Rute für Niedersächsische Atomregierung

Widerstand ist machbar, Herr Nachbar! 06.12.2006 21:27 Themen: Atom Kultur
Da staunten sie nicht schlecht, die Damen und Herren Abgeordneten im Niedersächsichen Landtag, als ihre Sitzung jäh von ungebetenen Besuchern aufgelockert wurde.
Clowns liefen da plötzlich im Plenarsaal herum, allerdings nicht die Clownfiguren, die als Marionetten der Atomindustrie gerade erst den Weiterbetrieb der AKWs wünschten, sondern "echte", die in Freiem Willen ihre und die Bürgermeinung im Nordlicht-Parlament deutlich machen wollten. Atomausstieg sofort! Schützt uns, nicht die Atomkraft! Mit Transparenten von der Zuschauertribüne aus wurde die Ernsthaftigkeit der nicht nur clownesken Aktion für die Volksvertreter unübersehbar gemacht.

Gleichzeitig wurde auf der Treppe des Landtags eine symbolische CASTOR-Ladung Atommüll von 12 NikoläusInnen aus dem Transportsack gekippt; in jedem dieser Behälter genau die Anzahl von "Kokillen", die jeder Gorleben-Castor aus dem November enthält. Menschen von den Atommüll-Endlagerstandorten Gorleben, Asse / Wolfenbüttel und Morsleben wiesen mit ihrer friedlichen Aktion darauf hin, daß niemand in der Lage sein wird, Atommüll "sicher" über den unumstrittenen Zeitraum von einer Million Jahren lagern zu können. Morsleben ist teilweise in sich zusammengekracht, die "Asse", als "Versuchs"-Endlager mit über 125.000 teils plutoniumhaltigen und mittelaktiven Fässern vollgeschüttet, läuft voll mit Salzlauge - täglich über 12500 Liter, und niemand kann das Absaufen stoppen.

In Gorleben soll weiter-"erkundet", also weitergebaut werden, obwohl eines der Mindestkriterien für ein "Endlager", nämlich ein unberührtes Deckgebirge als Grundwasserschutz, seit der "Elster"-Eiszeit nicht mehr vorhanden ist. Gletscher haben eine tiefe Rinne gegraben, Tag für Tag wird der Salzstock abgelaugt. "Seit Anfang der Achtziger Jahre gibt es über das Erkundungsbergwerk Gorleben ausreichend wissenschaftliche Daten", heißt es in einer Erklärung der Protestierer. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dieser Salzstock nicht längst aus dem Rennen ist. Die geplante Aufhebung des Moratoriums und 'Weiteruntersuchung' mache keinen Sinn, der Standort sei untauglich. "Wir fordern die sofortige Aufgabe des Standorts Gorleben und die Stillegung aller Atomanlagen!", hieß es weiter.

Das sollten die Abgeordneten, die den Planarsaal verlassen hatten, und sich vor der Landtagstür direkt ein Bild machen wollten, nicht hören. Die mittlerweile eingetroffene Polizei verbot den Atomkraftgegnern, den Text per Megafon weiter vorzulesen - "Bannmeile". Zunächst wurde geduldet, ohne technische Hilfe zu informieren, dann allerdings begannen die unduldsamen Damen und Herren grundlos, die Menschen von der Treppe zu schieben. Die "Bannmeile", nirgends erkennbar, endete nunmehr vor den Treppenstufen.

Nachdem einige Transparente eingesackt worden waren, wurde weitergedrängelt, der "Bann" vergrößert. Dabei wurde auch mehr als ruppig vorgegangen. Ein punkiger Zivilbeamter streifte sich schnell mal eine Binde mit dem Aufdruck "Polizei" über, schubste und drängelte übelst, um sie dann wieder zu entfernen und im Menschenauflauf von Passanten und Presse unterzutauchen, ein anderer mit übergestreifter grüner Weste hatte in der ruhigen Situation bereits seinen Schlagstock gezückt. Als völlig überzogen bezeichnete der Lüchow-Dannenberger SPD-Abgeordnete Dehde das Verhalten der Polizei. Ein Mann aus der bekanntermaßen völlig gewaltfreien Aktionsgruppe "Widersetzen" war zu Boden gerissen, und sein Kopf von den "Staatsbürgern" in schwarzer Uniform massiv auf das Pflaser gedrückt worden.

Reaktion auf einen weiteren"Schock" der Landtag-Securities? Eine Atomkraftgegnerin war nicht aus dem Plenums-Saal entfernt worden, und begann erneut, im Landtag ihren Protest vorzutragen.

Nach und nach wurde die "Bannmeile" immer mehr ausgeweitet. Bis zur nächsten Straße wurden die Wendländer und ihre Freunde nun getrieben. Einige, die besonders bunt gekleidet waren, und durch ihre Hartnäckigkeit unangenehm auffielen, wurden zwecks Personalienfeststellung festgehalten.

"Von dieser Kneipenecktür bis zur Laterne auf der Kreuzungsmitte" erklärte nunmehr eine Staatsdienerin den Menschen reiche die Bannmeile jetzt. Woran das denn zu erkennen sei? "Weil ich es Ihnen sage". Leider, so wurde Polizeikollegial bedauert, sei irgendwann auf die farbige Markierung auf dem Trottoir verzichtet worden - aus Kostengründen.

Und das war den plötzlich wieder schiebenden PolizistInnen wohl ganz recht. Denn nun wurde die "Bannmeile" erneut ausgeweitet: über die stark befahrene Kreuzung wurden Clowns & Friends auf die andere Straßenseite gedrückt und gedrängt. Jetzt endlich haben sie sich durchgesetzt, die staatlichen Befehlsempfänger.

Vermutlich mußten sie Platz machen, für den Gefangenenbus, der kurz darauf im die Ecke gefahren kam. Und der kurze Zeit später den Ort des Geschehens wieder leer verlassen hat... Die Personalienfeststellungen waren ja längst beendet, der "Gorleben-Widerstand" wieder auf dem Heimweg.

Irgendwo scheint da ein gewisses Chaos bei der Polizei zu Herrschen, ein Chaos, das nicht konstruktiv umzusetzen ist, wo nur Hierarchien und exakte Planung mit Befehlen im Einsatzkonzept vorgesehen sind. Chaos und Kreativität, Unberechenbarkeit, Spaß und Hartnäckigkeit sind staatlich-konzeptionell nicht zu begreifen.

Nun soll sich der Landtag auf einer nächsten Sitzung mit seiner eignen "Sicherheits"-Situation beschäftigen, statt sich um die vorgebliche Sicherheit von Endlagern, Transrapid, Titanic und ICE zu kümmern. Von einer "generalstabsmäßig geplanten" Aktion hat die Polizei gegenüber den Medien lamentiert. Damit sie endlich mal dazulernen (wir wissen ja, daß sie diese Seiten mit der Begierde eines Junkies durchforsten), sei ihnen mitgeteilt: Der "Widerstand" der Atomkraftgegner ist ebensowenig vorauszuplanen, wie die "Halbwertszeit" von atomaren "Endlagern". Es gibt keine "Generäle"! Es gibt keine "Stäbe"! Es gibt keinerlei "Sicherheit"!

Daher:

ABSCHALTEN ! SOFORT UND WELTWEIT!!!
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Ergänzungen

alle achtung!

ab jetzt ausnahmezustand in Hannover! 07.12.2006 - 13:14
Wiedereinmal zeigte sich die wirkungslose Strategie polizeilicher Repression gegenüber kreativen und offensivem Widestand: Der Protest wurde zwar abgedrängt aus der sogenannten "Bannmeile" allerdings in seiner Wirkung nicht geschwächt sondern durch das massive Vorgehen der Polizei in seiner Wirkung nur verstärkt. Zuerst wurden die Teilnehemer der unagemeldeten Kundgebung von der anrückenden Polizei nur beobachtet, dann abgedrängt und anschließend als sie sich teilweise entfernen wollten, mit Gewalt und Einschüchterungen daran gehindert. Die Szenen die dabei entstanden sind heute in vielen norddeutschen Zeitungen zu sehen und die Polizei hat selbst dazu beigetragen das dem so ist.
Im übrigen gelang es einigen Clowns "unbemerkt" aus dem Polizeikessel zu kommen ohne Personalienfeststellung, trotz vorhergehender Schikane.

Im übrigen wurden die Teilnehmer von der Polizei bis zuletzt begleitet, was immer wieder Anlass für die Clowns gab ihnen beim Anfahren zu helfen.
Und zwischendurch gabs noch eine kurze clowneske Besetzungsaktion der Polizeiwache, deren dezimierte Besetzung ziemlich im Stress war, weil ihre Kollegen außerdienstlich Schicht beim Landtag hatten. Vielen Dank fürs Mitspielen!
Ab jetzt werden wohl zwei Clowns oder Nikoläuse auf Sightseeing vor dem Landtag genügen um einen Polizeigroßeinsatz auszulösen.






pressewirkung

jora 07.12.2006 - 15:49
Sogar unsere ätzende bürgerliche Zeitung OV (Oldenburger Volkszeitung) hat nen relativ coolen ddp-Artikel abgedruckt mit nem netten clowns-army-foto. Hab ich digital jetzt auf die Schnelle nicht gefunden, bei ganz akutem Interesse Email an  jora@stalag13.com, dann tipp ich das Ding ab oder scann es ein.

Grüße

Alle hatten sie Ihren Spaß!

Hab ich 07.12.2006 - 15:50
Als neutraler Beobachter muss ich sagen, dass auch die oben beschriebenen "Befehlsempfänger" bestimmt ihren Spaß hatten, die wenigen Aktivisten aus der Bannmeile zu schubsen. Dass es eine Bannmeile gibt sollte eigentlich jedem bekannt sein... Ansonsten eine lustige Aktion. Bis auf die meiner Meinung nach sehr aggressiven Fotografen seitens der Aktivisten, die immer wieder versuchten Bilder von den sog. "Befehlsempfängern" zu machen, um diese zu veröffentlichen. Welchen Sinn soll das denn haben?

Medien

bla 07.12.2006 - 20:12
Die Medien berichten außerdem, dass ein Fotograf von einem Polizisten mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden sei.

Rangelei im niedersächsischen Landtag

RP 08.12.2006 - 00:40
Protest gegen Atommüllendlager Gorleben

noch mehr Presse

für die Daheimgebliebenen 08.12.2006 - 08:23

hier noch ein link

zu einem anderen Indyartikel 09.12.2006 - 20:15

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