Mindener Nazidemo wieder ein Desaster

Claus Santa 24.12.2006 18:31 Themen: Antifa
Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Naziaufmarsch der Nationalen Offensive Schaumburg an Heiligabend tatsächlich genehmigt hat, latschten 30 „Freie Kameraden“ heute ein paar hundert Meter durch Minden. Die mehreren hundert Polizeibeamten – unter anderem aus Bochum und Gelsenkirchen angereist – fanden das auch nicht toll, einige ließen ihren Frust an Gegendemonstranten aus.
Eigentlich war die Demonstration der Nationalen Offensive Schaumburg „Gegen Repression und Polizeiwillkür“ verboten worden. Zu der hatten die Nationalen Sozialisten um Marcus Winter aufgerufen, weil sie den Grund für ihre bisher desaströsen Aufmarschversuche 2006 in Ostwestfalen im Verhalten der Behörden sehen. Die waren nämlich nicht gewillt, im März, September und November den Nazis den Weg durch protestierende Bürger freizuknüppeln. Das Verbot der „Heiligabend-Demo“ durch den Landrat des Kreises Minden-Lübbecke hatten auch das Verwaltungsgericht Minden und das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt. Denn nach dem nordrhein-westfälischen Sonn- und Feiertagsgesetz sind Demonstrationen an diesen Tagen nur eingeschränkt erlaubt, da sie, so das Verwaltungsgericht Minden, den Fußweg von Kirchgängern kreuzen könnten. Das Gericht sah auch keinen Grund dafür, dass die Nazis ihr Versammlungsrecht ausgerechnet an Heiligabend ausüben müssen, schließlich habe die Demo "keinen, auch nur entfernten Bezug zum 24.12. oder dem bevorstehenden Weihnachtsfest".

Das Oberverwaltungsgericht befand zudem, dass die Nazidemo gegen das Schikaneverbot verstößt. „Auch das Versammlungsgrundrecht dürfe nicht zu dem Zweck ausgeübt werden, einem anderen Schaden zuzufügen. Mit der Wahl des Zeitpunktes (Heiligabend) verfolge der Veranstalter das alleinige Ziel, der Polizei die größtmöglichen Schwierigkeiten zu bereiten“, befand das OVG. „Die Polizeibeamten sollen den Tag nicht im Kreise der Familie verbringen können, sondern gezwungen werden, überplanmäßig an Heiligabend Dienst zu verrichten“, beschrieb das OVG die Intention der Nazis. Das Bundesverfassungsgericht stufte dennoch das Versammlungsrecht der Nazis höher ein, als das Recht der Bürger auf friedliche Weihnachten und das der Polizeibeamten, mit ihren Familien das Fest zu feiern. Selbst gestandene Autonome hatten fast Mitleid mit den eingesetzten Beamten, von denen einige die Entscheidung des Verfassungsgerichts mit Kopfschütteln kommentierten.

Denn aufgrund dieser Entscheidung waren mehrere hundert Beamte im Einsatz um etwa dreißig Hanseln, vor allem aus Schaumburg, Hamm und dem Ruhrgebiet, einen mehrere hundert Meter langen Marsch zu ermöglichen. Auch wenn die Mindener Polizei aus unerfindlichen Gründen von 60 – 70 sprechen: Mehr Nazis wollten sich trotz Kaffefahrtatmosphäre – die Nationale Offensive Schaumburg hatte eine Verlosung von CDs, Bekleidung und Tattoo-Gutscheinen angekündigt – nicht wieder blamieren. Nicht einmal die Tatsache, dass Christian Worch den Versammlungsleiter spielte und sich Szene“größen“ wie „SS-Sigi“ Borchardt, Bernd „das Brot“ Stehmann oder Sascha Krolzig die „Ehre“ gaben, vermochte mehr Nasen hinter dem Ofen hervorzulocken.

Verständlich, schließlich war es recht frisch in Minden, was aber über einhundert Demokraten nicht davon abhielt, die Naziroute zu blockieren. Etwa 300 Menschen beteiligten sich zudem an einer Lichterkette, 500 nahmen nach Angabe der Polizei an einer Kundgebung gegen Rechts teil. Bereits zuvor hatten etwa achtzig Antifaschisten ebenfalls versucht auf die Route der Nazidemo zu gelangen, die Gelsenkirchener Hundertschaft hielt den Weg für die Kameraden aber unter Einsatz von Pfefferspray frei. Außerdem ließen die Beamten ihren Frust dadurch ab, dass sie nach der Mahnwache die Personalien einiger Antifaschisten aufnahm.

Die auch zeitlich recht kurze Nazidemo – das Verfassungsgericht hatte ein Zeitfenster von 11 Uhr bis 13.30 Uhr genehmigt, zudem verspätete sich Herr Worch bei der Parkplatzsuche, sodass die Gruppe erst kurz vor zwölf losging – endete vor dem Mindener Bahnhof. Dort kündigte Marcus Winter an, dass er auch am 30. und 31.12. in Minden demonstrieren wolle. Vielleicht ermöglicht dann ja das Bundesverfassungsgericht eine Demo von ihm und seinen drei Freunden. Die Bewachung durch hunderte Beamte wird aber auch dann vonnöten sein. Schließlich könnte ja die Antifa schon mal das Silvesterfeuerwerk testen wollen.
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Ergänzungen

Frohe Weihnachten!

Weihnachtsfee 24.12.2006 - 21:03
Hier mal ein Foto vom "gesmashten" Bullenauto, kam zufällig dran vorbei, die Polizei im Wagen war wohl ziemlich verwirrt. Fand die Aktion sehr gewagt und realativ unsinnig, aber letztendlich doch schön anzusehen.

Einschätzung aus Schaumurg

Schaumburger AntifaschistInnen 25.12.2006 - 00:18
Der 24.12.06 war aus antifaschistsicher Sicht auf jeden Fall ein erfolgreicher Tag! Die Nazis haben sich einmal mehr lächerlich gemacht.

Eine ausführliche Einschätzung von AntifaschistInnen aus Schaumburg findet ihr unter:  http://de.indymedia.org/2006/12/164910.shtml

Das schreibt dpa

Die Wahrheit liegt in der Mitte 25.12.2006 - 05:02
500 Menschen protestieren gegen Neonazi-Demo

Minden (dpa) - Rund 500 Menschen haben an Heiligabend in Minden gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten protestiert.
Als Steine auf die rund 70 Neonazis geworfen wurden, nahm die Polizei zwei Menschen fest. Verletzt wurde niemand. Mehrere hundert Polizeibeamte seien im Einsatz gewesen, teilte die Behörde mit. Am Freitag hatte das Bundesverfassungsgericht die für Heiligabend geplante Demonstration der Rechtsextremisten erlaubt.
DPA