Die Freiheit millimeterweise zurückgewinnen
„Staatlich geprüfte Sicherheit - Möglichkeiten einer wirksamen Kontrolle der Polizei“ lautete der Titel einer Diskussionsveranstaltung am Dienstag (12. Dezember) im Hörsaalgebäude der Philipps-Universität. Zusammen mit dem Zentrum für Konfliktforschung der Philipps-Universität hatte der HU-Ortsverband Marburg den ehemaligen Hamburger Innensenator Hartmuth Wrocklage nach Marburg geholt, um mit ihm die Möglichkeiten einer Kontrolle der Polizei zu diskutieren.
Diskussionsveranstaltung mit Hartmuth Wrocklage in Marburg vom 12.12.2006
Von 1994 bis 2001 war Wrocklage Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg. In diese Zeit fiel die Einrichtung einer unabhängigen Polizeikommission. Wrocklage stand dieser Idee der Grünen zunächst skeptisch gegenüber. Er trat jedoch für eine Innenpolitik ein, die sich an den sozialen Nöten der Menschen orientieren wollte.
In seinem Hansestädter Tonfall schilderte der sympathische Hamburger seine Erfahrungen mit der Kommission ebenso wie die Gründe für ihre Abschaffung durch die schwarz-schwarze Koalition direkt nach dem Machtwechsel 2001. Seinen - insgesamt 45minütigen - Vortrag begann Wrocklage zunächst mit einer Beschreibung der allgemeinen sicherheitspolitischen Lage. Darin stellte er eine konkrete Gefahr wegen weltpolitischer Ungleichgewichte fest. Diese Bedrohung resultiere in erster Linie aus dem Grund-Widerspruch zwischen reichen und armen Ländern. Aus der Grund-Konstellation von - auf Kriege zutreibenden - weltpolitischen Konflikt-Linien und offenkundigen Handlungsdefiziten der westlichen Welt erwachse die Gefahr des Terrors. Aus diesem - von ihm festgestellten - Status Quo schloss er dann, dass nicht der Terror, sondern die Ursachen des Terrorismus bekämpft werden müssen. Bezogen auf die amerikanische Sicherheits-Hysterie, die sogenannte Terror-Bekämpfung durch Kriege und die Einrichtung von Lagern wie Guantanamo rief Wrocklage den rund zwanzig Anwesenden zu: „Statt ins amerikanische Horn zu blasen, müssen wir neue Strategien entwerfen. Wir müssen prüfen, wie wir auf andere wirken“.
Doch - so Wrocklage - das Gegenteil passiere. „Wir leben in einer Zeit der Übergänge“. Am Ende dieses Prozesses stehe ein Repressionsstaat, ein Überwachungsstaat und ein Staat, in dem immer härtere Strafmaße angewendet würden. Vor diesem Hintergrund stellte er die uralte staatsphilosophische Frage: „Wer bewacht die Wächter?" Damit leitete Wrocklage über zu der Ausgangs-Fragestellung nach einer Kontrolle der Polizei und zur Beschreibung der Polizeikommission.
„Bei der Polizei gibt es ein Grund-Dilemma: Einerseits steht jeder einzelne Polizeibeamte auch seinen Kollegen gegenüber unter Strafverfolgungs-Zwang“, konstatierte Wrocklage. „Andererseits existiert innerhalb des Polizei-Apparates eine sogenannte ’Cop-Culture’. Polizeibeamte, die ihre Kollegen belasten, müssen mit erheblichen Pressionen, mit Mobbing und struktureller Ausgrenzung rechnen.“
Aus dieser Grund-Konstellation entstehe eine sogenannte „Mauer des Schweigens“, die es unmöglich mache, Polizei-Willkür und Fehlentwicklungen zu benennen und zu korrigieren. Nach einem Polizei-Skandal Anfang der 90er Jahre in Hamburg entschied die Hamburger Bürgerschaft 1998, eine unabhängige und externe Polizeikommission einzusetzen. Sie sollte den Polizeibeamten die Möglichkeit geben, Willkür und unrechtes Verhalten der Polizei zu melden, ohne Nachteile und Ausgrenzung befürchten zu müssen. Sie sollte die Beamten vor Mobbing schützen und als Beschwerde-Stelle für Beamte und Bürger gleichermaßen dienen. Durch eine unvoreingenommene Prüfung gemeldeter Vorfälle sollte die „Mauer des Schweigens“ aufgebrochen werden.
Die Kommission erreichte, dass zumindest ein Problem-Bewusstsein dafür entstand, dass vor Gericht den Polizeibeamten mehr geglaubt wird als den übrigen Zeugen. Außerdem erarbeitete sie ein Moderations-Verfahren, das bei sexuellen Übergriffen Ermittlungen möglich machen sollte, die nicht sofort in ein Strafverfahren münden. Dies sei wichtig, solange der Vorfall nicht zweifelsfrei geklärt sei, begründete Wrocklage.
Unmittelbar nach dem Machtwechsel im Hamburger Senat 2001 wurde von der CDU, der Partei Rechtsstaatliche Offensive - geführt von Ronald Schill - und der FDP ein Aufhebungsgesetz verabschiedet. In der Begründung dazu hieß es, die Kommission sei „entbehrlich, nutzlos und kostenträchtig“ gewesen.
Dem hielt der Referent die Notwendigkeit einer wirksamen Kontrolle der Polizei gerade in Zeiten immer weiter verschärfter "Sicherheits-Gesetze" entgegen.
Wrocklage schloss seinen Vortrag mit der Bitte an die Anwesenden, sich zu engagieren bei dem Versuch, „einem übermächtigen Staat etwas entgegenzusetzen. "So wie die Freiheit millimeterweise stirbt, kann man sie auch millimeterweise zurückgewinnen. Die Einrichtung einer Polizeikommission dient dazu.“
Ulrike Eifler - 13.12.2006
Rede von Hartmut Wrocklage zum Download (Audiofile ca. 50mb):
http://www4.turboshare.de/v/7726566/Wrocklage_KontrollePolizei12_06.mp3.html
Sicherer Download:
https://ssl4.turboshare.de/v/7726566/Wrocklage_KontrollePolizei12_06.mp3.html
Genaue Vorschläge zur Kontrolle der Polizei:
http://www.hu-marburg.de/homepage/demokrat/info.php?id=178
(Unabhängige Kontrollkommission "Polizei" - Diskussionspapier von Prof. Dr. Fritz Sack und Hartmuth Wrocklage, 2005)
Von 1994 bis 2001 war Wrocklage Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg. In diese Zeit fiel die Einrichtung einer unabhängigen Polizeikommission. Wrocklage stand dieser Idee der Grünen zunächst skeptisch gegenüber. Er trat jedoch für eine Innenpolitik ein, die sich an den sozialen Nöten der Menschen orientieren wollte.
In seinem Hansestädter Tonfall schilderte der sympathische Hamburger seine Erfahrungen mit der Kommission ebenso wie die Gründe für ihre Abschaffung durch die schwarz-schwarze Koalition direkt nach dem Machtwechsel 2001. Seinen - insgesamt 45minütigen - Vortrag begann Wrocklage zunächst mit einer Beschreibung der allgemeinen sicherheitspolitischen Lage. Darin stellte er eine konkrete Gefahr wegen weltpolitischer Ungleichgewichte fest. Diese Bedrohung resultiere in erster Linie aus dem Grund-Widerspruch zwischen reichen und armen Ländern. Aus der Grund-Konstellation von - auf Kriege zutreibenden - weltpolitischen Konflikt-Linien und offenkundigen Handlungsdefiziten der westlichen Welt erwachse die Gefahr des Terrors. Aus diesem - von ihm festgestellten - Status Quo schloss er dann, dass nicht der Terror, sondern die Ursachen des Terrorismus bekämpft werden müssen. Bezogen auf die amerikanische Sicherheits-Hysterie, die sogenannte Terror-Bekämpfung durch Kriege und die Einrichtung von Lagern wie Guantanamo rief Wrocklage den rund zwanzig Anwesenden zu: „Statt ins amerikanische Horn zu blasen, müssen wir neue Strategien entwerfen. Wir müssen prüfen, wie wir auf andere wirken“.
Doch - so Wrocklage - das Gegenteil passiere. „Wir leben in einer Zeit der Übergänge“. Am Ende dieses Prozesses stehe ein Repressionsstaat, ein Überwachungsstaat und ein Staat, in dem immer härtere Strafmaße angewendet würden. Vor diesem Hintergrund stellte er die uralte staatsphilosophische Frage: „Wer bewacht die Wächter?" Damit leitete Wrocklage über zu der Ausgangs-Fragestellung nach einer Kontrolle der Polizei und zur Beschreibung der Polizeikommission.
„Bei der Polizei gibt es ein Grund-Dilemma: Einerseits steht jeder einzelne Polizeibeamte auch seinen Kollegen gegenüber unter Strafverfolgungs-Zwang“, konstatierte Wrocklage. „Andererseits existiert innerhalb des Polizei-Apparates eine sogenannte ’Cop-Culture’. Polizeibeamte, die ihre Kollegen belasten, müssen mit erheblichen Pressionen, mit Mobbing und struktureller Ausgrenzung rechnen.“
Aus dieser Grund-Konstellation entstehe eine sogenannte „Mauer des Schweigens“, die es unmöglich mache, Polizei-Willkür und Fehlentwicklungen zu benennen und zu korrigieren. Nach einem Polizei-Skandal Anfang der 90er Jahre in Hamburg entschied die Hamburger Bürgerschaft 1998, eine unabhängige und externe Polizeikommission einzusetzen. Sie sollte den Polizeibeamten die Möglichkeit geben, Willkür und unrechtes Verhalten der Polizei zu melden, ohne Nachteile und Ausgrenzung befürchten zu müssen. Sie sollte die Beamten vor Mobbing schützen und als Beschwerde-Stelle für Beamte und Bürger gleichermaßen dienen. Durch eine unvoreingenommene Prüfung gemeldeter Vorfälle sollte die „Mauer des Schweigens“ aufgebrochen werden.
Die Kommission erreichte, dass zumindest ein Problem-Bewusstsein dafür entstand, dass vor Gericht den Polizeibeamten mehr geglaubt wird als den übrigen Zeugen. Außerdem erarbeitete sie ein Moderations-Verfahren, das bei sexuellen Übergriffen Ermittlungen möglich machen sollte, die nicht sofort in ein Strafverfahren münden. Dies sei wichtig, solange der Vorfall nicht zweifelsfrei geklärt sei, begründete Wrocklage.
Unmittelbar nach dem Machtwechsel im Hamburger Senat 2001 wurde von der CDU, der Partei Rechtsstaatliche Offensive - geführt von Ronald Schill - und der FDP ein Aufhebungsgesetz verabschiedet. In der Begründung dazu hieß es, die Kommission sei „entbehrlich, nutzlos und kostenträchtig“ gewesen.
Dem hielt der Referent die Notwendigkeit einer wirksamen Kontrolle der Polizei gerade in Zeiten immer weiter verschärfter "Sicherheits-Gesetze" entgegen.
Wrocklage schloss seinen Vortrag mit der Bitte an die Anwesenden, sich zu engagieren bei dem Versuch, „einem übermächtigen Staat etwas entgegenzusetzen. "So wie die Freiheit millimeterweise stirbt, kann man sie auch millimeterweise zurückgewinnen. Die Einrichtung einer Polizeikommission dient dazu.“
Ulrike Eifler - 13.12.2006
Rede von Hartmut Wrocklage zum Download (Audiofile ca. 50mb):
http://www4.turboshare.de/v/7726566/Wrocklage_KontrollePolizei12_06.mp3.html
Sicherer Download:
https://ssl4.turboshare.de/v/7726566/Wrocklage_KontrollePolizei12_06.mp3.html
Genaue Vorschläge zur Kontrolle der Polizei:
http://www.hu-marburg.de/homepage/demokrat/info.php?id=178
(Unabhängige Kontrollkommission "Polizei" - Diskussionspapier von Prof. Dr. Fritz Sack und Hartmuth Wrocklage, 2005)
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Freiheit millimeterweise?
Wie lange sollen die Menschen in diesem Land eigentlich noch warten, bis der Staatsapparat, Polizie, Politik & Justiz den Menschen im Land die Freiheit zurückgibt - die WER ihren gestohlen hat? Wer sonst als Polizei, Politik & Justiz?
Und dann auch noch "millimeterweise". Nach Willi Brandt "mehr Demokratie wagen!", das auch nicht statt fand, nun die Freiheit "millimeterweise" erkämpfen!
Das riecht doch alles arg nach rot/grünen Demokratieverständnis, wenn ein ehemaliger Innensenator von der SPD und Professoren in der Philipps-Uni die Bürgerrechtler machen.
Als hätte es die berüchtigten Fälle Stuttgart-Stammheim (Ermordung der politschen RAF-Gefangenen Baader, Ensslin, Raspe und Mordversch an Irmgard Möller), den Falle des Kölner Musikers Neisius, im Jahr 201 gefesselt auf einer Polizeiwache totgetrampelt und totgetreten von einer Horde Polizisten, den Fall Oury Yalloh, der in Dessau von Polizisten zugeschlagen, an allen Vieren gefesselt und dann von den Polizisten angezündet wurde und elend verbrannte, den Fall el Masri, wo deutsche Behörden einen deutschen Staatsbürger zur CIA-Folterverschleppung nach Afghanistan freigaben.
Wir alle kennen die Fälle! Und wir alle sehen die offensichtliche vertuschung und die verhinderung der Bestrafung durch Justiz und Politik!
Freiheit "millimeterweise"!
So können auch nur besserverdienende Professoren, Ex-Politiker und Freizeit-Humanisten aus dem rot/grünen Netzwerk schwatzen!
Die Unterschicht und die Arbeiterklasse will die Freiheit ganz - und sofort!
Übrigens, die rot/grünen Politiker und Spitzenbeamten, die in der Humanistischen Union versammelt sind, haben sich in ihrer beruflichen Zeit nicht gerade als Freiheitskämpfer für die Freiheit der BRD-Menschen erwiesen - nicht mal "millimeterweise"!
rot/grüne Millimeter-Humanisten
Der ehemalige Innensenator von Hamburg Wrocklage (SPD) war in seiner Amtszeit als SPD-Rechtsaußen bekannt und führte damals die sog. "Null-Toleranz" oder "Hamburger Linie" in Hamburg ein. Schon vor dem berüchtigten "Richter Gnadenlos" Schill als Innenminister. Auch scheint SPD-Wrocklage nicht zu wissen, daß es nicht nur reiche und arme Länder, sondern auch Reiche und Arme - in diesem Land - gibt.
Das es auch besonders die SPD-Kanzler und SPD-Innenminister waren, die verschärfte Polizeigesetze erließen und Mörderpolizisten vor Strafverfolgung deckten. In Weimarer Republik ebenso wie heute. Der SPD-Ministerpräsident Platzek erläßt mit seinem CDU-Innenmnister Schönbohm für Brandenburg gerade ein neues übles Polizeigesetz!
Auch scheint es Wrocklage mehr um den Schutz von Polizisten vor Kollegen-Mobbing als um den Schutz der Bürger vor Polizeigewalt zu gehen!
"Der sympathische Hamburger" und "SPD-Humanist" Wrocklage hat sich mit seinem Vortrag nur als der rechte Polizeiminister von der Schrittchen für Schrittchen Partei geoutet, die jetzt die Partei Genossen der Bosse heißt.
Professor Fritz Sack und Verfasserin Ulrike Eifler dürften wohl den ähnlichen rot/grünen Background haben - Millimeter-Humanisten als Freiheitskämpfer!
RAF pol. Gefangene ?
Wie kannst du die RAF Mörder nur als pol Gefangenen bezeichnen ? Das waren Terroristen nicht mehr und nicht weniger. Und die Verschwörungstheorie von ihrer Ermordung glaubt doch nun wirklich niemand mehr.
Witz
chavezz ist nur ein kleines Provo CDU Kind
Feiglinge üben namenlos Kritik
Eine Polizeikommision wäre wenigstens ein Schritt in die richtige Richtigung. Aber ihr wollt ja lieber alles subito und die reine Lehre oder gar nichts!