Nachbetrachtung zum Race War Prozess

Frank Seibold 25.11.2006 18:11 Themen: Antifa
Wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung und diverser Propagandadelikte wurden die vier Bandmitglieder der Neonaziband „Race War“ am Mittwoch zu Bewährungsstrafen zwischen 17 und 23 Monaten verurteilt. Zu den Texten der Band wurde in der bürgerlichen Presse bereits einiges geschrieben, deshalb soll es an dieser Stelle in erster Linie um die bemerkenswerten Umstände des Prozesses gehen.
Es war eine weitere groteske Justizposse, die sich Anfang dieser Woche im Saal 4 des Stuttgarter Landgerichts abspielte. Schon vor Verhandlungsbeginn liess das Gericht erkennen, dass es eine kritische Öffentlichkeit bei ihrer Art „Rechtssprechung“ geradezu als störend empfindet. Im Namen der Nazis und des Anwalts Nahrath wurde Journalisten untersagt die Angeklagten zu filmen oder zu fotografieren. Einem Fotografen wurde zeitweise sogar die Kamera abgenommen und manche Prozessbesucher nach ihrem Namen gefragt. Die Verwunderung über diese Vorgänge hält sich allerdings in Grenzen. Schließlich hat das LG Stuttgart in der Vergangenheit durch die juristische Verfolgung von Menschen, die es richtig finden ihre antifaschistische Gesinnung durch durchgestrichene Hakenkreuze auszudrücken, inzwischen zu bundesweiter Bekanntheit gebracht.

Die Bandmitglieder erzählten zunächst brav von ihren Familienverhältnissen, ihnen wurde dafür in den Mund gelegt, dass sie doch ach so viele Schulden hätten und wie gut sie sich mit ihren Eltern verstehen würden. Dass die Gründung einer Band zum Ziel der Glorifizierung des Nationalsozialismus lediglich als jugendliche Dummheit dargestellt werden sollte, zeichnete sich hier bereits ab. Ein kritisches Hinterfragen der Angaben der Angeklagten fand praktisch nicht statt. Spätestens an diesem Punkt wurde offensichtlich, dass in diesem Verfahren von allen Seiten mit rekordverdächtiger Geschwindigkeit auf einen faulen Deal hingearbeitet würde.

Nach den Angaben der Angeklagten zu ihren persönlichen Verhältnissen wurde eine Pause angekündigt. In dieser wollten sich Anklage, Verteidigung und Gericht über eine Abkürzung des Verfahrens verständigen. Wie einwandfrei diese „Verständigung“ funktionierte, wurde am Nachmittag deutlich. Nach der lapidaren Ankündigung, dass die Angeklagten am nächsten Morgen die Vorwürfe einräumen und im Gegenzug mit Bewährungsstrafen nach Hause gehen würden, wurde die Verhandlung geschlossen.

Am zweiten Verhandlungstag machten die Race War-Mitglieder selbst oder durch ihre Anwälte Angaben zu den Vorwürfen. Geradezu rührselig klang die Erklärung, die der ehemalige „Frontmann“ Max H. von seinem Anwalt Wolfram Nahrath verlesen ließ. Zitat: “Mit der Lebensphase Race War habe ich endgültig abgeschlossen. Meine Eltern stehen hinter mir, obwohl ich ihnen viel Kummer gemacht habe. Das soll nie wieder geschehen.“ Dies darf mit Recht bezweifelt werden, denn ein Mensch, der sich glaubhaft von seinen rechtsextremen Wurzeln lösen will, würde sich wohl kaum von einer Figur wie Wolfram Nahrath verteidigen lassen. Der Berliner Anwalt ist in der Neonaziszene einer der beliebtesten Strafverteidiger seitdem es ihm gelang, einige Strafmilderungen oder gar Freisprüche für rechte Schläger und Funktionäre zu erreichen. In der neofaschistischen „Wiking Jugend“, einer Jugendorganisation nach Vorbild der Hitler Jugend, organisierte er u.a. die Schulung von Jugendlichen zu Neonazi-Kadern und fungierte bis zum Verbot 1994 auch als letzter Vorsitzender der Organisation. Aber auch heute ist er in mehreren rechtsextremen Vereinigungen wie z.B. der NPD oder der „Berliner Kulturgemeinschaft Preußen“ aktiv.
Davon abgesehen sind Hirsch und sein Elternhaus die personifizierte Gegenthese zu der Behauptung Rechtsextreme seien „Bildungsverlierer aus der Unterschicht“: Der Vater ist Lehrer, die Mutter Sozialpädagogin und auch der Filius studierte mehrere Semester an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd….
H. war übrigens als einziger der vier Möchtegern-Herrenmenschen bei der Bundeswehr, die anderen leisteten brav ihren Zivildienst ab und betreuten beispielsweise Behinderte bei der „Lebenshilfe“. Dies stand für sie offenbar nicht im Widerspruch zur Beteiligung an einem Bandprojekt, dessen Ziel laut Anklage die Propagierung der Vertreibung „nicht-arischer“ Personen und die Wiedererrichtung nationalsozialistischer Strukturen war.

Im Wesentlichen wurden von allen vieren die Tatvorwürfe gestanden, diese waren u.a.: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, öffentliches Aufrufen zu Straftaten, Verbreiten verfassungsfeindlicher Propagandamittel, Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole (alles gemeinschaftlich).
Ansonsten beteuerten sie niemals Geld für ihre Konzerte und die veröffentlichten CDs bekommen zu haben und auch selbst keine CDs vertrieben zu haben. Lediglich Getränke, Fahrtkosten und „schlechtes Essen“ hätten sie als Gage erhalten. Auch auf die Covergestaltung der Tonträger– teilweise waren Hakenkreuze, SS-Runen und Hitlerportraits abgebildet- hätten sie keinerlei Einfluss gehabt. Am Vertrieb der CDs wollen die Vier natürlich ebenfalls keinen Anteil gehabt haben...
Im Klartext hieße dies, eine Band fährt extra in ein Tonstudio nach Belgien um dort eine CD einzuspielen. Dann schickt sie die Aufnahmen zu einem konspirativ organisierten Label namens „Micetrap“ in den USA. Alles weitere wird von diesem Label organisiert und die Musiker sehen keinen müden Cent von dem Erlös der CDs. Sehr glaubhaft klingt dies nicht, das Gericht hatte mit dieser Darstellung allerdings keine Probleme.

Distanzieren wollten sich die Angeklagten allenfalls vom Bandprojekt und der „Szene“, jedoch nicht von der nationalsozialistischen Ideologie. Die Auflösung der Band geschah folgerichtig auch nur aufgrund des Verfolgungsdrucks: In einem früheren Verfahren im Jahr 2003 wurden die Instrumente der Band eingezogen und Auftritte konnten nur noch unter höchst konspirativen Bedingungen, vor allem im Elsaß, durchgeführt werden.
An dieser Stelle hätte eine kritisch nachfragende Anklage die Rechtsrocker leicht in die Bredouille bringen können. Nicht so Staatsanwalt Milionis, der kaum Fragen an die Angeklagten hatte.

Diese wirkten dementsprechend entspannt und zufrieden mit dem juristischen Kuhhandel. Bleibt abzuwarten ob ihnen das Lachen demnächst vergehen wird, wenn sie in Zukunft bei rechten Aktionen erkannt werden und sie ihre Strafen vielleicht doch noch absitzen dürfen. Der Rückzug in die beschaulich-ländliche Anonymität sollte ihnen hoffentlich nicht mehr so leicht gelingen.


Kurze Angaben zu den Angeklagten

Max H. (23), Sänger und Texter, wohnt bei seinen Eltern in Schwäbisch Gmünd und studiert an der Fachhochschule in Aalen.
Bei ihm wurden diverse CDs sichergestellt, außerdem Race War und „Blood and Honour“-Shirts.

Gerhard M. (24), Bassist, steuerte zu einigen Songs die Texte bei und stellte den Übungskeller. Miller wohnt momentan in einer WG in Schwäbisch Gmünd und besucht eine Meisterschule für Werkzeugmechaniker.
Vor der Gründung von Race War spielte er bei der (rechten?) Metalband „Nordic Rage“, heute in einer angeblich unpolitischen Band, deren Namen er nicht öffentlich nennen will... In der Verhandlung gab er zu an Schulungen der JN teilgenommen zu haben.

Björn A. (22), Gitarrist, wohnt bei seinen Eltern in Schwäbisch Gmünd und ist als Sozialversicherungsfachangestellter bei einem Versicherungsbüro tätig. Ansonsten ist er damit beschäftigt die Raten für seinen rot-metallic lackierten Mercedes C-Klasse abzuzahlen.
Bei ihm wurde Schulungsmaterial der JN sichergestellt, will aber kein Mitglied gewesen sein, sondern habe „da nur Bekannte“ gehabt.

Sven Roland S. (25), Schlagzeuger, wohnt mit Freundin und Kindern in Schorndorf-Miedelsbach.
Spielte früher mit Miller bei „Nordic Rage“ und zurzeit bei einer nach seinen Angaben unpolitischen „Heavy Metal Band“.

Personen, die die Band unterstützten

Isabell Pohl, Erfurt
Aktivistin der „freien Kameradschaftsszene“ und Ex-Freundin von Hirsch, hat nach dem ersten Prozess gegen die Band im Jahr 2003 eine Solikonto für Race War eröffnet.
Mehr Infos:  http://de.wikipedia.org/wiki/Isabell_Pohl

Martin Josef S.
War am Vertrieb von Race War CDs beteiligt.



Weitere Infos:

Artikel über Race War bei wikipedia:
 http://de.wikipedia.org/wiki/Race_War

Artikel des SWR und der Stuttgarter Zeitung zum Prozess: www.infoladenludwigsburg.de.am

Informationen zu Wolfram Nahrath:
 http://aw.antifa.de/archiv/aw_texte_17.6.2006_nahrath-demo.html
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Ergänzungen

Nazi Versteher Klaus Farin zum Thema

egal 26.11.2006 - 04:35
CORSO GESPRÄCH: Klaus Farin zum Thema Rechts-Rockmusik
Sendezeit: 22.11.2006 15:39
Autor: Jahn, Thekla
Programm: Deutschlandfunk
Sendung: Corso
Länge: 08:22 Minuten
 http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2006/11/22/dlf_200611221539.mp3

sein Projekt
 http://www.jugendkulturen.de/

Neonazis in, Neonazi-Forscher out
Klaus Farin ist ein angesehener Wissenschaftler. Aber jetzt hat er eine Studie vorgestellt, derzufolge die rechte Szene unter Ost-Jugendlichen nicht mehr angesagt ist. Andere Forscher zerpflücken die Ergebnisse. Ebenso wie Kollegen aus seinem Institut
VON DANIEL SCHULZ
 http://www.taz.de/pt/2005/12/21/a0083.1/text

Redaktionsblog | Macht | 21.12.2005 20:00
(12 Kommentare)
Rechte Szene doch nicht out?
von caroline-vonlowtzow
 http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/210260

Trocknet Hiphop die rechte Szene aus?
Eine neue Jugendstudie belegt: wo Vielfalt von Subkulturen besteht, haben es Rechtsextremisten angeblich schwer.
Zusammengestellt von Holger Kulick
 http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=11&kat=11&artikelid=1900

haGalil zum Urteil

...... 26.11.2006 - 06:55
A http://www.hagalil.com/01/de/Antisemitismus.php?itemid=180uch bei haGalil-onLine gibt es einen analytischen Bericht zum Urteil:##

Wolfram Nahrath: Anwalt der Rechten Szene

egal 27.11.2006 - 10:05

race war wieder aktiv

monsieur x 11.04.2008 - 17:27
zu "wenn sie in Zukunft bei rechten Aktionen erkannt werden und sie ihre Strafen vielleicht doch noch absitzen dürfen.":

race war traten im märz 2008 bei einem neonazi-konzert in italien auf:  http://de.indymedia.org/2008/04/212994.shtml

Max Hirsch - Sänger - weiter Aktiv

Hasta La Vista 12.08.2009 - 16:41
Als Stimme des Blutes auf Balladen des Nationalen Widerstandes Teil 6 vertreten:

Aktuelle Bilder:

 http://img13.imageshack.us/i/maxhirsch.jpg/
 http://img142.imageshack.us/i/maxhirschitalien08.jpg/

zu Hasta La Vista - Bild zeigt anderen Nazi

Bildgucker 05.10.2010 - 16:32
zu Hasta La Vista am 12.08.2009

das Bild unter dem Link  http://img13.imageshack.us/i/maxhirsch.jpg/ zeigt nicht Max Hirsch, Sänger der Neonazi-Band Race War. Ob es sich hier um ein anderes Bandmitglied oder einen anderen Max Hirsch handelt ist mir unbekannt. Zweifelsfrei ist es natürlich auch ein Nazi, wie man an dem Blood & Honour-Aufdruck sehen kann.