Basken warten auf Schritte von Spanien

Ralf Streck 30.12.2006 11:30 Themen: Repression Weltweit
In Spanien keimen Hoffnungen, dass der baskische Friedensprozess in Gang kommt. Madrid lässt durchsickern, es habe ein Treffen mit der ETA gegeben und die Diskussion über die Legalisierung von Batasuna beginnt. Die linke Unabhängigkeitsbewegung erklärte, in den derzeitigen Koordinaten sei ein Friedensprozess undurchführbar.
Seit Monaten ist der baskische Friedensprozess festgefahren. Zuletzt wurde gewarnt, die Untergrundorganisation ETA könnte ihre im März verkündete "dauerhafte Waffenruhe" zum Jahresende aufkündigen. Sie hatte der spanischen Regierung wiederholt vorgeworfen, im Vorfeld gegebene Versprechen nicht zu halten. Deshalb startete die Regierung in Madrid vor Weihnachten eine Öffentlichkeitsoffensive, um der trüben Stimmung zu begegnen.

Gezielt ließ man an Zeitungen durchsickern, es habe Mitte Dezember ein erstes Treffen mit der ETA in einem "europäischen Land" gegeben. Die regierungsnahe Zeitung El País berichtete mit Bezug auf die sozialistische Regierung, die ETA habe dabei versichert, an der Waffenruhe festzuhalten. Auch Details wurden genannt. An dem Treffen soll mit Josu Urrutikoetxea der angebliche Chef der ETA teilgenommen haben.

Diese Meldungen wurden weder bestätigt noch dementiert, doch um ihnen Nachdruck zu verleihen, lud Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero den Oppositionsführer Mariano Rajoy ein, um über den Friedensprozess zu sprechen. Es war das erste Treffen mit dem Chef der ultrakonservativen Volkspartei (PP) nach neun Monaten. So machte Zapatero die Bedeutung deutlich, auch wenn sein Innenminister Alfredo Rubalcaba erklärte: "Wenn es etwas Wichtiges gibt, werden die Fraktionen im Parlament die ersten sein, die davon erfahren". Das sei heute noch nicht der Fall, fügte er an.

Da die Regierung seit 18 Monaten die Erlaubnis vom Parlament zu Verhandlungen hat, erstaunt eher, dass es zuvor noch kein Treffen gab. Eigentlich wollte Zapatero über deren Verlauf dem Parlament schon im September Bericht erstatten. Da die ETA bisher schweigt, ist das alles Spekulation. Selbst Rajoy erklärte nach dem Treffen, Zapatero habe keine "neue Gegebenheiten geschildert, die mich optimistischer machen". Seine PP ist ohnehin gegen einen Friedensprozess und forderte erneut, keinen Dialog einzugehen.

Für Entspannung hat die Nachricht auch nicht gesorgt. Mehr als 200 Demonstrationen wurden in der letzten Woche verboten, mit denen die linke Unabhängigkeitsbewegung in Städten und Dörfern für den Frieden und für die Rechte der Basken eintreten wollte. Das Abbrennen von Bankautomaten oder Autobussen hält ebenfalls an. Statt schöner Worte forderte vor Weihnachten die verbotene Partei Batasuna (Einheit) von Zapatero "Handlungen die beweisen, dass er auf eine Konfliktlösung setzt". Bisher habe Batasuna keine Hinweise, dass sich an der Lage etwas geändert habe, sagte ihr Sprecher Arnaldo Otegi. Zapatero müsse "demokratische Bedingungen" schaffen, damit sich auch die baskische Linke, die den Prozess angestoßen hat, auch "gleichberechtigt an der Konfliktlösung" beteiligen könne.

Klar ist: Ohne konkrete Schritte wird der Prozess scheitern. Ein winziger Schritt ist, dass das Ministerium für Staatsanwaltschaft die Anklage gegen die vor vier Jahren geschlossene Tageszeitung Egunkaria einstellen will. Ein Staatsanwalt hat die Anschuldigungen des Nationalen Gerichtshofs Punkt für Punkt zerpflückt. Dass die Zeitung der ETA untergeordnet sei und für sie Geld gewaschen habe, dafür gäbe es bestenfalls geringe Indizien. Das letzte Wort fällt aber das Sondergericht. Den Schaden hat es schon angerichtet, die Zeitung ist ruiniert.

Die Legalisierung von Batasuna, für deren Verbot einst extra ein Gesetz aus dem Boden gestampft wurde, wäre ein klarer politischer Schritt, wie eine Entspannung in der Gefangenenfrage. Die Situation der 700 baskischen Gefangenen hat sich während der Waffenruhe weiter verschlechtert. So forderten 200 Juristen aus dem gesamten spanischen Staat deren Verlegung ins Baskenland, wie es das Strafrecht ohnehin vorsehe. Am Sonntag wurde die Debatte um die Relegalisierung von Batasuna eröffnet. Es sei für das "demokratische Zusammenleben" wichtig, dass sich die baskische Linke an den kommenden Wahlen im Mai beteiligen könne. Für die erwartete Geste zu Weihnachten in der Gefangenenfrage hat Zapatero noch bis zum 6. Januar Zeit, der große Feiertag in Spanien.

© Ralf Streck den 30.12.2006
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Ergänzungen

ETA-Bombe in Madrid?

Ralf 30.12.2006 - 11:48
Heute gegen neun Uhr ist eine Autobombe in Madrid am Flughafen explodiert. Erst gestern hatte Zapater versucht Mut zu machen und erklärt, heute sei man im Friedensprozess weiter als vor einem Jahr und nächstes Jahr dann weiter als heute. Wenn die ETA für den Anschlag auf den Flughafen verantwortlich ist, bei dem es nach der Evakuation des Terminals 4 einige leichte Verletzte gegeben habe soll, dann wäre das Schnee von gestern.

Ganz ausschließen ist, angesichts der Entwicklung des so genannten Friedensprozesses,
nicht, dass die ETA die Waffenruhe beendet. Die Art spricht aber gegen sie, auch wenn sonst Teile ihres Vorgehens da sind: Autobombe, Warnanrufe. Allerdings soll der Anrufer nur in einem Anruf gesagt haben, der Anschlag komme von der ETA.

Ihre letzte Waffenruhe hatte sie 1999 zunächst per Kommunique beendet und der erste Anschlag fand erst einige Zeit später statt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich dahinter eine Art schmutziger Krieg verbergen könnte, um den Prozess endgültig zu sprengen. Man darf an den toten Gefangenen im Frühjahr erinnern, bei dem die Umstände des Todes völlig unklar sind.

Klar war, dass trotz der Äußerungen von Zapatero und Co der Prozess am Verfaulen war, weil in neun Monaten praktisch nichts passiert ist und sich die PSOE sogar gebrüstet hat, weniger gemacht zu haben, als die PP in der Waffenruhe 1998/99.

Es ist auch kaum anzunehmen, dass die ETA in einem Friedensprozess zuschaut, wie ihre Gefangenen nicht aus dem Knast gelassen werden, wenn sie sogar die Strafe schon abgesessen haben und dann wie Juana de Chaos im Hungerstreik für ihre Freilassung sterben. Inzwischen sind auch noch weitere Gefangene im Hungerstreik.

Wieder mal ein Bömbchen?

Rolf Schock 30.12.2006 - 20:35
...bei dem es nach der Evakuation des Terminals 4 einige leichte Verletzte gegeben habe soll...

Aha, die mindestens 19 Leute haben sich bei der Evakuation selbst verletzt, und die 2 immer noch vermissten Menschen haben sich sicher bloss gut versteckt?

 http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/6219431.stm

Aber Hauptsache man kennt sich halt einfach *aus*.

P.S. Wie war das nochmals mit der Kapazität von Atomkraftwerken?

Anschlag in Madrid

Ralf 31.12.2006 - 14:58
Bald bei Telepolis:
 http://www.heise.de/tp/

Link

Paul 31.12.2006 - 20:56
ETA sprengt baskischen Friedensprozess

Ralf Streck 31.12.2006

Mit einem großen Anschlag auf den Madrider Flughafen beendete die ETA gestern ihre Waffenruhe

 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24345/1.html

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