und Verwertung der afrikanischen Bodenschätze bringt. (der Vorschlag und Zwang zu einem europäischen Energieministeriums geht in die gleiche Richtung)

Auch ist direkt erkennbar, wer im imperialistischen Europa das sagen hat:

der Spiegel spiegelt heute voller Freunde die Tatsache wieder, dass Barrsos nun auch schön Deutsch sprechen würde: eine Geste, die in diesem Rahmen den bestimmenden, vor allem ökonomischen, deutschen Einfluss in Europa anerkennt.


Erschreckend, was sich da in den nächsten 15 Jahren noch so alles entwickeln wird.


Gäääähhhhn.....

sandankoro 10.01.2007 - 15:11
Super, da wird mal wieder die ach so böse, kapitalistische UN aus der Mottenkiste gezogen! Das die UN als Organisation und vor allem die angeschlossenen Sub-Organisationen (weil es ja wohl hauptsächlich um diese geht), nicht das Gelbe vom Ei sind ist ja wohl klar. Aber es stellt sich die Frage, wer oder was denn sonst bei Konflikten wie z.B. in Liberia oder Sierra Leone eingreifen soll? Die ehemaligen Kolonialmächte etwa? Die Afrikanische Union mit so tollen (weil super duper demokratischen und interesselosen) Ländern wie Nigeria, Südafrika oder Ghana an der Spitze?
Den Leuten in Liberia ist es ziemlich egal wer den Bürgerkrieg beendet hat, die haben sogar vorher mit Charles Taylor einen der übelsten Warlords des Krieges zum Präsidenten gewählt in der Hoffnung, dass dann zumindest Ruhe herrschen würde, was natürlich nicht funktioniert hat.

Solange es keine vernünftige und wirklich unabhängige Alternative gibt, ist diese UN leider das Beste was wir haben, trotz aller Schwächen und Probleme. Wichtig ist, die Abhängigkeiten (Weltsicherheitsrat bzw. Vetomächte, Geldgeber, ...) zu verringern, dann kann sich da wirklich was draus entwickeln.

Nicht gähnen - munter werden!

Weiterfragen 11.01.2007 - 11:44
Statt zu gähnen gilt es an der Frage Sierra Leone, Liberia munter zu werden. Die Frage ist gut, aber leider greift sie zu kurz! Denn die eigentliche Frage sollte sein, wie diese Konflikte überhaupt zu stande gekommen sind. Wer hat die Waffen geliefert, wer hat profitiert. Wer hatte ein Interesse an den Kriegen und hat am Ende dafür gesorgt, dass die Kriegsparteien immer gut ausgerüstet war?
Wenn wir diesen Fragen nachgehen, dann Enden wir bei den Antworten komischer Weise meisten in den Staaten, die ausgerechnet im Sicherheitsrat der UNO sitzen.
Europa und die USA sehen in Afrika leider noch immer ihren höchst eigenen Hinterhof, in dem sie quasi Kolonia Regierungen stürzen oder halten können. Ggf. werden dann eben Sölderner und Rebellen ausgestattet um bedrohten Einfluss wieder herzustellen. Wenn dies so nicht gelingt, kann die UNO durchaus das Instrument der Wahl sein, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

@weiterfragen

sandankoro 13.01.2007 - 20:38
Hallo,

du hast grundsätzlich nicht ganz Unrecht damit, dass es gerade die Staaten sind die Afrika "aufmischen", welche auch im UN Sicherheitsrat sitzen, richtig ist auch, dass viele Regierungen der sog. "Westlichen Welt" die Staaten Afrikas immer noch bestenfalls als "kleine Brüder" betrachten.
Was mir aber bei aller berechtigten Kritik oftmals zu kurz kommt, ist, dass es eben oftmals nicht die post-kolonialen Interessen der Europäer sind die die entsprechenden Konflikte erst richtig "heiß" werden lassen, sondern lokale Warlords und die internatonlae Waffenschiebermafia.
Meiner Erfahrung nach kommen sicherlich mindestens 80 - 90% der bei den Konflikten in Sierra Leone und Liberia verwendeten Waffen aus den Staaten des ehemaligen Ostblocks. Nicht nur die Lieferanten kommen von dort, sondern oftmals auch gleich die Transporteure, Händler, Einkäufer von Diamanten, etc. Solange dieser "Markt" nicht trockengelegt wird, wird sich immer wieder jemand finden, der als Warlord oder Rebellenchef seine mehr oder weniger nachvollziehbaren und/oder kriminellen Aktionen macht.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

Die Bewertung, — egal

Wal(betrug) — nonkonformist

zensur — chavezz