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Weihnachtsgeschenke aus der Hölle

Dieter Hummer 17.12.2006 16:50 Themen: Globalisierung Weltweit Ökologie
Die deutsche Weihnacht ist ein Exportprodukt aus China. 80 Prozent des Spielzeugs auf unseren Gabentischen stammt aus der chinesischen Boomprovinz Guangdong, fast alle deutschen Marken lassen dort produzieren. An den Kindergeschenken haften jedoch häufig Schweiß und Blut, denn die Arbeitsbedingungen in Guangdongs Fabriken brechen elementarste Menschenrechte.
Giftige Luft im Akkord

Ich halte den Atem an, immer wieder, bekomme erst Kopfweh, drückend von der Schädeldecke her, dann wird mir schwindlig. Ich stehe in Chinas Weihnachtsparadies, einer von Tausenden Spielzeugfabriken, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. „Die arbeiten nicht schnell genug“, flucht mein Begleiter, Joey Wong, der hier 5000 Miniatur-Raumschiffe fertigen lässt. Er führt mich durch einen adventlichen Albtraum. „Das sind dumme Bauern vom Land, denen musst du alles zehnmal einbläuen.“

Es faucht und zischt in der Halle, bunter Lack schießt aus dutzenden Sprühpistolen, die 70 Arbeiter über winzigste Plastikstücke halten. Ganz nah ans Gesicht halten sie die Lacksprüher, damit Joey sie nicht anbrüllt, sie präzise genug sein können. Bis zu 16 Stunden am Tag atmen die jungen Männer und Frauen die giftigen Lackstoffe ein, die Lösungsmittel, die das Gehirn schädigen, Niere, Leber, Herz. Die ihnen auf Dauer die Lunge zerfressen.

Ausschläge und geplatzte Blasen

Die Gesichter von vielen sind von Ausschlägen vernarbt, an den Armen platzen rote Blasen auf. Nur wenige tragen Mundschutz, Mullmasken, die nur gegen Staub schützen, nicht gegen die giftigen Dämpfe. Ich habe es nie anders gesehen in Guangdongs Spielzeugfabriken, auch nicht in den denen, die für Deutschlands namhafteste Unternehmen herstellen. Vierzehn Tage lang bin ich durch das Land der Kinderträume gereist, mit Firmenchefs habe ich Gespräche geführt und mit Vertretern von unabhängigen Gewerkschaften, die in China verboten sind. Vor der Recherche hatte mich ein Kollege gewarnt: „Es gibt nichts schwierigeres in China“, sagt er, „als eine Spielzeugfirma zu besichtigen.“

Freiwillig in der Hölle

Teddybären, Barbies, Puzzles, Ritterburgen, Gameboys, das meiste kommt aus Fabriken, die eher mit stalinistischen Arbeitslagern zu vergleichen sind. Mit dem einzigen Unterschied, dass sich die Insassen freiwillig in die Knochenmühle begeben. Ich treffe den 23-jährigen Arbeiter Chao Yu (Name geändert). Die „Hölle“ nennt er seine Fabrik, weil ihr Name dem chinesischen Schriftzeichen für Verdammnis ähnelt. Es heißt, sie sei die Schlimmste unter den großen Betrieben in der Stadt. „Ich habe Angst vor Morgen“, sagt Yu, der seine Hand seit vergangener Woche nicht mehr richtig bewegen kann. Entzündete Knöchel. Im achten Monat in Folge drückt er nun kleine Ersatzräder aus Plastik an die Rückseite eines Spielzeugjeeps und Stoßstangen an die Vorderseite. „Ich habe meinen Gruppenleiter gebeten, er soll mir eine andere Aufgabe zuteilen. Aber er hat abgelehnt.“

Wie lange die Marathonmaloche am Fließband wird, erfahren sie meist erst im Laufe des Tages. Zur Hochsaison zwischen Juni und August, wenn sie für Weihnachten produzieren, sind es nicht selten 18 Stunden. Manchmal – bei Eilaufträgen – arbeiten sie die ganze Nacht. Drei Tage und Nächte Schufterei sind Yus persönlicher Rekord. Einen freien Tag gibt es selbst in der Nebensaison nur einmal im Monat. Der Verdienst – nach allen Abzügen für Kantine und Wohnheim – liegt im Schnitt bei 60 Euro. Die meisten Abteilungen sind ohne Klimaanlage, die Temperaturen werden im Sommer unerträglich. Fünfmal am Tag dürfen Frauen auf Toilette, dreimal die Männer, für maximal fünf Minuten. Wer häufiger muss, zahlt Strafe, die vom Gehalt abgezogen wird.

Gefälschte Zertifizierungen

Internationale Hilfsorganisationen und die Kirchen kritisieren regelmäßig die Zustände in Chinas Spielzeugfabriken. Jetzt hat die Industrie nach langem Zögern mit Kontrollen der Arbeitsbedingungen begonnen. Der Weltspielzeugverband „ICTI“ schickt seit zwei Jahren Inspekteure durch das Teddybärland, um die extremste Ausbeutung der Beschäftigten zu verhindern. 500 Betriebe seien schon erfolgreiche zertifiziert, wirbt ICTI für seine Anstrengungen. Doch Betrug schönt die Statistik. „Wir bekommen 10 Euro, wenn wir denen die Unwahrheit sagen“, erzählt mir eine Arbeiterin, die auch für deutschen Markt arbeitet. „Bevor die Inspektoren kommen, hält der Direktor eine Rede und teilt Listen aus mit allen Fragen und Antworten.“ Die Fabriken, aus denen mir Arbeiter unter Schutz ihrer Identität, von unerträglichen Lebensbedingungen berichteten, sind allesamt ICTI zertifiziert. „Es gibt Erfolge, aber wir sind erst am Anfang“, weiß Christian Ewert, zuständig für das Kontrollprogramm.

Unterdessen häufen sich Aufstände in den Fabriken, immer öfter wird die Produktion von Arbeiterstreiks unterbrochen. „Es wird bald zum großen Knall kommen“, warnt selbst einer der Unternehmer, Robin Liu, Chef der Weihnachtsmann-Fabrik Fly Ocean Factory. „Das wird nicht mehr lange gut gehen.“
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Ergänzungen

Verrückte Welt

Matthias 17.12.2006 - 19:32
Das ist sicher der erste FOCUS-Artikel, der auf indy erscheint und dem man seine Herkunft nicht ansieht. Schön, dass die deutschen Medien noch nicht gleichgeschaltet sind. Schade, dass auch dieser Bericht nichts nützen wird. Oder?

Hinzuweisen ist hier noch auf den Film "China Blue" über den Alltag zweier junger Arbeiterinnen in einer südchinesischen Fabrik:
 http://konsumblog.de/2006/11/27/film-china-blue/
Vielleicht habt Ihr ja auch ne Möglichkeit den Film bei Euch zu zeigen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Quelle? — Dela