Dänemark: Staatsanwaltschaft gegen Polizei

Aug und Ohr 06.01.2007 00:42 Themen: Freiräume Repression Weltweit
Dänemark: Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei ermitteln gegen Prügelpolizisten.
Erste vorsichtige Maßnahmen der dänischen Staatsanwaltschaft gegen die systematische Polizeibrutalität!

Einer der brutalsten Polizeiübergiffe der letzten Zeit im Polizeistaat Dänemark hat sich bereits am 26. November, drei Wochen vor den Überfällen vom 16. Dezember, im Vortort Rödovre westlich von Kopenhagen ereignet. Dort befindet sich die Schule der rechtsradikalen Sekte Faderhuset („Haus des Vaters“), in der zahlreiche Jugendliche mit fundamentalistischen Wahnideen indoktriniert und abgerichtet werden.

Es war eine friedliche Versammlung, junge Menschen standen in losen Gruppen vor dem Hause. Die Polizei schlug unvermittelt und immer wieder mit unglaublicher Brutalität auf die zum Teil sehr jungen Kundgebungsteilnehmer ein.

Die Taktik bestand aus kleinen Anrempeleien seitens der Polizei, die mit kleinen Abwehrhaltungen beantwortet wurden. Kleine Reaktionen, die durch die Bank als Schreck- oder auch automatische Abwehrreaktionen gedeutet werden müssen, wurden mit gezielten stärkeren Schlagstockeinsätzen beantwortet: Damit wurde die Situation, unter andauerndem Gebrüll, eskaliert.

Auf einem Video der Tageszeitung Politiken (das in allen besetzten Häusern Europas gezeigt werden sollte!) kann man sehen, wie gleich zu Beginn ein junger Mann, der sich kaum zwei Meter – und mit dem Rücken zur Polizei, sich zum Schluß ein wenig umdrehend - aus dem Kreis der Versammelten, wie zerstreut, herausbewegt hatte, blitzschnell und völlig unmotiviert, gestoßen wurde, in den Kreis zurückgestoßen wurde, obwohl von seiner Seite nicht die geringste Aggression vorgefallen war. Damit wird ein Muster der polizeilichen Eskalationstaktik bezeichnet, das man bereits in Seattle (siehe die hervorragenden Analysen von Yared Israel) beobachten konnte, und das in vielen Variationen immer wieder auftaucht.

Man sah in der Folge, wie auf bereits zu einem Klumpen Zusammengetriebene und regungslos Dasitzende wahllos eingeprügelt wurde, oder auch auf Leute, die es wagten, sich bloß verbal gegen die Übergriffe zu äußern, d. h. konkret: voller Wut und Angst zu schreien.

Wie in Abu Ghraib stellten sich Polizisten auch mit wütenden Hunden vor die Reihe der Zusammengepferchten. Die physische Brutalität ist umso unverschämter, als es sich um eine sehr gut trainierte Alarmabteilung von durchschnittlich etwa Dreißigjährigen handeln dürfte, die mit einer Feigheit sondergleichen auf die Heranwachsenden einschlugen, die ja viel schwächer waren und von denen der allergößte Teil nicht die entfernteste Ahung vom Straßenkampf gehabt haben dürfte, was man aus dem Video auch deutlich ersehen kann. Was für ein Grad von Indoktrinierung muß in diesem Bürgerkriegspack erreicht worden sein!

DemonstrantInnen wurden wie Pakete durch die Luft geworfen, oder blitzschnell umgeworfen. Zum Schluß sah man auf dem Video, wie Leute verletzt und unbeweglich auf dem Rasen liegen blieben, andere regungslose Körper wurden von den Sanitätern abtransportiert.

Gegen die Brüllorgie der Polizei erhebt sich minutenlang ein verzweifeltes Schreien der „Jugendlichen“. Derzeit ist der Link auf der Wikipedia-Seite „Ungdomshuset“ zu sehen ( http://politiken.dk/poltv/?ExtID=1198).

Man weiß natürlich nicht wie lang. Dieses Dokument ist am besten geeignet, die Verrohtheit des halbfaschistischen Polizeistaates Dänemark (an dessen zivile ”Leichtigkeit” so viele, und mit Recht, so lange geglaubt hatten) zu illustrieren. Es kann aber sein, daß den Bullen oder Geheimdienstlern oder der Zeitung es einfällt, diese Dokumentation aus dem Web zu entfernen. Daher ist es so weit wie möglich zu verbreiten.

Aber jetzt geht es diesen Polizisten an den Kragen!

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, und berichtet, daß die Ermittlungen ”recht umfangreich” seien. Das mag sich auf die Dauer, aber auch auf den Umfang des Materials beziehen. Bereits im November habe man beschlossen, zu untersuchen, ob es sich nicht um ein systematisches Gewaltverhalten der Polizei handle. Es handle sich um sehr umfangreiches Videomaterial, derzeit werde es systematisch geordnet. Es existieren also noch wesentlich mehr Wahrnehmungen als die, die im Politiken-Video zu sehen sind.

Wer weiß, wann das Publikum dieses Material zu sehen kriegt!

Bei diesen Ermittlungen, bei denen eine kleine Zahl von Übergriffen deutlich im Zentrum steht, arbeitet die Staatsanwaltschaft auch mit der dänischen Kriminalpolizei (”rejsehold”) zusammen.

Eine gewisse Zähigkeit ist dem Verfahren nicht abzusprechen. ”Wir haben noch nicht alle Beamten identifiziert, mit denen wir reden möchten, aber die, deren Namen wir kennen, werden wir demnächst vorladen”, sagt Hernik Plaehm von der Staatsanwaltschaft, wie die Tageszeitung Politiken am 4. Januar 2007 berichtet.

Fünf Wochen nach den Übergiffen hat die Staatsanwaltschaft also noch nicht einmal die Namen aller beteiligten Polizisten!

Bis ein Resultat vorliegt ”werden noch einige Monate vergehen,”, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
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Ergänzungen

Dk am Scheideweg?

Pessimist 06.01.2007 - 01:05
Vielleicht hängt es vom Ausgang der Ermittlungen und dem Ausgang der Kraftprobe mit den extremen Rechten ab, ob Dänemark jetzt schon alles vorbei ist. Wenn die Ermittlungen ergebnislos sind oder sich gegen die Jugendlichen drehen und wenn die Rechten das Zentrum zerstören können, dann könnte daraus eine Dynamik entstehen. Ich mache mir nichts vor, der Faschismus kommt in Euopa so oder so. Die Frage ist nur, wie schnell es geht. Und das wird sich in Dk zeigen.

Taktik?

- 06.01.2007 - 02:39
Von Taktik oder überlegtem Vorgehen der Polizisten und -innen kann ich da gar nichts erkennen. Die haben es nicht mal geschafft, die doch eher kleine Gruppe Jugendlicher unter Kontrolle zu kriegen resp. zu halten.

Klar haben die Cops die Leute eingeschüchtert und unnötig ein fast groteskes Mass an Gewalt angewendet und damit riskiert, Leute ernsthaft zu verletzen (bzw. haben das evtl bewusst gewollt).

Aber gleichzeitig schaffte es mindestens 1 Demonstrant, einfach wegzurennen. Das Geschehen wurde aus allernächster Nähe gefilmt und fotografiert. Selten so scharfe Aufnahmen von austickenden, nicht vermummten Cops gesehen. Die Staatsanwaltschaft konnte gar nicht anders, als zu ermitteln.

Das war nicht Taktik, sondern Unerfahrenheit und Überforderung. Dass Cops in solchen Situationen sehr schnell um sich schlagen, ist ziemlich Standard und spricht nicht wirklich für deren Auswahlkriterien und Ausbildung.

Damit das niemand falsch versteht: Bei erfahrenen Riot-Cops hätte es nicht weniger Gewalt gegeben. Die Cops wären aber vermummt gewesen, Kameras hätte es keine gegeben, es hätte Ablenkungsangriffe gegeben, um Leute rauszuholen und die Leute wären anders fixiert worden.

download des video

m0n0gam 06.01.2007 - 02:44
einfach folgendes "file" speichern

ich fürchte

nein 06.01.2007 - 09:26
ich fürchte sie werden diesen absolut unprofessionellen bulleneinsatz
eher noch als lehrvideo verwenden, wie es nicht gemacht werden sollte.
dann können sie sich vertrauensvoll an die deutsche Bullerei wendén, die
zeigt ihnen dann, wie es vollvermummt noch besser geht, ohne begleitende
kamera natürlich

Die Cops aus Dänemark

HH 06.01.2007 - 11:13
Die Cops in Dänemark sind bekannt für ihre harte Linie, nicht erst seit gestern, schon in den 80igern haben sie uns mit Polizeihunden gejagt und sind mit heftiger Brutalität losgezogen.

Wie damit umgehen? Entweder man bremst sie komplett aus, indem alle mit erhobenen Händen vor ihnen stehen bzw. sitzen und sich nicht rühren und das selbst bei brutalster Aktivität regungslos aber lautstark durchziehen. Jede Gewalteskalation seitens der Cops wird von Aussenstehenden dann klar zugeordnet werden können und vielleicht auch die Cops vor den öffentlichen Pranger bringen, oder das Gegenteil, das bedeutet dann aber auch für einander einzustehen, dann gibt es keine Gefangenen oder nur Gefangene.

Ton auf dem Video

dänischkundiger 06.01.2007 - 14:09
Nochmal den Ton zusammengefasst:

Am Anfang erzählen die allen Erntes per Megaphon, dass alle festgenommen sind. Dann wollen sie, dass sich "still und ruhig verhalten" und sich auf den Boden setzen. Das wiederholen sie ständig, dreschen aber ständig auf die Leute ein, die eigentlich schon sizten und so die Standard-Demo-Parolen rufen.

Mit professionellem Handeln hat das ja nun echt nix zu tun. Ähnlich muss es auch '93 bei den EU-Unruhen gewesen sein, als die mehrmals wild und scharf um sich geschossen haben.

Habe ich in DK auch später noch öfter erlebt, dass die Bullen zwar ganz lange gar nicht eingreifen oder gar nicht zu sehen sind (Z.B. Weltsozialforum 1994 war superdezent bewacht) dann aber umso mehr austicken, z.B. 18. Mai-Demos (Gilt scheinbar auch für Demonstranten - meist superfriedlich, wenn Krawall dann aber richtig). Erst seit der neuen Regierung ist mir, wenn ich mal wieder da war aufgefallen, dass in Kbh. viel mehr Wannen rumfahren und die Jungs auch im Alltag in Kampfmontur herumspazieren.

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