Globale Armut - globaler Wohlstand

Wal Buchenberg 11.12.2006 09:43 Themen: Globalisierung Weltweit
Armut und Reichtum sind relative Größen. Aber was ist der passende Vergleichsmaßstab für Wohlstand und für Armut? Das World Institute for Development Economics Research WIDER in Helsinki hat letzte Woche eine Untersuchung publiziert, wie gegenwärtig Wohlstand in der Welt verteilt ist.
Ein Kapitalist misst und vergleicht seinen Reichtum mit dem Reichtum seiner globalen Konkurrenten. Die Forbes-Liste der Reichen der Welt ist international und ohne Grenzen.
Für Kapitalisten macht es auch Sinn, die Löhne in Deutschland mit den Löhnen in Polen oder Usbekistan zu vergleichen, denn Löhne sind für Kapitalisten ein Kostenfaktor und in aller Regel gefallen ihnen polnische Löhne besser als deutsche Löhne.
Für uns Lohnarbeiter sieht die Sache ganz anders aus. Wir Lohnarbeiter müssen in Deutschland leben und arbeiten. Unser Lohn muss für ein Arbeitsleben in Deutschland reichen. Dass irgendwo in der Welt andere Leute mehr oder weniger Lohn haben, bedeutet für uns hier überhaupt nichts.
Daher sind internationale Einkommens-Vergleiche bei Ökonomen in den kapitalistischen Metropolen beliebt: Sie können damit den hiesigen Lohnarbeiter "beweisen": Was wollt ihr denn? Euch geht es doch Gold!

Schauen wir uns die Grafik mal genauer an.



Zunächst zur Datenbasis:
Das Institut in Helsinki verfügte über Daten in 38 Ländern, für die 190 anderen Staaten der Welt wählte man die Pi-mal-Daumen-Methode. Nehmen wir mal an, sie haben einen "glücklichen Daumen" und glauben ihnen die Daten.

Was haben sie gezählt?
Als Reichtum oder Wohlstand haben sie gerechnet: Sparguthaben, Immobilienbesitz und langlebige Konsumgüter. Mit dieser Rechnung kann man einen Kapitalisten arm und einen Rentner reich rechnen.
Nehmen wir zwei Beispiele: Ein Rentnerehepaar hat auf dem Sparbuch 10.000 Euro. Hinzu kommt ein (abbezahltes) Zweifamilienhaus, das sie teils selber bewohnen, teils vermieten. Wert: 850.000 Euro. Hinzu kommt ihr eigenes Mobiliar, Hausrat, Kleidung, Auto usw. in einem Gesamtwert von 140.000 Euro.
Laut WIDER besitzt dieses Rentnerehepaar eine Million Euro. Es sind also "Millionäre".
Zweites Beispiel:
Ein Kapitalist besitzt eine Fabrik mit 60 Lohnarbeitern und einem Umsatz von 10 Millionen Euro im Jahr. Diese Fabrik wird von WIDER nicht als Reichtum gezählt. Auf dem Bankkonto hat der Kapitalist vielleicht 30.000 Euro Guthaben. Das Auto, das er fährt, zählt als Dienstfahrzeug der Firma. Die Villa mit luxuriöser Einrichtung, in der er wohnt, ist im Grundbuch auf den Namen seiner Frau eingetragen. Er verfügt als Geschäftsführer seiner Firma über ein Jahresgehalt von 150.000 Euro, das er Monat für Monat in Nachclubs und auf Urlaubsreisen verjubelt. Bleiben als zählbarer Reichtum dieses Herrn für WIDER nur 30.000 Euro. Der Herr Kapitalist ist für WIDER ein "Habenichts". Sein Produktivvermögen wird nicht als Reichtum gerechnet, obwohl das ein Reichtum ist, der sich ständig erneuert und ständig für seinen Eigentümer neuen Reichtum schafft, während der Besitz von Konsumvermögen (Auto, eigene Wohnung, Möbel, Küchengeräte usw.) ein Besitz ist, der nichts einbringt und der sich ständig verbraucht und weniger wert wird.

Aber - wie der Gelehrte Kong Zi sagte: In jedem Bauernhof kann ich noch was lernen, so kann wohl jeder von der WIDER-Analyse noch was lernen:

Die Grafik zeigt die aktuelle Verteilung des Lebensstandards in der Welt. Es wundert niemand, dass die Industrieregionen Nordamerika (orange), Japan (schwarz) und Europa (türkis) sich auf der reichen (rechten) Hälfte der Welt breit machen, während Fernost (taubengrau) (ohne China/Japan), Afrika (hellblau) und Indien (grau) die arme linke Seite der Welt bevölkern.

Darüber hinaus zeigt die Grafik, dass China (blau) inzwischen zur globalen "Mittelklasse" zählt. Das Land kann nicht mehr als "arm" oder als "Entwicklungsland" bezeichnet werden.

Auffällig ist weiter, dass Lateinamerika (dunkelgrün) sich über die ganze Breite von Arm bis Reich erstreckt - dort ist die Einkommensspreizung am krassesten.

Auffällig ist weiterhin, dass Europa nicht nur eine breite "reiche" Hälfte besitzt, sondern auch einen langen "Armutsschwanz" hinter sich herzieht, der bis in die Elendsviertel der dritten und vierten Welt (am linken Rand der Grafik) hineinreicht.

Nur Japan (schwarz) ist nach diesen Daten eine Gesellschaft ohne sichtbare bzw. messbare Armut.



Wal Buchenberg
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Ergänzungen

vielen dank

suapoc 11.12.2006 - 15:25
ich bin vor kurzem auch eine etwas verzerrte darstellung der realität in bezug auf dieses thema gestoßen.... nämlich hier.

 http://www.videosift.com/story.php?id=22329

ich denke das sind die anfänge einer größeren "aufklärungskampagne" ^^

Doch Rente mit 64 ...

Queserasera 11.12.2006 - 18:13
.. also doch ... bleibt es nun dabei? ... imerhin 8.000 mit 64 ... später mehr ?
KOMPROMISSURTEIL: Ex-Bundesbankchef Welteke bekommt 20 Prozent mehr
 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,453635,00.html
Ex-Bundesbankpräsident Ernst Welteke hat mit seiner Klage auf höhere Pension einen Teilerfolg errungen. Das Frankfurter Verwaltungsgericht entschied, dass die Bundesbank seine Pension von derzeit 8000 Euro um 20 Prozent aufstocken muss. Frankfurt - Die zweite Klage gegen das Land Hessen wiesen die Richter dagegen ab, wie ein Gerichtssprecher soeben mitteilte. Welteke hatte wegen eines gesponserten Aufenthalts mit seiner Familie im Nobelhotel "Adlon" seinen Job als Präsident der Bundesbank aufgeben müssen. In dem Prozess hatte er um die Verdoppelung seiner Pension gestritten - derzeit bekommt er rund 8000 Euro.
Unzufriedener Pensionär Welteke: Adlon-Ermittlungen wurden gegen Geldauflage eingestellt
Mehrere Zeitungen hatten im Vorfeld berichtet, der 64-Jährige wolle sogar 24.000 Euro fordern. Weltekes Klage richtet sich gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Deutsche Bundesbank, und das Land Hessen.
Entscheidend war vor allem die Frage, ob seine Zeit als hessischer Landtagsabgeordneter bei der Berechnung seiner Pension miteinbezogen werden muss. Welteke gehörte dem Landtag 21 Jahre lang an und war hessischer Finanzminister.
Bei der Bundesbank musste der Top-Banker 2004 nach fünfjähriger Amtszeit wegen der "Adlon-Affäre" zurücktreten. Welteke hatte mit seiner Familie im Berliner Luxushotel Adlon gratis auf Kosten der Dresdner Bank übernachtet. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsnahme hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft nach zwei Monaten gegen Zahlung einer Geldauflage von 25.000 Euro eingestellt. mik/ddp/dpa
 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,grossbild-756574-453635,00.html
Großbildansicht DPA - Unzufriedener Pensionär Welteke: Adlon-Ermittlungen wurden gegen Geldauflage eingestellt.
.... ein nicht gerade "üppiger" Fall .... "....Der Herr Kapitalist ist für WIDER ein "Habenichts"....Beispiele: Ein Rentnerehepaar hat auf dem Sparbuch 10.000 Euro. Hinzu kommt ein (abbezahltes) Zweifamilienhaus, das sie teils selber bewohnen, teils vermieten. Wert: 850.000 Euro. Hinzu kommt ihr eigenes Mobiliar, Hausrat, Kleidung, Auto usw. in einem Gesamtwert von 140.000 Euro. ... "

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Wal Buchenberg 14.12.2006 - 09:00

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