Friedensprozess "liquidiert und beendet"

Ralf Streck 05.01.2007 11:27 Themen: Weltweit
In der spanischen Regierung setzen sich die Kräfte durch, die den Friedensprozess nach dem Anschlag ETA in Madrid begraben wollen. Obwohl sich die Untergrundorganisation noch nicht erklärt hat, besteht kein Zweifel daran, dass sie am 30. Dezember mit einer großen Bombe ein großes Parkhaus des Flughafens in Schutt und Asche verwandelt und so ihre neunmonatige Waffenruhe beendete. Die beiden bisher vermissten Ecuadorianer wurden inzwischen gefunden. Die Repressionsmaschine läuft auf vollen Touren an unter anderem wurde Arnaldo Otegi wurde verboten, an der LL-Konferenz in Berlin teilzunehmen.
Hatte der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero den Prozess zunächst nur "ausgesetzt" ( http://de.indymedia.org/2007/01/165256.shtml), sagte nun Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, die ETA habe ihn mit dem Anschlag "zerstört, beendet und liquidiert". Zuvor hatte die baskische Sektion der Sozialisten (PSOE) erklärt, den Kontakt zur verbotenen Partei Batasuna (Einheit) zu beenden. Rubalcaba erklärte den Anti-Terror Pakt nun wieder für "gültig", dabei hatte es kein Treffen mehr mit der oppositionellen Volkspartei (PP) mehr gegeben, nachdem sich Zapatero im Mai 2005 die Erlaubnis zum Dialog mit der ETA vom Parlament geben ließ.

Der PP-Chef Mariano Rajoy nannte ihn dabei einen "Verräter" und erklärte den Pakt für beendet. Die PSOE gibt nun dem Druck der PP nach, die bisher jede Möglichkeit nutzte, um den Friedensprozess zu torpedieren. Die Proteste gegen den Anschlag versucht sie in Proteste gegen die Regierung zu verwandeln. Ihr reichen auch die bisherigen Aussagen nicht. Sie wollen den geschwächten Zapatero auf die Knie zwingen. Eine "offizielle Erklärung" forderte der PP-Sprecher Ignacio Astarloa, der 1999 an Verhandlungen mit der ETA teilnahm.

In allen Lagern hat der Anschlag für Wirbel gesorgt. So pfiff der Chef der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) ihren Sprecher zurück. Joan Ridao hatte den Anschlag zwar verurteilt aber angefügt, die ETA habe "wohl mehr von ihrer Seite für den Friedensprozess getan als die Regierung". Er kritisierte vor allem, dass es keine Entspannung in der Gefangenenfrage gegeben habe. Die ERC distanzierte sich davon und stellte sich hinter Zapatero. Sie fordert von ihm aber eine Politik, die zum Dialog zurückführt. Ähnlich sieht das das auch die Vereinte Linke (IU).

Für die drei baskischen Parteien, welche die Regionalregierung bilden, forderte die Regierungssprecherin Miren Azkarate die Bevölkerung auf, sich dafür einzusetzen, dass der Friedensprozess wieder in Gang kommt. Auch Batasuna will den von ihr eingeleiteten Prozess nicht aufgeben. Die Partei hatte zwar seit Monaten vor der Krise gewarnt, weil die Repression, Verhaftungen und die Verbote von Parteien und Organisationen andauerten. "Einen Anschlag wie in Madrid hat aber niemand erwartet", sagte der Auslandssprecher der Partei Joseba Alvarez.

Der Anschlag fördere den Friedensprozess nicht, sagte er. Er forderte die ETA auf, zu erklären, ob sie die Waffenruhe aufgegeben habe. Im linksnationalistischen Lager gibt es offene Kritik an der ETA. Deutlich drückte der bekannte Sänger Fermin Muguruza, der einst für Batasuna kandidierte, seine "vollständige Ablehnung" des Anschlags und seine "Wut über das Verschwinden der beiden ecuadorianischen Arbeiter" aus. Er forderte die ETA auf, zur "permanenten Waffenruhe zurückzukehren". Spanien und Frankreich müssten aber auch "die Repression beenden" und ihre "Gesetze aufheben, die Ideen illegalisieren, und die Politik der Vernichtung der Gefangenen ändern", damit der Frieden eine Chance erhalte. ( http://de.indymedia.org/2007/01/165270.shtml).

Inzwischen wurden einer der Ecuadorianer aus dem Schutt geborgen und der zweite gefunden. Batasuna hat ihre "tiefe Trauer über die tragischen Konsequenzen des Anschlags" ausgedrückt und den Familien und den Freunden der Opfer ihr Beileid ausgesprochen. Die Partei beklagt in der Erklärung die Toten und bestägt den Willen dafür zu sorgen, dass sich solcherlei Dinge nicht wiederholen.

Inzwischen läuft die Repressionsmaschine auf vollen Touren an. Dem Batasuna Sprecher Arnaldo Otegi wurde verboten, den spanischen Staat zu verlassen. Er wollte zur LL-Konferenz nach Berlin, was auch genehmigt war. Statt dessen wird er wieder vor Gericht geladen. Seine erneute Inhaftierung dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Ob ein Großveranstaltung der Angehörigen der Gefangenen morgen im Radsportstadion von Donostia stattfinden kann, steht in den Sternen. Ein Richter hat mit den Vorbereitungen für das Verbot begonnen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 05.01.2007
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Reiseverbot für Otegi

Gerd Schumann 05.01.2007 - 13:11

Reiseverbot für Otegi

Mit einem Reiseverbot versucht Spaniens Justiz derzeit, die Teilnahme von Arnaldo Otegi an der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin zu verhindern. Otegi, Sprecher der verbotenen Partei Batasuna (Einheit), bestätigte am Donnerstag gegenüber junge Welt, daß sein beim zuständigen Gericht eingereichter Antrag auf einen Berlin-Aufenthalt vom 12. bis 14.Januar »definitiv abgelehnt« worden ist. Diese repressive Maßnahme »ist lediglich der Anfang von dem, was noch kommen wird«, befürchtet Otegi. Es könne sein, daß insbesondere der baskischen Linken eine neue, ungeahnte Unterdrückungswelle bevorsteht. Im Baskenland löste der Angriff auf die Bewegungsfreiheit des prominenten Politikers der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung starke Diskussionen aus. Die Zeitung Gara kommentierte am Donnerstag, Otegi stehe »wieder einmal im Zentrum gerichtlicher Verfolgung«.

Als Begründung für die höchstrichterliche Entscheidung wurde angeführt, es sei »unabdingbar«, daß sich der Batasuna-Sprecher wegen verschiedener Ermittlungsverfahren »innerhalb des nationalen Territoriums befindet und jederzeit der Audienca Nacional (Oberster Gerichtshof) zur Verfügung steht«. Neben einigen nicht abgeschlossener Strafverfahren, darunter eines wegen »Majestätsbeleidigung«, führte Audienca-Staatsanwalt Carlos Bautista laut El Pais vom Donnerstag den Auftritt Otegis auf einer Pressekonferenz »im Namen Batasunas« an. Da Batasuna verboten ist, sei dieser illegal gewesen. Otegi hatte sich am Samstag vor der Presse in Donostia (spanisch: San Sebastian) zum mutmaßlich von der Untergrundorganisation ETA zu verantworteten fatalen Autobombenanschlag auf ein Parkhaus des Madrider Flughafens Barajas geäußert und den Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl ausgesprochen. Zugleich hatte er sich eindeutig für eine notwendige Fortsetzung des Friedensprozesses engagiert – eine Position, die von wichtigen Teilen des politischen Spektrums im Baskenland geteilt wird.

In einem ausführlichen Exklusivgespräch mit junge Welt, das in der Wochenendausgabe veröffentlicht wird, verweist Otegi darauf, daß es zu einer »politischen Lösung des bestehenden Konfliktes keine Alternative« gibt: »Alles andere ist auf Sand gebaut.« Voraussetzung hierfür sei allerdings eine »Ablehnung jeglicher Gewalt«, also nicht nur die von ETA, sondern ebenfalls die vom spanischen Staat verübte. Madrid habe auch nach dem Beginn der Waffenruhe der Untergrundorganisation vom 22. März 2006 weiter repressiv agiert, Razzien und Verhaftungen vorgenommen. Nunmehr, nach dem Anschlag vom 30. Dezember, befindet sich der Friedensprozeß laut Otegi in einer »enormen Krise«. In diesen komplizierten Zeiten gelte es umso mehr für die Linke, sich trotz aller Turbulenzen für eine »Dialoglösung« einzusetzen.

Otegi war von junge Welt und Cuba Si im Herbst vergangenen Jahres zur XII. Rosa-Luxemburg-Konferenz am 13. Januar 2007 eingeladen worden, hatte seine Teilnahme zugesagt und wollte sich zum Motto »Das geht anders – united, unido, vereint« mit Fragen des Kampfes um Unabhängigkeit und Sozialismus am Beispiel des Baskenlandes auseinandersetzen – ein angesichts der zugespitzten Lage noch brisanter gewordenes Thema. Trotz Reiseverbot gibt sich Otegi aber zuversichtlich. Derzeit werde alles versucht, »damit ich trotzdem auf der Konferenz zu Wort komme«.

Verhindert

Ralf 07.01.2007 - 12:36
Die Polizei hat gestern das Treffen der Angehörigen der pol. Gefangenen in Donostia verhindert, nachdem es wie erwartet plötzlich nach dem Anschlag der ETA verboten wurde. Trotzdem versammelten sich tausende vor dem Stadion. Eine Demo ließ die Polizei auch nicht zu und nachdem die Veranstalter eine halbe Stunde Sitzstreik aufgelöst haben, provozierte die Polizei die Leute. Da die Stimmung extrem geladen war, schossen sie mit Gummigeschossen plötzlich in die Menge. Woraufhin Barrikaden gebaut wurden und es ne Stunde Strassenschlachten gab, bis das Derby im Stadion zwischen Real und Osauna begann. Die Fans beider baskischer Vereine wurden einbezogen, da die Polizei auch auf sie geschossen hat.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 4 Kommentare an

Wer postet — Paul

wie denn auch — §=$)%/

@§=$)%/ — Paul