Altamerikanisten vs Apokalypto

Altamerikanist 22.12.2006 16:30 Themen: Antirassismus Medien
Das "historische" Hollywoodfilme es mit der Geschichte meistens nicht so genau nehmen ist ja allgemein bekannt, doch der neue Gibson Film übertrifft mal wieder alles, aber war es uns zumindest Wert einige Sachen aus wissenschaftlicher Sicht richtigzustellen.
Als StudentInnen der Altamerikanistik/Ethnologie an der Universität Bonn distanzieren wir uns von Inhalt und Zielsetzung des Hollywood Kinofilms „Apocalypto“, in dem der Regisseur Mel Gibson vorgibt, die klassische Maya-Kultur „authentisch“ zu präsentieren.
Zunächst muss festgestellt werden, dass die Darstellung im Film weitgehend nicht den historischen Tatsachen entspricht.
Weiterhin sehen wir die Gefahr, dass durch die Ausstrahlung von Apocalypto in Lateinamerika der ohnehin schon vorhandene Rassismus den heute lebenden Maya gegenüber neuen Nährboden findet.
Mel Gibson beschränkt sich in seiner Darstellung der klassischen Maya auf eine Vielzahl aufeinander folgender Gewaltszenen und versäumt es gänzlich diese in einen politischen sowie religiösen Kontext zu stellen.
Dies gilt sowohl für die Inszenierung kriegerischer Überfälle als auch für das Durchführen ritueller Blutopfer. Vielmehr basieren in Apocalypto jene Handlungen auf dem willkürlichen Konstrukt eines Gut-Böse Schemas.
Kulturell herausragende Errungenschaften der klassischen Maya wie hoch entwickelter Architektur und Kunst, einer komplexen Hieroglyphenschrift sowie eines Kalendersystems auf Basis sehr genauer astronomischer Berechnungen finden in Mel Gibsons Darstellung keinen Platz.
Solche Formen der Disqualifizierung verhelfen dem Kinobesucher zu einem ein Bild der Maya als kulturloses und primitives Volk. Die Art und Weise wie Mel Gibson die Maya in seinem Film darstellt, erinnert an schlimmste rassistische Propagandafilme des 3. Reiches wie z.B. „Der ewige Jude“, wo den dargestellten Menschen alles Humane abgesprochen wird.
Die Freiheit der Kunst, auf die sich Gibson gegenüber seinen Kritikern berufen könnte, hat eindeutig ihre Grenzen, wenn diese auf Kosten der im Film dargestellten Maya missbraucht wird.
Mit der Ankunft der spanischen Eroberer zum Ende des Films assoziiert Gibson einen Ordnung bringenden Neuanfang wodurch die Kolonialisierung letztlich gerechtfertigt wird.
Die heute in Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador lebende Maya- Bevölkerung (ca. 8 Mio), ist nach wie vor Rassismus und Ausgrenzung ausgesetzt.
Der erst im letzten Jahrzehnt beendete 30jährige Bürgerkrieg in Guatemala und der damit einhergehende Völkermord an der einheimischen Mayabevölkerung ist hierfür ein schreckliches Beispiel. Die Ausstrahlung von Apocalypto vor Ort wird es den Maya nachhaltig erschweren, sich auf eine ihnen würdige Geschichte berufen zu können.
Der Arbeit vieler Organisationen und Wissenschaftler, die die Maya in Zukunft endlich als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft in den mittelamerikanischen Staaten etablieren wollen, werden mit Apocalypto Steine in den Weg gelegt.


Studierende der Altamerikanistik/Ethnologie an der Universität Bonn
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Ergänzungen

Najann

Fritz 22.12.2006 - 18:15
Das ist sicher richtig, was ihr sagt, und Holywoodfilme, sei es ueber die Diktatur in Chil, den Holocaust, den Vietnamkrieg oder Ebola, oder ueber irgendeine andere Begebenheit, haben immer dieselbe message: der Kampf der Guten gegen die Boesen. Oft gibt es dabei auch boese Amis und gute Einheimische. Es wird also viel Moral produziert, und es wird nichts erklaert.

Eure Verteidigung der Maya verstehe ich allerdings nicht so richtig. Ihr fuehrt an, dass sie doch ein hochkulturelles Volk waren und sich in Architektur und Astronomie auskannten. Und wenn sie das nicht gewesen waeren? Waere der Film dann ok fuer euch?

@fritz

tagmata 22.12.2006 - 19:51
der punkt ist, die maya waren was sie waren. der film lügt. simple as that.

nimm zum beispiel "die götter müssen verrückt sein" - die darstellung des san in dem streifen ist auch nicht 100% akkurat (die darstellung der kultur der san war um rund 20 jahre veraltet) und auch ein bißchen patronisierend, aber dafür daß das ding von einem apartheids-buren gemacht wurde, ist er schon wieder recht nett.

jede kultur ist komplex, egal ob sie materiell, wissenschaftlich etc primitiv ist. es gibt wahrscheinlich keine menschliche gesellschaft, die so krude ist wie die von gibson dargestellte.

nimm zum beispiel die sentineli - keiner weiß wie die wirklich heißen, weil sie die lästige angewohnheit haben, fremde eine zeitlang zu beobachten und dann aus dem hinterhalt mit pfeilen zu spicken. ihre materielle kultur ist extrem primitiv; eisen ist für sie wohl so eine art komisches holz. sie können noch nicht einmal feuer selbst anzünden. der hubschrauber mit dem nach dem weihnachtstsunami nach ihrem überleben geschaut wurde wurde wahrscheinlich für einen großen bösen vogel gehalten; jedenfalls haben sie drauf geschossen. kleidung haben sie gar keine, außer wenn sie auf die jagd gehen oder wenn sie sich kloppen; dann binden sie sich einen fetzen leder vor den hodensack.

und trotzdem: um ihre laubfackeln stellen sie fünffingrige zweige, die sie extra zu diesem zweck suchen. kindergräber werden mit einer einzelnen nautilusschale dekoriert. in der nähe ihrer siedlungen legen jäger haufen aus schweineschädeln an. warum? die sentineli sind die einzigen die es wissen, aber *irgendeinen* sinn wird es für sie haben.

man könnte sie in einem film (den es mangels informationen leider nicht geben wird) als gemeine, völlig unzivilisierte barbaren darstellen - oder man könnte zeigen, daß trotz ihrer materiellen primitivität diese leute eine ausgefeilte kultur besitzen (man weiß daß sie viel singen und tanzen - vor allem wenn sie mal wieder ein boot voll von diesen komischen blassen fremden mit warnschüssen verjagt haben. aber niemand weiß, was sie so singen. ohne frage haben sie sehr interessante legenden, und wie der marginale kontakt, den sie mit moderner zivilisation hatten, in ihren mythen und legenden verarbeitet wurde... jeder anthropologe leckt sich die finger, einen von diesen "primitiven" einfach mal erzählen zu lassen)

mit der kritik sind die bonnerInnen übrigens in sehr angesehener gesellschaft:
 http://en.wikipedia.org/wiki/Apocalypto#Historical_inaccuracies

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klar

@tagmata 23.12.2006 - 02:18
natuerlich gibt es einen Haufen historischen Quatsch mit Sosse. Und die Anthropologen sind ein lustiges Voelkchen. Bei den Yanomami-indianern, die im Grenzgebiet von Brasilien und Venezuela wohnen, tobt zum Beispiel ein regelrechter Krieg. Allerdings nicht zwischen den Indianern, obwohl das auch gelegentlich vorkommt, sondern zwischen den Anthropologen. Sie schlagen sich die Koepfe wegen der richtigen Interpretation, ob man die Waldbewohner als brutal und kriegsluestern darstellen soll oder nicht.

Um Rassisten, Ausbeutern und modernen Kolonialisten entgegenzutreten, taugt es allerdings nichts, auf die hohe Kultur eines drangsalierten Volkes hinzuweisen. Gerade das ist dem Rassisten ja egal, wie der Film von Mel Gibson beweist.

Sentinelesen

trema 23.12.2006 - 18:37

verstehe nicht was ihr von dem film erwartet

quetzalcoatl 27.12.2006 - 18:22
ist halt hollywood. was erwartet ihr von einem typen der sich von gott berufen glaubt einen film über jesus zu drehen, weil irgendeine frau zu ihm kam und sagte "jesus liebt dich". zum beispiel hören die bullen in deutschen krimis geile musik, sind nett und zitieren jim morrison textzeilen. realität ist sie hören modern talking, sind stumpf wie sau, und wissen nichtmal wer die doors waren. beschweren wir uns hier auch über ungerechtigkeit? nebenbei haben die mayas wirklich öfter mal jemanden geopfert, nicht so übertrieben wie die azteken, aber es gibt da so höhlen mit lauter gemeuchelten babies. sie glaubten halt ein kleines menschenopfer verhindert mißernten und kriege.