"Volkstrauertag" in Berlin-Neukölln/Bericht

Der kleine Vampir 21.11.2006 18:13 Themen: Antifa Militarismus
Wie jedes Jahr versammelten sich etwa 100 bis 200 Altnazis, Burschenschafter, Militärgedenkvereine, Bundeswehrmitglieder und Neonazis am ehemaligen Neuen Garnisonsfriedhof am Columbiadann in Berlin-Neukölln, um den gefallenen deutschen Soldaten zu gedenken. Ihr Gedenken wurde dieses Jahr durch eine Gegenkundgebung mit ca. 70 bis 80 Leuten beeinträchtigt. So "schön" ruhig wie die letzten Jahre läuft es nicht mehr.
Etwa ab 10 Uhr am Sonntag, den 19.11., tröpfelten langsam Kleingruppen von Teilnehmern der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof. Verschiedentlich wurden Kränze an einzelnen Gedenksteinen und Gräbern abgeworfen, bevor sich um 11 Uhr zur zentralen Gedenkveranstaltung vor der Trauerhalle versammelt wurde. Nach den Angaben der Polizei wurde die Veranstaltung dieses Jahr vom Ring deutscher Soldatenvereine (RdS) organsiert, die taz nennt als Organisator Armin Brenker, stellvertretender Landesvorsitzender des "Verbands der Reservisten der deutschen Bundeswehr". Unter den Teilnehmenden waren eine größere Anzahl Bundeswehrmitglieder, verschiedene Militärgedenkvereine, der "Deutsche Stahlhelm", verschiedene Burschenschaften, einige Abgesandte der Aliierten und Abordnungen von NPD, DVU und parteiungebundenen Rechtsradikalen. Dazu gehörten u.a. Jörg Hähnel, NPD-Aktivist der mittlerwile in der Lichtenberger BVV sitzt, Sascha Kari aus Neukölln, dort schon lange in der Neonazi-Szene aktiv, und Sigmar-Peter Schmidt, brandenburgischer DVU-Abgeordneter. An ihnen schien sich wie die letzten Jahre niemand zu stören.

Eine Neuerung waren dieses Jahr die Einlasskontrollen, ein Erfolg der Gegenkundgebung. Ab einer gewissen Uhrzeit mußte jede Person, die auf den Friedhof wollte oder sich dort aufhielt, eine Einladung vorzeigen. Jede ? Nicht jede Person. Während einige Besucher, in denen die Polizei kritische BeobacherInnen oder GegendemonstrantInnen vermutete, flugs des Friedhofs verwiesen wurden, konnten NPD und DVU an der Gedenkveranstaltung teilnehmen, obwohl sie angeblich nicht eingeladen worden waren.
Durch die Einlasskontrollen und die überall anwesende Polizei, sowie einige Militärangehörige die wachend durch die Gegend streiften oder das Friedhofsumfeld beobachteten, wurde die Existenz der Protestkundgebung und das Vorhandensein einer Opposition gegen das zynische und geschichtsrelativiernde Gedenken den Teilnehmer permanent wahrnehmbar gemacht und schien ärgerlich debattiertes Thma unter den Kameraden gewesen zu sein.

Dabei hatte die Polizei schon vorher durch skandalöse Auflagen die Gegenkundgebung auf einen Platz verwiesen, der weder dazu geneigt war, eine kritische Öffentlichkeit herzustellen, noch die Gedenkenden mit dem Protest zu konfrontieren, außer wenn sie sich gerade einen der Parkplätze gegenüber der Kundgebung suchen mußten. Gerade im Lichte des "staatlichen Antifaschismus", der u.a. nach den rechten Übergriffen am 9.11. wieder bedingt en vogue ist, zeigt sich hier die klare Positionierung der Berliner Polizei zugunsten der vesammtelten Nationalisten, Militaristen und Neonazis. Nicht zum ersten Mal. Von Anfang an konnte sich die Polizei nicht zurückhalten die TeilnehmerInnen der Gegenkundgebung verbal und körperlich anzugehen. Schon auf dem Hinweg wurden Einzelpersonen und Kleingruppen, die sich der Kundgebung auf der anscheinend falschen Seite näherten, von den Polizisten, zwar wenige, aber dafür um so engagierter, beleidigt und teilweise mit Gewalt auf die andere Straßenseite verfrachtet. Ähnlich erging es der kurzzeitig vor dem Friedhofstor agierenden Clownarmy. Als sich gegen Ende der Kundgebung einige Leute mit Transpi auf der Straße Richtung Friedhof bewegten, rasteten die schon völlig überspannten Polizisten völlig aus und griffen die Leute mit CS-Gas und teilweise gezeilten Tritten auf Kopf und Rücken an. Zwei Personen, denen die Polizei anscheinend vorwarf, verantwortlich für den kleinen Ausbruchversuch gewesen zu sein, wurden brutal festgenommen und nach Tempelhof verschleppt.
So ein Scheiss-Verhalten wird auf jeden Fall nicht vergessen werden !

In einer fast komödiantischen Einlage zeigten einige Beamte noch ihre zweifelhafte Eignung für andere Aufgaben als das Prügeln und Beleidigen, als sie heftige Mühe hatten, ein kleines Feuer zu löschen, das plötzlich am Rande der Kundgebung aufflackerte. Überfordert von den technischen Möglichkeiten eines Feuerlöschers wurde es mit dem Tonfa angegriffen und schließlich heldenhaft ausgetreten. Abgesehen von diesem kleinen Spaß war die Gegenkundgebung für die etwa 70 bis 80 Leute, die taz schätzt immerhin 150, keine allzu fröhliche Veranstaltung. Uhrzeit, Temperaturen, Auflagen und die Polizei machten vehementeren Protest nicht immer ganz einfach, aber er flackerte regelmäßig auf, sobald eine Gruppe kostümierter Soldaten näher kam.

Dennoch war die Kundgebung ein Erfolg, da ein ungestörtes Gedenken wie die letzten Jahre nicht mehr möglich war und sich längerfristig einige der an der Gedenkveranstaltung beteiligten Gruppen, v.a. die Bundeswehr, ihre Teilnahme gut überlegen müssen.

So see you there, next year.
Columbiadamm rocken !

Mehr Infos:
 http://www.germany.indymedia.org/2006/11/162223.shtml
 http://ua.x-berg.de/pdf/UAZ2.pdf
 http://ua.x-berg.de/pdf/UAZ3.pdf
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Ergänzungen

Fotos der Kundgebung

Nixzahler 22.11.2006 - 15:08
Ein paar Bilder gibt es unter:
 http://de.indymedia.org/2006/11/162586.shtml

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