Attila the Stockbroker im Schokoladen

Wladek Flakin 22.11.2006 18:13 Themen: Kultur
Attila the Stockbroker? Wer ist das überhaupt? "Na, das ist wie eine britische Version von [dem Berliner Akkordeon-Punkrock-Liedermacher] Quetschenpaua." Eine bessere Beschreibung fiel jungen Antifas nicht ein, als es um "Attila the Stockbroker" und seine Band "The Barnstormers" ging, die am Samstag im Schokoladen in Berlin-Mitte auftraten.
Und siehe, direkt von der Bühne steht tatsächlich Quetschenpaua. Was er selbst von dem Vergleich hält? "Na, der hat doch gar kein Akkordeon!"

Musikalisch sind sich beide gar nicht ähnlich. Aber Attila benutzt dem Punkrock noch weniger passende Instrumente als Akkordeons: Geigen und altmodische Flauten. Ein paar mittelalterlich klingende Rock-Hymnen – "Chamber Punk" oder "Renaissance-Core" nennt man das – gehören genauso wie Punkgeschrei über "Blood for Oil" zum Programm.

Zum Beispiel "The Diggers Song", ein Lied der Aufständischen während der englischen Revolution im Jahre 1649. Was Quetschenpaua und Attila verbindet sind die ebenso leidenschaftlichen wie linksradikalen Texte – sich selbst treu gebliebene Punker aus einer vergangenen Ära.

Attila the Stockbroker steht für proletarischen Punk, wie es ihn in der BRD kaum gibt oder gab. Das bezeugen nicht nur der Bierbauch, die Jeans, die Anekdoten über den Fußballclub von Brighton (oder auch über St. Pauli). Mehrmals während des Auftritts gibt es lange Ausführungen über die Höhepunkte des britischen Klassenkampfes, etwa den Bergarbeiterstreik 1985-86 oder die Riots gegen die geplante Kopfsteuer 1990.

Attilas T-Shirt macht klar: "I still hate Thatcher." Mehr noch: Er wartet gespannt auf den Tod der mittlerweile 83jährigen Halbgöttin der britischen Konservativen. "Am Samstag nach Thatchers Tod gibt es eine große Party in Trafalgar Square!" kündigt er auch in Berlin an. Er spielt sogar das Lied, das eigentlich erst dort Weltpremiere haben soll: "Maggie: 0 – Maggots:1". Konnte man Thatcher nicht direkt besiegen (sie musste nach den Riots zurücktreten, aber an ihre Stelle trat nur Tony Blair), so darf man sich mindestens über die Vorstellung freuen, wie ihr Körper von Maden zerfressen wird.

Berühmt wurde Atilla hierzulande mit dem Lied "This Is Free Europe" über die rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda, das letztes Jahr auf der Anti-NPD-CD "Aufmucken gegen Rechts" wieder unter Jugendlichen populär gemacht wurde.

Die Einflüsse von The Clash - ihrer Musik und ihrer sozialistischen Einstellung - gibt Attila gern zu. Aber im Gegensatz den meisten britischen Punklegenden spricht er fließend Deutsch. Damals Mitglied der Communist Party of Great Britain, tourte Attila mehrmals durch die Deutsche Demokratische Republik, auch durch Jugoslawien und Albanien. Dabei ging er nicht auf die Parteischule, sondern der Autodidakt lernte die Sprache mit einem Wörterbuch; in Diskussionen mit Punks und "Leuten, die in der DDR ziemlich unterdrückt wurden" wie er gegenüber Revo erklärt.

Er freute sich, mal wieder in Ostberlin zu sein. "Leider nicht mehr Hauptstadt der DDR" sagt er, als ob die 100 anwesenden BerlinerInnen anderer Meinung sein könnten. Nach wie vor ein überzeugter Sozialist, kann er nicht begreifen, dass ein System "wegen ein paar Bananen und Pornos" weggeworfen wurde. Verzweifelt fragt er in dem Lied, das er für die ostdeutsche Arbeiterklasse während der Wende schrieb: "Habt ihr Stalin rausgeworfen, damit das Geld das Sagen hat?"

Leider scheinen die besten Punker aus vergangenen Zeiten zu stammen –Quetschenpaua aus den Häuserkämpfen Westberlins, Attila aus den Klassenkämpfen Englands –, die nur noch als Erinnerungen übrig bleiben. Dabei springen viele ehemaligen GenossInnen ab.

Für sie hat Attila extra "The Song for the Defeated" geschrieben: "I never thought you'd swallow all their lies..."

Ob Quetschenpaua das auch so singen könnte? Für ihn bringen solche Entwicklungen "eher Selbstzweifel" hervor. Vielleicht kann er in zehn Jahren, wenn er so alt ist wie Attila, auch verachtend mit den "Besiegten" abrechnen.

Währenddessen stopfen sich weiterhin Jugendliche in kleine Kneipen und Hausprojekte, um Quetschenpaua und Attila the Stockbroker zu hören – um das Feeling vergangener Kämpfe zu erleben. Es bleibt nur zu hoffen, dass aus neuen Kämpfen wieder solche Musiker hervorkommen. Denn die Liedermacher aus den 80er, so talentiert sie auch sind, können nicht ewig weiterleben!

weiterführende Links:
 http://de.wikipedia.org/wiki/Attila_the_Stockbroker
 http://www.attilathestockbroker.com/
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Ergänzungen

Schöner Artikel

vielen Dank dafür! 23.11.2006 - 00:32
Keine inhaltliche Ergänzung

attila- war da noch was

attrac 24.11.2006 - 00:40
ich frage mich, warum so ein bericht auf der startseite von indy steht.
1. attila tourt schon jahre durch deutschland, er hat schon in den 90ern in vielen kleinen städten gespielt
2. er hat durchaus einen namem und eine eigenständigkeit
3. was soll der vergleich mit yok quetschenpaua, warum nicht klaus der geiger oder rantanplam oder guts pie earshot oder oder oder
4. wie stehts mit der kritik der antideutschen an attila

dennoch: attila ist sehenswert, hörenswert, ganz klar, yok auch, aber die beiden sind doch ganz anders und wer da jetzt hingeht und von attila q-damm´s börnin verlangt, der /die hat den artikel nur so falsch verstehen können.

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ich kanns mir nicht verkneifen... — ist doch banane

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