Nazis in Nordhessen ungestört?

Steiph 08.01.2007 20:42 Themen: Antifa
Seit März 2006 tritt die so genannte "Freie Kameradschaft Kassel" mit einer eigenen Internetpräsenz in Erscheinung. Das dort eingerichtete Forum wird offenbar zum virtuellen Stammtisch und zum Sammelbecken für Nachwuchs-Faschisten und braune Kameraden ohne Anschluss im Raum Nordhessen. Die neue Nazi-website geht einher mit einer stärkeren Präsenz von bekannten Neonazis im Kassler Stadtbild. So tauchten z.B. zwei Aktivisten der JN beim Gedenkmarsch zur Reichspogromnacht in Kassel auf, um zu provozieren und um die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung einzuschüchtern.
Als die Webseite der Freien Kameradschaft Kassel im März 2006 erstmals in Erscheinung trat, handelte es sich technisch gesehen noch um eine .de.vu-Domain. Im Laufe des Jahres stellte der Betreiber auf eine ordentliche .de-Domain um. Betreiber einer in Deutschland registrierten Internetpräsenz sind auch bundesdeutschem Recht unterworfen. Für jeden Betreiber gilt, insbesondere bei derart brisanten Inhalten, auch die Impressumspflicht. antimanifest hat bei der deutschen Zentralstelle für die Vergabe von .de-Domains eine "who-is Anfrage" gestellt, um den Betreiber zu indentifizieren. Die Denic (zentrale Registrierungsstelle) bietet diese Funktion jedem Internetbesucher an, der sich von Inhalten in Deutschland registrierter Domains gestört, beleidigt oder bedroht fühlt.

Bei dem Betreiber der Internetseite der rechtsextremen Kameraden handelt es sich um Maksim B. aus Edermünde-Holzhausen. Recherchen im Internet und Spaziergänge in Holzhausen durch antimanifest ergaben, dass Maksim noch nicht volljährig ist und noch bei seinen Eltern wohnt. Wir stuften die Aktivitäten daher zunächst als das Projekt eines einzelnen Schülers ein. Wir haben Maksim B. über das Gästebuch seiner Internetpräsenz zur Einrichtung eines Impressums aufgefordert und seinen vollständigen Namen bekannt gegeben. Eine Antwort erhielten wir nicht, unser Eintrag wurde in Panik gelöscht. Ein Kamerad bot Maksim B. darauf seine Hilfe an und empfahl ihm, die Seite über eine schwedische Domain zu veröffentlichen.

Der Betreiber unterhält auf den Seiten auch ein online-Forum. Ein Zugang zu diesem Forum erhält man nur nach Anmeldung. Dies ist bei den Rechten ein beliebtes Mittel, um sich der einfachen Beobachtung zu entziehen und Informationen mehr oder weniger im Verborgenen auszutauschen. Erste Erfahrungen im Umgang mit HTML- und Foren-Software sammelte Maksim B. im von ihm gegründeten Multiplayer-Gaming-Clan National-Rulorz.

Im Forum der Kameradschaft werden nun offen Drohungen gegen Aktivisten linker Organisationen ausgesprochen, Fotos, Adressen und Telefonnummern von diesen werden dort untereinander verbreitet. Die Freie Kameradschaft Kassel versteht sich auch als sogenannte "anti-antifa" und bedroht nun beispielsweise ein Mitglied des Jugendverbands Rebell in Kassel. Maksim B. verbirgt sich im Forum hinter dem Pseudonym "Wotan" und macht aus seiner Einstellung kein Geheimnis. In einem Eintrag schreibt er: „Je mehr Einwanderer wir bekommen, desto mehr Rassenmischungen wird es geben... Wenn unsere "tolle" Regierung niemals aufhört diesen ausländischen Abschaum in unser Land zu treiben, wird das deutsche Volk aussterben, da es dann nur noch Rassenmischungen geben wird...“. Das bei einem deutschen Provider gehostete Forum präsentiert gleich auf der Startseite eine gut sortierte Auswahl an Symbolen, deren Verwendung nach § 86 StGB verboten ist. Da sich zum Unwissen über juristische Sachverhalte auch noch mangelnder Sachverstand im Bezug auf Web-Technik gesellte, wurde das Forum in den folgenden Wochen Ziel einiger Hacks, die stets eine Neuanmeldung der bereits registrierten Benutzer erforderte und den Verlust aller bis dahin veröffentlichten Artikel bedeutete.

Eine "große Geburtstagsfeier" mit anschließendem "Fahnenmarsch" wollten Neonazis am 20. April, dem 117. Geburtstag Adolf Hitlers, in Düsseldorf durchführen. So wurde es zumindest auf der "Heimatseite" der Freien Kameradschaft Kassel angekündigt. Doch daraus wurde nichts, der Antifa-Kok veröffentlichte am Nachmittag des 19. Aprils eine Pressemitteilung, in der die Öffentlichkeit über die anstehende Neonazi-Aktion informiert wurde. Die Düsseldorfer Polizei zeigte sich einmal mehr uninformiert, wegen der nicht einschätzbaren Situation aber als erstaunlich aktiv. Bereits drei Stunden später klingelten Polizeibeamte an der Wohnungstür des Betreibers der "Heimatseite" und wünschten unmissverständlich Aufklärung und eine sofortige Absage des geplanten Unterfangens. Der Auftritt scheint Wirkung erzielt zu haben. Und so hieß es dann auch am Folgetag auf der von Maksim Blumhardt aus Edermünde angemeldeten Homepage: "Der Fahnenmarsch in Düsseldorf wurde abgesagt". Statt dessen werde man sich mit einem "Kameradschaftstreffen in Kassel" begnügen. Und dabei blieb es dann auch. (Quelle: www.terz.org, 27.04.2006)

Maksim B. ist begeisterter Anhänger diverser Computerspiele, darunter auch die umstrittenen "Ego-Shooter" oder "Killer-Spiele". Diese Spiele lassen sich auch online gegeneinander ausführen. Auf der Seite www.ligahq.de ist Maksim B. zu diesem Zweck angemeldet. In seinem Benutzerprofil gibt der Rassist unter anderem Auskunft über sein Lieblingsessen: Döner Kebap...

Nachdem AntifaschistInnen am 05. Januar mit einem Infostand in der Kasseler Innenstadt über die jüngsten Aktivitäten örtlicher Neofaschisten informiert und Unterschriften für ein Verbot der sogenannten "Freien Kameradschaft Kassel" sammelte, stellt der Betreiber die Seite nun geringfügig um. Auf der Startseite prangt nun die Bezeichnung: "Freie Sozialisten Kassel".

Aktivisten der JN (NPD-Jugend) warfen Flugblätter vom Parkhaus über einem Kasseler Kaufhaus. Die Blätter segeln auf den zentralen Opernplatz, wo der o.g. Infostand betrieben wurde. Inhalt des Flugblattes ist neben typischer JN-Agitation der Aufruf zur Teilnahme an einer längst vergangenen Veranstaltung. Kurz darauf nehmen der stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten in Hessen Mike Sawallich und Manuel v. B. im gegenüberliegenden Café platz und beobachten den Infostand beim Genuss alkoholischer Getränke.

Hier noch einige Beispiele derzeitiger Aktivitäten in Nordhessen:

Der Gedenkveranstaltung anlässlich des Jahrestages der Progrom-Nacht in Kassel am 7. November nähern sich zwei bekannte Aktivisten der rechten Szene in Nordhessen. Ihr Auftritt und Äußerungen gegenüber Teilnehmern der Gedenkveranstaltung dienen der Provokation und der Einschüchterung. Einer der beiden Störer ist wieder Mike Sawallich, mittlerweile zentrale Figur in der Szene junger Rechtsextremer in Nordhessen. Am 2. September 2006 wurde Sawallich in Gießen zum stellvertretenden Landesvorsitzenden des Landesverbandes der Jungen Nationaldemokraten JN in Hessen gewählt.

Das Ehepaar Pawlak versendet wiederholt rechtsextremistische Propaganda per e-mail. "An alle aufrichtigen Deutschen" richten sich Aufrufe, sich gegen die "Verfälschung der deutschen Geschichte" zu wenden. Im Anhang findet sich u.a. ein Plan: "Vorbereitung zur Übernahme einer Stadtverwaltung". Peter Pawlak ist als Montagsdemonstrant bekannt, wurde Mitglied der zunächst als Verein gegründeten Wahlalternative für Arbeit und Soziale Gerechtigkeit WASG und errang bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2006 über die Liste der Linkspartei einen Sitz im Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises. Pawlak gab seine parlamentarische Mitbestimmung jedoch auf.

Ein Pulk von etwa 30 Fackelträgern, dunkel gekleidet und mit Springerstiefeln ausgestattet, marschierte in der Silvesternacht kurz nach Mitternacht durch den Bad Emstaler Ortsteil Riede. Auch indymedia berichtete. Die Polizei ermittelt u.a. wegen des Verdachts einer Straftat nach § 86a StGB. Der 19-jährige Tatverdächtige sei bislang aber noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Hinweise, er könne einer möglichen rechtsextremen Szene angehören, sehen die Behörden nicht. Die Vernehmung seiner Bekannten soll ebenfalls keine Hinweise ergeben haben, weil diese angäben, keine Rechtsextremisten eingeladen oder gekannt zu haben.

Trotz vollmundigen Bekenntnissen des Polizeipräsidiums Nordhessen, man wolle solche Vorfälle sehr ernst nehmen, fühlen sich die Aktivisten und ihre Mitläufer offensichtlich ungestört. Im ländlichen Raum können sie tatsächlich ungestört Konzerte, Treffen, Schulungen oder Straftaten vorbereiten und durchführen. Das zeigen diverse Veranstaltungen, Fackelmärschen und Rechtsrock-Konzerte, bei denen nur durch Zufall oder erst im Nachgang Ermittlungen aufgenommen wurden. Die Dunkelziffer könnte weit höher sein.
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Ergänzungen

Linke ?

Oha 09.01.2007 - 18:47
wer als selbst als linker betitelt bzw auf linken "szene" seiten aufhällt sollte sich mit von der mainstream presse bzw politik entworfenen kunstbegriffen wie "killerspielen" doch etwas kritischer auseinandersetzten als diese lediglich mit anführungszeichen zu versehen.
danke

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@ mods — sofort löschen

Armer kleiner Maxim — Habdichlieb

Lüge? — N0G0D

jop — N0G0D