Eindrücke aus Venezuela vor der Wahl

pumpkinpatch 02.12.2006 02:50 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
(Freitag, 01. Dezember 2006)-. Man kann in Caracas in diesen Tagen nirgends hingehen, ohne Transparente zu sehen auf denen "Chávez no se va!" (Chávez bleibt!) steht. Die Wahlen am Sonntag, den 3 Dezember sind nur noch zwei Tage entfernt. Schon am Donnerstag sind die Schulen in Venezuela geschlossen und von Wahlhelfern übernommen worden, um einen reibungslosen Ablauf der Wahlen zu gewährleisten. Auch wenn viele Venezolaner glauben, dass die Wahlen alles andere als ruhig verlaufen werden.
Ich befinde mich in einem der etabliertesten Nachbarschaftsradios mit dem Namen Radio Negro Primero. Der Sender arbeitet im Moment gemeinsam mit vielen anderen hart an der Planung der Berichterstattung über die Wahlen.

Ab heute Morgen um 6 Uhr mussten sowohl Hugo Chávez von der Partei Bewegung Fünfte Republik (MVR) als auch Manuel Rosales von der Partei Neue Era (Un Nuevo Tiempo) dem Gesetz nach ihren Wahlkampf einstellen. Die Mehrheit der Umfragen zeigen einen deutlichen Vorsprung für Chávez. Die meisten Menschen erwarten die Wiederwahl Hugo Chávez' als Präsident Venezuelas, trotzdem bereiten sich viele auf mögliche Wahlbetrugsvorwürfe von Manuel Rosales' Oppositionspartei vor. Es gibt Gerüchte, dass Chavisten die Oppositionspartei infiltriert haben und auf diesem Wege herausgefunden haben, dass die Partei Neue Ära Pläne hat, um den Wahlprozess zu diskreditieren. Es wurde gesagt, dass T-Shirts mit dem Wort "Fraude" (Betrug) schon gedruckt worden sind. Es wird auch befürchtet, dass Oppositionelle vorhaben absichtlich für Chávez zu stimmen und dann die Wahlmaschinen zu beschuldigen, den falschen Kandidaten auszuwählen. Es wurde bereits von einer Wahlstelle berichtet, dass drei Wahlfunktionäre nicht zu ihrem Dienst erschienen sind und dadurch den Wahlprozess stören.

Die Radiosender schließen sich zusammen, um über die Wahlen zu berichten und einen fairen Wahlprozess zu beweisen. Die Sender der einzelnen Distrikte planen sowohl lokal über ihre Radiostationen, über Livestreams im Internet und großflächig zu senden. Jeder Sender wird mobil von mit Videokameras, Audiorekordern, Radiosendern und einer Küche ausgestatteten LKW berichten. Sie planen von Wahllokal zu Wahllokal zu fahren, den Wahlprozess zu dokumentieren und so hoffentlich den Sieg Chávez' zu verteidigen. Die Menschen werden am Sonntag um 3 Uhr morgens beginnen sich an den Schlangen anzustellen - es wird also ein langer Tag für die MitarbeiterInnen, aber hoffentlich produktiv.

Im Moment bin ich noch unsicher, ob es Pläne für nach den Wahlen und die Behandlung der Oppositionsproteste und der Berichterstattung der internationelen Medien gibt. Organisieren scheint in Venezuela "poco a poco" zu funktionieren, Stück für Stück.

Quelle: Indymedia Portland
Übersetzung: yan


Fotos von der Großdemo am Sonntag (26.11.):
http://portland.indymedia.org/en/2006/11/350027.shtml http://www.aporrea.org/oposicion/n87069.html

Mehr zur Wahl:
Venezuela: Chávez wiedergewählt
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Ergänzungen

Den Finger am Abzug

Junge Welt 02.12.2006 - 02:58
Venezuelas Opposition wird die Präsidentschaftswahlen am Sonntag verlieren. Geschlagen geben wird sie sich nicht

Nur wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen am Sonntag in Venezuela hat die Polizei bei einer Routinekontrolle in Caracas eine beunruhigende Entdeckung gemacht: 40000 schwarze T-Shirts mit der Aufschrift »Betrug« wurden an Unterstützer des Oppositionskandidaten Manuel Rosales geliefert. »Mit diesem Fund sehen wir uns erneut darin bestätigt, daß sein Wahlkampfteam von vornherein plant, das Ergebnis nicht anzuerkennen«, erklärte daraufhin Hugo Cabezas, Mitglied im Vorstand der Regierungspartei »Bewegung Fünfte Republik« (MVR) in der Tageszeitung VEA. Erstaunlich ist das nicht: Rosales liegt in allen seriösen Umfragen deutlich abgeschlagen hinter Präsident Hugo Chávez, der sich für eine zweite reguläre Amtszeit von sechs Jahren bewirbt.

Organisierter Kampf

Die Stimmung in Venezuela ist ohnehin gespannt, seit vor wenigen Wochen Material publik wurde, mit dem Anhänger der Opposition systematisch zum Widerstand gegen das »Regime« von Präsident Chávez geschult werden. Der »Plan V« – wahlweise für Victoria oder Venezuela – sieht einen »strategischen gewaltlosen Kampf« gegen die Regierung vor. 4000 Kader sollen dafür sorgen, daß sich Regierungsgegner am Sonntag vor den Wahllokalen versammeln, um so die Basis für dauerhafte Proteste zu bilden. »Aktive Verteidigung der Stimmen« heißt das in den Dokumenten, die direkt Bezug auf die »Erfolgsfälle« in Jugoslawien (2000), Georgien (2003) und Ukraine (2004) nehmen. Der Plan wurde, nachdem er im Internet Verbreitung fand, von mindestens zwei Oppositionszeitungen veröffentlicht.

Doch der gewaltlose Widerstand nach Vorbild der »orangen Revolu­tion« ist nur ein Teil der Alternativpläne. Ein anonymes Dokument, das in den vergangenen Tagen per E-Mail unter Regierungsgegnern verbreitet wurde, gibt detaillierte Anweisungen zum organisierten bewaffneten Kampf in den Städten. Zum Repertoire gehören »Identifizierung von Chavisten in der Nachbarschaft, ihrer Lebenspartner und Kinder« (!), die Zerstörung regierungsnaher Fernseh- und Radiostationen, die Einrichtung von Räumen »zur Unterbringung Gefangener« und die Kontrolle größerer Gebiete durch Scharfschützen.

Eskalation vermeiden

Solche anonymen Aufrufe zeigen bereits vor der Wahl ihren zweifelhaften Erfolg. Am Dienstag kam es an der Zentraluniversität Venezuelas in Caracas zu einem Schußwechsel zwischen Anhängern und Gegnern von Hugo Chávez. Anderenorts treten nie gekannte Versorgungsengpässe auf, die offenbar bewußt herbeigeführt werden. »Als Anfang der Woche ein Supermarkt mit Zucker und anderen Waren beliefert werden sollten, wurde das von einer Polizeistreife verhindert«, berichtet eine Bewohnerin des Viertels Antimano im Westen der Hauptstadt. »Das habt ihr davon, wenn ihr für Chávez stimmt«, habe ein Uniformierter geantwortet, als die Nachbarn protestierten. Ähnliche Berichte gibt es auch aus anderen Vierteln. Die U-Bahn von Caracas leidet plötzlich unter wiederholten Ausfällen.

Die Regierung versucht nach Kräften, eine Eskalation zu vermeiden. Zum Abschluß seiner Kampagne eine Woche vor der Wahl appellierte Hugo Chávez am vergangenen Sonntag vor anderthalb Millionen Anhängern noch einmal an seine Gegner, sich an die demokratischen Regeln zu halten. Um die andauernden Zweifel der Opposition und ihrer Sympathisanten zu zerstreuen, unterstützt der Nationale Wahlrat (CNE) mehrere Beobachtermissionen. Neben der Organisation Amerikanischer Staaten und der Europäischen Union wird auch das US-amerikanische Carter-Zentrum und das Regionalbündnis Mercosur den Urnengang beaufsichtigen. Zusätzlich wurden rund 100 Einzelbeobachter vom CNE eingeladen.

Neue Forderungen

Allein, der Kandidat der Opposition läßt sich davon nicht beeindrucken. Fast täglich stellte Rosales im Wahlkampf neue und teils widersprüchliche Forderungen auf. Nachdem sich alle 17 Kandidaten zunächst mit dem Einsatz digitaler Wahlmaschinen einverstanden erklärt hatten, forderte er plötzlich den ausschließlichen Einsatz herkömmlicher Wahlscheine. Nach Ende des Wahlkampfes, der in Venezuela in der Woche vor der Abstimmung ruhen muß, besteht Rosales nun auf dem Einsatz weiterer Wahlbeobachter und führt seine Kampagne unter diesem Vorwand fort.

So deutet derzeit wenig darauf hin, daß sich das Chávez-feindliche Lager mit der wahrscheinlichen Niederlage zufriedengeben wird. Immerhin wird Rosales auch von Parteien und Gruppen unterstützt, die schon in der Vergangenheit den Weg der Gewalt gewählt haben. Die rechtspopulistische Partei »Primero Justicia«, über lange Zeit hinweg ein fester Kooperationspartner der deutschen CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, war im April 2002 eine der Protagonistinnen bei dem Putschversuch gegen die Regierung. Vielen Venezolanerinnen und Venezolanern ist bewußt, daß sich ein solcher Angriff, wenn auch in anderer Form, wiederholen könnte.

An der Basis der Regierung, in linken Parteien, Stadtteilorganisationen und Gewerkschaften, bereitet man sich daher durchaus auch auf mögliche Auseinandersetzungen vor; die Schritte der Gegenseite werden aufmerksam beobachtet. Noch aber herrscht Gelassenheit: Immerhin liegt der Amtsinhaber nach letzten seriösen Umfragen mit durchschnittlich zwanzig Prozentpunkten deutlich vor seinem Herausforderer.

Von Harald Neuber, Caracas
01.12.2006
 http://www.jungewelt.de/2006/12-01/033.php

Die gefühlte Mehrheit

Junge Welt 02.12.2006 - 03:04
Venezuelas Opposition geht trotz gegenteiliger Prognosen von einem Sieg aus. Ein US-Umfrageinstitut hat daran entscheidenden Anteil

Venezuelas Opposition ist sich ihres Sieges sicher. »Wage den Wechsel«, lautet das Motto des Chávez-Herausforderers Manuel Rosales, der keinen Zweifel an der Art des angestrebten Umbruchs läßt. Er und nur er könne die Gefahr des »Castro-Kommunismus« von dem Land abwenden, die Hugo Chávez geschaffen habe. In den Armenvierteln, in denen kubanische Ärzte zum ersten Mal in der Geschichte Venezuelas eine umfassende und kostenfreie Gesundheitsversorgung gewährleisten, hält sich die Angst in Grenzen. Die Mehrheit unterstützt Chávez, und dieser Trend schlägt sich auch in den Umfragen nieder. Bis zu 30 Prozent liegt der Herausforderer Rosales dabei hinter Amtsinhaber Chávez.

Mit einer Ausnahme: Das US-amerikanische Umfrageinstitut »Penn, Schoen & Berland« (PSB) sah den Abstand zwischen beiden Kandidaten in den vergangenen Wochen schwinden; von zunächst 13 auf sechs Prozent drei Wochen vor der Wahl. Das gegenüber anderen Instituten deutlich abweichende Ergebnis begründet Firmengründer Douglas E. Schoen mit seiner Methode: Die 1000 Befragten seien anonymisiert worden, dadurch sei der »Angst-Faktor« weggefallen.

Die Botschaft ist deutlich: Wer in Venezuela gegen die Regierung stimmt, hat Konsequenzen zu befürchten. Kein Wunder also, daß die Gegner des Präsidenten das Resultat begeistert aufgriffen. Schoen beharrte indes auf seine Unabhängigkeit. Er sei »von einer Gruppe Unternehmer« beauftragt worden.

Die Geschichte des Institutes stellt die Unabhängigkeit jedoch in Zweifel. Douglas E. Schoen wurde 1996 in den USA von einem Fachverband zum »Meinungsforscher des Jahres« gewählt, weil er es geschafft hatte, das schlechte Ansehen des damaligen Präsidenten William Clinton derart zu verbessern, daß dieser 1996 ein zweites Mal gewählt wurde. Es geht Schoen offensichtlich weniger um die Erforschung als um die Beeinflussung der Meinung.

Den ersten Erfolg dieses Modells konnte PSB im Jahr 2000 in Jugosla­wien verbuchen, wo seine Beeinflussung des politischen Klimas maßgeblich zum Sturz von Slobodan Milosevic beigetragen hat. »Das war vielleicht das erste Mal, daß ein Umfrageunternehmen eine derart bedeutende Rolle in Durchsetzung und Absicherung außenpolitischer Ziele gespielt hat«, lobte die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright. Der »Fall Jugoslawien« diente fortan als Blaupause für mehrere versuchte oder erfolgreiche Umstürze: in Belarus, Georgien und der Ukraine.

Und nun Venezuela? »PSB hat mehrmals eine Vorreiterrolle dabei gespielt, mit seinen Meinungserhebungen den Boden für Staatsstreiche zu ebnen«, sagt der US-Autor Jonathan Mowat. Indem eine breite Unterstützung für die ausgesuchte Gruppe oder einen Kandidaten suggeriert und dieses Bild international verbreitet werde, entstehe der falsche Eindruck eines Wahlbetrugs, wenn sich nicht das erwartete Ergebnis einstelle , meint Mowat, der ein Drei-Schritte-Schema erkennt. Zunächst wird eine Unterstützerbasis für einen Kandidaten mobilisiert, dann der vermeintliche Wahlbetrug ins Spiel bebracht, um schließlich die »Zivilgesellschaft« auf die Straße zu bringen. Demokratische Wahlen und reale Mehrheiten spielen bei diesem »postmodernen Modell einen Staatsstreichs« (Mowat) keine Rolle mehr. Es geht nur noch darum, was glauben gemacht wird.

Von Harald Neuber
01.12.2006
 http://www.jungewelt.de/2006/12-01/035.php

Zur Person: Manuel Rosales

Junge Welt 02.12.2006 - 03:05
Manuel Rosales ist ein Geschäftsmann, und er legt Wert auf dieses Image: Kaum ein Auftritt vergeht, ohne daß der 54jährige auf seinen BlackBerry-Taschencomputer schaut, um neue E-Mails abzurufen. Während Präsident Chávez leger im roten Hemd auftritt, ist Rosales fast nur im Anzug zu sehen. Sein Programm erschöpft sich in der Forderung nach Abbau des Sozialstaates. Geht es nach Rosales, soll die Mehrwertsteuer reduziert und das Privateigentum geschützt werden.

Maßgeblich bestand seine Kampagne aber in Angriffen auf die Regierung. Sie habe die Steuerbehörde SENIAT zu einem Instrument der »Verfolgung und Bedrohung« gemacht, wetterte Rosales. Hintergrund ist eine rigide Fiskalpolitik, die unter der Regierung Chávez durchgesetzt wurde. Rosales kündigte auch an, »nutzlose« Institutionen wieder abzuschaffen. Dazu zählt er unter anderem die »Banco de la Mujer«, die Kleinkredite an Frauen vergibt und damit dem Vorbild der Grameen-Bank in Bangladesh folgt, deren Gründer Mohammed Junus für das Konzept der Mikrofinanzierung vor wenigen Wochen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Junus hat der Banco de la Mujer nach der Gründung beratend zur Seite gestanden.

Sein aggressiv-neoliberales Programm versuchte Rosales im Wahlkampf mit sozialer Rhetorik zu kaschieren. Die privaten Fernsehkanäle haben im Wahlkampf etwa Werbespots ausgestrahlt, in denen er Augenkliniken einweiht – ein klarer Bezug auf die medizinischen Hilfsprogramme der amtierenden Regierung. Eine Art Geldkarte soll die Mehreinkünfte aus dem Erdölgeschäft direkt unter den Bedürftigen verteilen. Bei Experten kam dieser Vorschlag nicht gut an. Niemand konnte bislang nachvollziehen, wie eine solche schlichte Zuteilung von Geldern der privaten oder gar gesellschaftlichen Entwicklung dienen soll. »Im Endeffekt«, sagt der deutsche Chávez-Biograph Christoph Twickel, »ist Rosales´ Vorschlag das neoliberale Pendant zur aktuellen Sozial- und Wirtschaftspolitik«. Denn während die Regierung Chávez einen Teil der Ölrente in die Entwicklung der Binnenwirtschaft investiere und kollektive Strukturen wie Genossenschaften fördere, setze Rosales auf Individualismus.

(hneu)
01.12.2006
 http://www.jungewelt.de/2006/12-01/034.php

Pläne nach den Wahlen

bolo 02.12.2006 - 03:57
Die venezolanische Armee (FAN) hat einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders Vive zu Folge material der rechten Opposition gefunden, das auf Pläne für die Tage nach der Wahl am kommenden Sonntag hinweist. Im Fernsehen präsentierten sie ein Flugblatt, dass zu einer Großdemo in Caracas am 5. Dezember (Di) gegen den "Wahlbetrug" aufruft.

@bolo

tagmata 02.12.2006 - 10:35
erwartungsgemäß. das ist doch die nummer die jetzter mittlerweile in lateinamerika abzihet, egal ob berechtigt oder unberechtigt. schau dir obrador an, wie er das pferd wahlbetrug totreitet. eher krass, daß das in ecuador nicht passieret ist. mnh, wir werden sehen.

Venezuelas Soziölismus

egal 02.12.2006 - 11:40
Venezuelas Soziölismus

Am Sonntag stellt sich Hugo Chávez zur Wiederwahl. Der Präsident Venezuelas beutet den Ölkonzern PdVSA für seine Sozialprogramme aus. Dem Unternehmen fehlen wichtige Investitionen.

Das Feuer bricht morgens um 6.50 Uhr aus. Wenig später lodern die Flammen über der Erdölraffinerie auf der im Nordosten Venezuelas gelegenen Halbinsel Paraguaná. Rauchwolken quellen in den Karibikhimmel.

Der Brand, der vor Kurzem im größten Raffineriekomplex Venezuelas tobte, war der dritte in wenigen Monaten. Die Anlagen standen für fünf Stunden still. In anderen zum staatlichen Erdölkonzern PdVSA (Petróleos de Venezuela S.A.) gehörenden Raffinerien, Erdölfeldern und Logistikzentren häufen sich ähnliche Vorfälle: Die venezolanischen Medien berichten von Explosionen, von Tausenden von Litern unkontrolliert austretenden Erdöls, von Gaslecks sowie von Schiffs- und Autounfällen.

PdVSA ist einer der größten Erdölförderer der Welt und beutet die umfangreichsten Rohölreserven des amerikanischen Kontinents aus. Trotzdem ist das Unternehmen in einem beklagenswerten Zustand.

Undurchsichtige Strukturen

"PdVSA ist mittlerweile eine Blackbox: Wir wissen nicht mehr genau, was dort vorgeht", sagt Alberto Quirós, Branchenkenner und ehemals Präsident von Royal Dutch/Shell in Venezuela. Im Juli sah sich die Ratingagentur Moody's gezwungen, das Unternehmen von der Bewertungsliste zu nehmen. Die Begründung: "Moody's fehlen finanzielle und operative Informationen, die die Aufrechterhaltung eines Ratings von PdVSA ermöglichen."

Am kommenden Sonntag wird in Venezuela gewählt. Und die Chancen stehen gut, dass Staatspräsident Hugo Chávez im Amt bestätigt wird. Für PdVSA ist das keine gute Nachricht. Denn die Politik des Linkspopulisten ist der Grund für die Probleme des Staatsunternehmens.

Chávez hatte im Zuge seiner von ihm ausgerufenen sozialistischen Revolution die Erdölpolitik des Landes umgekrempelt und dabei den staatlichen Giganten zum Herz seiner Sozialpolitik gemacht: PdVSA liefert heute die Milliarden für die unter der Bezeichnung "Missionen" (Misiónes) laufenden Sozialmaßnahmen - und organisiert sie oft auch. Über die "Missionen" erhalten viele der 26 Millionen Venezolaner Bildung, billige Nahrungsmittel und eine Gesundheitsversorgung.

Die Gewinne des Konzerns werden in Sozialprogramme der Regierung investiert, aber nicht in die eigene Infrastruktur. "Die geringen Investitionen der letzten Jahre, das Fehlen von Know-how und die wuchernde Korruption wirken sich desaströs auf PdVSA aus", bringt Robert Bottome vom Wirtschaftsforschungsinstitut Ven Economía die Verfassung des Giganten auf den Punkt.

Der Konzern heißt jetzt "La Nueva PdVSA" ("Neue PdVSA") und fügt stets drei Adjektive an: national, revolutionär und volkseigen. "Im Erdölministerium und in der Neuen PdVSA arbeiten wir daran, dass das Erdöl dem Volk wieder zurückgegeben wird", heißt es auf einem Transparent, das an der Frontseite des PdVSA-Verwaltungshochhauses gespannt ist. Längst ist der Erdölkonzern der wichtigste Machtpfeiler des Linkspopulisten.

Tatsächlich hat die Neue PdVSA mit dem Konzern aus dem Jahre 2002, als Chávez die Macht übernahm, nicht mehr viel gemein. Ein Großteil der Belegschaft wurde ausgetauscht. Um den Präsidenten aus dem Amt zu zwingen, hatten der Unternehmerverband und Gewerkschaften zum Generalstreik aufgerufen. Viele PdVSA-Mitarbeiter beteiligten sich daran. Diesen schickte Chávez wenig später die Kündigung ins Haus. Über 20.000 Angestellte wurden entlassen, rund die Hälfte der Belegschaft.

"Das waren alles erfahrene Öl-Leute mit einer durchschnittlichen Beschäftigungszeit bei PdVSA von 15 Jahren", sagt der ehemalige PdVSA-Spitzenmanager José Toro Hardy. Erfahrung und Wissen von 300.000 Jahren Arbeit seien mit einem Schlag dem Unternehmen entzogen worden.

In der Raffinerie Paraguaná etwa musste 2003 die Hälfte der Stellen neu besetzt werden. Werksleiter Jesús Luongo räumte in einem Zeitungsinterview unlängst ein, dass die Unfälle auch auf menschliches Versagen zurückzuführen waren: "Viele Arbeiter sind einfach unerfahren." Um das Problem der Unfälle in den Griff zu kriegen, setzt PdVSA auf externe Hilfe und hat für seine Arbeiter beim Chemiekonzern DuPont 290.000 Stunden Sicherheitstraining eingekauft.

Doch die Politisierung des Konzerns geht weiter. Schlüsselposten etwa besetzt Chávez nur mit Vertrauensleuten. So steht denn auch an der Spitze des Unternehmens anstatt eines Managers der Erdölminister Rafael Ramírez. Die wichtigsten Neueinstellungen nach dem Generalstreik wurden von Chávez' Cousin, Asdrúbal Chávez, gesteuert, der als Chef der Personalabteilung ins Unternehmen geholt worden war; heute leitet er maßgeblich den Vertrieb und ist damit für die Milliardeneinnahmen des Unternehmens direkt verantwortlich. Und Chávez' älterer Bruder, Adán Chávez, überwacht die subventionierten Erdölgeschäfte mit dem befreundeten Kuba, wo er zuvor als Botschafter war. Und auch das Militär hat seinen Emissär bei PdVSA. Die neu geschaffene Geschäftseinheit für die Durchführung sozialer Programme, "Palmaven" genannt, untersteht dem General Dester Rodríguez.

Indexanleihe wurde nicht bedient

Die fehlende Managementkompetenz ist derweil unübersehbar. Im Januar vergangenen Jahres versäumte es der durchaus zahlungsfähige Konzern, eine Indexanleihe zu bedienen. Standard & Poor's setzte das Kreditrating des Konzerns vorübergehend auf "Selective Default". Der Jahresbericht für 2004 konnte nur mit zweijähriger Verspätung fertiggestellt werden. Und der Jahresabschluss für 2005 ist nur in Form einer Zusammenfassung vorgelegt worden.

Chávez greift derweil ungehindert in die Kasse des Unternehmens. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres hat PdVSA 8,3 Mrd. $ für die Missionsprogramme abgeführt. Im vergangenen Jahr waren es offiziell 6,9 Mrd. $. Die tatsächlichen Entnahmen sind vermutlich wesentlich höher. Die Ratingagentur Fitch schätzt, dass PdVSA allein 2005 insgesamt 27,4 Mrd. $ an den Staat abgeführt hat. Das entspricht rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder über zwei Drittel des Staatshaushalts.

Das alles geht an die Substanz. Chávez-Gegner schätzen, dass sich die tägliche Förderkapazität von PdVSA in der nun fast achtjährigen Amtszeit des Präsidenten fast halbiert hat - von 3,3 Millionen Barrel (je 159 Liter) im Jahr 1999 auf 1,5 Millionen Barrel 2006. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass private Unternehmen und PdVSA zusammen derzeit rund 2,5 Millionen Barrel am Tag fördern.

Venezuela füllt Förderquote nicht aus

PdVSA beharrt auf einer Gesamtfördermenge von 3,3 Millionen Barrel und einer eigenen Produktion von 2,3 Millionen Barrel. Sicher ist jedenfalls: Schon heute kann Venezuela die von der Opec zugebilligte Förderquote von 3,5 Millionen Barrel pro Tag nicht ausfüllen. Damit entgehen dem Land im Jahr mindestens 3,5 Mrd. $.

Und mit der Förderkapazität könnte es in den nächsten Jahren rapide bergab gehen. "Die Erdölfelder in Venezuela müssen so sorgsam wie ein Baby behandelt werden", sagt Quirós. Die Geografie etwa erfordert, dass durch Gas- und Wassereinschießungen der Druck in den Feldern auf einem bestimmten Niveau gehalten wird. Wird hier und bei anderen Wartungsarbeiten geschlampt, sinkt die mögliche Fördermenge um rund ein Viertel jährlich. Die für die Erhaltung des Förderpotenzials notwendigen Investitionen liegen laut Branchenschätzungen bei 5 Mrd. $ jährlich.

"Die Wahrheit ist, dass die Industrie unter der jetzigen Regierung um Jahre zurückgeworfen worden ist", moniert Quirós. "Unsere Fördermenge könnte schon heute weit über den fünf Millionen liegen."

Bei PdVSA lässt man sich nicht beirren. Für die vielen Explosionen und anderen Unfälle gab Erdölminister und PdVSA-Chef Ramírez jüngst eine einfache Erklärung: "Das sind größtenteils Sabotageakte des amerikanischen Geheimdiensts."

© Financial Times Deutschland

Faschistische Propaganda

Olga 02.12.2006 - 15:06
Der FInancial TImes Deutschland Artikel ist pure faschistische Propaganda voller Lügen und Ungenauigkeiten....
Und natürlich behaupten alle Interviewten reden natürlich schlecht von PDVSA da sie ja alle ehemalige leitende Angestellte des Konzerns sind und nicht zugeben können, dass sie den Konzern heruntergewirtschaftet haben und er nun gut läuft!

PDVSA hat mehrere internationale Preise gewonnen und in den vergangenen 8 Jahren mehr in Modernisierung investiert als in den 20 Jahren zuvor. Unter anderem in neue Raffinerien. So wurde vor zwei Jahren mit der Produktion von bleifreiem Benzin begonnen und dieses auch flächendeckend in Venezuela eingeführt.

Und die Rechnung PDVSA gebe 20% der Einnahmen an den Staat ab und das sei schlimm, das kann auch nur irgendwelchen Ultraausbeutern einfallen. Ölkonzerne arbeiten mit den größten Gewinnmargen weltweit. Da ist es überhaupt kein Problem 20% abzuführen. Die Frage ist an wen... und in Venezuela ist es eben nicht an Manager und Aktionäre... sondern über Sozialprogramme an die Bevölkerung. Das Rating für PDVSA auf Finanzmärkten sowie für die Anleihen ist relativ gut, nur ein Punkt wird negativ gesehen: dass es sich um einen Staatsbetrieb handelt.

Noch verlogener übrigens diese Woche der Artikel in der Zeit zu Venezuela da wird sogar noch dreister gelogen: z.B. wird behauptet die Inflation sei unter Chávez auf 15% gestiegen! Abgesehen davon, dass sie sich zwischen 10 und 12 % befindet, lag sie in den 90er Jahren, vor Chávez Wahl, bei bis zu 100%. Von 100% auf 15% gestiegen?
Ich würde der Schmierenjournalistin von der Zeit empfehlen einige der Bildungsmissionen in Venezuela zu absolvieren. Ebenso den Putschistentreuen Faschisten und Kapitalbütteln der Financial Times DEutschland.

Inflation und Wirtschaftswachstum

Kyneast 03.12.2006 - 16:40
Die gegenwärtig u.a. in der Zeit und bei Spiegel online verbreitete Behauptung, die Inflation sei unter Chavez gestiegen, ist eine offensichtliche Lüge:
Die Inflation betrug zwischen 1990 und 2001 43%, 2003 noch 31 und 2004 noch 19,2%. Dagegen sind die 15,5% Inflation heute für venezolanische Verhältnisse sagenhaft niedrig.

Damit ist dem "Linkspopulisten" Chavez dabei etwas gelungen, was Neoliberale durch das Wirtschaftswachstum abwürgende Zinssenkungen und Sparmaßnahmen erreichen zu können glauben - eine sinkende Inflation und dabei auch noch ein steigendes Wirtschaftswachstum.
So betrug zwischen 1990 und 2001 das Wachstum des BIPs in Ven. durchschnittlich 1,1% (Zahlen des Fischer Weltalmanachs), 2004-2006 dagegen im Schnitt 11,7%, also rund das zehnfache.

Wachstum, von dem endlich auch die breiten, verarmten Bevölkerungsschichten profitieren, etwa durch die milliardenschweren Sozial-, Bildungs- und Ernährungsprogramme der Regierung - die Superreichen und Großkonzerne die vorher ausschließlich profitierten dafür natürlich nicht mehr, was auch der Grund für die Medienkampagnen gegen Chavez in den westlichen Leitmedien ist, schließlich werden diese "objektiven" Journalisten und Redakteure ebenfalls von Großkonzernen und Superreichen bezahlt. (mehr dazu auch in meinem Blog:  http://ein-polit.blog.de)