"Renn, sonst bist du tot" - Thüringer Alltag

Antifaschistische Gruppe Südthüringen (AGST) 07.01.2007 19:50 Themen: Antifa
Die 6000 EinwohnerInnen zählende Stadt Ohrdruf im Gothaer Land ist eine von vielen Nazihochburgen in Thüringen, eine dörfliche Kleinstadt mit einer enormen Anzahl junger gewaltbereiter Rechter, deren Dominanz und Kultur in Ohrdruf niemand etwas entgegenzusetzen hat oder etwas entgegensetzen will. Die wenigen MigrantInnen und Linken sehen sich einer ständigen Bedrohung ausgesetzt. Auch in der Kreishauptstadt Gotha und der Kleinstadt Waltershausen zeigt sich kein anderes Bild. Wir berichten über die jüngsten Vorfälle.
Feindbild: Dönerbude

Der Dönerimbiss im Ohrdrufer Zentrum, dem Marktplatz ist vielen Rechten natürlich ein Dorn im Auge. Stellt er doch die letzte „Festung“ des verhassten „Multi-Kulti“ in der Stadt dar. Am 16. Dezember 2006 gegen 0 Uhr schlugen mehrere mit Knüppeln bewaffnete Personen die Schaufensterscheiben des Imbisses ein. Der Ladenbesitzer berichtete, dass zuvor mehrere „Scheiß Ausländer!“ grölende Neonazis den Laden in Augenschein genommen hätten. In einer Pressemitteilung des Polizeidirektion Gotha vom 18. Dezember berichteten die BeamtInnen von ca. 1400€ Sachschaden. Weiter schrieben sie, dass die einzige Zeugin es wohl verpasst habe rechtzeitig die Polizei zu informieren, weshalb die TäterInnen unerkannt entkommen konnten.

Unzählbar... rechtsextreme Gewalttaten

In der Nacht zum 24. Dezember 2006 überfielen mehrere Neonazis eine Feier junger Punks in Ohrdruf. Die Alternativen hatten sich in einer Garage zum gemütlichen Beisammensein getroffen, bis gegen ca. 0 Uhr mehrere Rechtsextreme in die Location eindrangen und begannen auf die Punks einzuschlagen. Nach Aussage der Betroffenen wurden zwei Jugendliche leicht verletzt. Die Täter sind wohlbekannte Schläger der Ohrdrufer Neonaziszene.

Kein Einzelfall

Die politisch motivierten rechtsextremen Übergriffe in Ohrdruf häufen sich. Erst vor vier Wochen attackierte ein stadtbekannter rechter Schläger einen linken Jugendlichen auf dem Ohrdrufer Marktplatz mit einer Flasche. Das Opfer erlitt eine Platzwunde und Hämatome.
Unklarheit besteht über einen von der Deutschen Presseagentur (DPA) gemeldeten Übergriff. In der Nacht vom 27. zum 28. Oktober sollen demnach mehrere wohl der rechten Szene zuzuordnende Jugendliche, einen 22-jährigen angegriffen und mit einem Knüppel niedergeschlagen haben. Das Opfer erlitt Kopfverletzungen und musste ambulant behandelt werden. Die TäterInnen flüchteten in einem Kleintransporter.

Rechte Gewalt ist für die wenigen Ohrdrufer Linken Alltag. In Ohrdruf entwickelte sich in den letzten Jahren eine vitale und aggressive Neonaziszene, welche das jugendkulturelle Bild der Stadt längst dominiert und das angsterfüllte Klima mit jedem neuen Übergriff perfektioniert. Auch die Verantwortlichen der Stadt denken wohl nicht daran gegen das muntere Treiben der Neofaschisten vorzugehen. So bleibt Browntown Ohrdruf was es ist, eine von vielen Thüringer No-Go-Areas.

Silvester in Waltershausen

Am Abend des 31.12. kam es in der mittelthüringischen Kleinstadt Waltershausen vermehrt zu rechtsextremen Übergriffen. Dem Angriff auf eine schwangere Frau, die die Nazis wohl der linken Szene zuordneten, folgten Angriffe auf mehrere Linke vor einer Diskothek und eine anschließende Hetzjagd. Ein Betroffener berichtete, dass die Angegriffenen durch einen Hinterhof in ein Haus flüchteten und sich in diesem verbarrikadieren mussten. Immer wieder wurden die Opfer mit Schlägen und Tritten traktiert. Schließlich informierten die Betroffenen die Polizei, welche erst 45 min. später eintraf und die Opfer drei Stunden in Gewahrsam nahm. Abschließend fuhren die Beamten sie ins Krankenhaus. Die TäterInnen entkamen unerkannt. Bilanz eines blutigen Abends, laut Angabe eines Betroffenen: ein Nasenbeinbruch, ein zerfetztes Ohr, Schnittverletzungen, abgebrochene Zähne und blaue Augen.
Nur zwei Tage nach den brutalen Übergriffen in der Silvesternacht drangen ca. 15 Neonazis ebenfalls in Waltershausen in die Wohnung eines Punks ein, verwüsteten diese und verletzen ihr Opfer.

„..., dass wir Gotha und Umkreis zeckenfrei machen“

Am 1. Januar gegen 18.30 überfielen drei schwarz gekleidete Rechtsextreme eine junge Frau und attackierten diese. Ein Kurzbericht der Betroffenen:

Ich lief am Busbahnhof lang, als plötzlich drei schwarze Gestalten auftauchten. Ich bin schon schnell gelaufen. Sie schrieen "Renn, sonst bist du tot". Ich wurde von einem festgehalten und von dem anderen bekam ich einen Schlag in die Rippen. Danach wurde ich gegen eine Hauswand geschubst, wo ich mit dem Kopf aufschlug. Sie sagten noch zu mir: "Du kannst deinen Zeckenfreunden und Antifaspinnern einen schönen Gruß ausrichten, dass wir Gotha und Umkreis zeckenfrei machen."
Die Frau hatte Schmerzen an Rippen, Kopf und Rücken.

Die erneute Gewaltwelle im Gothaer Land ist nur die Fortsetzung einer rechtsextremen Tradition im braunen Landkreis. Gewalttätige Übergriffe gegen Linke und MigrantInnen haben hier Kontinuität. Die Betroffenen leben in einem Klima der Angst, fühlen sich den Rechtsextremen schutzlos ausgeliefert. Antifaschistische Strukturen existieren kaum und, wenn dann nur in den größeren Städten. Nur ein Bruchteil der stattgefundenen Übergriffe wird bekannt. Die Betroffenen lehnen es in der Regel ab Anzeigen zu erstatten. Das Vertrauen in staatliche Behörden besteht nicht. Zu oft richten sich die Ermittlungen der Verfolgungsbehörden gegen die Opfer, als gegen die Täter.
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Ergänzungen

Pressemitteilung

Stefan Müller 07.01.2007 - 20:09
PRESSEMITTEILUNG

Betreff: Nazigewalt im Gothaer Landkreis

Innerhalb kürzester Zeit ereigneten sich in verschiedenen Städten im Gothaer Landkreis zahlreiche rechtsextreme Übergriffe. Am 16. Dezember schlugen bewaffnete Rechtsextreme die Scheiben eines Dönerimbisses am Ohrdrufer Markt ein. Knapp 2 Wochen später überfielen mehrere Rechtsextreme in der Nacht zum 24. Dezember eine Feier alternativer Jugendlicher und prügelten auf diese ein.
Im nahe gelegenen Waltershausen initiierten Rechtsextreme am Abend des 31. Dezember eine wahre Gewaltorgie, in deren Verlauf die Opfer, unter ihnen eine schwangere Frau, Verletzungen, wie einen Nasenbeinbruch, ein zerfetztes Ohr und Schnittwunden erlitten. Schlimmeres konnten die Betroffenen nur durch die Flucht abwenden. Die spät eintreffende Polizei nahm die Opfer fest und schaffte sie nach 3 Stunden Gewahrsam ins Krankenhaus.
Nur zwei Tage nach den brutalen Übergriffen in der Silvesternacht drangen ca. 15 Neonazis ebenfalls in Waltershausen in die Wohnung eines Jugendlichen ein, verwüsten diese und verletzen ihr Opfer.
Einen Tag zuvor jagten drei schwarz gekleidete Neonazis eine junge Frau mit den Worten „Renn, sonst bist du tot“ durch Gotha. Die Frau wurde geschlagen und verletzt.
„Die erneute Gewaltwelle im Gothaer Land ist nur die Fortsetzung einer rechtsextremen Tradition im Landkreis. Gewalttätige Übergriffe gegen Linke, Migrantinnen und Migranten haben hier Kontinuität. Die Betroffenen leben in einem Klima der Angst und fühlen sich den Rechtsextremen schutzlos ausgeliefert.“, so Stefan Müller, Pressesprecher der Antifaschistischen Gruppe Südthüringen (AGST).
Anzeigen wurden von den meisten Betroffenen mangels Vertrauen in die Ermittlungsbehörden nicht erstattet. „Kein Wunder“, entgegnet Stefan Müller, „zu oft richten sich die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Opfer, als gegen die Täter.“

PRESSEMITTEILUNG ENDE

Macht doch eine Anzeige

hf 07.01.2007 - 21:16
anonym meinewegen. Anzeige nach §129 - Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Anzeige richtet sich gegen Unbekannt und listet alle hier aufgeführten Einzelfälle auf und geht direkt an die Staatsanwaltschaft. Die muss dann erstmal "ermitteln". Das ganze auch an die Presse. Dann kann mensch sich hinterher (nicht mehr anonym) wenn die Presse berichtet haben sollte informieren und nach dem Aktenzeichen fragen. Ermitteln müssten die Bullen auf jeden Fall ersteinmal und dann kann mensch immer noch sehen was kommt. Ich weiss klingt komisch wurde wohl auch noch nie versucht, aber vllt. einen Versuch wert.

Rassismus ist Alltag...

keine/r 07.01.2007 - 21:47
Auch in Sachsen-Anhalt tobt der alltägliche Rassistische Wahnsinn...:

"Neonazis zünden Ausländer-Wohnung an

Neonazi-Anschlag auf ein Asylbewerberheim: Mit Molotow-Cocktails haben mehrere Rechtsextreme in Sangerhausen in Sachsen-Anhalt eine Wohnung für Ausländer in Brand gesetzt. Zwei junge Männer wurden festgenommen - sie waren der Polizei bereits bekannt.
Sangerhausen - Weil gerade niemand zuhause war gab es keine Verletzten, wie die Staatsanwaltschaft Halle heute mitteilte. Sie bestätigte einen Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung", dass gegen zwei Männer im Alter von 25 und 26 Jahren Haftbefehl erlassen wurde. Ihnen werden versuchter Mord und schwere Brandstiftung vorgeworfen.
Nach einer Party in der Neonazi-Szene sollen die Männer gemeinsam mit anderen am Samstagmorgen kurz nach fünf Uhr drei Molotow-Cocktails in eine Wohnung dunkelhäutiger Asylbewerber geworfen haben. Die Flaschen hatten sie laut Staatsanwaltschaft kurz zuvor an einer Tankstelle gekauft.
In der Nachbarwohnung hörten drei Bewohner die Einschläge der Brandflaschen und löschten das Feuer. Die beiden festgenommenen Männer sind der Polizei bereits wegen rechtsextremistischer Delikte und Körperverletzung bekannt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass weitere Täter ermittelt werden können."

Und auch die sog. Landeshauptstadt Magdeburg macht mal wieder Schlagzeilen...:

"Israeli und Jemenit überfallen

Wieder einmal kam es in Magdeburg zu einem fremdenfeindlich motivierten Überfall. Opfer wurden zwei Studenten aus Israel und dem Jemen.
Magdeburg - Die beiden Studenten wurden in einer Magdeburger Straßenbahn Opfer eines fremdenfeindlichen Angriffs . Die 21 und 26 Jahre alten Überfallenen setzten sich allerdings den fünf Angreifern zur Wehr und blieben unverletzt.
Der Vorfall ereignete sich bereits am Freitagnachmittag, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Die vom Straßenbahnfahrer informierte Polizei traf am Tatort noch vier Angreifer im Alter von 35 bis 46 Jahren an. Die Männer müssen sich wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Bedrohung und Körperverletzung verantworten.
Zunächst seien die Studenten aus Israel und dem Jemen von zwei Männern geschubst und geschlagen worden, dann hätten sich drei weitere Männer an der Attacke beteiligt, hieß es. Es seien ausländerfeindliche Worte gefallen. Einer der Angreifer soll die Studenten auch mit einem Messer bedroht haben, so die Polizei weiter."

Beide Meldungen von Spiegelonline, vom 07.01.07 (www.spiegel.de)

das war nicht immer so

denn 07.01.2007 - 22:04
"in gotha gibts nen laden da gibs das pilz auf raten und ist kein bier mehr da scheiss egal wir sind in gotha"
refrain eines liede der wohl bekanntesten ost-deutschen punkband schleimkeim.
damals sahs da wohl anders aus.

immer wieder Scheiß Nazis!!!

antifa 07.01.2007 - 22:53
Text der AG 17 zu Antifa in ländlichen Regionen:

Erstmal solidarische Grüße der Gruppe ag17 an die Demonstration und die Kampagne "Schöner leben ohne Naziläden". Wir denken, dass diese Kampagne der richtige Ansatz von Antifa-Arbeit ist.
Wir wollen uns in unserem Redebeitrag jedoch einem anderem wichtigen Thema zuwenden, nämlich Antifa in ländlichen Regionen.
Thüringen ist ein ländlich geprägtes Bundesland ohne Großstädte mit etablierten Szenevierteln. Thüringen und auch weite Teile Sachsens, Brandenburg und Sachsen-Anhalts wird immer mehr zum Rückzugs- und Aufmarschgebiet von Neonazis.
Während viele Käffer durch Abwanderung von Antifas und Linken einen regelrechte Aderlass ihrer Strukturen verzeichnen, ist die Tendenz bei Nazis anders herum. Sie nisten sich auf dem Lande ein. So hat ein Thorsten Heise sein Domizil mittlerweile in Fretterode, während Jürgen Rieger ein Tagungszentrum mit Konzertmöglichkeiten in Pössneck aufbaut. In Kleinstädten wie Gotha, Friedrichroda oder Ohrdruf gibt es eine rechte Dominanz unter den Jugendlichen. Diese haben auch zumeist die örtlichen Jugendklubs und das Stadtbild fest im Griff.
Auch in Thüringen steht die NPD in den Startlöchern und erhofft sich Landtagssitze wie in Meck-Pomm oder Sachsen. In diesem Kontext versuchen die Nazis nun durch Stadtfeste, Fußballturniere und scheinbar uneigennützige Tätigekeiten in der Bevölkerung zu punkten. Gleichzeitig wird die eigene Dominanz durch Klamotten- und Musikläden, Schulhof-CDs oder ganz einfachen Terror gegen Migranten, Nichtrechte und Linke weiter ausgebaut.
Dem entgegen ziehen auch noch die letzten Linken in die Großstädte und wenden sich dort häufig anderen Themenfeldern zu. In Kleinstädten gibt es selten kontinuierlich Antifagruppen. Meist muss die nächste Generation von Jugendlichen das Rad neu erfinden, weil von den Älteren niemand mehr da oder aktiv ist. Die Leute sind mehr oder weniger auf sich allein gestellt, während oft aus den Großstädten kein Feedback mehr kommt. Dadurch schafft es die Anifa immer weniger, auf dem Lande präsent zu sein, geschweige denn eine Mobilisierung hinzubekommen. Zur Verteidigung des Alternativ-Stadtteils Leipzig-Connewitz sind mehrere Tausend Leute mobilisierbar. Dagegen wissen auch Leipziger Antifas sehr gut, wie schwer es ist, z.B. in Wurzen den Fuß in die Tür zu bekommen. Denn dort sind kaum noch Antifas vor Ort. Antifas schaffen es immer weniger, in Kleinstädte zu mobilisieren. Rühmliche Ausnahmen waren dieses Jahr Wernigerode und Nordhausen. In diesen Städten scheint es noch funktionierende Strukturen zu geben. Unserer Meinung nach muss die Antifa ihren Schwerpunkt nicht nur auf große Events legen sondern flächendeckender sich den Nazistrukturen entgegenstellen. Die Nazis haben das Projekt der national befreiten Zone noch lange nicht aufgegeben. Wir sehen es als einen großen Fehler an, ihnen ganze Regionen für ihre Umtriebe zu überlassen.
Die Perspektive:

Eins vorneweg. Wir wollen niemandem vorschreiben, wo er oder sie hinzieht oder wohnt. Wir appelieren nur an die Leute, den Kontakt zu den Käffern nicht abreißen zu lassen und die Leute, die vor Ort geblieben sind, zu unterstützen. So muss nicht jedes mal bei null angefangen werden. Diese Unterstützung kann vielfältig sein und muss hier nicht näher erläutert werden.
Des weiteren sollten sich Antifas aus den Metropolen auch öfter mal mit den Gegebenheiten der Käffer vertraut machen. Vieles an Strategien, die in Großstädten angewandt werden, gehen dort vor den Baum. Auch sind für Antifas in den ländlichen Regionen Auseinandersetzungen und Diskussionen, die in den Metropolen geführt werden, häufig nicht sehr hilfreich.
Auch wenn die Antifa durch ihre Feuerwehrpolitik immer wieder in die Kritik gerät, staatstragend zu sein, sollte sie sich trotzdem dort blicken lassen, wo es brennt. Ob staatstragend oder nicht ist ab einem gewissen Punkt sekundär, nämlich wenn es um das Leben von MigrantInnen, Andresdenkenden und Andersfühlenden geht.
Natürlich geht es uns auch ums Ganze. Auch uns geht es um eine Gesellschaft jenseits der Barbarei von Nation Kapital, Rassismus und Antisemitismus. Antifa ist auch die Auseinandesetzung mit dem ganzen Falschen, das uns umgibt.

In diesem Sinne: Nazis den Boden entziehen an allen Orten überall. Deutschland halts Maul. Den antifaschistischen Lyfestile leben.
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Redebeitrag von AG17 zur Demo "Abriss korrekt! Weg mit Backstreetnoise und PC Records im Rahmen der Kampagne "schöner Leben ohne Naziläden" am 14.10.06 in Chemnitz

Erstmal solidarische Grüße der Gruppe ag17 an die Demonstration und die Kampagne "Schöner leben ohne Naziläden". Wir denken, dass diese Kampagne der richtige Ansatz von Antifa-Arbeit ist.
Wir wollen uns in unserem Redebeitrag jedoch einem anderem wichtigen Thema zuwenden, nämlich Antifa in ländlichen Regionen.
Thüringen ist ein ländlich geprägtes Bundesland ohne Großstädte mit etablierten Szenevierteln. Thüringen und auch weite Teile Sachsens, Brandenburg und Sachsen-Anhalts wird immer mehr zum Rückzugs- und Aufmarschgebiet von Neonazis.
Während viele Käffer durch Abwanderung von Antifas und Linken einen regelrechte Aderlass ihrer Strukturen verzeichnen, ist die Tendenz bei Nazis anders herum. Sie nisten sich auf dem Lande ein. So hat ein Thorsten Heise sein Domizil mittlerweile in Fretterode, während Jürgen Rieger ein Tagungszentrum mit Konzertmöglichkeiten in Pössneck aufbaut. In Kleinstädten wie Gotha, Friedrichroda oder Ohrdruf gibt es eine rechte Dominanz unter den Jugendlichen. Diese haben auch zumeist die örtlichen Jugendklubs und das Stadtbild fest im Griff.
Auch in Thüringen steht die NPD in den Startlöchern und erhofft sich Landtagssitze wie in Meck-Pomm oder Sachsen. In diesem Kontext versuchen die Nazis nun durch Stadtfeste, Fußballturniere und scheinbar uneigennützige Tätigekeiten in der Bevölkerung zu punkten. Gleichzeitig wird die eigene Dominanz durch Klamotten- und Musikläden, Schulhof-CDs oder ganz einfachen Terror gegen Migranten, Nichtrechte und Linke weiter ausgebaut.
Dem entgegen ziehen auch noch die letzten Linken in die Großstädte und wenden sich dort häufig anderen Themenfeldern zu. In Kleinstädten gibt es selten kontinuierlich Antifagruppen. Meist muss die nächste Generation von Jugendlichen das Rad neu erfinden, weil von den Älteren niemand mehr da oder aktiv ist. Die Leute sind mehr oder weniger auf sich allein gestellt, während oft aus den Großstädten kein Feedback mehr kommt. Dadurch schafft es die Anifa immer weniger, auf dem Lande präsent zu sein, geschweige denn eine Mobilisierung hinzubekommen. Zur Verteidigung des Alternativ-Stadtteils Leipzig-Connewitz sind mehrere Tausend Leute mobilisierbar. Dagegen wissen auch Leipziger Antifas sehr gut, wie schwer es ist, z.B. in Wurzen den Fuß in die Tür zu bekommen. Denn dort sind kaum noch Antifas vor Ort. Antifas schaffen es immer weniger, in Kleinstädte zu mobilisieren. Rühmliche Ausnahmen waren dieses Jahr Wernigerode und Nordhausen. In diesen Städten scheint es noch funktionierende Strukturen zu geben. Unserer Meinung nach muss die Antifa ihren Schwerpunkt nicht nur auf große Events legen sondern flächendeckender sich den Nazistrukturen entgegenstellen. Die Nazis haben das Projekt der national befreiten Zone noch lange nicht aufgegeben. Wir sehen es als einen großen Fehler an, ihnen ganze Regionen für ihre Umtriebe zu überlassen.
Die Perspektive:

Eins vorneweg. Wir wollen niemandem vorschreiben, wo er oder sie hinzieht oder wohnt. Wir appelieren nur an die Leute, den Kontakt zu den Käffern nicht abreißen zu lassen und die Leute, die vor Ort geblieben sind, zu unterstützen. So muss nicht jedes mal bei null angefangen werden. Diese Unterstützung kann vielfältig sein und muss hier nicht näher erläutert werden.
Des weiteren sollten sich Antifas aus den Metropolen auch öfter mal mit den Gegebenheiten der Käffer vertraut machen. Vieles an Strategien, die in Großstädten angewandt werden, gehen dort vor den Baum. Auch sind für Antifas in den ländlichen Regionen Auseinandersetzungen und Diskussionen, die in den Metropolen geführt werden, häufig nicht sehr hilfreich.
Auch wenn die Antifa durch ihre Feuerwehrpolitik immer wieder in die Kritik gerät, staatstragend zu sein, sollte sie sich trotzdem dort blicken lassen, wo es brennt. Ob staatstragend oder nicht ist ab einem gewissen Punkt sekundär, nämlich wenn es um das Leben von MigrantInnen, Andresdenkenden und Andersfühlenden geht.
Natürlich geht es uns auch ums Ganze. Auch uns geht es um eine Gesellschaft jenseits der Barbarei von Nation Kapital, Rassismus und Antisemitismus. Antifa ist auch die Auseinandesetzung mit dem ganzen Falschen, das uns umgibt.

In diesem Sinne: Nazis den Boden entziehen an allen Orten überall. Deutschland halts Maul. Den antifaschistischen Lyfestile leben.
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 NOSPAM.ag17@systemli.org

yep,hf

... 08.01.2007 - 00:43
Genauso muss es sein: anzeigen auf jeden Fall, auch die Polizei informieren, lieber früher als später, das zeigt die Bescheibung, Möglichkeiten zur Kriminalisierung vermeiden, dann zwingt man eher zur Ermittlung! Wenn es sich um "wohlbekannte", "stadtbekannte" Schläger handelt, sollte es auch leichter möglich sein, bei Politikern, Bürgis usw. auf verständnis zu stoßen! Es sind meist nicht die Unmenschen, zu denen sie hier allzuschnell deklariert werden. Zumindest nicht in der Opposition. Presse, Landespolitiker heiß machen! Weiß nicht, wie es in Thüringen ist, aber in Sachsen und Sachsen-Anhalt scheints, dass inzwischen selbst die meisten bürgerlichen Politiker und Polizeichefs begriffen haben, dass man auf nazis offensiv reagieren muss. Es mag zwar spät, vielleicht zu spät gewesen sein, aber besser als gar nix! Und: der Feind steht immer noch zuerst rechts von CDU, Pozilei und Bürgis! Viel erfolg!

2 Anregungen

Udo 08.01.2007 - 10:14
Ich weiß zwar nicht, ob sie in der Praxis wirklich etwas taugen, weil ich sie nie ausprobiert habe, aber zwei mögliche Herangehensweisen, wenn´s brennt:

Wenn ihr die Polizei ruft, lasst eine Frau anrufen und sagt am Telefon nicht, dass es sich um Nazis handelt, die euch bedrohen oder angreifen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Polizei so schneller an Ort und Stelle ist, weil sie davon ausgehen muss, dass nicht "nur" Antifas oder Bunte bedrängt werden, sondern "normale Bürger" von unpolitischen Gewalttätern und von daher bemühter ist, dass diesen "normalen Bürgern" nichts passiert. Wenn eine Frau anruft, weckt das vielleicht eher den Beschützerinstinkt der wachhabenden Bullen. Das ist düster, aber könnte eventuell helfen.

Richtig

Antifaschistin Blankenhain 08.01.2007 - 17:37
Ja es ist richtig. In den ländlich geprägten Gemeinden gibt es zumindest im Weimarer Land keinen antifaschistisch geprägten Widerstand. Dafür um sooo mehr braune Gruppierungen verschiedener Art. Von der NPD Ortsgruppe bis zur Schlägerkameradschaft. Welche sich dann ideal ergänzen. Bei uns findet man die Nazis in jeden Verein bei jeder Veranstaltung voll integriert. So das sich auf manchen Kirmsen die Bauern die hiessigen Kameraden kostenklos herin lassen stramm mit deutschen Gruß. Und kommt ein Migrant oder ein vernünftiger Mensch bläst jung und alt im Dorf zur Hatz.

Woran liegt das?

Holger 09.01.2007 - 18:30
Fakt ist: Die Rechte im Osten wird für Jugendliche immer attraktiver. Bleibt die Frage: Woran liegt das? Bei uns in Dresden gibt es viele "irgendwie national gesinnte Jugendbanden", so will ich es mal nennen, wo die Mitglieder teils 14 jahre und jünger sind. Diese bekomen Zuspruch, Rückendeckung, Unterstützung von älteren organiserten Neonazis, wodurch die Rechte grundsätzlich an Attraktion gewinnt. Attraktive Alternativen dazu gibt es kaum: Neben konsumorientierten Erlebniskids bleiben Gothics, Skater, ein paar Sprayer... alles weitgehend unpolitische Szenen die - außer der Flucht aus dem Alltag - keine Opposition zu den bestehenden Verhältnissen geschweige denn eine Aussicht auf eine Verbesserung der eigenen Lebenssitution bieten. Bleibt letztendlich noch die "Antifa", die aber mittlerweile derart zerstritten ist, daß sich selbt "alte Hasen" gerne ein neues Umfeld suchen. Wenn Jugendliche ihre ersten Kontakte im Antifa-Umfeld machen, können sie aktuell nur feststellen: Hier ist eine miese Stimmung, es gibt keine klare Linie, nicht einmal einen gemeinsamen Nenner. Wenn beim ersten JZ-Besuch Sprüche kommen von wegen "zieh das Palituch aus oder Du kannst gehn!" haben einige keinen Bock mehr und suchen sich eben andere Freunde. Ich denke, ohne eine Stärkung der Antifa durch neue Strukturen, einer halbwegs klar nach außen vertretenen gemeinsamen Linie (intern kann ja trotzdem gestritten werden) und einer positven Gesamtstimmung, wird sich die Antifa immer mehr auflösen und die Nasen bekommen immer mehr Zulauf. Naja, wir werden sehen wie es in 10 Jahren aussieht, ich bin skeptisch...

Auf nach Sangerhausen!

bobo 11.01.2007 - 18:35
Nach dem Brandanschlag auf ein Asylbewerberwohnheim in Sangerhausen vergangen Samstag findet diesen Samstag 13.01.2007, um 15.00 in Sangerhausen am Ort des Geschehens – Morunger Straße – eine Mahnkundgebung/Demonstration? statt.
Wir rufen alle Antifaschisten dazu auf, sich daran zu beteiligen!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 3 Kommentare

Keine No Go Areas !!!

Provinzler 08.01.2007 - 10:07
Super Beitrag...Sollten sich viele mal zu Herzen nehmen.
Uns geht es nicht anders obwohl es vor ein paar Jahren gute
Struckturen gab,fangen wir bei Null an und die Faschos lachen
sich Tod über diese so called Antifa...Die Idioten haben die
Sache erkannt mit Kampangen wie"Wir erobern die Städte vom Lande
aus..." Im Moment scheint diese Eroberung zu Funktionieren gerade
im Osten Deutschlands wo starke Antifastruckturen in den Provinzen
fehlen und Nazis durch Städte und Dörfer laufen um andersdenkende
zu verprügeln und somit no go areas zu schaffen...
Also unterstützt eure Provinzantifa und fahrt auch sie mal besuchen...
Denn wenn wir das Problem am Schopfe fassen wird vieles leichter!!!

Frauenpower

Petra 08.01.2007 - 16:19
Zitat: "...weshalb die TäterInnen unerkannt entkommen konnten."

aha...eine Frauengruppe also...immer diese radikalen Frauenbanden in diesem land..tsts

rechtsextreme Dorftrottel

Stadtmensch 12.01.2007 - 16:58
Diese Nazi-Vollidioten, die ansonsten absolute Versager in der modernen Welt darstellen und nichts könne außer schlagen, verletzen und morden, haben auf dem Land leichtes Spiel.

Man sollte viele Dörfer einfach abreißen und die Leute in die großen Städte verfrachten oder neue bauen. Denn wie schon der Artikel richtig sagt, in den größeren Städten gibts fast immer eine mächtige Antifa-Bewegung.

Das ist natürlich keine Lösung, das weiß ich auch. Aber da von oben die Nazis nicht bekämpft werden, wird man ihnen in den Städten wenigsten die Straße wegnehmen und sie müssen sich in ihren dunklen Winkeln verkriechen wo diese Widerlinge hingehören.