Strafanzeige wegen Brechmitteleinsätzen

Kampagne gegen Brechmitteleinsätze (Hamburg) 11.12.2006 17:12 Themen: Antirassismus Repression
Von der "Kampagne gegen Brechmitteleinsätze" (Hamburg) wurde aus Anlass des 5. Todestages Achidi Johns, der am 9.12.01 bei einem gewaltsamen Brechmitteleinsatz in Hamburg ums Leben kam, eine Strafanzeige erstattet. Diese richtet sich gegen alle Personen, die während der vergangenen 5 Jahre an Brechmitteleinsätzen in Hamburg gegen vermeintliche Drogendealer beteiligt waren, Polizisten und Ärzte, Staatsanwälte und Politiker. Am 7.12.06 erläuterten Vertreterinnen und Vertreter der "Kampagne gegen Brechmitteleinsätze" gegenüber der Presse Inhalt und Ziele der Strafanzeige. Hauptanliegen ist die Verteidigung des Folterverbots in der Bundesrepublik.
Strafanzeige wegen Brechmitteleinsätzen in Hamburg

Vor nunmehr fünf Jahren, am 9. Dezember 2001 starb der 19-jährige Nigerianer Achidi John bei einem gewaltsamen Brechmitteleinsatz im Institut für Rechtsmedizin des Universitätskran-kenhauses Eppendorf in Hamburg. Sein Tod war das fast zwangsläufige Ergebnis einer Politik des Hamburger Senats, die zur Durchsetzung ihrer „Law and Order“-Politik über Leichen ging. Bis heute hat die Hamburger Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Ärzte und Polizisten eingeleitet.

Von der „Kampagne gegen Brechmitteleinsätze“ wurde aus Anlass des Todestages Achidi Johns eine Strafanzeige erstattet, welche sich gegen alle Personen richtet, die während der ver-gangenen 5 Jahre in Hamburg an Brechmitteinsätzen gegen vermeintliche Drogendealer betei-ligt waren: Polizisten und Ärzte, Staatsanwälte und Politiker, u.a die derzeitigen Senatoren Udo Nagel (Innen) und Carsten-Ludwig Lüdemann (Justiz). 26 Personen unterstützen diese Anzeige namentlich, darunter viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Prof. Norman Paech.

Seit Beginn der Brechmitteleinsätze gegen vermeintliche Drogendealer in Hamburg im Sommer 2001 setzt sich die „Kampagne gegen Brechmitteleinsätze“ für den Stop dieser Folterpraxis ein. Leider ist es der Kampagne nicht gelungen, dieses Ziel auf politischem Wege zu erreichen. Zu stark waren die Widerstände in der Hamburger Politik, welche auf ein Repressionsmittel nicht verzichten wollte, dass den Bürgerinnen und Bürgern Hamburgs hartes Durchgreifen gegen Kriminalität suggerieren sollte. Nicht einmal der schreckliche Todesfall Achidi Johns führte zu einem Einlenken der Hamburger Politiker, die Brechmitteileinsätze wurden gnadenlos fortgeführt.

Erst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11.7.2006 brachte eine Wende. Das Gericht hat klargestellt, dass der zwangsweise durchgeführte Brechmitteleinsatz eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellt, welche gegen das Folterverbot des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt. Nach anfänglicher Weigerung kam schließlich auch der Hamburger Senat zu dem Ergebnis, dass man jetzt nicht einfach weitermachen könne und beendete am 1.8.2006 die gewaltsamen Einsätze im UKE.

Damit ist das Thema für die „Kampagne gegen Brechmitteleinsätze“ aber nicht erledigt. Fünf Jahre Folterpraxis in Hamburg, ca. 500 Einsätze gegen vermeintliche Drogendealer und damit hundertfache Körperverletzung und Nötigung bedürfen der politischen und juristischen Aufar-beitung. Es handelt sich um einen der schwersten Fälle von organisierter Regierungskriminali-tät in der Geschichte der Bundesrepublik. Dies muss Konsequenzen haben.

Solche will der Hamburger Senat aus naheliegenden Gründen nicht ziehen. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom 3.8.2006 erklärte der Senat, dass eine Strafverfolgung gegen die an Brechmitteinsätzen beteiligten Personen nicht beabsichtigt sei. Mit dieser Frage-stellung habe man sich nicht befasst.

Am 7.12.2006 erläuterten Vertreterinnen und Vertreter der „Kampagne gegen Brechmitteleinsätze“ gegenüber der Presse (siehe Fotos) Inhalt und Ziele der Strafanzeige. Es wurde aufgezeigt, dass die Strafanzeige notwendig ist, um die Verteidigung des Folterverbots in der Bundesrepublik durchzusetzen. Der Hamburger Arzt Dr. Kalvelage betonte, dass jedem Arzt die Gefährlichkeit insbesondere der zwangsweisen Brechmittelvergabe klar gewesen sein muss. Ärztliche Aufgabe sei es, kranken Menschen zu helfen und nicht gesunden Menschen Schmerzen zuzufügen. Gegen Ärzte, die sich an solchen Praktiken beteiligen oder beteiligt haben, müssten Berufsordnungsverfahren eingeleitet werden.

Die Strafanzeige ist bei der Generalbundesanwaltschaft eingereicht worden, da die Hamburger Staatsanwaltschaft von Anfang an an der menschenrechtswidrigen Praxis der Brechmitteleinsätze beteiligt war und somit gegen sich selber ermitteln müsste.

Hamburg, den 11.12.2006
Kampagne gegen Brechmitteleinsätze
c/o Flüchtlingsrat Hamburg
Nernstweg 32-34
22765 Hamburg
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