Bochum: Pfefferspray am Global Action Day

Augenzeugin 01.12.2006 14:12 Themen: Bildung Freiräume Repression
Im Rahmen des “Global Action Day for Education” haben sich am Donnerstag etwa 100 Studierende in der Bochumer Innenstadt getroffen, um dort im öffentlichen Raum mit einer “Reclaim the Streets”-Party für freie Bildung und ein gerechtes Gesellschaftssystem einzustehen. Die Party wurde ohne Vorwarnung und brutal von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen. Drei Studierende wurden festgenommen. Die Polizeigewalt fand statt, ohne dass die Polizei vorher die Versammlung für aufgelöst erklärt hat.
Nachdem die Studierenden ab etwa 15 Uhr friedlich und bunt in der Innenstadt auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht haben, kam es gegen 16 Uhr zu einem brutalen Polizeiangriff auf die feiernden Studierenden. Ohne Vorwarnung hat die anrückende Polizei Studierende aus kurzer Entfernung mit Pfefferspray verletzt. Mehrere bei der Aktion Anwesende wurden brutal zu Boden geworfen, ohne dass ein Grund zu erkennen war. Die Polizei hat drei Studierende aus der Menge herausgegriffen und festgenommen.

Die Vorwürfe: Eine verhaftete Person soll einen Menschen innerhalb der Party aus einer PET-Wasserflasche mit Wasser bespritzt haben. Im Nachhinein hat sich der angeblich mit Wasser Bespritzte als Zivilpolizist herausgestellt. Die beschuldigte Person wurde völlig ohne Vorwarnung von zwei Beamten in Zivil angegriffen und gegen harte Gegenstände geschlagen, ohne, dass sie während der Gewalt feststellen konnte, dass die Täter zivile Polizeibeamten waren. Sie haben sich weder ausgewiesen noch gesagt, dass sie von der Polizei sind.

Einer anderen Person wird vorgeworfen, sie habe einen Silvesterknaller auf die Straße geworfen. Beinde Festgenommenen wurden bis in den Abend festgehalten und erkennungsdienstlich behandelt - angesichts der lapidaren Tatvorwürfe stellt sich das für viele BeobachterInnen als reine Schikane dar.

Eine dritte Person wurde festgenommen und stundenlang auf der Polizeiwache festgehalten, ohne dass ihr ein Tatvorwurf genannt worden ist. Hier muss also von einer völlig willkürlichen Verhaftung ausgegangen werden, zu der noch nicht einmal ein Grund konstruiert werden konnte.

All diese Übergriffe erfolgten, ohne dass die Polizei zuvor versucht hat, die Demonstration aufzulösen oder dass die TeilnehmerInnen aufgefordert wurden, die Demonstration zu verlassen.

Die an den Übergriffen beteiligten PolizistInnen haben sich außerdem geweigert, ihre Namen oder ihre Dienstnummern anzugeben. Die von der Gewalt Betroffenen haben inzwischen eine Anwältin eingeschaltet und behalten sich rechtliche Schritte vor.

Zu den den Polizeiübergriffen gegen die “Reclaim-the-Street-Party” erklärte der AStA der Ruhr-Uni: “Der AStA der Ruhr-Uni verurteilt das nicht nachvollziehbare und brutale Vorgehen der Polizei gegen die feiernden Studierenden. Ein solches Verhalten staatlicher Organe kann in keinem Fall akzeptiert werden.” Um über die Vorfälle in der Innenstadt aufzuklären und der Presse das Gespräch mit AugenzeugInnen und Opfern der Polizeigewalt zu ermöglichen, hat der AStA der Ruhr-Uni zu einem Pressegespräch eingeladen.
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Ergänzungen

Zivilbulle

mein name 01.12.2006 - 15:33
Zivilbulle mit den schönen Haaren, der ständig versuchte zu provozieren

Zivilbulle II

mein name 01.12.2006 - 15:38
Wegen eines solchen Bildes wurde veruscht den Fotographen herauszugreifen, was aber dank der Solidaritaet und gegenseitigen Zuhilfekommens unter den Partygäste nicht gelang

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... 01.12.2006 - 16:05
Auf dem einen Bild sieht man ja ganz gut, wie der Psychopat jemanden mit Pfefferspray bedrogt. Zumindest die Identitifzierung dürfte jetzt leicht fallen und mit genügend Zeugen sollte nicht davor gezögert werden, ihn und andere Schläger anzuzeigen.

Die Polizei verdreht mal wieder

Ergänzer 01.12.2006 - 16:05
Anbei kommt die Polizei-Erklärung zum krassen Übergriff auf die RTS-Party mit Kommentierungen eines Augenzeugen.

"Bochum (ots) - Am gestrigen Donnerstag, gegen 15.20 Uhr,
versammelte sich eine Gruppe von 30 - 50 Personen vor dem
Hauptbahnhof Bochum, um dort eine nicht angemeldete Demonstration
durchzuführen. Nachdem die Teilnehmer einige Transparente ausgerollt,
Megafondurchsagen gemacht und Handzettel zum Thema "global action
day" verteilt hatten, setzten sie sich in Richtung Innenstadt in
Bewegung."

Übereinstimmend erklären die Beteiligten und AugenzeugInnen, dass es auf der "Reclaim the Streets"-Party kein einziges Megafon gab, dafür aber eine Menge Studierende, die zum Teil verkleidet (Weihnachtsmann-Mützen, Bunte Perrücken etc.) in guter Laune im öffentlichen Raum gefeiert haben.

"Hierbei benutzten sie die Straße, so dass der
Fahrzeugverkehr teilweise zum Erliegen kam. Einige von ihnen trugen
Masken und sprangen gezielt vor Autos, um diese zu stoppen.
Anschließend zog die Demonstration in Richtung Innenstadt. Im
Bereich der Fußgängerzone brannten einige Teilnehmer pyrotechnische
Gegenstände ab, die sie auch in die Menschenmenge warfen."

Von allen anwesenden wurde lediglich das knallen eines einzigen kleineren Silvesterknallers gehört, der offensichtlich auf einen freien Ort der Straße gelegt worden ist. Von "einigen Teilnehmern", die pyrotschnische Gegenstände" abgebrannt und sogar "in eine Menschenmenge geworfen" haben, hat niemand etwas mitbekommen.

"Ein erkannter Täter entzog sich der Feststellung seiner Identität. Bei
seiner anschließenden Festnahme leistete er Widerstand. Da andere
Versammlungsteilnehmer androhten, den Festgenommenen zu befreien,
setzten die eingesetzten Polizeibeamten Pfefferspray ein. Hierdurch
erlitten zwei Polizisten leichte Verletzungen, die ambulant behandelt
werden mussten."

Dass sich zwei Polizisten gegenseitig mit dem Pfefferspray außer Gefecht gesetzt haben, zeigt, wie massiv und wahllos die Beamtem mit dem Reizgas in die Menge gesprüht haben. Die von dem ungerechtfertigten Reizgas-Angriff verletzten Studierenden werden natürlich nicht erwähnt.

"Nach Beendigung der Versammlung durch den Versammlungsleiter drängte
eine ca. zehnköpfige Gruppe in ein Geschäft in der Fußgängerzone und
verursachte dort tumultartige Zustände. Die Personen konnten ohne
weitere Zwischenfälle des Ladens verwiesen werden.Nachdem die
Versammlung durch die Polizei nochmals aufgelöst worden
war, entfernten sich die Teilnehmer in unterschiedliche Richtungen."

Wichtig: Bevor die RTS-Party von der Polizei brutal angegriffen worden ist, wurde die Versammlung NICHT aufgelöst. Es gab keine Platzverweise, keine Aufforderungen, den Ort zu verlassen.

"Vor dem Landgericht Bochum kam es bei der Abwanderung einer
Teilgruppe zu einem Flaschenwurf in Richtung der anwesenden
Polizeibeamten."

Anwesende Augenzeugen berichten, dass die Polizei vor Ort nicht von einem "Flaschenwurf" gesprochen hat, vielmehr war der Tatvorwurf vor Ort noch, dass ein Zivil-Polizist in der Menge mit Wasser aus einer Plastik-Wasserflasche bespritzt worden wäre.

"Bei der anschließenden Festnahme des Täters wurde
eine Beamtin durch Widerstandshandlungen an der Hand verletzt. Sie
blieb zunächst dienstfähig, wird sich aber selbständig in ärztliche
Behandlung begeben."

Die des Wasserspritzens beschuldigte Person ist selbst deutlich schlimmer Verletzt worden: Sie hat neben blauen Flecken eine Verletzung am Oberschenkel davon getragen, die wohl ärztlich behandelt werden muss, und die noch im Moment starke Schmerzen verursacht. Die Betroffene wurde von zwei ZivilpolizistInnen brutal überwältigt, in ein Ladenlokal gedrängt und gegen ein Regal geschlagen, wobei sie sich zu keinem Zeitpunkt als PolizistInnen zu erkennen gegeben haben. Für Außenstehende sah das Geschehen aus wie der Prügelangriff zweier Schläger gegen eine wesentlich kleinere und schwächere Person.

"Letztendlich fanden sich ca. 30 Personen (vermutlich ehemalige
Versammlungsteilnehmer) kurzfristig vor dem Gebäude der
Polizeiinspektion Mitte ein, um dort auf die Entlassung der beiden
festgenommenen Personen zu warten. Bis auf die Tatsache, dass sie auf
den Fassaden des Präsidiums mit Kreide diverse Schriftzüge und
Parolen hinterließen, blieb es friedlich und ohne weitere
Zwischenfälle. Die Polizei fertigte in Zusammenhang mit der als Spontanversammlung
gewerteten Demonstration mehrere Strafanzeigen u.a. wegen Verstößen
gegen das Versammlungsgesetz, gegen das Sprengstoffgesetz, wegen
Körperverletzung und Widerstandes. Die weiteren Ermittlungen in
diesem Fall dauern an.


ots Originaltext: Polizei Bochum
Digitale Pressemappe:
 http://www.polizeipresse.de/p_story.htx?firmaid=11530"

Also: ALles im allem nette Polizei-Prosa, die die Tatsachen verschiebt.

Fotos und Berichte

fubstudent 01.12.2006 - 17:25
Fotos und eine Zusammenfassung der Ereignisse gibts unter:
 http://protestkomitee.de/index.php?option=com_content&task=view&id=421&Itemid=2

Nicht vergessen: der nächste (bundesweite) Aktiontag gegen Studiengebühren findet am 26. Januar (Jahrestag BFG-Urteil) statt!

Augenzeugen und Opfer berichten.

Solala 01.12.2006 - 19:44
Auf dem regionalen Internet-Portal bo-alternativ gibt es weitere interessante Einzelheiten zur RTS-Party und zu den Polizeiangriffen zu lesen. Im dritten Link wird eine der Verletzten interviewt.

--->  http://www.bo-alternativ.de/2006/11/30/polizeigewalt-gegen-studentische-party/

--->  http://www.bo-alternativ.de/2006/11/30/asta-der-ruhr-uni-verurteilt-das-nicht-nachvollziehbare-und-brutale-vorgehen-derpolizei/

--->  http://www.bo-alternativ.de/2006/12/01/polizeigewalt-mit-folgen/

Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet

Presseschau 02.12.2006 - 01:48
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtet in ihrem Lokalteil ausführlich über den Polizeieinsatz und kommentiert das Geschehen im Lokalteil. Lesenswert! Die WAZ ist die mit Abstand auflagenstärkste Zeitung der Region.

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BOCHUM
Polizei sprengt Studentenparty


"Gute-Laune"-Auftritt in der City mit Nikolausmützen, Luftballons und Musik aus dem Kinderwagen eskaliert zum handfesten Tumult: Schubsen, fesseln, Pfefferspray, Verletzungen, Festnahmen


Was als "Gute-Laune-Party" von Studierenden in der Innenstadt begann, endete am Donnerstag durch einen Polizeieinsatz übel: Mit Handfesseln, körperlicher Gewalt und Pfefferspray waren die Beamten, wie Fotos belegen, gegen die teils mit Nikolausmützen kostümierten Studis vorgegangen und hatten drei von ihnen festgenommen. Am Tag danach spricht der AstA der Ruhr-Universität von einem "brutalen Polizeiangriff auf feiernde Studenten."
Auf verschiedenen Internetseiten war auf die bunte Party hingewiesen worden. So trafen sich einige Dutzend Studierende vor dem Hauptbahnhof, ein Kinderwagen war mit Luftballons geschmückt, einige hatten karnevalsähnliche Masken mit dem Antlitz des Rektors dabei.. Aus einem Ghettoblaster erklang Musik. So mischte man sich unter die Besucher des Weihnachtsmarktes. Einige verteilten Flyer, die auf eine Aktion für bessere Bildung hinwiesen.

Doch die Party war nach Einschätzung der Polizei eine nicht genehmigte Demonstration. So blieben sie den Studenten, die durch die City spazierten, auf den Fersen. Als auf dem Husemannplatz laut Rolf van Raden, 2004 noch AStA-Vorsitzender der Ruhr-Uni, ein "harmloser Silvesterknaller vom Büdchen" losging, hätten die Beamten zugegriffen, dem Werfer "die Arme verdreht, in den Würgegriff genommen, ihn zu Boden geworfen". Er wurde festgenommen.

Im Gedränge setzten Beamte Pfefferspray ein, nahmen einen weiteren Studenten fest, laut Zeugen, um seine Personalien festzustellen. Eine Studentin, aus deren Plastikwasserflasche ein Zivilpolizist Spritzer auf die Haare abbekam, so van Raden, wurde von Zivilbeamten bis in einen Shop an der Kortumstraße verfolgt: Das werde von der Polizei als Flaschenwurf dargestellt, "als tätlicher Angriff mit einer PET-Wasserflasche."

Die Studentin: "Es kam eine Frau auf mich zu. Für mich war nicht erkennbar, dass sie eine Polizistin war. Sie war in Zivil. Ich wurde in ein Warenträgerregal gestoßen. Erst als ich gefesselt wurde, war mir klar, dass das Polizisten waren." Sie sei am Bein verletzt, habe ihr Handy verloren.

Im Präsidium habe sie sich Sprüche anhören müssen. "Beim Betrachten meines Personalausweises sagte einer: ,Ach, Sie waren ja mal richtig hübsch´ und ,Sowas von ner kleinen Süßen, mit Brille und lustig gefärbten Haaren.´" In der Zelle sei zwar eine Toilette gewesen, aber videoüberwacht. Die Studentin: "Die gucken einem beim Pinkeln zu."
Nach Polizeidarstellung wurden "pyrotechnische Gegenstände" abgebrannt, Leute mit Masken seien vor Autos gesprungen, um diese zu stoppen. Ein "erkannter Täter" habe bei der Festnahme Widerstand geleistet. Polizisten hätten mit Pfefferspray zwei Kollegen verletzt, eine Gruppe habe für Tumult in einem Geschäft gesorgt. Alle drei Festgenommenen wurden Stunden später entlassen, zwei nach erkennungsdienstlicher Behandlung. Der Dritte sei von einem Polizeibeamten entlastet worden, heißt es. Das Präsidium sei am Abend, als Studenten die Freilassung ihrer Kommilitonen forderten, mit Kreide beschmiert worden.

Kommentar 2. Lokalseite
01.12.2006 Fotos: WAZ
Von Rolf Hartmann








Polizeieinsatz

KOMMENTAR Nach bisheriger Darstellung war der Polizei, als sie am Donnerstag gegen die "Studentenparty" in der Innenstadt zu Felde zog, die Sache offenbar aus dem Ruder gelaufen.

Das fing schon damit an, dass man die Party als "ungenehmigte Demonstration" gewertet hatte. Eine Einschätzung, die nach dem Versammlungsgesetz ein Handeln der Polizei an sich rechtfertigt. Man hätte das allerdings auch heiterer und gelassener sehen und die Party als Party akzeptieren können.

Stattdessen eskalierte durch den Polizeieinsatz ein leicht karnevalistisch angehauchtes Treffen zu einem Tumult, in dessen Verlauf Polizisten sich gegenseitig verletzten und einige Partygänger gefesselt abgeführt wurden. Dass einige Studenten Flyer mit dem Aufruf für eine bessere Bildung verteilt haben, wird hoffentlich nicht jeder als strafverschärfend sehen.

Derlei Partys sind im übrigen nicht ungewöhnlich. In Bochum wurden ähnliche Events mal als "Springen im Dreieck" bekannt. Der Polizei war derlei also bekannt, man war damit vertraut.
Insofern hätte die Polizei das bunte und offensichtlich harmlose Treiben mit mehr Augenmaß betrachten müssen. Stattdessen dieser fürchterliche Eifer.

01.12.2006 Von Rolf Hartmann