Menschenrechtswoche in Medellín, Kolumbien

internationale Solidaritaet 10.12.2006 00:08 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Menschenrechtswoche in Medellín, Kolumbien, erfolgreich zu Ende gegangen

Vom 4. bis zum 8. Dezember fanden in Medellín, der zweitgroessten Stadt Kolumbiens, eine Woche lang verschiedene Aktionen zum Gedenken an den Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember, statt. Schon im Vorfeld nahmen unterschiedliche Teile der sozialen Bewegungen den Tag zum Anlass, zu Filmabenden oder Diskussionen einzuladen, um auf die eklatante Menschenrechtssituation in Kolumbien hinzuweisen.
Mit einer zweitaegigen Konferenz eroeffnete die Personería der Stadt Medellín, die fuer Menschenrechte zustaendige staedtische Einrichtung, die Woche. Es wurden diverse Vortraege zu unterschiedlichen Themen aus dem Spektrum der Menschenrechte gehalten, wie z.B. Kolumbiens Verhaeltnis zum interamerikanischen System der Menschenrechte. Allerdings wurden diese Punkte, ebenso wie beispielsweise die Vertreibungspolitik innerhalb Kolumbiens nur sehr beschraenkt innerhalb von mehr staatlicher Effizienz zu Gunsten der Fluechtlinge etc. diskutiert. Nur bei den Beitraegen, die direkt z.B. von den sozialen Bewegungen, zu denen auch die Opferbewegungen zaehlen, ist hingegen der Kern des kolumbianischen Konflikts angsprochen worden. Denn auch der Bericht der Personería war lediglich eine Aufzaehlung der Menschenrechtsverletzungen ohne Kontextualisierung.

Diese lieferten an den ersten zwei Tagen die Vertreter_innen der sozialen Bewegungen, die immer wieder die staatliche Repressionspolitik, seine Verwicklung in zahlreiche Menschenrechtsverbrechen, wie z.B. die Zusammenarbeit mit paramilitaerischen Gruppen und die Beteiligung an Vertreibung und dem Verschwinden von Menschen, insbesondere politisch aktiver Regierungskritiker_innen usw., und vor allem den sozialen Widerspruch thematisierten. Ebenso wiesen sie auf die in Kolumbien vorherrschende Erinnerungspolitik hin, die hoechst selektiv ist. So stehen haeufig getoetete Soldaten im Mittelpunkt der Politik waehrend die Morde und Massaker an gesamten politischen Bewegungen, insbesondere der Linken und Linksliberalen, keinerlei Erwaehnung finden und systematisch verschwiegen werden. Statt dessen schliessen die staatlichen Vertreter_innen so genannte Friedensvertraege mit den direkt Verantwortlichen fuer diese Taten und verhindern damit die Aufklaerung.

Am Tag nach dieser Konferenz, die mit der oeffentlichen Praesentation des staedtischen Berichts, endete, trafen sich dann die sozialen Bewegungen Medellíns, die sich mit dem Thema Menschenrechte beschaeftigen, zum zweiten regionalen Vernetzungstreffen, das unter dem Namen „Zur Verteidigung des Lebens und der Freiheit“ durchgefuehrt wurde. Dieses Treffen sollte nicht nur dazu dienen, die gegenseitige Kooperation zu foerdern,wie es der Name schon andeutet sondern daruebr hinaus organisatorische und vor allem politische Mittel und Wege zu finden, um einerseits die Menschenrechtssituation konkret zu verbessern und anderseits ihn auch inhaltlich zu fuellen. Um diese Ziele zusammen zu diskutieren, wurden in drei Arbeitsgruppen verschieden Aspekte, wie z.B. der politische Kontext und die konkreten Forderungen, die gestellt werden sollen, vorgestellt und anschliessend versucht, eigene Positionen zu formulieren. Damit soll verhindert werden, dass beispielsweise nur Menschenrechtsverletzungen thematisiert werden, die der kolumbianische Staat fuer nuetzlich haelt.

Um den Widerstand, der in vielerlei Hinsicht dem kolumbianischen Staat, entgegengestzt wird, zu verdeutlichen trugen die Opferorganisationen ihren Protest auch auf die Strasse. Ihre Forderungen richteten sich gegen eine weitere Militarisierung der Auseinandersetzung. Gleichzeitig sprachen sie sich fuer ein humanitaeres Abkommen aus, das z.B. von den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, FARC, der groessten Guerillaorganisation in Kolumbien, bereits seit Monaten vorgeschlagen wird trotz ablehnender Haltung der Regierung. Damit soll ein friedlicher Austausch von Gefangenen erreicht werden. Die Regierung Uribe Velez setzt jedoch mit unterschiedlichen Projekten, wie z.B. der Einfuehrung einer neuen Kriegssteuer, auf eine neue Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzugnen.
An der Demostrationen beteiligten sich mehrere hundert Menschen aus verschiedenen Spektren der sozialen Bewegungen. Sie verlief durch den Stadtkern Medellíns und fand breite Aufmerksamkeit bei den anwesenden Menschen. Abgeschlossen wurde sie mit Redebeitraegen und einem Bild zum Gedenken an die „verschwundenen“ Personen und Angehoerigen, das sich aus mehreren einzelnen Transparenten zusammensetzte, auf denen deren Gesichter zu sehen waren.

Die Woche klang anschliessend mit kulturellen Beitraegen wie Theaterstuecken oder Gedichtvortraegen aus, die zwar registriert, aber leider nicht besonders viel Aufsehen erregten.

Was sich in diesen Tagen allerdings wiederum gezeigt hat, ist, dass es von enormer Bedeutung ist, wie und wo Menschenrechte politisch theamtisieren. Denn wenn, wie es auch haeufig von Nicht- Regierungsorganisationen gemacht wird, Menschenrechte als absolutes Ziel und nicht als politisches Mittel begriffen werden, dann kann es schnell passieren, dass der politische Hintergrund und damit die Ausgangssituation fuer politisches Handeln ins Hintertreffen geraet und buergerlich - idealistische Argumentationen Raum gewinnen. Aber auch wenn die Menschenrechtserklaerung buergerliches herrschaftsinstrument ist und bleibt, besteht in manchen Staaten die Moeglichkeit, sie gegen eben jene zu wenden. Und nur dann koennen sie einen progressiven Charakter haben. Dafuer ist es aber notwendig, sich ueber ihre Bedeutung und Funktionen deutlich zu werden, und die jeweiligen politischen Zusammenhaenge zu beruecksichtigen.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen